UL-Triebwerk: LF26 von D-motor
Bei ULs und LSA dominiert Rotax den Markt. Doch nun bietet der belgische Hersteller D-motor einen Viertakter an, der viel leichter und fast so stark ist wie der populäre 912 S – und einen wunderbaren Sound hat
Jürgen Ostermeier gibt Gas – weit vor der Halbbahnmarkierung hebt sein Speed Cruiser SC07 ab. Schnell steigt das UL in den kalten Märzhimmel. Wer hier rumsteht, auf dem Flugplatz Oerlinghausen, und nicht hinsieht, ist sich sicher: eine Echo-Klasse-Maschine, eine Cessna oder Piper oder irgendwas anderes mit Lycoming- oder Continental-Vierzylinder. Es sind diese vertrauten „zwo-irgendwas“, die gar keine andere Vermutung zulassen – die typische Frequenz klassischer Flugmotoren, der jahrzehntelang gehörte Urlaut startender Maschinen. Aber irgendwie ist das Geräusch auch anders: Es ist leiser, viel leiser – schließlich ist es auch ein ganz anderer Motor. Unter der Bezeichnung LF26 hat der belgische Hersteller D-motor kürzlich eine neue Version seines UL-Motors auf den Markt gebracht. Mit seinem tiefen Brummen hört er sich nicht nur ganz anders an als die typischen Getriebemotoren in dieser Luftfahrzeugklasse, er ist auch ganz anders konzipiert.
Technisch gesehen will man bei UL-Motoren 80 bis 100 PS Leistung bei möglichst wenig Gewicht, niedrigem Spritverbrauch und hoher Zuverlässigkeit. Leistung ist das Produkt aus Drehmoment und Drehzahl – wenig Drehmoment und hohe Drehzahl ergibt gleich viel Leistung wie viel Drehmoment und niedrige Drehzahl. Wichtigste Drehmoment-Quelle ist der Hubraum – viel Hubraum, viel Drehmoment. Marktführer Rotax setzt bei seinen 80- und 100-PS-Triebwerken auf wenig Hubraum (1211 und 1352 Kubikzentimeter) und entsprechend hohe Drehzahl (bis zu 5800 rpm). Damit sich der Propeller langsam dreht – was er sollte, damit er geräuscharm läuft und einen hohen Wirkungsgrad erzielt –, braucht der Rotax 912/912 S eine Untersetzung. Der Gewichtsvorteil des vergleichsweise kleinen Motors wird also durch das zusätzliche Getriebegewicht (teilweise) aufgehoben.
Wichtigste Drehmoment-Quelle ist der Hubraum
D-motor geht einen anderen Weg: Viel Hubraum, 2690 Kubikzentimeter, in Kombination mit wenig Drehzahl ergibt zum Beispiel bei 2600 rpm 84 PS. „Zwo-sechs“ sind eine nutzbare Propellerdrehzahl, da braucht man kein Getriebe, sondern kann den Prop direkt auf die Kurbelwelle schrauben. Das spart Gewicht. Aber der großvolumige, schwere Motor! Ja, normalerweise wäre das ein Nachteil, der den Gewichtsvorteil eines Direktantrieblers zunichte macht. Doch der LF26 ist zwar großvolumig, aber nicht schwer: „Unser Flugzeug wiegt 18 bis 20 Kilogramm weniger als mit dem Rotax 912 S, je nach Propeller“, sagt Speed-Cruiser-Hersteller Jürgen Obermeier. Das Gewichtsgeheimnis des belgischen Boxers liegt in seiner Bauart: Er hat stehende Ventile. Ein- und Auslassventil arbeiten nicht im Zylinderkopf „von oben“, sondern bewegen sich seitlich der Kolben auf und ab.
Deshalb spricht man von seitengesteuerten Motoren, abgekürzt SV für „side valves“, im Gegensatz zu OHV (overhead valves) für hängende Ventile mit Stoßstangenantrieb oder OHC für hängende Ventile mit oben liegender Nockenwelle (overhead camshaft). Heute sind SV-Motoren weitgehend ausgestorben. Ford produzierte seinen Taunus 12M bis 1962 mit einem solchen Motor, bei Harley Davidson gab es „Flathead“-Motoren von 1932 bis ’73, zuletzt im dreirädrigen Sevi-Car. Anders als bei OHV- und OHC-Motoren werden die Ventile eines SV-Motors mittels kurzer Stoßstangen direkt von der unten liegenden Nockenwelle bewegt. Das macht den Ventiltrieb leichter als mit Kipphebeln und Stoßstangen, ganz zu schweigen vom aufwändigen Antrieb einer oben liegenden Nockenwelle.
Und weil der Zylinderkopf keine Teile des Ventiltriebs enthält, ist der Motor sehr kompakt – ein Boxer wie der LF26 baut relativ schmal: An der breitesten Stelle (Zündkerzenende) sind es lediglich 54,5 Zentimeter, während ein Rotax 912 auf 57,6 Zentimeter kommt. Ein weiterer Vorteil von SV-Motoren ist ihre Schlichtheit – es gibt wenig Teile, die kaputt gehen können. Aber es gibt auch Nachteile: Durch den länglichen Brennraum, vom Kolben seitlich über die Ventile, braucht das Gemisch länger, um zu verbrennen. Dadurch sind keine hohen Drehzahlen möglich, was niedrige Literleistungen zur Folge hat. D-motor ist diesem Nachteil beim LF26 dadurch begegnet, dass sich die Ventile nach oben in einem Winkel von drei Grad dem Kolben annähern: Dichter am Kolben, ermöglichen sie einen weniger länglichen Brennraum. Bei der Vorgänger-Version mit 2,5 Liter Hubraum bewegten sich die Ventile noch parallel zum Kolben.
Trotzdem ist die Brennraumform so ungünstig, dass Seitenventiler zum Klopfen neigen, weshalb man gezungen ist, die Verdichtung zu reduzieren. Beim D-motor beträgt sie bloß 8:1, und dennoch braucht er Superbenzin. Generell sind SV-Motoren relativ durstig und ihre thermischen Verluste hoch; dagegen können elektronische Einspritzung und Zündung helfen sowie große, aber dadurch eben auch schwere Kühler. Die geringe Drehfreudigkeit spielt bei einem Flugmotor jedenfalls keine Rolle. Wer einen Direktantriebler bevorzugt, wünscht sich vor allem viel Drehmoment bei wenig Drehzahl. Rotax hat mit seinem 912er zwar bewiesen, dass ein Getriebemotor genauso zuverlässig sein kann wie ein Direktantriebler, doch die höhere Komplexität des 912 macht sich nicht nur gewichtsmäßig und akustisch bemerkbar, sondern auch preislich: Mit Anbauteilen kostet der LF26 netto 12 600 Euro.
Wer einen Direktantriebler bevorzugt, wünscht sich vor allem viel Drehmoment bei wenig Drehzahl
Beim Speed Cruiser reduziert das den Preis um 2000 bis 3000 Euro gegenüber der Rotax-Version. Selbst mit voll redundanter Zündung und Einspritzung beträgt der Unterschied noch mindestens 1000 Euro. Sicher profitiert D-motor auch von der verwendeten Großserientechnik. So stammen etwa die Ventile von Mercedes-Benz, der leichte Wasserkühler von der Kawasaki ZZR 1100 und der K & B-Luftfilter vom BMW 335, allerdings nur im Speed Cruiser, Standard ist ein Filter vom VW Polo; Kolbenschmidt (Rheinmetall) liefert die Kolben, Zylinder und Gehäuse ein französisches Unternehmen, das auch für Airbus Gussteile fertigt. Erprobt wurde der belgische Boxer vor allem im Speed Cruiser von B.O.T. In England, Frankreich, Südafrika und den USA fliegen weitere ULs mit D-motor. Zehn Exemplare des LF26 wurden bisher produziert, zwanzig vom hubraum- und leistungsschwächeren Vorgänger.
Einen Großteil der Flugerprobung hat B.O.T.-Geschäftsführer Jürgen Ostermeier durchgeführt. Dazu gehörte das Auslesen von Daten der Engine Control Unit (ECU), mit deren Hilfe die Multipoint-Einspritzung programmiert wurde. Der Ex-Motorradrennfahrer entwickelte unter anderem Schalldämpfer- und Ansauganlagen sowie Schwingungsdämpfer und war an der Abstimmung des Motors auf dem Prüfstand beteiligt. Obermeier, der sein UL sowohl mit Rotax 912 S als auch mit D-Motor anbietet, betont: „Ohne den 912 hätte die gesamte UL-Fliegerei niemals den heutigen Stand erreicht“. Er weiß aber, dass die Gewichtsproblematik in dieser Klasse den LF26 für schwere Piloten und schwere UL-Muster interessant macht. Die aktuelle Version des Speed Cruisers, für den eine komplett neue Zulassung kurz vor dem Abschluss steht, konnte durch leichtere Composite-Teile zwar auf ein Leergewicht von 288 Kilo abgespeckt werden – mit Rotax 912 S.
Mit D-Motor sind es aber bloß 270 Kilo. 185 oder 203 Kilo Zuladung: Das ist ein beträchtlicher Unterschied. Für unseren Flug tanken wir bis zur maximalen Abflugmasse von 472,5 Kilo auf. Die zweite Benzinpumpe, die aus Redundanzgründen in der D-MLIR eingebaut ist, lassen wir ausgeschaltet, auch am Start. Nur beim Schleppen, was mit der SC07 geplant ist, wäre die zweite Pumpe vorgeschrieben. Bei flotten 150 km/h und 2600 rpm steigen wir mit 3,5 bis 4 Meter pro Sekunde aus der Platzrunde. Mit Rotax 912 S wäre die Steigrate um zirka 1 Meter pro Sekunde besser. Im Reiseflug mit 2500 bis 2600 Umdrehungen pro Minute zeigt der Fahrtmesser 180 bis 190 km/h an, bei Vollgas mit „zwo-acht“ 220 km/h. „Mit Rotax sind’s etwa 10 km/h mehr“, sagt Jürgen.
Das erstaunt nicht, denn der 912 S leistet bei maximaler Dauerdrehzahl (5500, am Propeller 2260) 95 PS, zirka 6 PS mehr als der D-motor bei 2800, und dessen schneller drehende, etwas kleinere Luftschraube – 1,65 gegenüber 1,70 Meter – zieht nicht so gut. Bei 3000 Umdrehungen, der Höchstdrehzahl, ständen zwar 92 PS zur Verfügung, aber bei dieser Drehzahl wäre die UL-Lärmmessung nicht zu schaffen. Durch die Einspritzung des LF26 wird der Unterschied zum 912 S mit zunehmender Flughöhe allerdings kleiner. Die Einspritzversion 912 iS könnte den Vorsprung halten. Das erstaunt nicht, denn der 912 S leistet bei maximaler Dauerdrehzahl (5500, am Propeller 2260) 95 PS, zirka 6 PS mehr als der D-motor bei 2800, und dessen schneller drehende, etwas kleinere Luftschraube – 1,65 gegenüber 1,70 Meter – zieht nicht so gut.
Bei flotten 150 km/h und 2600 rpm steigen wir mit 3,5 bis 4 Meter pro Sekunde aus der Platzrunde
Bei 3000 Umdrehungen, der Höchstdrehzahl, ständen zwar 92 PS zur Verfügung, aber bei dieser Drehzahl wäre die UL-Lärmmessung nicht zu schaffen. Durch die Einspritzung des LF26 wird der Unterschied zum 912 S mit zunehmender Flughöhe allerdings kleiner. Die Einspritzversion 912 iS könnte den Vorsprung halten. Beim Spritverbrauch schneidet der D-motor besser ab als der Vergaser-912 S: Im Reiseflug mit 2500 rpm und 180 km/h begnügt er sich mit zirka elf Litern pro Stunde. Der Rotax, der bei dieser Speed „vier-drei“ dreht, braucht etwa drei Liter mehr. Der Unterschied zum 912 (80 PS) und zum Einspritzmotor 912 iS düfte marginal sein.
Als wir nach der Landung zur Abstellfläche rollen, fällt auf, dass der LF26 Vibrationen entwickelt, sobald die Drehzahl unter 1000 rpm abfällt. „Das liegt an dem leichten Zweiblatt-Propeller“, erklärt Jürgen, „aber der Helix funktioniert sehr gut. Mit einem schwereren Dreiblatt-Prop können wir im Standgas auf 450 Umdrehungen pro Minute runtergehen.“ Leistung, Gewicht, Verbrauch, Sound – hier überzeugt der belgische Newcomer. Doch was ist mit seiner Zuverlässigkeit und dem Service? In dieser Hinsicht kann ein neues Produkt naturgemäß nicht punkten, einfach weil es noch zu wenig Erfahrungswerte gibt, und an ein Servicenetz wie bei Rotax ist vorerst nicht zu denken. Eigentlich stehen die Zeichen gut für eine lange Lebensdauer des LF26: wenig Teile, niedriges Drehzahlniveau, Nikasil-beschichtete Zylinder, Großserien-Anbauteile …
„Zurzeit beträgt die TBO 1500 Stunden“, sagt Jürgen Ostermeier, „in naher Zukunft soll sie auf 2000 Stunden erhöht werden“. Ist die TBO erreicht, erhält der Kunde für 6000 Euro einen Austauschmotor. Der Wechsel wird an einem Tag erledigt, sodass die Maschine sofort wieder in die Luft kann.Was den Hersteller betrifft, beruhigt die Tatsache, dass er zu einem Firmenkonsortium gehört, das heute noch kein Geld mit Flugmotoren verdienen muss. Eine der vier Firmen produziert Lkw-Auflieger für Rennsportteams, ein anderes entwickelt Einspritztechnik für Mercedes und MAN, ein weiteres macht Geld mit Energydrinks. „D-motor ist keine Bastelbude“, erzählt Jürgen Obermeier, „die haben eine hochmoderne Produktion.“
Und nebenbei erfährt man, dass die Belgier, als er mal wieder in Deerlijk war, seinen 3er BMW-Diesel per Chiptuning stärker und zugleich sparsamer gemacht haben. Einen richtigen Knüller wird D-motor auf der AERO aus dem Ärmel ziehen: einen Sechszylinder auf Basis des aktuellen Vierzylinders. Der 125 bis 135 PS leistende LF39 soll nur ein bis zwei Kilo schwerer sein als der Rotax 912 S. Schlepppiloten dürften sich freuen. Alle anderen haben mit dem Vierzylinder LF26 eine leichte Alternative zum bewährten 912 oder 912 S – sofern die Hersteller ihrer ULs dem unkonventionellen Neuling eine Chance geben.
fliegermagazin 5/2013
- D-motor, Kapelstraat 198, 8540 Deerlijk, Belgien, www.d-motor.eu
- 4-Zylinder-4-Takt-Boxer, flüssigkeitsgekühlt, Direktantrieb
- 12 600 Euro netto, inkl. Anbauteile wie Schwingungsdämp- fer, Zündspulen, Benzinpumpe, -filter, -druckregler, Limaregler, Kühler, Ölkühler, Einkammer-Auspuff-Kit zum Anpassen ans Flugzeugmuster
- B.O.T. Aircraft, Robert-Kronfeld-Str. 2, 33813, Oerlinghausen, www.bot-aircraft.com, 05202/924 72 41, www.bot-aircraft.com
Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.
- Ultraleicht
- Speed Cruiser SC07
- TBO
- Engine Control Unit
- SC-07 Speed Cruiser
- LF26
- D-Motor
- K & B-Luftfilter
- 912 S
- 912 iS