Volles Programm: Die Breitling-Flotte
Oldies, Kunstflug, Wingwalking, Jets – wenn Uhrenhersteller Breitling mit seinen Maschinen auftaucht, herrscht Spektakel am Himmel. Am ausgefallensten sind die Vorführungen von Jetman Yves Rossy
Ein Hochsommertag 2012. Gespannt sitze ich am Fenster einer DC-3, mit der wir in 3500 Fuß über dem Flugplatz Buochs unterwegs sind. Unter uns liegt die beeindruckende Landschaft des Vierwaldstättersees. Das sonore Brummen der Sternmotoren erinnert an eine längst vergangene Epoche der Luftfahrt; unsere Maschine wurde 1940 gebaut. Doch ganz im Gegensatz zum Retro-Feeling an Bord wird es gleich um eine futuristisch wirkende Spielart der Fliegerei gehen, ein Hybrid aus Mensch und Maschine: den Jetman. Yves Rossy soll mit seinem Huckepack-Flügel neben der DC-3 erscheinen und den Journalisten an Bord eine Kostprobe seines Könnens liefern. Der Extremsportler und leidenschaftliche Crossover-Pilot ist der Star dieser Veranstaltung. Eingeladen hat der traditionsreiche Schweizer Uhrenhersteller Breitling, der unter anderem Rossy und die DC-3 sponsert, in der wir sitzen.
Als wäre ein Flug mit der legendären Douglas-Twin nicht Erlebnis genug, soll die eingeladene Presse mit dieser Doppeldarbietung etwas ganz Besonderes erleben: Nur so kann man den Jetman über längere Zeit aus der Nähe beobachten. Vom Boden aus geht das nicht, denn Rossy startet aus einem Luftfahrzeug und landet per Fallschirm. Der spektakuläre Part dazwischen, der eigentliche Flug, findet immer in großer Entfernung zum Publikum statt – oder man sieht den Jetman zwar aus der Nähe, aber nur für einen kurzen Moment, etwa wenn man auf einem Berg steht, an dem er vorbeirast. Heute startet der Schweizer von einem Hubschrauber aus 6000 Fuß MSL, rund 4500 Fuß über Buochs. Dabei zündet der ehemalige Militärpilot seine Turbinen noch vor dem Absprung. Erst wenn alle vier im Leerlauf gleichmäßig funktionieren, lässt sich Rossy vom Heli fallen. Anschließend bringt er seinen Flügel in eine stabile Fluglage und gibt Gas.
Wettbewerbskunstflug? Hier geht’s nicht um Punkte, sondern um PR
Jetzt erzeugen die JetCat P200 jeweils bis zu 22 Kilopond Schub. So wird aus dem Freifall ein Flug – zunächst mit hoher Sinkrate, dann aber, wenn der Pilot will, sogar mit Höhengewinn. So spektakulär diese Art des Fliegens ist, so ungewöhlich ist die Art der Steuerung: Es gibt keine Ruder, Rossy lenkt direkt mit seinem Körper – so ähnlich wie ein Fallschirmspringer im freien Fall. Mit der rechten Hand bedient er lediglich einen Schubregulator, der an die Finger geklettet ist. So geht’s bei Geschwindigkeiten zwischen 180 und 300 km/h mit Beschleunigungen bis drei g dahin. Der Körper als Flugzeugteil, das Flugzeug als Körperteil – erst diese Einheit ergibt beim Jetman eine flugfähige Konfiguration. Das erinnert an Rocketeer, doch dem gelang diese fantastische Art des Fliegens nur im (gleichnamigen) Film.
Rossys Absprung vom Heli, die Stabilisierung und Steuerung in der Flugphase, die Landung am Fallschirm – all das addiert sich zu einem nicht ganz ungefährliches Unterfangen, das dem 53-Jährigen höchste Konzentration abverlangt. Doch wo bleibt er bloß? Schon länger als geplant ziehen wir unsere Schleifen, und vom Jetman fehlt jede Spur am Himmel. Zur Überbrückung schickt Breitling Nigel Lamb hoch, den achtfachen britischen Kunstflugmeister, der zuletzt durch die Red Bull Air Races bekannt geworden ist. Mit seiner MX2 fliegt Lamb neben uns einige Figuren – auch nicht gerade unspektakulär! Und wann sieht man schon mal Akro aus einem Begleitflugzeug? Aus dem Cockpit unserer DC-3 erfahren wir, dass eine von Rossys vier Mini-Turbinen beim Anlassen nicht zündet. Aber es gibt Plan B: einen zweiten baugleichen Flügel. Der Absetzheli muss noch mal landen, um das Ersatzgerät aufzunehmen.
Wird der Start im zweiten Anlauf klappen? Tatsächlich: Da ist er! Blitzartig nähert sich der Jetman mit angelegten Armen von hinten. Dann verlangsamt er und bleibt neben der linken Tragfläche der DC-3. Rossy fliegt erstaunlich präzise; erhöht er den Schub, hinterlassen die Triebwerke zwei gebündelte Abgasstrahlen. Scheinbar spielerisch wechselt er von der einen Seite unseres Flugzeugs zur anderen. Sieben Minuten dauert das Spektakel, dann dreht der Jetman ab, zieht seinen Fallschirm und landet in Buochs. Über den Ärmelkanal und den Grand Canyon ist er auch schon geflogen, doch gerade eben hat er seine Show zum ersten Mal einem Publikum geboten, dessen Tribüne mitgeflogen ist. Wie könnte man seine Verbundenheit mit der Luftfahrt besser zeigen als durch sensationelle Flugvorführungen? Bei Breitling reicht die Luftfahrttradition bis ins Jahr 1930 zurück.
Damals erweiterte die 1884 gegründete Firma ihre Kollektion um Cockpit-Chronografen, die zunächst in der zivilen Fliegerei als navigatorische Hilfsmittel fungierten. Später zogen Luftstreitkräfte nach. So rüstete die Royal Air Force in den vierziger Jahren ihre Jäger mit Breitling-Chronografen aus. 1952 kam dann der Armbandchronograf Navitimer raus; sein kreisförmiger Rechenschieber ermöglicht aviatische Kalkulationen. Zehn Jahre später trug Scott Carpenter einen Navitimer im Weltall, als er mit einer Mercury-Kapsel die Erde umkreiste, als zweiter Amerikaner nach John Glenn. Heute ist das Sponsoring von spektakulären Luftfahrtdarbietungen für Breitling das zentrale PR-Instrument. Als Flaggschiff der Marke mit dem geflügelten B-Initial gilt die Lockheed L-1049 Super Constellation, eines von nur noch drei flugfähigen Exemplaren weltweit.
Breitling-Motto: „Effizienz, Zuvorkommenheit und Professionalität“
Mit ihrer Delfin-artigen Schnauze, dem Dreifach-Seitenleitwerk und den vier Sternmotoren ist die Super Connie eine Ikone der Passagierluftfahrt. Als einer der letzten großen Airliner mit Kolbenmotoren verkörpert sie die Spitze der Entwicklung dieser Antriebstechnik. Vier Wright R-3350, jeder mit 18 Zylindern in zwei Reihen, entwickeln dank eines dreistufigen Abgasturboladers zusammen 13 000 PS. Bis zu 109 Passagiere fanden in der Kabine Platz. Die von Breitling gesponserte N73544 wurde allerdings als C-121C an die US-Luftwaffe ausgeliefert. Das war 1955. Erst ab 1994 flog sie zivil. 2004 kam sie aus den USA nach Europa, jetzt als Eigentum der schweizerischen Super Constellation Flyers Association (SCFA), die das Flugzeug am EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg betreibt.
Breitling unterstützt das Projekt, um auf diese Weise zur Erhaltung der fliegenden Legende beizutragen – als Verein wäre die SCFA allein nicht in der Lage, die enormen Betriebs- und Unterhaltskosten zu stemmen. Die Douglas DC-3, aus der wir Yves Rossy beobachtet haben, kann auf eine noch längere Geschichte zurückblicken. Sie wurde 1940 für American Airlines gebaut, fünf Jahre nachdem das Muster seinen Erstflug hatte. Es war die Zeit, als Breitling Zivil- und Militärflugzeuge mit seinen ersten Bordchronografen ausrüstete. Vor ihrem Einsatz als Versorgungsflugzeug während der Berliner Luftbrücke war die DC-3 eine der wichtigsten Passagiermaschinen der dreißiger Jahre. Fast jede amerikanische und europäische Fluggesellschaft betrieb das Muster.
Im Laufe ihrer langen Geschichte spielten die DC-3 und ihre militärische Version C-47 Skytrain auch eine Rolle als Frachtmaschine, Truppentransporter, Sanitäts- und Schleppflugzeug. Die HB-IRJ in den Farben von Breitling gehört ebenfalls den Super Constellation Flyers und ist in Genf zu Hause. Mittlerweile hat sie 75 000 Flugstunden auf dem Flügel – was man ihr nicht ansieht. In ihrer perfekt eingerichteten Kabine kann sie bis zu 30 Passagiere mitnehmen. Richtig Action kommt auf, wenn eines der drei Verbandsflug-Teams, die Breitling unterstützt, seine Show zeigt: die Wingwalkers, die Breitling Angels und das Jet Team. Ganz im Stil der Barnstormer-Ära zwischen den beiden Weltkriegen turnen die Akrobatinnen Danielle Hughes, Freya Paterson, Sarah Tanner und Stella Guilding auf vier Boeing Stearman herum, gesteuert von Männern.
Wenn die 450 PS starken Doppeldecker ihre Kapriolen drehen, treten Beschleunigungen bis vier g auf. Zu den Figuren zählen Loops, Rollen, Stall Turns und Rückenflug – synchron. Die Briten, deren Historie als AeroSuperBatics-Team 27 Jahre zurückreicht, zählen nicht nur in Europa, sondern auch auf anderen Kontinenten zu den Zugpferden jeder Airshow, die sie bucht. Reinrassiger Kunstflug ist was anderes, klar. Aber dafür gibt’s ja „hausintern“ die Breitling Angels. Dieses ebenfalls in Großbritannien stationierte Akro-Team zeigt seine Künste auf Pitts S2-A, einem zweisitzigen Doppeldecker, der von den Angels einsitzig betrieben wird. Seit 1971 zugelassen ist die S2-A mit ihrem 200-PS-Motor heute zwar nur noch in der Intermediate-Klasse konkurrenzfähig, doch um Wettbewerbspunkte geht’s weder den Angels noch ihrem Sponsor. Was zählt, ist der optische Eindruck, Präzision und Spektakularität.
Wenn die 450 PS starken Doppeldecker ihre Kapriolen drehen, treten Beschleunigungen bis vier G auf
Das Jet Team dürfte in dieser Hinsicht unübertroffen sein. Die sieben L-39 C Albatros aus tschechoslowakischer Fertigung bilden die weltweit größte zivile Akro-Staffel, die Strahlflugzeuge einsetzt. Ein achtes Exemplar dient als Fotomaschine und für Passagierflüge. Ihr perfekt einstudiertes Ballett zelebrieren die französischen Piloten mit bis zu 380 Knoten, dabei sind die Einstrahler oft kaum drei Meter voneinander entfernt. Einige der Teammitglieder sind früher in der Patrouille de France geflogen, auch ihr Leader Jacques Bothelin. Die Homebase der Staffel ist Dijon. Rund 50-mal tritt sie pro Jahr weltweit auf. Da wundert es nicht, dass rund ein Dutzend Personen vollzeit für das Breitling Jet Team arbeiten. Das Muster Aero L-39 bildet übrigens bei den Reno Air Races eine eigene Klasse. Auch diese Veranstaltung sponsert der Uhrenhersteller.
Schweiz, England, Frankreich, USA – einen Breitling-Hangar mit eigener Flotte wie bei Red Bull in Salzburg gibt es nicht. Die Teams haben verschiedene Standorte in mehreren Ländern und werden entweder direkt von Veranstaltern eingeladen, oder das Aviation Department von Breitling in Grenchen versucht, Veranstaltern „seine“ Akteure zu vermitteln. Priorität für den Sponsor haben dabei natürlich Events in Ländern, wo erhöhte Präsenz eine Verbesserung der Marktposition verspricht. Der Schweizer Uhrenhersteller sammelt also keine Flugzeuge, sondern brandet die Maschinen anderer. Weniger attraktiv sind die Vorführungen dadurch nicht.
Text: Jan Harlfinger; Fotos: Breitling, Urs Flüeler, Monika Griesbeck, Katsuhiko Tokunaga; fliegermagazin 4/2013
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