NEWS

Cirrus Aircraft rät vom bleifreien Avgas G100UL ab

Meldungen über Lackschäden und Lecks durch das bleifreie Avgas G100UL beunruhigen die Szene. Jetzt hat sich Cirrus gegen eine Nutzung ausgesprochen.

Von Thomas Borchert
Am Flugplatz Reid-Hillview erfolgt die G100UL-Betankung vom Lkw.
Am Flugplatz Reid-Hillview erfolgt die G100UL-Betankung vom Lkw. Bild: GAMI

Erst seit wenigen Monaten wird das bleifreie Avgas G100UL an einigen Flugplätzen in Kalifornien zum Verkauf angeboten. Jetzt hat Cirrus in einem Service Advisory klargestellt, dass es die Verwendung von G100UL nicht genehmige. Man sei zu der Ansicht gekommen, dass der Treibstoff, der an einer Cirrus SR22 aus einem Leck austrat, Flugzeugkomponenten beschädigt habe und Probleme mit der Lufttüchtigkeit von Flugzeugen verursachen könnte.

In verschiedenen Online-Foren häufen sich Berichte von Nutzern, die über Lackschäden, Lecks und gequollene Dichtungen nach Verwendung von G100UL klagen. Allerdings sind die Zusammenhänge nur schwer nachvollziehbar, zudem gibt es Dutzende Nutzer, die keine Probleme berichten.

GAMI widerspricht Problemen mit G100UL bei Cirrus

So widerspricht auch George Braly vom G100UL-Entwickler GAMI der Aussage, dass sein Treibstoff solche Schäden verursache. Cirrus habe selbst bereits vor zehn Jahren einen ausführlichen Test der Materialverträglichkeit ohne Probleme durchgeführt und dieses Ergebnis formell an die US-Luftfahrtbehörde berichtet.

Das Service Advisory von Cirrus, in dem die Nutzung von G100UL in den Flugzeugen des Herstellers als „nicht genehmigt“ klassifiziert wird, folgte nur wenige Tage auf die Untersuchung einer SR22 in Kalifornien. Cirrus-Mitarbeiter hatten die Maschine inspiziert, die Lackschäden rund um das Drain-Ventil aufwies. „Wir arbeiten mit einem Eigner zusammen, der seit November 2024 G100UL nutzt und seitdem Lack- und Dichtungsschäden sowie Sprit-Lecks beobachtet“, erklärte Cirrus. Die Firma bestätigte die früheren positiven Testergebnisse, hat nun aber offenbar bei aktuellen Untersuchungen andere Resultate erzielt. „Wir haben spezifische Sorgen bezüglich der Materialverträglichkeit. Labortest in Zusammenarbeit mit der FAA und Erfahrungen im Betrieb von Flugzeugen haben ergeben, dass Dichtungen unter dem Kontakt mit G100UL leiden, was zu Schäden an Flugzeugkomponenten geführt hat und die Lufttüchtigkeit beeinträchtigen kann.“

GAMI-Chefingenieur George Braly erklärte, er habe die Cirrus persönlich inspiziert und sei überzeugt, dass „die Beeinträchtigung des Lacks mit einem Wartungsthema zusammenhängt und kein Flugsicherheitsproblem darstellt.“

Die Auseinandersetzung folgt auf eine Reihe von Youtube-Videos, in denen ein US-amerikanischer Flugzeugmechaniker angeblich schwere Lack- und Dichtungsschäden an Bauteilen zeigt, die G100UL ausgesetzt worden sein sollen. Die schon seit Jahren alles andere als reibungslos verlaufende Einführung des bleifreien Avgases G100UL wird nun durch die potenziellen Schäden erneut erschwert. Flugzeugbesitzer, die G100UL tanken wollen, müssen dazu vom Entwicklet GAMI eine Ergänzende Musterzulassung erwerben. Neben G100UL ist Swift 100R das einzige weitere bleifreie Avgas mit 100 Oktan, das mit einer Ergänzenden Musterzulassung am Markt verfügbar ist. 100R beruht nach Aussage von Swift auf einer grundsätzlich anderen chemischen Zusammensetzung ohne potenziell aggressive Lösungsmittel. 100R hat vorerst eine begrenzte Zulassung für den Lycoming IO-360 in Cessna 172R und S.

LESEN SIE AUCH
bleifreies Avgas G100UL
Podcasts

Die Zukunft von Avgas: bleifrei? CO2-neutral?

Über den Autor
Thomas Borchert

Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.

Schlagwörter
  • G100UL
  • GAMI
  • Avgas
  • bleifreies Benzin
  • Cirrus Aircraft