Ultraleicht

UL-Porträt: Sherwood Ranger von TLAC

Lederhaube, Fliegerbrille, die Luft am Körper spüren, Felder und Wiesen riechen – fliegen mit einem offenen Doppeldecker ist ein besonderes Erlebnis. Der Sherwood Ranger aus England bietet das nun auch in Deutschland

Von Redaktion
UL-Porträt: Sherwood Ranger von TLAC

Little Snoring Airfield, Fakenham in der Grafschaft Norfolk, Ostengland. Verschlafene Idylle. Flache Wiesen, weite Felder, ein paar Kühe, das Meer liegt gleich um die Ecke. Ein paar alte Gebäude, teils noch aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, verbreiten Charme. Zwei Tiger Moths sind gelandet. Keine Museumsstücke, sondern echte Gebrauchsflugzeuge mit Patina. An einem der Höhenruder hängt Dreck. „Das sind Kuhfladen“, scherzt einer der Piloten, „wir sind mal wieder zu tief geflogen.“ Gelächter. Um die Ecke hat The Light Aircraft Company (TLAC) ihren Sitz in einem alten Hangar. Hier produziert Paul Hendry-Smith mit seiner Mannschaft Teile und Bausätze des Sherwood Rangers.

Im Jahr 2007 hat TLAC die Rechte an dem Doppeldecker von Tiger Cub Developments erworben, einer Firma um Konstrukteur Russ Light, der den Sherwood Ranger in den frühen neunziger Jahren geschaffen hat. Hendry-Smith und seine Leute haben ihn weiterentwickelt und für eine ganze Reihe von Motoren ausgelegt: Rotax 582 und 912, Jabiru 2200, D-Motor sowie BMW R100. Der Hersteller favorisiert den australischen Jabiru, ein leichter, luftgekühlter Vierzylinder-Boxer mit Direktantrieb. Auch Importeur Lanitz Aviation wollte keinen Getriebemotor, dessen Sound nicht zum Charakter des nostalgischen Flugzeugs gepasst hätte.

Die breite Cowling prägt das Gesicht des Fliegers

So entschied man sich in Leipzig für den UL Power 260i, bei dem der Propeller wie beim Jabiru ganz traditionell auf der Kurbelwelle sitzt. Mit seiner Multipoint-Einspritzung und elektronischer Doppelzündung ist der belgische Vierzylinder aber durchaus ein modernes Triebwerk. Seit April 2014 hat der Sherwood Ranger mit diesem Motor die deutsche UL-Musterzulassung. Freilich: Die breite Cowling, die den luftgekühlten Boxer verkleidet, prägt das Gesicht des Fliegers. Schmal und hoch wie beim „großen Vorbild“ ist es nun nicht mehr; die Tiger Moth wurde von einem hängenden Reihenmotor angetrieben. Ein wenig fühlt man sich beim Anblick des Sherwood Ranger DS an die Mutation von der Bücker Jungmann zur Bü 131 Lerche erinnert, einem Schweizer Umbau mit Lycoming-Boxer.

Kosten, Kosten, Kosten! Diese Sorge muss wie ein Damokles-Schwert über Russ Lights Kopf gehangen haben, als er den Sherwood Ranger seinerzeit konstruierte. Bei den luftfahrtzertifizierten Flugzeugen haben es die stetig steigenden Kosten nahezu unmöglich gemacht, ein Nischenprodukt wie einen Doppeldecker neu zuzulassen – mit Aussicht auf geschäftlichen Erfolg. Und ein richtiger Oldtimer ist auch nicht jedermanns Sache, bedenkt man neben dem Kaufpreis den Wartungsaufwand und die Ersatzteilproblematik.

Cowling runter: TLAC-Chef Paul Hendry-Smith (links) und ein Mitarbeiter kontrollieren das Triebwerk. Hier ist ein leichter Rotax 582 verbaut

So hatte Russ Light vor allem zwei Aspekte im Sinn, als er den Sherwood Ranger schuf: Bauaufwand und -kosten mussten in einem vernünftigen Rahmen bleiben, und das Gewicht sollte so niedrig sein, dass der Flieger als UL zugelassen werden konnte. Folgerichtig entschied sich der Brite für eine Gemischtbauweise: Der Rumpf besteht aus vernieteten Aluminiumrohren, bei der deutschen Version (DS) im Cockpitbereich aus Stahlrohren. Die Tragflächen haben Alurohr-Holme mit Holzrippen und Alu-beplankten Flügelnasen, das Leitwerk ist eine Alurohr-Konstruktion. Motorhaube, Randbögen, Cockpitrahmen und hinterer Rumpfrücken sind aus GfK laminiert.

Als Bespannmaterial kommt Oratex UL 600 zum Einsatz, ein Lanitz-Polyestergewebe, das nicht lackiert zu werden braucht und so laut Musterbetreuer 14 Kilogramm Gewicht einspart. Das innovative Bespannmaterial kommt darüber hinaus Selbstbauern sehr entgegen, da es zahlreiche Arbeitsschritte überflüssig macht (siehe fliegermagazin 2/2013). Neuerdings bietet der Importeur ein Gepäckfach im unteren linken Flügel an sowie einen 20-Liter-Headertank im Flügelmittelstück der oberen Fläche. Da die Hangarierung bei der Fliegerei einen wesentlichen Teil der Kosten ausmacht, wurde der Sherwood Ranger mit Klappflügeln konstruiert.

„Wir bewundern den Fortschritt, aber Enthusiasten wollen ein offenes Cockpit“

Paul Hendry-Smith, Geschäftsführer von The Light Aircraft Company Ltd.

Innerhalb von fünf Minuten, so die Vorgabe, sollte der Flieger so „klein“ gemacht werden könne, dass er sich auf einem Hänger nach Hause transportieren lässt. Würde der Aufbau wesenlich länger dauern, vermutet der Hersteller, ließe das Interesse vieler Piloten nach, die Maschine immer zu benutzen, wenn sie fliegen wollten. Tatsächlich soll das Beiklappen und Entfalten der Flügel nur zwei Minuten dauern. Dabei müssen lediglich vier Bolzen gezogen und pro Flügelseite eine Hilfsstütze eingesetzt werden; die Querrder bleiben angeschlossen. Für den Straßentransport eignen sich Flugzeuganhänger wie der Speedstar Deluxe, den Lanitz ebenfalls im Programm hat.

Klappt wunderbar: Die Flügel lassen sich nach hinten schwenken, Ruderanschlüsse müssen nicht getrennt werden. So kann man den Doppeldecker per Anhänger transportieren oder platzsparend hangarieren

Mit seinen vier Querrudern lässt sich der Doppelsitzer agil bewegen. Sogar eine Akroversion gibt es mittlerweile – allerdings nicht für die UL-Klasse, die Kunstflug ausschließt, sondern als Experimental (Selbstbauflugzeug) für die Echo-Klasse. Diese Version mit der Bezeichnung XP Aero hat doppelte Hauptholme und an beiden Tragflächen außen je ein Rippenfeld weniger, was die Spannweite von 7,92 auf 7,00 Meter verkürzt und die Flügelfläche um 1,60 Quadratmeter verkleinert. Bei gleicher Höchstabflugmasse (450 Kilogramm ohne Rettungssystem) erhöhen sich somit Flächenbelastung und Stallspeed. Während die UL-Version für +4/–2 g ausgelegt ist, hält der Kunstflug-Ranger +6/–4 g stand.

Für Selbstbauer, die mit Kunstflug nichts im Sinn haben, aber kein UL, sondern eine E-Klasse-Maschine wollen, wird die Version XP angeboten. Abgesehen von den verstärkten Flügelholmen ist sie identisch mit dem Sherwood Ranger XP Aero. Je nach Zeitbudget und Können haben Selbstbauer die Wahl zwischen verschiedenen Vorfertigungsstufen. Für den Standard-Kit nennt der Hersteller eine Bauzeit von rund 800 Stunden; ein Schnellbausatz für die Flügel reduziere den Aufwand um etwa 120 Stunden, weitere 250 Stunden spare man mit dem Rumpf-Schnellbausatz. Erbauer der E-Klasse-Versionen werden von der Oskar-Ursinus-Vereinigung (OUV) betreut, dem Verein für Amateur- und Selbstbauer in Deutschland.

Für Selbstbauer der UL-Version ist Lanitz Aviation als deutscher Musterbetreuer und TLAC-Vertriebspartner zuständig. Ob der populäre Kiebitz nun Konkurrenz bekommt? Keine Frage: Nostalgie-Doppeldecker sind beliebt, doch nicht jeder, der ein solches Gerät haben möchte, kann oder will es sich auch selbst bauen – für den Kiebitz gibt’s nur Pläne und ein paar Bauteile. Die FK 12 wiederum wird zwar fertig angeboten, ist aber so etwas wie „die Pitts unter den UL-Doppeldeckern“, spricht also andere Interessenten an.

Ein Schnellbausatz für die Flügel reduziere den Aufwand um etwa 120 Stunden

Retro-Design: In Deutschland ergänzt der Sherwood Ranger die Doppeldecker-Szene, die von Typen wie Kiebitz, FK 12 und Sunwheel beherrscht wird

Somit könnte der Sherwood Ranger eine Lücke füllen. Doch was ist aus Russ Lights Kostenbewusstsein geworden? Für die flugfertige Maschine muss man heute 100 000 Euro brutto hinlegen, üppig ausgestattet mit Funk, Transponder, EFIS, TCAS und Flarm. Da stellt sich schon die Frage, ob’s wirklich ein nostalgischer Doppeldecker sein muss oder nicht doch ein moderner wie die FK 12 – die nicht teurer ist.

Text & Fotos: Cornelius Braun, fliegermagazin 7/2014

Technische Daten
Sherwood Ranger
  • Lanitz Aviation, Am Ritterschlösschen 20, 04179 Leipzig,Telefon: 0341/44 23 05-0, www.lanitz-aviation.com
  • 7,92 m
  • 15,60 qm
  • 6,10 m
  • 2,24 m
  • 0,56 m
  • ab ca. 270 kg
  • 472,5 kg
  • 41 l, mit Headertank 61 l
  • ULPower 260i/82 PS (bei 2800 rpm)
  • Helix, 2-Blatt, fest, CfK, 1,75 m
  • ca. 6 m/sec.
  • ca. 300/475 km plus 30 Minuten Reserve
  • 99 995 Euro*
  • www.g-tlac.com
  • * mit Junkers-Rettungssystem, f.u.n.ke.-Funk, Trig-Transponder, Stratomaster-Enigma-EFIS (MGL Avionics), f.u.n.ke.-TCAS (Kollisions-warnsystem) mit ADS-B und Flarm, inkl. Mwst. Preis Standard-Bausatz: 24 000 Euro inkl. Mwst.; Bauzeit laut Hersteller: rund 800 Stunden. Erhältlich ist auch ein Schnellbausatz, der zirka 370 Arbeitsstunden ersparen soll; Preis auf Anfrage (abhängig von Transportkosten: große Kisten!).
Schlagwörter
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