Warbird: F4U-4 Corsair
Selten gibt es einen Flugzeuglebenslauf mit dermaßen mächtigen Höhen und Tiefen wie bei der Corsair von Jim Tobul. Zweimal wurde sie wieder aufgebaut, das letzte Mal, nachdem sein Vater damit verunglückt war
Die leuchtenden dunkelblauen Flügel, gen Himmel weisend wie zwei betende Hände, entfalten sich und schwenken nach unten in ihre Verriegelung. Da erwacht der 2130 PS starke Pratt & Whitney R-2800-18W wie Donnergrollen bei einem Sommergewitter. Grauer Öldunst pufft unter der tonnenförmigen Flugzeugschnauze hervor. Der gigantische Vierblatt-Propeller wirbelt eine Abgaswolke ums Cockpit, bevor sie hinter dem Leitwerk verschwindet. Durch den Rauch hindurch erkenne ich, wie der Pilot seine Hand lässig über die Schiene der geöffneten Kanzel hängen lässt. Er trägt Fliegerhandschuhe, und seine Fingerkuppen tätscheln das Namensschild unterhalb des Cockpitrands: „Jim Tobul/Joe Tobul“.
„Ich war an einem Scheideweg meines Lebens, damals im November 2002“, erzählt Jim Tobul aus Bamberg, South Carolina. „Unsere Familie hat diese F4U-4 Corsair seit 1981 besessen, und mein Vater Joe und ich haben sie zehn Jahre lang restauriert. Mein Vater hat mir so viel erzählt – durch ihn habe ich eine Leidenschaft für diese alten Warbirds entwickelt. Er war mein Lehrmeister und mein bester Freund. Am 10. November 2002 verlor ich beide: meinen Vater und die Corsair. Ich hatte keine Ahnung, wohin mich die nächste Reise mit diesem Flugzeug führen würde.“
Die Geschichte der Corsair
Als die U.S. Navy daran gegangen war, ihre Doppeldecker-Flotte auszumustern, die technologisch auf dem Stand der zwanziger Jahre war, suchte sie im Febraur 1938 nach einem neuen Abfang- und Highspeed-Jäger für große Höhen. Chance Voughts Antwort war die einsitzige Corsair.
Von Anfang an glich das Flugzeug keinem anderen Jäger seiner Zeit. Am meisten sticht das Knickflügel-Design hervor, der „inverted gull wing“.
Hauptgrund für diese Auslegung war der große Propeller mit vier Metern Durchmesser, den der achtzehnzylindrige Doppelreihen-Sternmotor antrieb. Bei Chance Vought wussten sie: Wenn wir einen normalen Flügel mit einfacher V-Stellung nehmen, brauchen wir ein langes Storchenbein-Fahrwerk, damit dem Prop Bodenfreiheit bekommt. Aber lange Beine sind instabil oder schwer oder beides. Wenn der Innenflügel jedoch eine negative V-Stellung hat, bis zu dem Punkt, wo das Fahrwerk ansetzt, dann reichen Standardbeine. Man entschied sich, sie nach hinten einzufahren und dabei um 90 Grad zu drehen, damit sie bündig im Flügel verschwinden. Voll abgedeckt, versteht sich.
Von vornherein war klar, dass die Corsair hauptsächlich auf Decks von Flugzeugträgern stehen würde. Um dabei Platz zu sparen, erhielt sie faltbare Flügel. So können zahlreichen Maschinen eng beisammen aufgereiht werden. Aufgrund der hohen Nachfrage nach dem Muster im Zweiten Weltkrieg ging Chance Vought Kooperationen mit den Flugzeugbauern Goodyear und Brewster ein, sodass zwischen 1940 und ’52 mehr als 12 500 Exemplare verschiedener Modelle entstanden. Damit ist die Corsair der am längsten gefertigte US-Jäger der Geschichte.
Eine ganz bestimmte Corsair, im August 1945 als F4U-4 gebaut und mit der Seriennummer 97143 versehen, hat den Einsatz im Zweiten Weltkrieg knapp verpasst. Aber das holte sie im Koreakrieg mehr als nach, hinzu kamen „kleinere Geplänkel“ in Zentralamerika, bevor sie von einem Vater und seinem Sohn 1981 erlöst wurde.
Im Koreakrieg flog die spätere Tobul-Corsair von Beginn an Gefechtseinsätze. Von Juni bis Oktober 1951 war sie mit dem Kampfgeschwader VF-884 auf dem Flugzeugträger USS Boxer stationiert, zwischen Dezember ’51 und Juli ’52 gehörte sie auf der USS Valley Forge zum VF-653. Ihr Geschwader-Wappen enthielt ein schwarzweiß kariertes Band als Symbol für die beiden Siege bei den Cleveland Air Races durch Kapitänleutnant Cook Cleland. Der Geschwader-Kommandant flog diese Corsair auch bei ihren mehr als 200 Kampfeinsätzen.
Selbst nach ihrer Navy-Zeit, die im Juli 1956 endete, waren ihre Kriegstage nicht vorbei. „Eine historische Besonderheit dieses Exemplars“, sagt Jim Tobul, „war ihr Einsatz während des so genannten „Soccer War“ zwischen Honduras und El Salvador im Juli 1969. Auch wenn dieser Luftkrieg weniger als eine Woche dauerte, so war es doch das letzte Mal, dass Jäger aus dem Zweiten Weltkrieg gegeneinander antraten. P-51 Mustang und Corsair von El Salvador kämpften damals gegen honduranische Corsair. Unser Exemplar war in den frühen sechziger Jahren an Honduras verkauft und als FAH-613 registriert worden. Ich bin überzeugt, dass sie nur deshalb überlebt hat, weil sie als Ersatzteillager für die anderen honduranischen Corsair diente.“
Die Corsair findet ihren Weg zu Joe Tobul
Bis 1977 gammelte die Maschine im Dschungel vor sich hin, dann wurde sie von einem Airline-Piloten geborgen. Ein weiterer Eigentümer verkaufte sie 1981 an Joe Tobul. Die alten Apparate aus dem Koreakrieg waren ihm nicht fremd, in den frühen Fünfzigern hatte er die F3D Skynight im Marine-Angriffsgeschwader VMF-231 „Ace of Spades“ geflogen. „Mein Dad hatte ein Faible für Warbirds“, erinnert sich Jim. Er liebte es, sie zu fliegen, aber ebenso, an ihnen zu schrauben.“ Wenn Jim in den frühen achtziger Jahren nicht gerade mit der Familien-eigenen SNJ Texan Löcher in den Himmel bohrte, vom Vater instruiert, restaurierte er an dessen Seite die F4U-4. Zehn Jahre arbeiteten sie an ihrem „Korean War Hero“, im Dezember 1991 schlossen sie das Corsair-Projekt ab.
Jahrelang zeigten die beiden ihre Corsair bei Airshows im ganzen Land so vielen Leuten wie möglich. „Genau das tat mein Vater auch bei seinem letzten Flug“, sagt Jim. „Er teilte die Freude an der Maschine mit Kriegsversehrten in Columbia, South Carolina. Bei seinem Überflug am Veteranentag 2002 begleitete ich ihn mit der SNJ, als er über Funk durchgab, dass er Motorprobleme hätte. Doch es gab kaum Optionen zum Landen – das Gelände unter ihm war bebaut. Im letzten Moment kurvte Dad von den Häusern weg und setzte die Corsair so sanft es ging in Bäume. Doch er hat es nicht überlebt.“
Jim Tobul entscheidet sich dazu die Corsair wieder aufzubauen
Bei Jim Tobul sah es lange nicht danach aus, dass die Zeit Wunden heilt. Sechs Jahre glich sein Heilungsprozess einer Achterbahn der Gefühle, bis er im Jahr 2008 entschied, die Corsair wieder aufzubauen. Sein Ziel war es, so viele Originalteile wie möglich zu verwenden und sie mit Teilen zu ergänzen, die er über die Jahre gesammelt hatte.
Zunächst nahm er sich das Flügelmittelteil vor, an dem er sich Stück für Stück voranarbeitete. So wie die Sache lief, rechnete er damit, dass er acht bis zehn Jahre sorgfältigster Arbeit investieren musste – acht bis zehn Jahre. Doch darüber zerbrach er sich nicht groß den Kopf, bis ihn eines Tages, nach ungefähr eineinhalb Jahren, Bill Klaers anrief, ein Freund der Familie. Dessen Firma WestPac restaurierte Warbirds in Colorado Springs. „Bill erinnerte mich daran, dass es zehn Jahre oder noch länger dauern würde, die Corsair fertigzustellen“, erzählt Jim, „und noch bevor ich seine Einschätzung bestätigen konnte, traf es mich wie ein Ziegelstein, als er sagte: ›Dann bist Du 60 oder noch älter.‹ Das saß. Anfang 2009 übergab ich Bill das Projekt.“
Mindestens einmal im Monat reiste Jim nach Colorado, um sich die Hände schmutzig zu machen und die Knöchel blutig zu scheuern. Dabei ging es ihm wie den meisten Restaurierern oder Selbstbauern in der Frühphase – die Zeit scheint stillzustehen: „Wenn du so viel Arbeit reinsteckst, erwartest du, dass du einen Fortschritt sieht. Aber ich kannte das ja schon, und so wusste ich, dass man ganz methodisch vorgehen muss, ein winziger Schritt nach dem anderen, bis irgendwann etwas zu sehen ist. Jeder Schritt für sich genommen ist ein kleiner Meilenstein, aber erst wenn du das Leitwerk am Rumpf montierst oder die Tragfläche und das Fahrwerk, erst dann merkst du, dass sich alles gelohnt hat.“
Wie Bill Klaers und seine WestPac-Mannschaft versprochen hatten, wurde die Corsair innerhalb von zwei Jahren fertig. Jim entschied sich für das Original-Farbschema, das sein Vater zwanzig Jahre zuvor gewählt hatte. Mit einem Unterschied: Neben seinen Namen ließ er den des Vaters setzen. „Mein Vater wird immer bei mir sein“, weiß Jim, „auch beim Jungfernflug.“
Die Corsair fliegt wieder
Anfang März 2011 wurde „Korean War Hero“ ins Freie gerollt. Jim hatte die letzten dreieinhalb Tage damit verbracht, jeden Bolzen, jede Mutter und Unterlegscheibe und jeden Sicherungsdraht zu kontrollieren, von der Schnauze bis zum Heck, von einem Flügel-ende zum anderen. Jetzt meldete sich der große Sternmotor mit „Piffs und Paffs“ zu Wort.
„Mit Vollgas starten? Das Drehmoment würde dich glatt auf den Rücken werfen“
Jim Tobul, Corsair-Besitzer
Jim erhöhte die Drehzahl auf 2000 rpm, um prüfen zu können, ob der Öldruck und die Temperaturen stimmten. Mit allen Werten im grünen Bereich und den Landeklappen auf 20 Grad war er bereit zum Start. „Du kannst dieses Flugzeug nicht mit Vollgas starten“, erklärt der Pilot, „das Drehmoment des Motors würde dich glatt auf den Rücken werfen. Ich setze 45 bis 50 inches Ladedruck, doch selbst dann werde ich in den Sitz gedrückt. Die Corsair beschleunigt sehr schnell, und wenn das Heck hochkommt, heben die Haupträder wenig später ab. Man muss sich beeilen mit dem Einziehen des Fahrwerks – die Maximalspeed mit heraushängenden Räder ist schnell überschritten. Sobald die Klappen drin sind, reduziere ich die Drehzahl auf 2400 rpm und steige mit zirka 120 Knoten.“
„Jedes Mal, wenn ich sie fliege, muss ich an jene denken, die ihre Füße auf dieselben Pedale gesetzt haben“
Jim Tobul, Corsair-Besitzer
Wenn Jim mit seinen Füßen die Pedale bewegt, muss er immer an all jene denken, die vor ihm diese Maschine geflogen haben, ob im Kampfeinsatz, bei der Ausbildung oder einfach nur zum Spaß: „Ich empfinde große Demut, dass ich meine Füße auf dieselben Pedale stellen kann. Es gibt einen Punkt beim Fliegen der Corsair, wenn alles vollkommen harmoniert, da fühlst du dich, als ob du ein Teil der Maschine bist. Darin besteht die besondere Freude, diesen Schatz zu fliegen. Obwohl der Weg bis dorthin von Traurigkeit und Ungewissheit gezeichnet war, hat mich die Erinnerung an meinen Vater ans Ziel geführt. Ich weiß, dass er mich bei jedem Flug begleitet, direkt neben meinen Flügeln.“
Text: Jim Busha, Fotos: Grady Lisk fliegermagazin 7/2012
- 12,50 m
- 29,18 m2
- 10,20 m
- 4,50 m
- 4174 kg
- 6654 kg
- 2021 l
- Pratt & Whitney R-2800-18W/2130 PS
- Hamilton Standard, 4-Blatt, Metall, verstellbar, 4,01 m
- 3870 ft/min
- 41500 ft
- 602 NM
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- US-Navy
- Kampfflugzeug
- Joe Tobul
- Klappflügel
- Vater & Sohn Projekt