Ultraleicht Flugzeugselbstbau, Teil 2
Welches Flugzeug kommt in Frage? Wo ist Spielraum für persönliche Gestaltung? Oft entscheidet schon die Auswahl des Bausatzes über den Erfolg eines Projekts
Träumen Sie! Nicht weniger als das sollten Sie tun: sich vorstellen, in welcher Art von Flugzeug Sie am liebsten unterwegs wären.
Wer einmal in seinem Leben ein Flugzeug baut – die wenigsten werden zu Wiederholungstätern –, sollte nicht von vornherein Abstriche machen. Die nötigt einem die Realität ohnehin früh genug ab. Gerade für den Selbstbau werden faszinierende Konzepte angeboten: Doppeldecker, offene Maschinen, Pusher, Tandemflügler, Retro-Designs, Parasol-Hochdecker, super effiziente Hightech-Geräte … Warum sich für ein langweiliges Flugzeug entscheiden, wenn es auch sexy sein kann?
Wichtig ist natürlich auch, was man fliegerisch vorhat: Reicht ein Einsitzer? Will man weit reisen? Geht es um Geschwindigkeit und Komfort oder eher ums Feeling bei kurzen Flügen? Braucht das Flugzeug klappbare Flächen, weil andernfalls keine Unterstellmöglichkeit besteht? Ein robustes Fahrwerk, weil vor allem von rauen Pisten geflogen wird? Oder kommt auch ein Einziehfahrwerk in Frage?
Wie auch immer – die persönliche Lieblingskonfiguration sollte kein Dogma sein, falls damit Nachteile im Flugbetrieb verbunden sind, die insgesamt schwerer wiegen, oder der entsprechende Bausatz so teuer ist, dass man ihn nie bestellt.
Bei der Auswahl der wichtigsten Konzeptmerkmale sah meine Idealkombination so aus:
■ Tief-/Mittel-/Hoch-/Doppeldecker
■ Side-by-side-/Tandem-Cockpit
■ Bug-/Spornrad
■ Knüppel/Steuerhorn
■ Ein-/Zweisitzer
■ Offen/geschlossen
■ Boxer-/Reihen-/Sternmotor
Die fliegerische Freiheit überwiegt in der UL-Klasse
Also so etwas wie eine Klemm 35! Hm, wirklich? Spätestens an diesem Punkt war zu klären, welcher Klasse das Flugzeug zugehören sollte: UL oder Experimental (E-Klasse)? Davon hängt nämlich unter anderem ab, wie man es einsetzen darf: In Deutschland gilt für beide Klassen Flugplatzpflicht; in vielen anderen Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien darf man mit einem UL aber auch außerhalb von Flugplätzen starten und landen, wenn der Grundstückseigentümer (und in Frankreich etwa die Regionalverwaltung) einverstanden ist. Mit einer E-Klasse-Maschine? Keine Chance! Allein schon die größere Freiheit reichte, um mich für die UL-Klasse zu entscheiden.
Weitere Gründe: niedrigere Kosten und das Rettungssystem. Mit mehr als einem Passagier will ich in der Regel sowieso nicht fliegen, und auf viel Gepäck lege ich keinen Wert. Also ein UL-Tiefdecker. Aber damit auf einem holprigen, unpräparierten Untergrund landen, wo man Flügelfreiheit braucht? Ein Freund muss genau deshalb mit seiner Sunwheel – zwar kein Tief-, aber ein Doppeldecker – auf eine verlockende UL-Option verzichten: die Buschfliegerei. Aus diesem Grund wich bei mir die Priorität des Tiefdeckers zugunsten des Hochdeckers.
Offenes oder geschlossenes Cockpit?
Offen oder geschlossen: Das war nicht so entscheidend. Klar, am besten wäre eine Umrüstoption – Haube drauf oder runter, je nach Wetter. Aber auch ein Hochdecker, den man mit offener Tür fliegen kann, bietet dem Piloten Ausgesetztheit und Frischluft. Für ein geschlossenes Flugzeug mit Heizung spricht darüber hinaus, dass man sich darin in unseren Breiten an viel mehr Tagen wohl fühlt als in einem offenen.
Schließlich der Motor: Nichts geht aus meiner Sicht über eine kühne, schmale Schnauze mit oben liegender Propellerachse. Aus akustischen Gründen schied ein hoch drehender Getriebemotor aus (wie der Nissan-Dreizylinder, mit dem viele Kiebitze fliegen). Der einzige Reihenmotor-Direktantriebler, der in Frage kam, war der Walter Mikron III B, ein tschechischer Vierzylinder-Viertakter: grandioser Sound, aber relativ schwer für ein UL, nicht einfach zu beschaffen und bei Ersatzteilversorgung sowie Service problematisch. Dann eben zweite Wahl: ein Boxer.
Somit standen alle wichtige Konzeptmerkmale mit kleinen Abstrichen fest: Ein tandemsitziger Spornrad-Hochdecker mit Knüppelsteuerung und Direktantrieb-Boxer käme meinem Ideal recht nahe und wäre gleichzeitig eine vernünftige Wahl.
Auf der Suche nach dem perfekte Spornrad-Hochdecker Bausatz
Auf der AERO ’99 sah ich ein UL, das die meisten Kriterien erfüllte, die mir wichtig erschienen. Es hatte zwar nebeneinander angeordnete Sitze, aber man zeigte mir Bilder einer Tandem-Version: wunderschön, wie eine Piper Cub! Der Bausatz sollte nur 23 000 Mark kosten. Im Sommer des gleichen Jahres flog ich das Muster beim Hersteller Let-Mont im tschechischen Šumperk für einen Pilot Report im fliegermagazin (Ausgabe 12/1999). Danach stand fest: Das Ding bau ich mir!
Allerdings nicht genau so, wie vom Hersteller als Fertigflugzeug lieferbar und in Deutschland musterzugelassen. Mich störten der Motor, die Schnauze, die Verglasung, die Seitenruderform, die Konstruktion des Spornradfahrwerks … Damals war die Tandem Tulak in Deutschland nur mit dem von der Firma Take Off umgebauten Motorradmotor des Typs BMW R 1100 RS musterzugelassen. Ein flüssigkeitsgekühlter Zweizylinder mit Getriebe und einer Nenndrehzahl von 7200 Umdrehungen in einer „Cub“? Auf keinen Fall!
Reihen- oder Boxermotor? Die Piper-Cub wird zum Vorbild
Schon wegen der suggestiven Klangwirkung musste ein langsam drehender Vierzylinder mit Direktantrieb rein, wie im Original. Aus optischen Gründen sollte er auch nicht wie bei der Serien-Tulak und der Super Cub voll verkleidet sein, sondern seine Zylinder im Stile der frühen Cub-Version J-3C aus einer schmalen Cowling strecken. Wenn schon kein Reihenmotor, dann wenigsten eine schmale Boxer-Schnauze! So muss, bloß damit der Motor verschwindet, der Rumpf nicht breitnasig aufgefettet sein, was vor allem bei einem Tandemsitzer stört.
In Frage kamen der Jabiru 2200 sowie die VW-Abkömmlinge von Sauer und Limbach. Der Jabiru, mittlerweile für die Tulak musterzugelassen, schied aus Kostengründen aus, da die Markteinführung noch nicht lange zurücklag und auch gebrauchte Exemplare relativ teuer waren. Ein neuer Motor kam sowieso nicht in Frage: Dass ein schlichter Viertakter dieser Leistungsklasse um 10 000 Euro kosten soll (heutiger Preis für den UL-Standardmotor Rotax 912: rund 14 000 Euro), erschien mir absurd. Da lag es nahe, auf dem Gebrauchtmarkt nach einem Limbach oder Sauer zu suchen.
Vor allem in Motorseglern waren diese Triebwerke mal weit verbreitet – günstige Exemplare sind immer noch zu haben. In Frage kamen die Limbach-Versionen E0/EC: Bei diesen 1,7- und 2-Liter-Motoren sind alle Aggregate (Lichtmaschine, Anlasser, Zündung, Vergaser) hinten platziert, sodass die Cowling eng um das Kurbelgehäuse gelegt werden kann, wie bei den Fournier-Motorseglern RF-4 und RF-5. Sitzt der Vergaser hingegen überm Kurbelgehäuse und der Anlasser vorn, wie bei den am weitesten verbreiteten Flugmotoren auf VW-Basis, zum Beispiel im Scheibe Falke, muss eine Cowling viel voluminöser sein. Diese Optik hätte die gewünschte J-3C-Anmutung zerstört.
Über die Hälfte günstiger ist der gebrauchte Limbach für das Kitplane
Für 4400 Mark – ganze 2200 Euro! – kaufte ich schließlich einen Limbach 1700 EC, Baujahr 1977. Beim Vorbesitzer war der Motor nur 50 Stunden gelaufen, zuverlässige Angaben über das weiter zurückliegende Vorleben gab es nicht. Eigentlich wollte ich ja einen 2-Liter-Limbach, der 80 PS Maximalleistung versprach. Gut, die Original-J-3C flog ursprünglich mit 65 PS; die Tulak ist kleiner und leichter – da müssten die 69 PS des 1700ers schon reichen …
Ein Direktantriebler darf aber in der UL-Klasse nicht mit Nenndrehzahl betrieben werden, sondern höchstens mit 2700, 2800 Umdrehungen, wenn man die Lärmmessung für die Zulassung schaffen will. 600 bis 700 Umdrehungen unter Nenndrehzahl – da bleibt beim Limbach 1700 EC nicht mehr viel übrig. Knapp 60 PS, das war die Perspektive. Zwar erfordert ein Antrieb, der von der musterzugelassenen Konfiguration abweicht, eine Einzelstück- oder eine erweiterte Musterzulassung; da der Limbach aber weder mehr Gewicht noch mehr Leistung und Drehmoment als der zugelassene BMW hat, würde der zusätzliche Aufwand für die Zulassung im Wesentlichen auf eine Lärmmessung und die Festigkeitsprüfung des speziell anzufertigenden Motorträgers beschränkt bleiben.
Modifikationen können Probleme bei der Zulassung des Selbstbaufliegers mit sich bringen
Als unkritisch im Hinblick auf die Zulassung beurteilte der Musterbetreuer meinen Wunsch nach einem leicht geänderten Seitenruder, dessen Form der Super Cub entspricht. Die gerade Original-Tulak-Ruderhinterkante, wie bei der J-3C, harmoniert einfach nicht mit der elliptischen Form des Höhenleitwerks. In den USA fliegen viele J-3C mit Super-Cub-Seitenruder – vermutlich ist es als Ersatzteil leichter zu bekommen als das der älteren J-3C. Insofern hatte mein Modifikationswunsch sogar große Vorbilder. Es genügte, eine Zeichnung an Let-Mont zu faxen; das Endleisten-Stahlrohr wurde wie gewünscht gebogen.
Ohnehin ist die Tandem Tulak konzeptionell eine Mischung aus verkleinerter, nachempfundener Super Cub und J-3C: Landeklappen und Flächentanks wie bei der Super Cub, von hinten geflogen und – in meinem Fall – mit frei stehenden Zylindern wie bei der J-3C.
Auch die Verglasung entsprach nicht ganz meinen Vorstellungen. Zwar haben frühe J-3C ebenfalls Seitenfenster mit senkrechter Hinterkante. Aber das gefiel mir genauso wenig wie das gerundete Fenster im Piper-Stil, das Let-Mont alternativ anbot. Dieses Fenster endet beim Original optisch stimmig auf Höhe der Flügelhinterkante. Beim kleineren UL hingegen ragt es weiter nach hinten. Das muss so sein, weil der Pilot weiter hinten sitzt: Die Insassen lassen sich nicht schrumpfen, der Abstand von den Fußspitzen des Passagiers bis zu den Schultern des so dicht wie möglich dahinter sitzenden Piloten bleibt 100 Prozent. Und weil die Passagierpedale nicht weiter vorn positioniert sein können, nämlich direkt hinterm Brandspant, endet der Insassenbereich beim UL zwangsläufig weiter hinten. Und somit das Seitenfenster – nun aber ohne plausible Referenz zum Flügel.
Die Tulak bekommt ein Glasdach
Also raus mit den nicht tragenden Stahlrohren der Fensterbögen. Stattdessen ließ ich geradlinige Rohre einschweißen, und zwar so, dass ihre Neigung den Winkel der Frontscheibe aufgreifen. Die Dachverglasung zog ich bis ganz nach hinten – bei der Tulak endet sie normalerweise überm Kopf des Piloten. Das lange „Glashaus“ der Piper-Militärversion L-4 oder das der britischen Auster hat mir schon immer besser gefallen als die Verglasung der zivilen Cub. Es ging nicht um Originaltreue, was bei einer verkleinerten Anlehnung an was auch immer sowieso uneinlösbar ist, sondern um Schönheit. Und um die Anmutung eines Hochdeckers, bei dem die Flügel „schwebend“ mit dem Rest verbunden sind, ohne optisch geschlossene angrenzende Rumpfflächen. Wenn schon Hochdecker, dann so luftig wie möglich!
Da diese Modifikation keinerlei statischen, aerodynamischen oder funktionalen Einfluss hat, war sie zulassungstechnisch unbedenklich und in der UL-Klasse auch machbar. Ändern Sie mal bei einer Mooney die Verglasung oder sagen Sie dem Hersteller, dass Sie ein anderes Seitenruder wollen!
Beschaffung von Teilen und Material
Selbst wenn ein Kit alles enthält, was zur Fertigstellung der Zelle notwendig ist, braucht ein Selbstbauer weitere Teile und Zubehör, insbesondere für die Systeme (Antrieb, Elektrik, Instrumente, Avionik, Rettungsgerät), eventuell auch Materialien.
Wer in Übereinstimmung mit dem zugelassenen Muster baut, hat beim Antrieb und beim Flugzeug-Fallschirm keine Wahl: In Frage kommen Motoren, Propeller, Auspuffanlagen und Gesamtrettungssysteme, die im Typen-Kennblatt eingetragen sind.
Die Zulassungsstellen für Ultraleichtflugzeuge, DAeC und DULV, veröffentlichen diese Kennblätter auf ihren Internetseiten unter www.daec.de/lsgb/Technik/geraetekennblaetter.php beziehungsweise www.dulv.de/fmi/xsl/UL/findrecords.xsl?-view.
Alle weiteren Teile und Materialien müssen die Lufttüchtigkeits-forderungen für Ultraleichtflugzeuge (LTF-UL vom 30. 1. 2003) erfüllen, veröffentlicht unter www.daec.de/ul/downfiles/LTFNfLII17-03.pdf. Funk und Transponder brauchen auch in der UL-Klasse eine Luftfahrtzulassung, bei den Instrumenten wird das nicht verlangt. Welche Produkte in Frage kommen, hängt unter anderem vom jeweiligen UL-Muster ab; hier sollte man sich vom Bausatzhersteller/Musterbetreuer beraten lassen.
Luftfahrtbedarfshändler bieten Auswahl
Zubehör und Material (luftfahrtzugelassenes oder unzertifiziertes für ULs und Experimentals) sind in Deutschland unter anderem erhältlich bei:
■ Friebe Luftfahrt-Bedarf, Telefon 06 21/41 24 08, www.friebe.aero
■ Siebert Luftfahrtbedarf, Telefon 02 51/9 24 59-3, www.siebert-luftfahrtbedarf.de
■ Büscher Flugversand, Telefon 0 56 92/23 63, www.flugversand.de
■ Das größte Programm – vielleicht sucht man zum Beispiel Dinge wie dauerelastischen transparenten Polyurethan-Kraftstoffschlauch – gibt’s in den USA bei Aircraft Spruce & Specialty, www.aircraftspruce.com.
■ Ebenfalls gut sortiert ist der US-Anbieter Wag-Aero, www.wagaero.com.
Nützliche lokale Bezugsquellen für Teile, die nicht luftfahrtzugelassen sein müssen (Bedienungshebel, Beschläge, Schrauben, Halbzeuge wie Alu-Profile und -rohre etc.), sind oft Seglerläden, Bike-Shops, Motorrad- und Autozubehör-Anbieter. Über die lokale Suche hinaus ist das Internet äußerst hilfreich – es gibt alles, und im Netz erfährt man sehr oft wo. Wer irgendetwas verbaut, das nicht im Kit enthalten ist, sollte bei Unklarheit den Musterbetreuer kontaktieren, damit die Zulassung nicht gefährdet ist.
Genereller Tipp: Zubehör erst dann kaufen, wenn es zum Weiterbauen gebraucht wird oder der Erstflug naht! Instrumente beispielsweise können sich als defekt erweisen, nachdem sie – die Bauzeit wird meist unterschätzt – schon jahrelang rumgelegen haben. Die Garantie ist dann längst abgelaufen.
Fotos: R. Drews, P. Wolter, F. Guerra, fliegermagazin 09/2009
Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.
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