UL-Pilot-Report: WT 02 Wild Thing von ULBI
Taildragger, 80-PS-Jabiru, UL-Zulassung – so kam der Ganzmetall-Hochdecker auf den deutschen Markt. Dann schob Airlight weitere Motorisierungen nach, die stärkste mit 120-PS-Sechszylinder. Jüngster Spross des Nachfolgeunternehmens ULBI ist die WildThing mit Bugradfahrwerk. Auch eine Experimental-Version für 600 Kilo MTOM gibt’s heute. Wie unterscheidet sich die 120-PS-Bugradmaschine vom Taildragger mit Vierzylinder-Motor?
Fast zehn Jahre ist es her, dass in Hassfurt ein „wildes Ding“ auf die Startbahn rollte (siehe fliegermagazin 7/1997). Dank Auflastung auf 472,5 Kilo Abflugmasse bietet die Wild Thing als Taildragger (WT 01) mit 80-PS-Jabiru heute fast 190 Kilo Zuladung. Das reicht, um auch doppelsitzig eine vernünftige Spritmenge tanken zu können. Im Laufe der Produktion kamen verschiedene Antriebsvarianten hinzu (siehe fliegermagazin 3/1999), und das Flugzeug wurde kontinuierlich verbessert. So hat man die früher schwer ablesbaren Schauröhrchen als Spritstandsanzeiger in den Flügelwurzeln weiter innen platziert und ihren Durchmesser vergrößert. Jetzt sind sie einwandfrei ablesbar. Der Auslösegriff des Rettungsgeräts sitzt nicht mehr am Fuß des linken Knüppels, sondern rechts neben den Motorbedienhebeln. Hier kann er von beiden Insassen sicher erreicht werden.
Der Federweg des Zweibeinfahrwerks wurde nahezu verdoppelt: Die komprimierbaren Gummielemente mussten einer Piper-Cub-ähnlichen Gummizug-Federung weichen. Dadurch soll sich auch die Tendenz zum Hüpfen bei nicht vollständig abgefangenen Landungen verringert haben. Neueste Modifikation: In Hassfurt wird gerade bei einem Spornrad-Wild Thing das Rettungsgerät weit hinterm Cockpit untergebracht, statt davor. Dies ermöglicht nicht nur eine stärker geneigte, aerodynamisch günstigere und schönere Frontscheibe. Es spart auch Gewicht, denn die Starterbatterie wandert weiter nach vorn und kann wegen der geringerern Leitungsverluste kleiner sein. Bei diesem Flugzeug wird zusätzlich die Cowling etwas abgesenkt, was am Boden die Sicht nach vorn verbessert. Piloten, die Bugradflugzeuge bevorzugen, dürften sich über die WT 02 freuen. Allerdings wiegt die 15 Kilo mehr als die WT 01.
Alles zugänglich: Die Wild-Thing-Kabine verströmt das Flair eines „ehrlichen Blechfliegers“
Besonders mit dem schwereren, 120 PS starken Sechszylindermotor bietet die Bugrad-Maschine in der UL-Klasse doppelsitzig kaum noch eine sinnvolle Zuladung. Da alle Wild Thing in Deutschland aber auch als Experimental mit einer maximalen Abflugmasse von 600 Kilo zugelassen werden können, spricht diese Version eindeutig PPL-Inhaber an – sofern sie bereit sind zu „schrauben“: Für die Echo- Klasse bietet ULBI Bausätze an. Was das Exportgeschäft betrifft, dürfte für den Hersteller auch die neue US-Klasse Light Sport Aircraft (LSA) interessant sein. In Hassfurt konnte ich einen Prototyp mit 120-PS-Jabiru und Bugrad-Fahrwerk fliegen – als UL. Komplett ausgerüstet wiegt die D-MLFZ 335 Kilogramm, was nur einsitziges Fliegen erlaubt, wenn die 80 Liter fassenden Tanks einigermaßen gefüllt sind. Mit 60 Liter Autosuper und meinen 80 Kilo komme ich auf ein Abfluggewicht von 455 Kilo.
Mit Echo-Zulassung (ohne Rettungsgerät) wären über 280 Kilo Zuladung möglich – ein Wert, von dem so mancher konventionelle Echo-Klasse-Zweisitzer nur träumen kann. Die große Tür liegt hinter der Flügelstrebe und macht den Einstieg in das 1,12 Meter breite, sehr geräumige Cockpit einfach; man braucht nur den Sitz auf seiner Schiene ganz nach hinten zu fahren. Diese Auslegung erübrigt auch verstellbare Pedale. Der Jabiru-Sechszylinder springt sofort an und schnurrt nahezu „Mercedesgleich“. Beim Rollen überzeugen die möglichen engen Kurvenradien – das Bugrad ist mit dem Seitenruder gekoppelt – sowie die gegenüber dem Taildragger bessere Sicht nach vorn. Die hydraulischen Scheibenbremsen, die als Parkbremsen verriegelbar sind, lassen sich mit dem Handgriff am Knüppel gut dosieren. Auch beim Run-up halten sie das Flugzeug zuverlässig.
Im Startlauf mit Klappenstellung 1 und leicht gezogenem Knüppel kommt das Bugrad bereits nach wenigen Metern frei, mit einem leichten Seitenruderausschlag nach rechts kompensiere ich Motormoment und Propellereffekte. Ehe man sich versieht, ist die Wild Thing in der Luft und steigt mit knapp sieben Meter pro Sekunde steil weg. Ohne Flaps liegt die optimale Steiggeschwindiggkeit bei rund 105 km/h; der Jabiru dreht dann mit 2800 Touren. Obwohl der Sechszylinder sehr ruhig läuft, sind gute Kopfhörer empfehlenswert – Schwingungen können die dünne Alubeplankung zum Resonanzboden machen. Für einen Hochdecker ist die Sicht aus dem Cockpit ordentlich – auch wegen der Dachfenster, die in steilen Kurven einen Blick auf den Flugweg ermöglichen. Die Belüftung durch verstellbare Einlässe in den Seitenfenstern und die Kabinenheizung wirken gut. Bei warmem Wetter oder für Fotoflüge kann man die großen oberen Türfenster öffnen.
Heruntergeklappt liegen sie dann außen am Rumpf an. Mit Vollgas erreiche ich gut 180 km/h, wobei der Helix-Zweiblattprop den Jabiru noch deutlich unter seiner Maximaldrehzahl arbeiten lässt. Komfortabel und wirtschaftlich sinnvoll ist der Reiseflug bei 2600 Touren. Dann zeigt der Fahrtmesser 160 km/h an. Das Überziehverhalten ist unverändert gutmütig geblieben: Im Leerlauf unterhalb 75 km/h fühlt sich der Knüppel weich an; erste Ablöseerscheinungen werden spürbar. Bei 70 km/h geht die Wild Thing unter deutlicher Anstellwinkelerhöhung und Schütteln in den Sackflug über, weiteres Ziehen führt zu kräftigem Taumeln, das mit dem Seitenruder korrigiert werden kann. In den Klappenstellungen 1, 2 und 3 verringert sich die Mindestgeschwindigkeit jeweils um knapp drei km/h. Die Tendenz zum Taumeln im Sackflug nimmt dabei ab. Die harmonisch abgestimmte, leichtgängige Steuerung mit ihren geringen, aber klar definierten Kräften machen das Fliegen zum Genuss.
Flachere Frontscheibe: möglich, weil das Rettungssystem hinters Cockpit verlegt wurde
Bei 100 km/h bietet die Wild Thing eine nahezu akrobatische Rollwendigkeit von 2,3 Sekunden für den 45-Grad-Kurvenwechsel. Die Flettnertrimmung ist mit dem Trimmrad präzise justierbar. Gut gelungen auch die Abstimmung von Motorzugachse und Landeklappenmoment: Im Leerlauf auf 105 Stundenkilometer ausgetrimmt nimmt die Maschine beim Gasgeben ihre Nase hoch und steigt unter Volllast mit 90 km/h. Ausfahren der Klappen senkt pro Stufe die Trimmspeed um rund fünf km/h. Als Anfluggeschwindigkeit bei ruhigem Wetter reichen 95 Stundenkilometer. Dabei bremst die zweite Klappenstellung bereits brauchbar. In der dritten geht’s noch steiler bergab, doch dann muss man aufpassen, dass die Fahrt bis dicht an den Boden erhalten bleibt – sonst sackt die Maschine im Abfangbogen durch. Der Slip ist problemlos und sehr wirksam.
Voll abgefangen, setzt das neue Hauptfahrwerk sehr weich und bestens gedämpft auf; beim Ausrollen kann das Bugrad lange oben gehalten werden. Die Wild Thing ist kein Rennflugzeug: abgestrebter Hochdecker, großer Rumpfquerschnitt, steile Scheibe, viele Niete … Als robustes kleines Buschflugzeug bietet die Ganzmetall-Maschine aber enormen Flugspaß und universelle Einsatzmöglichkeiten. So eignet sie sich dank ihrer gutmütigen Flugeigenschaften hervorragend als Schulmaschine. Oder als Schleppflugzeug: Mit 120-PS-Motor darf die UL-Version Segler bis 650 Kilo ziehen. Außerdem – in welchem anderen Ultraleichtflugzeug oder Experimental findet man nach Herausnehmen der Sitze einen Schlafplatz für zwei Personen? In der UL-Klasse ist die Bugradversion wegen ihres höheren Gewichts etwas gehandicapt. Als Experimental eröffnen sich durch die hohe Zuladung aber gute Marktchancen.
Text: Jochen Ewald, fliegermagazin 4/2005
- ULBI GmbH, Flugplatzstraße 18, 97437 Hassfurt, Telefon 09521/61 83 93, www.ulbi-gmbh.de
- 9,2 m
- 13,8 qm
- 6,9 m
- 2,0 m / 2,3 m
- 1,12 m
- 285 kg (mit Rettungssystem) / 305 kg (ohne Rettungssystem)
- 472,5 kg / 600 kg
- 80 l
- Jabiru 2200, 80 PS / Jabiru 3300, 120 PS
- Helix, 2-Blatt, fest, Composite - 1,65 / 1,75
- 4,5 m/s / 6,9 m/s
- ca. 790 km / ca. 720 km ((jeweils plus 30 Minuten Reserve))
- 58 000 Euro * / 31 400 Euro ** (Bausatz)
- * UL, Spornradfahrwerk, 80-PS-Motor, mit Junkers-Rettungssystem und Grundinstrumentierung, unlackiert, inkl. MWSt. Aufpreis für Bugradfahrwerk: 3700 Euro Aufpreis für 120-PS-Motor: 4000 Euro ** Experimental (Bausatz-Flugzeug, Echo-Klasse), ohne Motor, Instrumente, Lack etc., inkl. MWSt.
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