Ultraleicht Pilot Report: Sunny Light von Airkraft – Sonnenkraftwerk
Skurril, leicht, günstig – die Sunny hat sich schon immer vom UL-Mainstream unter-schieden. Die neueste Version kommt aus der Schweiz
ULs – das sind doch kleine Hochleistungsflugzeuge mit wenig Zuladung und einfachen Vorschriften, in der Leistung so manchen richtigen Flugzeugen überlegen und achtzig- bis hunderttausend Euro teuer – eine typische Einschätzung von Kennern der Allgemeinen Luftfahrt. Und sie stimmt oft genug. Leider, sagen manche.
So auch die Schweizer Pierre Kraft und Petra Hoffmann in Beringen bei Schaffhausen. Ihr Motto zur Erfüllung des alten Menschheitstraums vom Fliegen lautet: „Zurück zu den Wurzeln“. Und womit ließe sich dieser Leitsatz besser einlösen als mit einem schlichten Rohr-Tuch-UL? Mit ihrer Firma Airkraft haben die Schweizer Anfang 2008 die Produktion und Musterbetreuung der Sunny übernommen.
Ein Doppeldecker aus Rohr-Tuch
Dieser gleichermaßen schlichte wie ungewöhnliche Nurflügel-Doppeldecker, auch Boxwing genannt, wurde in den achtziger Jahren von Dieter Schulz konstruiert und seitdem rund 250-mal gebaut, ab 1999 von Alexander Dewald in Bad Schönborn. Der hat die ursprünglich für eine Abflugmasse von 400 Kilogramm zugelassene Sunny weiterentwickelt und auf 450 Kilo MTOM auflasten lassen.
Was Airkraft von früheren Sunny-Herstellern unterscheidet, ist die komplette Produktion im eigenen Haus. Nicht nur die Alurohr-Struktur wird selbst gefertigt, sondern auch die Bespannung aus Gitter-Laminat (beschichtetes Polyestertuch mit Gitterstruktur-Verstärkung), die früher von einer Schweizer Segelmacherei kam. Deren Produktionseinrichtung hat Airkraft übernommen. Neben dem Eigenbedarf fertigt man auch Bespannungen für Rohr-Tuch-ULs anderer Hersteller nach Maß oder Muster.
Selfmade: Alurohr-Struktur
Mit Basisausstattung bietet Airkraft die Sunny Light flugfertig inklusive Funk ab 25 600 Euro (plus Steuer) an. Die Patentlösung für Genussflieger?Um das festzustellen, trafen wir uns an einem Spätwintertag auf dem idyllisch verschneiten Flugplatz von Donaueschingen. Der südbadische Platz ist derzeit Airkrafts Homebase, denn eine Schweizer Ecolight-Zulassung hat die Sunny Light noch nicht, und ohne die darf in der Schweiz kein UL in die Luft.
Zurzeit überarbeitet Pierre Kraft sein Luftsportgerät, sodass es nach den aktuellen deutschen UL-Lufttüchtigkeitsforderungen zugelassen werden und die Ecolight-Zulassung erhalten kann. Damit verbunden ist auch eine um 22,5 Kilogramm erhöhte maximale Anflugmasse – zurzeit beträgt sie noch 450 Kilo.
Die Ecolight-Zulassung für die Schweiz ist in Arbeit
In einem zwei mal zwei mal vier Meter großen Anhänger haben Petra und Pierre die demontierte Sunny nach Donaueschingen gebracht. Trotz der Kälte – minus fünf Grad – lässt sie sich schnell und einfach aufrüsten, wie die beiden vorführen: In 20 Minuten steht der Doppeldecker. Jetzt noch ein gründlicher Check: Sind alle Bolzen der Flügelanschlüsse, die Kugelköpfe der Ruderanschlüsse und die Verbindungsstreben zwischen Ober- und Unterflügel gesichert? Okay – es kann losgehen.
Mein Copilot ist Willi Straub, UL-Fluglehrer in Donaueschingen und Demo-Pilot für Airkraft. Pierres Frage, ob wir die Cockpitverkleidung zum Flug noch schnell abnehmen wollen, ist angesichts der Lufttemperatur wohl eher ironisch gemeint. An schönen Sommertagen könnte die Freiluft-Option sehr reizvoll sein.
Auch ohne die anstehende Auflastung auf 472,5 Kilo MTOM brauchen wir uns um die Zuladung keine Gedanken zu machen: Leer wiegt unser Flieger nur 237 Kilo. Zwei Piloten à 80 Kilo plus 25 Kilo Sprit in den dreiviertel gefüllten Tanks lassen noch 28 Kilo Spielraum bis zur Illegalität. Der hintere Sitz und die insgesamt 44 Liter fassenden Tanks liegen ungefähr im Schwerpunkt. Mit meinen 80 Kilo auf dem vorderen Sitz stellt sich ein Fluggewichtsschwerpunkt leicht vor der Mittellage ein.
Das UL hat keine Probleme mit der Zuladung
Willi schwingt sich zuerst auf den höher gelegenen hinteren Schalensitz; das geht einfacher, wenn der Pilot noch nicht Platz genommen hat. Dann mache ich es mir vorn bequem. Obwohl hier alles in die Kategorie „offen und einfach“ gehört und Sitze wie Pedale nicht verstellbar sind, ist der Ausdruck „bequem“ durchaus berechtigt.
Bei der Sunny Light passt alles: Zwischen den Beinen liegt der Steuer-knüppel des Piloten gut in der Hand, und obwohl wir dicht aufeinander sitzen, kommen wir uns mit den Pedalen nicht ins Gehege. Durch seine erhöhte Sitzposition kann auch der Copilot die Instrumente uneingeschränkt ablesen.
Zwei Dinge stören mich ein wenig: Die Seitenruderpedale sollten unten kleine Kanten haben, damit die Füße nicht abrutschen können. Und die Trimmung ist schwer zu bedienen: Sie besteht aus einem unten am Knüppel befestigten Gummiseilzug, der in einer Klemme (wie man sie von Segelbooten kennt) zwischen den Beinen fixiert wird. Beim Nose-down-Trimmen muss man etwas fummeln, um das Seil aus dem Halter zu lösen. Beide Punkte will Airkraft in der Serie noch ändern.
Der Zweizylinder von Göbler-Hirth wiegt gut 30 Kilo
Unsere Sunny Light ist mit dem neuen Motor der Basisversion ausgerüstet, einem Göbler-Hirth 3203E. Dieser 65 PS starke Zweitakter hat eine elektronische Doppelzündung und Saugrohreinspritzung. Mit nur 31 Kilogramm Masse bietet der gebläsegekühlte Zweizylinder ein hervorragendes Leistungsgewicht. Bekannte Zweitakter-Prozeduren wie Schwimmergehäuse vorfluten oder Benzindruck per Handpumpbällchen aufbauen entfallen bei der neuen Hirth-Motorengeneration. Selbst bei diesem kalten Wetter springt der als Pusher eingebaute Reihenmotor auf den ersten Dreh am Zündschlüssel an. Ebenfalls atypisch Zweitakter: Der 3203E läuft vom ersten Moment an auch im Leerlauf rund und schwingungsarm und nimmt das Gas ohne Verschlucken an. Auch die Tonlage des Antriebs ist angenehm, von „Zweitaktsägen“ keine Rede.
Mit ihrem robusten, über Gummizüge gut gefederten und gedämpften Hauptfahrwerk ist die Sunny Light auch für Flugplätze mit schlechtem Untergrund geeignet. Die großen Räder sind dort ebenfalls vorteilhaft. Das Bugrad ist über die Seitenruderpedale präzise steuerbar, die per Handgriff am Knüppel betätigten Radbremsen wirken passabel. Sie lassen sich zum Parken mit Hilfe eines Rings um den Knüppelgriff feststellen. Simpel, aber es funktioniert.
Im Startlauf beschleunigen wir mit gezogenenem Knüppel flott und ohne Pedalarbeit sauber geradeaus. Kurz nachdem das Bugrad abgehoben hat, sind wir in der Luft. Ein Zug am Trimmseil kompensiert die bei Vollgas recht ordentliche Zugkraft am Knüppel. Die Steigleistung fällt mit knapp zwei Meter pro Sekunde bei 90 km/h etwas schwächer aus, als ich es von einem 420-Kilo-Flugzeug mit 65 PS erwartet habe. Allerdings arbeitet der Hirth auch 700 Umdrehungen pro Minute unterhalb seiner Nenndrehzahl, die 6500 beträgt. Die Blätter des Neuform-Dreiblattpropellers, erklärt Pierre später, müsse man noch ein wenig flacher einstellen.
Bei 125 km/h ein perfektes Flugerlebnis
Ganz klar: Dieses UL ist kein Renn-, sondern ein Spaßflugzeug. Da kommt es vor allem aufs Flugerlebnis an: Mit maximal 125 km/h (wobei der Motor mit 5900 Umdrehungen immer noch nicht seine volle Leistung erzeugt) zeigt sich die tandemsitzige Sunny Light allerdings doch spürbar flotter als die Side-by-side-Version, die mit dem 80 PS starken Verner-Motor gut 115 km/h errreicht (siehe fliegermagazin 10/2001). Mit einem Vollgas-Verbrauch von rund 16 Liter pro Stunde liegt der 3203E ungefähr auf dem Verbrauchsniveau eines ähnlich starken Viertakters.
Die Sicht aus dem Cockpit ist hervorragend – da können nur Trag- oder Hubschrauber noch mehr bieten. Obwohl man den oberen Flügel über sich hat, bleibt ein hochdeckertypischer Nachteil erspart: dass die Fläche bei Schräglage den Blick zur Kurveninnenseite versperrt. Durch die starke Pfeilung der oberen Fläche liegen deren Außenbereiche nämlich weit hinten. Der untere Flügel schränkt die Sicht ohnehin nicht ein – Pilot und Co sitzen weit davor. Nimmt man die Cockpitverkleidung ab, verschwindet sogar der kleine tote Winkel nach vorn unten. Dann sitzt man wirklich in einem „fliegenden Gartenstuhl“, ungestört vom Propellerstrahls. „Vorn ohne“ ist allerdings nur etwas für warme Tage – bei meinem Probeflug ist mir die Verkleidung ganz recht.
Bis zur Vne von 145 km/h sitze ich gut geschützt im Windschatten; für Willi hinter mir wird es ab 120 etwas zugig. Als komfortable Reisegeschwindigkeit empfinde ich 110 km/h. Der Hirth schluckt dann zehn Liter pro Stunde.
Wie ihre Vorgänger fliegt die Sunny Light äußerst stabil und lässt sich durch fast nichts aus der Ruhe bringen. Allerdings erscheint der Motorsturz noch nicht optimal: Bei Vollgas erzeugt der Antrieb ein kräftiges kopflastiges Moment, das mit der Trimmung gerade noch ausgeglichen werden kann, während man sie im Leerlauf fast aushängen kann. Bei 90 km/h brauchen wir für den 45-Grad-Kurvenwechsel nur 2,7 Sekunden – hervorragend! Kurven lassen sich aber auch allein mit dem Quer- oder – stark verzögert – dem Seitenruder fliegen. In langsamen, engen Kreisen muss mit dem Querruder deutlich abgestützt werden. Lässt man dabei die Querneigung zu sehr anwachsen und zieht bis zum Anschlag durch, kann bei vollem Gegenquerruder ein spiralsturzartiger Flugzustand entstehen, bei dem allerdings Geschwindigkeit und Lasten nicht gefährlich zunehmen. Durch Nachlassen des Höhenruders kann man diesen Zustand sofort beenden.
In Normalfluglage (ohne gekreuzte Ruder) zeigt die Sunny keinen echten Stall: Knapp über 60 km/h reißt die Strömung im Innenbereich des oberen, geschränkten Flügels ab, der keine Querruder hat. Am unteren liegt sie auch bei Querruder-Maximalausschlag noch vollständig an. Weil das Tragwerk nun vorn (oben Mitte) Auftrieb verliert, nickt sich das Flugzeug von selbst in einen gesünderen Anstellwinkelbereich, und die Fahrt nimmt auf rund 75 km/h zu. Bei weiter voll gezogenem Knüppel bleibt die Strömung am Oberflügel zwar partiell abgerissen, doch in diesem »Teil-Sackflug« ist die Sunny Light bei erhöhter Sinkrate weiter voll steuerbar. Auch mit allen Tricks kann ich sie nicht zum Abkippen bewegen. Sobald ich den Knüppel leicht nachlasse, liegt die Strömung am Oberflügel sofort wieder vollständig an.
Wie das Fliegen, so die Landung: äußerst einfach. Klappen gibt’s nicht, der Boxwing erzeugt von Haus aus mächtig Widerstand. Ist man im Anflug zu hoch, nimmt man einfach die Nase runter. Allerdings sollte man darauf achten, sie bis dicht überm Boden unten und die Fahrt über 100 km/h zu halten.
Besonders Piloten, die moderne Flugzeuge mit hohem Panel und guter Gleitleistung gewohnt sind, tendieren mit der Sunny dazu, bei Annäherung an den Boden zu langsam zu werden. Dann droht Durchsacken. Horizontal abgefangen braucht man nichts mehr zu tun: Ganz von selbst setzt sich der Flieger auf sein Hauptfahrwerk und nickt kurz danach auf das Bugrad. Selbst starker Seitenwind ist kein Problem; mit Vorhaltewinkel angeflogen, bringt ein Tritt ins Seitenruder das UL in die Bahnachse.
Ein Spaßflieger für vielseitige Nutzungsmöglichkeiten
Die Sunny Light ist ein simples, robustes, preiswertes und sauber gebautes Gerät für den Spaß am Fliegen. Gewichtsprobleme kennt sie nicht. Die ausgezeichnete Cockpitsicht sowie niedrige Anschaffungs- und Betriebskosten machen sie zu einem kaum schlagbaren Allrounder für Beobachtungs-, Foto-, Überwachungs- und sogar Sprühflüge. Auch als Schul- und Schleppflugzeug hat sich die Sunny bewährt.
An ihrer Sicherheit besteht kein Zweifel – in 20 Jahren wurde kein tödlicher Unfall bekannt. Eine Vollkaskoversicherung kann man sich übrigens bei dieser Konstruktion sparen: Wenn was passiert, ist meistens nur ein Alurohr verbogen. Das kostet nicht viel und lässt sich schnell auswechseln.
Neben der Sunny Light bietet Airkraft die bekannten Versionen „Sport“ (Tandemsitzer mit fest montierter Cockpitverkleidung und größerem Instrumentenbrett) und „Side by Side“ (Sitze nebeneinander) an. Alternativ zum Göbler-Hirth 3203E ist der 84 PS leistende Dreizylinder-Zweitakter 3702E des selben Herstellers lieferbar oder der 80 PS starke Rotax 912, ein Viertakter.
Zurzeit entwickeln Pierre Kraft und Petra Hoffmann eine weitere tandemsitzige Variante, die Sunny Ranger. Sie soll eine robustere Cockpitverkleidung mit integriertem Panel und transparentem Boden erhalten, ausschließlich mit 80- oder 84 PS-Motor angeboten werden und primär als Arbeits- und Schleppflugzeug dienen.
Text und Fotos: Jochen Ewald, fliegermagazin 05/2009
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