Ultraleicht

UL-Pilot-Report: V-Prop von Silence Aircraft

Constant Speed? Ein alter Hut. Der Pilot wählt die gewünschte Drehzahl vor, und der Prop stellt seine Blätter so, dass sie konstant bleibt. Beim V-Prop braucht der Pilot gar nichts zu tun: Vollautomatisch wird die Blattsteigung an die Fluggeschwindigkeit angepasst. Wir haben’s im Flug getestet

Von Peter Wolter

Mit einem Festpropeller ist der Geschwindigkeitsbereich eines Flugzeugs eingeschränkt: Entweder ist der Prop auf kurze Startstecke und bestes Steigen ausgelegt – dann wird im schnelleren Reiseflug bald die Drehzahlgrenze des Motors erreicht, und das Gas muss zurückgenommen werden. Verschleiß und Lärm sind trotzdem hoch, und der Motor wird jenseits der Drehzahl für den günstigsten spezifischen Verbrauch betrieben. Oder: Der Propeller hat eine größere Steigung und arbeitet im Reiseflug optimal. Dann lässt er den Motor aber am Start und im Steigflug zu langsam (und mit zuviel Schlupf durch-) drehen, sodass nicht die volle Leistung in Schub umgewandelt wird. Abhilfe schafft ein Verstellpropeller. Dessen Blätter haben am Start wenig Steigung (Einstellwinkel), im Reiseflug mehr.

Die einfachste Variante ist der mechanisch verstellbare Zweistellungs-Prop für Motorsegler, der für Start/ Steigflug weniger Pitch bietet als für den Reiseflug. Häufig lassen sich die Blätter bei stehendem Motor noch in eine dritte (Segel-)Stellung schwenken: für minimalen Luftwiderstand. Eine kontinuierliche Anpassung der Propellersteigung ist mit stufenlos einstellbaren Luftschrauben möglich. Die gibt es mit mechanischer, elektrischer oder hydraulischer Regelung. Ob kürzeste Startstrecke, bestes Steigen, sparsamstes Reisen oder maximale Geschwindigkeit – im richtigen „Gang“ kann der Pilot seine Antriebsquelle optimal nutzen. Dafür ist allerdings auch eine stets korrekte, manuelle Bedienung gefordert. Fehler führen (wie beim Rennwagen mit Vielgang-Schaltgetriebe) zu Leistungsverlust oder gar Motorschaden.

Reiseflug: Bei 200 km/h dreht der Jabiru mit 2500 Touren und verbraucht etwa zehn Liter pro Stunde

Um die Propellerbedienung zu vereinfachen, wurden automatische Verstellungen entwickelt: Beim Constant-Speed-Prop – heute Standard in fast allen Flugzeugen mit großem Geschwindigkeitsbereich – wählt der Pilot die Drehzahl des Propellers vor. Die Blätter nehmen dann automatisch die Steigung an, die bei der jeweiligen Geschwindigkeit des Flugzeugs den Motor mit der gewünschten Drehzahl laufen lässt. Üblicherweise funktioniert die Regelung hydraulisch, bei ULs oft elektrisch. Solche Regelungen entlasten den Piloten, haben aber auch Nachteile: Sie erfodern immer noch eine Bedienung und, wie Techniker sagen, eine „Übertragung der Stellgrößen“ vom Motor auf den Propeller: Zwischen dem Hebel oder Schalter im Cockpit und dem Propeller muss der Übergang von fest zu rotierend bewerkstelligt werden.

Das bringt Verschleiß (bei Mechanik) mit sich, Störanfälligkeit durch Dreck und Feuchtigkeit (bei Elektrik) oder Dichtungsprobleme (bei Hydraulik). Billig sind solche Verstellungen ebenfalls nicht, hinzu kommt Gewicht, was besonders bei ULs schmerzlich auf die Zuladung drückt. Die Brüder Thomas und Matthias Strieker, bekannt durch ihren UL- und Experimental-Einsitzer Twister (siehe fliegermagazin 5/2004), überraschten die Fachwelt erstmals 2003 auf der AERO mit einem Verstellpropeller, der die Nachteile herkömmlicher Konstruktionen nicht kennt. Ihr V-Prop ist eine selbstständige Einheit, wird also wie eine starre Luftschraube auf den Propellerflansch des Motors geschraubt. Insofern steht der Strieker-Propeller in der Tradition der Argus- und Avia-Konstruktionen, die man von der Me 108, Arado 96/396 und einigen Zlin-Mustern kennt.

Auch diese wurden „throttle only“ geflogen. Und wie beim V-Prop war die Blattverstellung geschwindigkeitsabhängig. Wie funktioniert die moderne Neuauflage? Das Herzstück des V-Props sitzt ganz vorn: Hinter der frei rotierenden Spinnerspitze, die kleine Windflügel hat, ist ein Generator untergebracht. Der erzeugt zum einen den für die Propellerverstellung notwendigen Strom, zum anderen Impulse zur Messung des Drehzahlunterschieds zwischen Motor (beziehungsweise Propeller) und Spinnerspitze, die geschwindigkeitsabhängig gegen den Propellerdrehsinn rotiert. Ein kleiner, sorgfältig in Kunststoff eingegossener „Bordrechner“ ermittelt daraus die jeweils optimale Blattsteigung und stellt diese mit Hilfe eines Schrittmotors im hinteren Spinnerteil ein.

Um eine einfache Anpassung der Regelkennlinie (Propellersteigung im Verhältnis zur Drehzahldifferenz zwischen Prop und Spinnerspitze) an die Kombination Motor/Propellerblatt/Flugzeug zu ermöglichen, können 16 Kennlinien vom PC in diesen Rechner überspielt werden. Davon wählt der Musterbetreuer des ULs oder Erbauer eines Experimentals in der Flugerprobung jeweils eine (per Lötbrücke) aus, bis das beste Ergebnis erreicht ist. Auf diese Weise lässt sich der V-Prop ohne viel Aufwand an unterschiedliche Flugzeugtypen anpassen. So einfach, wie sich die Funktionsweise des Strieker-Props anhört, war seine Geburt allerdings nicht. Die hohen mechanischen Belastungen in den Propellerblatt-Anlenkungen und der rotierenden Spinnerspitze erforderten einiges an Entwicklungsarbeit und viele Tests, bis alles so präzise und zuverlässig lief, dass es in Serie gehen konnte.

Kleinstes Propellerpitch für die Landung: Beim Durchstarten würde der maximale Schub zur Verfügung stehen

Während die Striekers das Gesamtprinzip, die Propellernabe und -verstellung konstruierten, legte der bekannte Propellerentwickler Dieter Schmitt aus Hassloch Geometrie und Aerodynamik der extrem leichten Kohlefaser-Sandwichschalen-Blätter aus. Die werden beim erfahrenen Propellerhersteller Helix in Aachen für Silence Aircraft in Serie produziert. Bisher läuft die Fertigung für die Jabiru-Motoren 2200 (80 PS, Zweiblatt) und 3300 (120 PS, Dreiblatt). Für die Rotax-Triebwerke 912 (80 PS) und 912 S (100 PS) sowie den 60-PS-Smart-Diesel von Ecofly ist die Flugerprobung in Gang. In Paderborn-Haxterberg hatte ich Gelegenheit, den V-Prop auf dem Twister mit 80-PS-Jabiru probefliegen. Ein Blick unter die Spinnerspitze zeigt den übersichtlichen Aufbau der Mechanik: Massenausgleichsgewichte beseitigen unerwünschte Kräfte auf die Verstellmechanik.

Die um zwei Achsen bewegliche, präzise Lagerung der Propellerblätter mit Gummi-Anschlagblöcken ermöglicht die Pitch-Verstellung und schluckt Motorschwingungen. Feste Endanschläge verhindern ein „Weglaufen“ der Propellersteigung in kritische Bereiche mit zu wenig Pitch, falls die Elektronik doch mal spinnen sollte. Im Cockpit des Twisters deutet nichts darauf hin, dass man in einem Flugzeug mit Verstellpropeller sitzt. Schon nach dem Anlassen und beim Rollen zum Start fällt mir auf, wie sauber der V-Prop ausgewuchtet ist – da sind kaum Vibrationen spürbar. Beim Abbremsen erreiche ich gut 3000 Umdrehungen pro Minute, das UL will ungestüm nach vorn. Im Startlauf ist die Beschleunigung enorm, die Drehzahl steigt auf 3200 Umdrehungen, also in den Bereich der Maximalleistung. Viel früher als erwartet bin ich in der Luft.

Nach dem Abheben bewirkt die auf 110 Stundenkilometer gestiegene Fluggeschwindigkeit, dass die Drehzahl auf knapp 3000 zurückgeht. Mit meinen 80 Kilo im Cockpit und 30 Liter Sprit ist die Silence nicht ganz voll beladen. Steil geht’s nach oben. Vario sowie Höhenmesser und Stoppuhr verraten mir eine Steigrate von zehn Meter pro Sekunde, obwoh die sommerliche Lufttemperatur von 25 Grad Celsius über dem ICAO-Normwert für solche Messungen liegt. Jetzt die Nase runter und – Gashebel immer noch ganz vorn – in den Reiseflug. Schon bald zeigt der Fahrtmesser des kleinen Racers 250 km/h an. Während des Beschleunigens bis 230 km/h ist die Motordrehzahl leicht auf 2900 gesunken, bis 250 wieder auf 3000 gestiegen. Beim weiteren Beschleunigen im leichten Bahnneigungsflug bis zur Vne von 270 km/h legt die Drehzahl auf 3150 zu. Überdrehen des Motors ist also im zulässigen Geschwindigkeitsbereich nicht möglich.

Der V-Prop bringt die hervorragenden aerodynamische Qualitäten der „Mini-Spitfire“ voll zur Geltung: Welches andere UL schafft diese Performance mit nur 80 PS? Mit Festpropeller, einem 1,42 Meter großen Zweiblatt-GT aus Holz, hatte ich vor zwei Jahren eine Maximalspeed von 230 km/h und ein bestes Steigen von 7,8 Meter pro Sekunde erflogen (siehe fliegermagazin 5/2004). Okay, weil der Motor damals über die zulässige Höchstdrehzahl von 3300 Touren hinausgedreht hätte, musste ich das Gas etwas reduzieren. Trotzdem: Wäre der Festpropeller auf Höchstgeschwindigkeit optimiert gewesen, hätte er am Start und im Steigen noch weniger gebracht als der seinerzeitige „gute Kompromiss“. 250 statt 230 km/h, 10 statt 7,8 Meter pro Sekunde – das sind die Früchte des V-Props. Um die Silence mit dieser Luftschraube auf eine Reisegeschwindigkeit von 200 km/h einzustellen, muss ich das Gas weit zurücknehmen.

Die Spinnerspitze sitzt auf der Generatorachse und rotiert durch die drei Flügel gegen die Drehrichtung des Propellers

Jetzt können auch kräftige Thermikböen den Komfort nicht mehr nennenswert stören. Die Motordrehzahl ist auf 2500 Touren gefallen, der Sprit-Durchflussmesser zeigt mir, dass der Jabiru gut zehn Liter pro Stunde verbraucht. Kurze Überschlagsrechnung: Mit vollen Tanks (60 Liter) und Reserve könnte ich nun in gerade mal fünf Stunden 1000 Kilometer weit reisen – da kommt das beste Sparauto nicht mit! Abgesehen von der deutlich besseren Performance habe ich bisher keine Unterschiede in Flugverhalten und Bedienung gegenüber Maschinen festgestellt, die einen Festpropeller haben. Doch wie sieht’s bei Abstieg, Landung und Durchstarten aus? Wenn ich das Gas rausnehme, um in einen „gestreckten Gleitflug“ überzugehen, stellt die Automatik aufgrund der gesunkenen Motordrehzahl den Propeller flacher (die Relativdrehzahl gegenüber der Spinnerspitze hat abgenommen).

Jetzt ist eine deutliche Bremswirkung spürbar, vergleichbar mit einem auf Startstellung zurückgeregelten Constant-Speed-Prop. Das macht den Versuch zunichte, mit wenig Gas sparsamst aus Reiseflughöhe zum Zielflugplatz zu „gleiten“. Ansonsten ist die Automatik aber eine sehr praktische Sache: Selbst mit aerodynamisch hochwertigen Maschinen kann man den Anflug ruhig etwas steiler anlegen, ohne den Flugplatz zu überschießen. Da der Prop im Anflug bei wenig Fahrt und niedriger Motordrehzahl auf seine flachste Steigung zurückfährt, verhält er sich auch beim Durchstarten vorbildlich: Beim Reinschieben des Gashebels steigt die Drehzahl zunächst auf 3200, die volle Motorleistung steht zur Verfügung. Mit zunehmender Drehzahl stellt sich der Propeller bald wieder etwas steiler, sodass sich die Drehzahl im folgenden Steigflug auf 3000 einregelt. Die gesamten Stellvorgänge laufen dabei sauber gedämpft ohne Tendenz zu Regelschwingungen ab.

Der Silence V-Prop ist eine interessante Alternative zum Festprop – in Zukunft bestimmt nicht nur für ULs und Experimentals. Ohne zusätzliche Bedienelemente und Pilotenbelastung ermöglicht er eine nahezu optimale Nutzung der Motorleistung über den gesamten Betriebsbereich. Und das ohne das Risiko einer Fehlbedienung wie Überdrehen. Viel mehr als mit dem Strieker-Propeller wird auch ein ausgefuchster Verstellprop-Bediener kaum aus seinem Gerät rausholen. Hinzu kommt, dass dieser Propeller sehr leicht ist. Die 80-PS-Zweiblatt-Version wiegt komplett montage- fertig nur 5,5 Kilo. Auch der Preis kann sich sehen lassen: ab 3782 Euro, plus Lärmmessung und Zulassung, falls der V-Prop noch nicht im Gerätekennblatt eingetragen ist. Dass diese Luftschraube einfach an unterschiedliche Flugzeugtypen anpassbar und extrem leise ist, ergänzt die Liste der Vorzüge.

Text und Fotos: Jochen Ewald, fliegermagazin 9/2006

Technische Daten
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

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