UL-Pilot-Report: Swift-Light E
Ein Nurflügel mit Elektroantrieb als leichtes Luftsportgerät – ungewöhnlicher geht’s kaum. Dabei erfüllt der Swift-Light E einen alten Pilotentraum: autark starten und Höhe machen, segelfliegen und zur Not mit Motorkraft wieder heimkommen
Laveno, Italien, direkt am Lago Maggiore. Hier, am Standort des Drachen- und Gleitschirmherstellers Icaro 2000, bin ich mit Manfred Ruhmer verabredet. Der Österreicher arbeitet für Icaro. Fünf Mal ist er mit Drachen des italienischen Unternehmens Weltmeister geworden, insgesamt zehn WM-Titel gehen auf seine Kappe, die Hälfte davon in der FAI-Klasse 2 mit dem motorlosen Swift. Da lag es für ihn nahe, den Vertrieb des belgischen Nurflügels zu übernehmen, dessen Ur-Version in den achtziger Jahren als Fußstartgerät von Bright Star in Kalifornien entwickelt worden war. Laveno bot sich als Treffpunkt an: Südlich der Alpen sollte das Wetter gut genug sein, um den Swift-Light E auch in der Thermik ausprobieren zu können. Außerdem wollte mir Manfred sein doppelsitziges Elektro-Trike zeigen. Und so schaue ich mir vom Passagiersitz aus erstmal die Umgebung an – eine gute Vorbereitung auf meinen Flug mit dem Swift.
Als wir uns dem UL-Motorsegler zuwenden, bin ich überrascht: Ich habe einen Transportanhänger erwartet, wie für Segelflugzeuge. Doch Manfred hat das Gerät mit seinem VW-Bus hergebracht. Auf dem Dach liegen die in Schutzhüllen verpackten Flügel; Pilotengondel, Motor, Akku und Propeller passen ins Auto. Beim Aufbauen biete ich meine Hilfe an, doch der Besitzer lehnt dankend ab – das sei nicht nötig. So kann ich verfolgen, wie lange eine geübte Person braucht, um den Flieger betriebsbereit zu machen: 30 Minuten, alleine. Zuvor habe ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, einzelne Komponenten wie Winglets, Zentralholm und Verkleidungen zu begutachten. Wie leicht das alles ist! Auch die hohe Oberflächengüte der Composite-Teile beeindruckt mich. Die Tragflächen werden durch einen separaten Holmstummel sowohl miteinander als auch mit der Pilotengondel verbunden.
„Es gibt ihn auch mit Verbrennungsmotor, aber der Elektroantrieb ist leichter“
Manfred Ruhmer, Swift-Musterbetreuer
Dieser „cage“ besteht aus Stahl- und Aluminiumrohren, ein Textil-Liegesitz nimmt den Piloten auf. In die Winglets ist ein Alurohr einlaminiert, das am Flügelende in eine Buchse gesteckt und per Federschnapper gesichert wird. Da die Querruder, Wölbklappen und Seitenruder keine automatischen Anschlüsse haben, sondern von Hand mit Steuerstangen und -seilen verbunden werden müssen, bleibt Manfred genügend Zeit, mir die Betätigung der einzelnen Ruder zu erklären: Mit der rechten Hand bedient man per Sidestick die kombinierten Quer- und Höhenruder. Für die Bugradbremse gibt’s einen Handhebel am Steuerknüppel. Am linken Längsrohr des Cage greift der Pilot die Seilzüge für Wölbklappen und Sitzverstellung, zwei Klemmen fixieren die Seile. Eine weitere Seilklemme ist links oben am Rohrgestell: für die Störklappen.
Die Füße steuern das Bugrad und die Seitenruder. Auf die Pedale werde ich mich beim Start ganz besonders konzentrieren, denn ihre Bedienung ist ein Mix aus Trike- und Dreiachsfliegerei: Am Boden tritt man quasi auf eine verlängerte Achse, um mit dem Rad zu lenken, streckt also das rechte Bein, wenn man nach links will. Die Fußspitzenpedale, mit denen die Seitenruder bedient werden, funktionieren hingegen wie bei einem konventionellen Dreiachser. Hört sich kompliziert an, ist es aber in Wirklichkeit nicht, wie sich zeigen wird. Manfred klettet noch die Abdeckungen am Flügel-Winglet-Übergang und in Tragflächenmitte an sowie die Makrolonscheiben an die Pilotengondel. Dann verstaut er den Akku unterm Sitz und schließt ihn per Stecker an – der Swift ist einsatzbereit.
Ich weiß nicht, wer nervöser ist – der Musterbetreuer, weil er mir seinen Hightech-Flieger überlässt, oder ich als Pilot, der zwar Hängegleiter- und Dreiachsererfahrung hat, für den die Kombination aus diesen unterschiedlichen Konzepten aber neu ist. Nach einer ausführlichen Einweisung frage ich Manfred noch höflich, ob es ein Problem sei, wenn ich ein paar Stunden unterwegs wäre. Er grinst bloß. Wir schieben den Swift auf die Bahn. Ich fädele mich zwischen der aufgeklappten oberen Verglasung auf den Sitz, später ziehe ich den Reißverschluss über mir zu. Normalerweise sind an den Flügelenden kleine Rollen montiert, doch Manfred benutzt den gleichen Flügelsatz auch für die motorlose Version, bei der er die Rollen nicht braucht. Auf der Graspiste von Laveno kann ich ebenfalls darauf verzichten.
Mit der linken Hand drücke ich zwei bis drei Sekunden den Hauptschalter auf dem Smart Drive Interface, der Handy-großen Bedieneinheit, die links an die Pilotenverkleidung geklettet ist. Nachdem der Regler gepiepst hat, zeigt das Display die wichtigsten Antriebsdaten, etwa Drehzahl, Akku-Spannung, verbrauchte Akku-Kapazität und Temperaturen von Motor, Akku und Endstufe. Langsam drehe ich den „Gashebel“ (ein Potenziometer) nach rechts, der Druckpropeller entfaltet sich und beginnt zu schieben. Vollgas … Die leise Leistungsentfaltung erstaunt mich. Ein paar kleine Kurskorrekturen mit den Füßen, und bei schwachem Gegenwind hebt der Swift nach zirka 100 Metern ab. Mit 1,5 Meter pro Sekunde geht’s nach oben. Aus dem Gegenabflug steuere ich den Hang nördlich des Platzes an: Der dynamische Aufwind soll mir helfen, schneller Höhe zu gewinnen – ich will die Motorlaufzeit kurz halten, um später Reserven zu haben.
Als es mir nicht gelingt, auf Kammhöhe zu steigen, schalte ich den Motor wieder an
15 Minuten Vollgas sind mit den Standard-Akkus drin, ihr Energieinhalt beträgt 2,07 Kilowattstunden. Das ermöglicht Steighöhen bis 1400 Meter über Grund. Ich begnüge mich erstmal mit 400 Metern, drehe den Leistungsregler nach links, drücke den Motorhauptschalter auf „OFF“, und schon verstummt das Propellergeräusch. Wie einfach die Bedienung des Antriebs ist! Es gibt keinen komplizierten Mechanismus wie bei Klapptriebwerkseglern, und vor dem Einfahren ist die Stellung des Propellers auch egal – er faltet sich eh zusammen. Am Hang versuche ich, Höhe zu gewinnen. Als es mir nicht gelingt, auf Kammhöhe zu steigen, schalte ich den Motor wieder an: Grünen Knopf drücken, Powerregler auf „100 %“, und es geht aufwärts. Diesmal lasse ich den Motor laufen, bis ich etwa 300 Meter überm Berg einen Thermikschlauch ansteche. Ausschalten, Wölbklappen auf plus 20 Grad setzen und zentrieren.
Plötzlich macht der Swift Nickbewegungen – was will er mir sagen? Ich fühle mich unwohl. Solche Bewegungen kenne ich nicht aus der Fliegerei. Ich versuche zu verstehen, was gerade passiert, fliege etwas schneller … das Nicken verschwindet. Wieder langsamer … unter 30 km/h beginnt es erneut. Später erklärt mir Manfred, dass die Nickbewegungen auftreten, wenn man bei geringer Fahrt unsauber fliegt. Dann liegt die Strömung im Wurzelbereich der Tragfläche nicht mehr an. Okay – ich bin Swift-Anfänger. Die Steuerbarkeit wird durch das Nicken übrigens nicht beeinträchtigt. Nach einer halben Stunde ist meine Nervosität verschwunden. Ich beginne, den Flug zu genießen, obwohl es in der Thermik schaukelt und bockt. Durch die Liegeposition bin ich dennoch entspannt. Schnell habe ich mich an das Spiel mit den sehr effektiven Wölbklappen gewöhnt.
Außerhalb der Bärte bin ich in Lauerstellung mit plus 5 Grad und 80 km/h unterwegs. Beim Einkreisen ziehe ich die Wölbklappe auf plus 20 Grad und reduziere die Fahrt auf 45 km/h – herrlich, wie es mit fünf Metern pro Sekunde nach oben geht! Das Kreisen ist einfach, da man keine Seitenruderunterstützung braucht. Nur beim Einleiten sollte man kurz mit dem Seitenruder nachhelfen, sonst beginnt der Kurvenflug mit Gieren. In der eingenommenen Schräglage liegt der Nurflügel wie ein Brett in der Luft. Als ich in 1800 Metern die Basis erreicht habe, will ich ins nächste Tal nach Varese. Also Wölbklappen auf minus 5 Grad ziehen. Die Nase senkt sich, und der Flieger beschleunigt. Schnell zeigt das Kombi-Fluginstrument 110 km/h an, ohne zu drücken und ohne Motor. Eine Trimmung gibt’s nicht; die Grundgeschwindigkeit wird per Wölbklappe eingestellt.
Bei der Talquerung verliere ich überraschend wenig Höhe. Ich bin entzückt und fühle mich so sicher, dass ich später nicht genügend Höhenreserve schaffe, um auf dem Weg zum Landeplatz über einen Berg zu kommen. Außenlandung? Nein, der Elektromotor hebt mich problemlos drüber. Nach zwei Stunden Flugzeit, davon 15 Minuten mit Motor, möchte ich aus 1600 Metern absteigen. Motor aus, Wölbklappe voll ausfahren (50 Grad), Störklappen raus, und runter geht’s wie ein Stein. Mit dem Knüppel am vorderen Anschlag sinkt der Swift bei 60 km/h in einem Winkel, der schätzungsweise Gleitzahl 2 entspricht. Nach einem kurzen Abfangbogen lande ich mit voll gesetzten Wölb- und Störklappen und rolle wenige Meter aus. Wer auf einem extrem kleinen Landefeld runter muss, kann zusätzlich beide Seitenruder gleichzeitig voll ausschlagen (90 Grad), das bremst dann noch mehr.
Der Swift ist besser als ein Drache
Mein Resümee nach dem Flug: Durch die geringe Fahrt beim Kurbeln, die eher Hängegleitern als Segelflugzeugen entspricht, kann der Swift auch kleinräumige Thermik nutzen. Sensibel reagiert er auf jeden Heber. Im Gleitflug kann er zwar nicht mit heutigen Segelflugzeugen mithalten, Drachen übertrifft er aber bei weitem. Dass der Pilot dicht unter der Tragfläche liegt, mit dem Kopf nahe an der Hinterkante, hat Vor- und Nachteile: Einserseits fühlt man sich sehr mit dem Gerät verbunden, die Flügel liegen im Blickfeld, als ob es die eigenen wären. Andererseits ist die Sicht schräg nach oben eingeschränkt, und zwar seitlich ebenso wie voraus. Das kann beim Kurbeln mit anderen Thermikfliegern ein Problem sein, da man schlecht in die Kurve hineinsieht. Am Elektroantrieb gefällt mir die simple Bedienung und der geräuscharme Motorflug – da freut sich nicht nur der Pilot.
Zudem ist der Elektro-Swift auch noch leichter als der Swift-Light Pas, die Version mit Verbrennungsmotor – ein weiterer Pluspunkt. Der 18 PS starke Bailey-Viertakt-Einzylinder des lauteren Bruders läuft mit acht Litern Sprit allerdings fünf Stunden. Da der Antrieb – ob elektrisch oder konventionell – bei diesem Luftsportgerät aber nur als Aufstiegshilfe dient, steht die maximale Laufzeit nicht im Vordergrund. Autark, leise und unkompliziert mit Motorhilfe starten und steigen, segelflieger sich Aufwind nutzen, in toter Luft aus eigener Kraft Höhe gewinnen und den Heimatplatz wieder erreichen können – darum geht es. In dieser Hinsicht eröffnet der Swift Light E faszinierende Möglichkeiten. Piloten, die selbst herausfinden wollen, ob der leichte Nurflügel für sie in Frage kommt, können ihn beim Hersteller Aériane in Belgien probefliegen.
Dort steht eine doppelsitzige motorlose Version zur Verfügung, die im UL-Schlepp auf Höhe gebracht wird. Als motorisiertes Luftsportgerät passt der Swift-Light E zwar in die 120-Kilo-Klasse, in Deutschland ist die Musterprüfung aber derzeit nicht geplant. Das Demo-Exemplar fliegt mit einer österreichischen Zulassung für motorisierte Hängegleiter. Es gibt deutsche UL-Piloten, die ihn mit dieser Zulassung betreiben – deutsche Versicherer scheint das nicht zu stören. Sechs Exemplare wurden bisher verkauft; ohne Motor fliegen weltweit etwa 230 Swift. Bei einem Nettopreis von 36 000 Euro (ohne Rettungssystem und Instrumentierung), 6250 Euro mehr als mit Verbrennungsmotor, ist der unkonventionelle Elektro-Motorsegler auch nicht übermäßig teuer. Im Vergleich zu den „Großen“ mit K-Registrierung sowieso.
Text & Fotos: Dietmar Rebl, fliegermagazin 2/2014
- Aériane S. A., Rue des Poisiers 7, B-5030 Gembloux, Belgien,Tel. 0032(0)81-60 05 95, www.aeriane.com
- 12,8 m
- 12,5 qm
- 95 kg (inkl. Akku und Rettungssystem)
- 191 kg
- 55 – 96 kg
- Flytec HPD 10 (bürstenloser Außenläufer, Direktantrieb) / 10 kW bei 1950 rpm
- Helix, 2-Blatt, Faltpropeller, 1,4 m
- 80–100m
- 1,5 – 2,0 m/s
- ca. 47 000 Euro*
- RuhmAir, Holzmühle 53, A-4271 St. Oswald, Österreich, Tel. 0043(0)676-908 17 43, www.swift-light.at
- * inklusive 19 % Mwst., 2-kWh-Antriebsakku, Ladegerät, Apco-Rettungssystem, Bräuniger-Multifunktionsinstrument mit GPS (Drachenflug-Instrument)
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