UL-Pilot-Report: SuperSTOL XL von Just Aircraft
Nach wenigen Metern in der Luft sein und im Sackflug landen, kleinräumig durch die Natur schleichen oder gemütlich reisen – dieses Flugzeug eröffnet faszinierende Möglichkeiten und ist dabei extrem gutmütig.
Daheim zählen wir uns schon zu den Buschfliegern. Manchmal wenigstens. Wenn’s mal kurz oder steil oder sonstwie tricky ist. Auch weil wir schicke Spornradflieger haben, mit Ski und dicken Pneus daherkommen, in welcher Klasse auch immer. Das erzeugt eine Art Zugehörigkeitsgefühl zu den echten Buschfliegern, die ihre Maschinen für die Fortbewegung zu interessanten Orten verwenden, um dort was auch immer zu erledigen.
Was uns limitiert ist die unzureichende Übung daheim: Regularien, Wetter, fremde Sprachen an attraktiven Schauplätzen, oder es gibt niemanden, der einem alles richtig zeigt. Und so wissen wir Pseudos, dass wir Halbwissende bleiben werden. Da reizt der Kontakt zu echten Durchblickern umso mehr. Zu ihnen gehören die Macher und Denker in der amerikanischen Buschflug-LSA-Szene: die Jungs von Just Aircraft in Walhalla, North Carolina.
Wie fliegt sich die SuperSTOL XL von Just Aircraft?
Unscheinbar und etwas versteckt steht ihre Fertigungshalle gut drei Kilometer vom Ortsrand entfernt im Wald. Vom Kiesparkplatz fällt die 200 Meter lange Werkspiste mehr als 15 Prozent zu einem See hin ab. Ich überlege, ob ich mich trauen würde, hier mit meinem UL reinzulanden. Meinen ferngesteuerten »Kleinen UHU« hier rumkurven zu lassen, erscheint mir dann doch realistischer. Der Wald ist nah und der Untergrund rau.
Troy Woodland und Gary Schmitt von Just Aircraft nehmen sich Zeit für mich. Technisch wie fliegerisch sind die beiden Vollblutbuschpiloten mit ihren Geräten verwachsen. Gary fliegt jeden Tag mit seiner SuperSTOL 40 Minuten zur Arbeit – low, slow. So ähnlich wie ein Quad-Fahrer, der auf einem Feldweg zur Arbeit gelangt. Gary managt Fragen rund um die Bausätze und kümmert sich um Papiere und Bestellungen. Sein Geschäftspartner Troy ist Vordenker, Visionär und Hardcore-Tester. Er kommt aus der Kitfox-Ecke und hat sich mit seinem Wissen bei Just Aircraft eingebracht.
Als ich die SuperSTOL später fliege, erzählt er mir, wie schlecht sie seit der letzten Änderung an der Querrudereinstellung nun geradeaus fliege und dass da schleunigst nachgebessert werden müsse. »Schlecht«! Das Ding schnürt wie auf Schienen, sollte ich feststellen.
Bei Just Aircraft ist fast alles auf Kit-Produktion ausgelegt
Just Aircraft baut zwar auch hin und wieder Fertigflieger, aber alles ist auf zügige Kit-Produktion getrimmt. Für Kunden gibt’s im Werk ein Builder Assist Program.
Der geniale Flügelklappmechanismus, den Troy mit in die Firma brachte, wurde zunächst bei der Escapade verbaut. Aus dem recht schlichten Rohr-Tuch-Flieger entstand der robuste Highlander: größere Steuerflächen, großes Gepäckfach, verstellbare Sitze, mehr Flügelfläche, neue Flaps und Querruder. Steve Henry aus Idaho hat mit seinem Highlander Schenkelklopfer-Filmchen vom Backcountryfliegen in Idaho gemacht. Einmal startet er mit stehendem Prop einen steilen Hügel hinunter und landet im Tal am Flussufer, ohne jemals den Motor laufen zu lassen. Dead stick take-off!
Bei einer Fullstall-Sackfluglandung soll nichts kaputt gehen
Beim Rundgang durch die Fertigungshalle erzählt Troy von den Verbesserungsideen aus der Brainstorming-Zeit der SuperSTOL. Die Helio Courier inspirierte ihn zu Vorflügeln in Kombination mit riesigen Fowlerklappen. Dazu mussten sie den ganzen Highlander-Flügel ändern. Die Rohrholm-Konstruktion wurde so zusammengeschoben, dass im Nasenbereich Platz für die Vorflügel und deren Scherenbetätigung entstand.
An den hinteren Rohrholm kamen die Taschenaufnahmen für die Landeklappen und die ausbalancierten Frise-Querruder mit tiefer Lagerachse. Da muss viel Arbeit reingeflossen sein, bis das alles gut war. Aber das Ergebnis war’s wert, denn es geht ja nicht nur um kurze Starts und Landungen – der Flieger darf im Langsamflug keine Neigung zum Abkippen haben oder schlecht beherrschbar sein. Der Pilot muss mit vollem Vertrauen nach draußen schauen können und das Flugzeug bei jeder kleinen Abweichung immer folgen. Dank der genialen Vorflügel konnte man nun mit 35 Grad Anstellwinkel fliegen, aber das Highlander-Fahrgestell war solchen Sporn-zuerst-Plumpslandungen nicht gewachsen. Also analysierte man die Fahrwerke von AN-2, PC-6 Pilatus Porter und Fieseler Storch. Das Ziel: Bei einer Fullstall-Sackfluglandung sollte nichts kaputt gehen.
Spoiler ragen aus der Flügeloberseite, wenn das Querruder nach oben ausschlägt
Es entstand eine Konstruktion mit Gasfederung, 30 Zentimetern Weg und integriertem Dämpfer, dessen Zugstufe das Wegspringen à la PC-6 verhindert. Auch der Sporn hat eine Gasfeder mit Zugdämpfer. Nun war ein Flieger geboren, der sich fast ohne Eingriff des Piloten landen ließ. So sicher wie das Amen in der Kirche, so langsam, dass ein Ringelpietz kaum Schaden verursachen würde. Trotzdem blieb die Möglichkeit einer Radlandung (Propellerfreiheit, Sicht nach vorn) erhalten.
Aber das genügte noch nicht. Um die Querruderwirkung im Langsamflug zu erhöhen, kamen verschiedene Spoiler zum Einsatz. Sie ragen aus der Flügeloberseite, wenn das Querruder nach oben ausschlägt.
SuperSTOL XL von Just aircraft ist 408 Kilo schwer
Die Kunden kauften und bauten und verlangten neben Rotax und ULPower auch dickere Motoren. Doch das gab die Schwerpunktlage nicht her. Mit der LSA-Auflastung in den USA von 600 auf 794 Kilo MTOM war dann auch eine Stretchversion möglich: vorn 10 Zentimeter mehr, hinten 60 mehr. Jetzt waren die Tüftler von Just Aircraft am Ziel angekommen. Es heißt SuperSTOL XL und steht vor mir: hochbeinig und maskulin, satte 900 Pfund (408 Kilo) schwer und mit dem 180-PS-Titan von Continental vor Kraft nur so strotzend.
Auf dem Werksgelände gibt es oben neben der Fertigungshalle einen Abstellplatz für die Flieger. Er liegt etwa einen Meter über dem Niveau des 20 Meter breiten Kiesparkplatzes für Autos, an dessen Rand hinter einer Kante die steile Piste beginnt. Gruselig.
»Die wenigen Anzeigen gibt es nur zur Sicherheit«
Nach dem Einsteigen stelle ich den Sitz ein, per Knebelgriff zwischen den Knien funktioniert das komfortabel. Weich springt der Titan OX340 an. Während des Warmlaufens erklärt Troy die wenigen Anzeigen – das sei eigentlich alles nicht nötig, meint er, »nur zur Sicherheit.« Ich würde jetzt langsam auf den Parkplatz runterrollen, ihn überqueren und dann den Hang hinuntersausen. Doch Troy hat andere Pläne. Gleich hier auf dem Abstellplatz gibt er Vollgas. Der Flieger springt los, über den Absatz runter auf den Kiesparkplatz, federt gewaltig ein, sodass die Steine wegspritzen, um sich dann am Rand des Parkplatzes wie ein Skispringer vom Schanzentisch abzustoßen. Wir haben die Piste gar nicht erreicht!
Der Titan röhrt und wuchtet uns steil nach oben. Gott im Himmel! Hoffentlich hält die Sitzlehne. 50 Meilen pro Stunde. Die Vorflügel sind voll draußen, gleich nach dem Abheben hat Troy die Klappen zurück auf Steigflug gestellt; zum Wegspringen hatte er sie voll gesetzt. 60 Meilen pro Stunde – in die Vorflügel kommt Bewegung, sie fahren nicht kontinuierlich ein, sondern wackeln zunächst und legen sich schließlich an. Eine Seite ist einen Moment früher dran, aber ohne Auswirkungen.
Die Türen der SuperSTOL sind vollverglast
Ich darf ran. Wow, was für Querruder! Spritzig und nach einer Minute mit intuitiven Handbewegungen bedient. Wir lassen die hoch in den Himmel reckende Nase ein wenig sinken … Im Horizontalflug bei 65 Prozent Leistung liegen 100 Meilen an. Minimal kopflastig trimmen, und die Höhe bleibt konstant. Durch die beiden vollverglasten Türen habe ich einen ausgezeichneten Blick. Auch nach oben durchs Dach für steile Kreise. Als Tandemgewohnter suche ich nach einer Geradeausflugmarkierung am Panelrand. Troy: »Nimm einfach die Füße von den Pedalen, dann ist es gut.« Stimmt.
Reisen geht schön, ständiges Kontrollieren ist nicht nötig. Später erzählt Gary von XL-Kunden mit Zweiachs-Autopilot – ja, warum nicht?
Jetzt kommen die Spoiler zum Einsatz
Was passiert, wenn man bis zur roten Linie beschleunig? Alles ruhig. Ruder anregen – alles ruhig. Negatives Wendemoment … Keines. Ich nehme das Gas raus, wo-rauf die Stretch-STOL etwas ihre Nase senkt, doch dann pendelt sich ohne Nachtrimmen die ursprüngliche Geschwindigkeit wieder ein. Troy fliegt einen Stall ohne Klappen. Bei 60 Meilen klappern die Vorflügel, dann klebt sich das Tragwerk in den North-Carolina-Himmel. Höhenruder bis zum Anschlag ziehen – es geht einfach nur abwärts. Kein Wingdrop, kein Schütteln. Troy gibt in diesem Flugzustand Gas, und die Nase kommt bedrohlich hoch, aber es passiert immer noch nichts, außer dass sich die Sinkrate verkleinert.
Der Fahrtmesser beginnt gegen null zu zappeln … Endlich senkt sich weich schmierend ein Flügel, und ich rechne mit stärkerem Abkippen. Troy lacht und rudert mit den Querrudern dagegen. Was tut er denn! Jetzt kommen die Spoiler zum Einsatz. Immer noch mit riesigem Anstellwinkel und ordendlich Leistung rollt die Kiste einfach zurück auf Level. Hammer! Ich überlege, was ich meinen Schülern mit diesem Ding beibringen soll. Absurd.
Im Outback von Walhalla ist die Gegend schwach besiedelt
Der staksig lange Klappenhebel zwischen den Sitzen ist leichtgängig, die Lastigkeitsänderungen sind moderat. Die Trimmung fasse ich dafür nicht an. Mit Hilfe der Flaps kommt eine brauchbare Sinkrate für steile Anflüge zustande. Vorflügel, Klappen und die immer wirkenden Querruder machen es zu einem Kinderspiel, mit 50 Meilen auf der Centerline über einen Platz zu fliegen. Da freue ich mich schon auf die Landung am Justiport! Troy lässt mich noch ein wenig rudern, aber es gibt nichts zu meckern. Er zeigt mir einige Landeplätze im Outback von Walhalla. Sanft hügelig ist die Gegend hier, schwach besiedelt. Diese Landeplätze sind allesamt meiner Wahrnehmung entgangen: Waldschneisen, wenige hundert Meter tief, mit hohen Bäumen ringsherum. Die spinnen, die Amis.
Ich denke, dass ich ja alle Klappen und Vorflügel raushauen und quasi am Schirm reinklatschen könnte, und es wäre nicht mal etwas kaputt! Um hier runterzugehen, bräuchte ich jedenfalls keinen Schirm. Was für ein tolles Gefühl, diese Sicherheit.
Gibt es ein sichereres Flugzeug?
Wir kommen zur Landung, ich kann’s gar nicht erwarten. Es geht am See entlang, erst hundert Meter vor dem Aufsetzten drehen wir ein. Bisschen reinschleppen, Nase hoch, und dann kommen ganze 3,8 Auftriebskoeffizient zum Einsatz: Sie lassen uns regelrecht hineinhovern auf die Piste, deren Verlauf wir in zirka drei Meter Höhe den Hang hinauf folgen. Alle Ruder bleiben stehen, dann kommt das große Aufsaugen, hinein in den Untergrund. Ohne Geräusche aus der Unterwelt kuschelt sich das Fahrgestell an den Boden. Auch der Sporn bleibt unten, obwohl er ebenfalls heftig eingetaucht ist. Wir brauchen nun viel Leistung, um den Berg raufrollen zu können.
Noch auf der Steigung wendet Troy, wobei das extra breite Fahrwerk uns gegen die Hangneigung abstützt. Mein alter Kitfox wäre hier sicher umgefallen. Was haben die hier aus ihm gezaubert! Gibt es überhaupt einen sichereren Flieger? Bei diesen genialen Langsamflug- und Landeeigenschaften, dem Schutzfahrwerk und dem Gitterrohrrumpf?
Wer will, kann sogar im Rumpf des ULs schlafen
Nach dem Flug schauen wir uns noch ein paar Details am Rumpf und Flügel an. Mit einem Hebel zwischen den Sitzen wird die Spornrad-Arretierung bedient; im Geradeauslauf will man es nicht frei schwenkbar. Beide Sitzlehnen lassen sich nach vorn klappen, sodass man mit ein paar Polstern im Rumpf schlafen kann. Das gigantische Gepäckfach schreit eigenlich nach einem Kindersitz – oder einer Hundebox. Beim Anklappen der Flügel bildet die hinter dem Einstieg angebrachte Flügelstrebe die Drehachse: Einen Bolzen an der Tragflächenvorderkante rausziehen, und der Flügel legt sich an. Keine Steuerung entspannen, keine Kabel lösen. Nur das Turtledeck hinter den Sitzen muss raus, damit die Landeklappen in den Rumpf schwenken können.
Am Leitwerk verankert sich der Flügel mit zwei Hilfsrohren, fertig. Drei Minuten, ohne Fehlerpotenzial. Sogar bei der Wartung klappen die Leute im Werk schnell mal die Flügel bei, dann schlagen sie sich nicht ständig die Köpfe an. In der Tragfläche faszinieren die Spaltmaße, und die Spoiler machen mich fertig: Wenn das Querruder nach oben ausschlägt, schwenken die drei Plättchen an Hebeln durch einen Schlitz aus der Flügeloberseite.
Auf der Heimreise denke ich an die Möglichkeiten, die sich mit so einem Allrounder eröffnen. Da gibt es doch eine kleine Wiese am Ortsrand … Da könnte ich doch mit Außenstarterlaubnis … Daheim in der Garage sicher unterstellen, auf einem offenen Anhänger hin und herziehen oder hinterm Wohnmobil mit in den Urlaub nehmen … Und dann dort Buschfliegen üben, wo es möglich und erlaubt ist …
Text: Tom Huber Fotos: Just Aircraft, Tom Huber, erstmals erschienen in fliegermagazin 5/2019
- 9,53 m
- 13,66 m2
- 6,55 m
- 2,26 m (mit 29-Zoll-Reifen)
- hängt vom Motor ab
- 600 kg
- 101 l
- u. a. Continental Titan OX340 / 180 PS, Rotax 914 / 115 PS
- Catto, 2-Blatt, fest, Cfk, 2,03 m
- ca. 175 km/h*
- 209 km/h
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