UL-Pilot-Report: So fliegt sich der Magni Gyro M26 Victor
Der italienische Tragschrauber-Hersteller Magni entwickelt seinen ersten geschlossenen Tandemsitzer. Beim Testflug präsentiert sich die Vorserienmaschine trotz extremer Bedingungen freundlich und robust. Sie ist zu Ehren des Firmengründers Vittorio Magni benannt.
Typisch Magni: Mit dem Heckausleger auf dem Boden liegend steht der ultraleichte M26 auf dem Vorfeld. Das ist die unbeladene „Ruheposition“ der Tragschrauber des italienischen Herstellers. Auf dem kleinen Privatflugplatz an der Grenze zur Mailänder Kontrollzone herrschen schon jetzt, am frühen Vormittag, 32 Grad und bei einer Elevation von 400 Fuß ergibt sich eine Dichtehöhe von 2300 Fuß. Zweifellos, es sind harte Testbedingungen für die erste und einzige Vorserienmaschine mit der Kennung I-D820. Während Oberitalien also förmlich kocht, bin ich eingeladen, als erster Journalist das jüngste Produkt von Magni auszuprobieren: den geschlossenen Tandemsitzer Magni Gyro M26 Victor.
Einen Tag zuvor bin ich am Firmensitz 40 Kilometer nordwestlich von Mailand angekommen. Die technische Einweisung machen wir am kühleren Abend im Schatten der Werkshalle. Sogar Firmengründer Vittorio Magni höchstpersönlich ist gekommen und erzählt mir über die Entstehung des M26: „Einen geschlossenen Tandemsitzer haben wir schon 2003 entwickelt“, sagt der 84-Jährige, der immer noch ins Tagesgeschäft eingebunden ist. Das damals XM-21 Aurora genannte Projekt sei aber nicht weitergebaut worden, „weil sich die offenen Tragschrauber einer starken Nachfrage erfreuten.“
Magni Gyro M26: Der Fokus liegt auf Betriebssicherheit
Erst 2015 griff Magni das Projekt wieder auf, denn anders als bei den Mitbewerbern fehlte diese Konfiguration noch in der eigenen Produktpalette. Weil die meisten der benötigten Einzelkomponenten, wie beispielsweise der gesamte Rotor einschließlich Vorrotationssystem, bereits in den anderen Modellen erfolgreich im Einsatz waren und sind, musste der M26 nicht von Grund auf neu konzipiert werden. Der Rahmen aus Luftfahrtstahl wurde im Bereich des Heckauslegers leicht modifiziert; Zelle und Leitwerk aus Verbundwerkstoff dem gewünschten Design angepasst. Bei einer Produktionstiefe von 80 Prozent müssen neben dem Rotax-Motor, dem starren DUC-Propeller und der Plexiglashaube lediglich Räder samt Bremsanlage von Beringer zugekauft werden.
„Wir haben beim M26 besonderen Wert auf Betriebssicherheit gelegt“, erklärt CEO Luca Magni und führt die wichtigsten Features vor. Ist die Haube nicht richtig verriegelt, leuchtet eine Warnlampe auf; wenn die elektrische Feststellbremse nicht aktiviert ist, kann der Motor nicht gestartet werden. Bei festgesetzter Bremse leuchtet ein Warnlicht. Die Rotorbremse arbeitet ebenfalls elektrisch auf Knopfdruck – der Betriebszustand wird mit einer Lampe angezeigt. Eine Besonderheit ist die mechanische Blockierung des Steuerknüppels in der vorderen Position fürs Rollen mit dem Tragschrauber. Das geschieht mittels eines kleinen Hebels rechts neben dem Sitz, am Panel zeigt eine Leuchte den Zustand an.
Dank Ventilator bleibt der M26 immer cool
Der nächste Tag ist angebrochen und die Temperaturen sind schon wieder hoch. Zusammen mit Luca mache ich die Vorflugkontrolle. Da vollvekleidete Motoren oftmals thermische Probleme bekommen, interessiert mich, wie Magni mit diesem Thema umgeht. Ich erfahre, dass der Doppelkühler, der hinter dem Motor schräg nach unten am Heckausleger platziert ist, von einem automatisch arbeitenden, elektrischen Ventilator unterstützt wird. Der Intercooler des Turboladers und der Ölkühler erhalten durch seitliche Einlässe kühlende Luft. Später werde ich feststellen, dass die Temperaturanzeigen im Flug zu keinem Zeitpunkt das zweite Drittel des grünen Bereiches überschreiten.
Vor dem Einsteigen fallen mir im Inneren die beiden roten Bänder an der linken Bordwand auf: die Notentriegelung für einen Haubenabwurf. Dann wird es spannend: Ist der M-26 auch für große Menschen wie mich geeignet? Das Einsteigen über eine seitliche Trittstufe ist bequem, jedoch passen meine Beine nicht unter das Instrumentenbrett. „Da müssen wir das Panel noch verändern“, sagt Luca. Es ist ja ein Vorseriengerät. Schließlich sitze ich doch, mit etwas Mühe zwar, dann aber sehr bequem in dem ausgeformten Sitz. Dank verstellbarer Pedale haben die Füße genug Platz. Nach dem Schließen der Haube bleibt auch über meinem Kopf noch reichlich Raum. Angeschnallt sind alle Instrumente und Bedienelemente gut erreichbar. Zentral auf dem Instrumentenbrett angeordnet sind das EFIS (elektronische Fluginstrumente) von Kanardia und darüber das Display des GPS-Navis von Garmin, deren Anzeigen durch die starke Sonneneinstrahlung und Spiegelungen nicht immer gut erkennbar sind.
Manuelle Vorrotation
Beim Rollen fällt mir auf, wie leicht und präzise Lenkung und Bremse funktionieren. Aufgestellt auf der Bahn halte ich den Tragschrauber mit der Handbremse, die wie gewohnt links am Leistungshebel sitzt. Trotz aller elektrischen Helfer wird die Vorrotation mit dem Hebel am Steuerknüppel manuell durchgeführt. Bei 1800 Motorumdrehungen pro Minute ziehe ich daran und der Bendix-Schalter am Hauptrotor kuppelt hörbar ein.
Beim Hochlaufen des Rotors braucht es relativ viel Kraft, um den Stick in der Mitte zu halten. Ich muss nur wenig Leistung nachführen, um 160 Rotorumdrehungen zu erreichen. Jetzt den Knüppel an den Bauch und noch etwas Gas nachschieben, bis bei knapp 2400 rpm ausreichende 210 Rotor-rpm angezeigt werden. Es könnte sogar auf bis zu 280 Rotorumdrehungen vorrotiert werden. Ich lasse Brems- und Vorrotierhebel los und gebe gefühlvoll Gas. Obwohl wir bei der Hitze voll beladen sind, heben wir nach etwa 100 Metern ab. Das Drehmoment möchte nun mit den Pedalen spürbar ausgeglichen werden, auch der Steuerknüppel verlangt einen deutlichen Linksdruck, um gerade auf der Centerline zu bleiben. Ich halte 115 km/h als Geschwindigkeit des besten Steigens und lese am Variometer 1300 Fuß/Minute ab.
Der Magni Gyro M26 Victor kann auch schnell
Da über uns ein Luftraum C liegt, gehe ich in 1500 Fuß AGL in den Horizontalflug über. Bei 110 km/h dreht der Rotax 915 iS mit 4200 Umdrehungen pro Minute bei 28,4 Zoll Ladedruck. Aber der M26 kann auch schnell: Am Ende des grünen Bereichs sind wir bei 5350 Umdrehungen/Minute und 36,8 Zoll. Auf dem GPS werden jetzt 185 km/h bei Windstille angezeigt.
Es gibt keine auffälligen Vibrationen und die Steuerdrücke lassen sich auch jetzt mit der elektrischen Vierwegetrimmung am Knüppel so gut kompensieren, dass ich die Hände sogar von der Steuerung nehmen kann. Auch Kurvenfliegen mag der M26. Bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten fliege ich Vollkreise und Achten mit zunehmender Schräglage bis 60 Grad. Zur Beibehaltung der Flughöhe muss natürlich entsprechend Leistung zugeführt werden, aber die Steuerdrücke sind auffallend gering. Um in der Kurve koordiniert zu bleiben, aber auch bei schon geringen Leistungsänderungen, verlangt der Tragschrauber einen sensiblen Umgang mit den Pedalen.
Ausgeprägtes Ausschwebeverhalten
Ausgetrimmt ziehe ich bei 150 km/h die Nase des Tragschrauber 30 Grad hoch und lasse den Steuerknüppel los. Nach einer Schwingung fliegt der M26 wieder stabil. Immer noch in 1500 Fuß über Grund gehe ich nun in den Leerlauf und reduziere die Fahrt. Langsam setzt der Sinkflug ein, dessen Geschwindigkeit sich bei 1450 Fuß/Minute nicht mehr vergrößert. Bereits bei am GPS angezeigten 10 km/h Fahrt reicht die Anströmung des Leitwerks aus, um richtungsstabil zu bleiben. Beim Recovern durch leichtes Nachdrücken und mit etwas Motorleistung verliere ich keine 100 Fuß.
Magni setzt auch beim M26 hauseigene, 8,60 Meter langen Rotorblätter ein, die durch ihr Gewicht viel kinetische Energie speichern. Bei der Landung macht sich das durch ein ausgeprägtes Ausschwebeverhalten äußerst positiv bemerkbar. Selbst bei Anflügen mit 70 km/h, das sind 30 km/h weniger als empfohlen, kann ich den Gyro relativ lange nach dem Abfangbogen in der Luft halten, bis er sich weich hinsetzt.
Fazit: Der Magni Gyro M26 Victor ist ein Allrounder
Zurück am Boden, Zeit für ein Fazit: Der M26 hat sich mir als ausgereifter Tragschrauber präsentiert, der zu keiner Zeit giftig oder gar gefährlich wird. Er bietet keinerlei unangenehme Überraschungen, die den unerfahrenen Piloten in Grenzsituationen möglicherweise überfordern. Es macht Spaß, ihn zu fliegen, obwohl er bewusst bedient werden möchte. 115000 Euro netto soll der flugfertige Gyro kosten. Magni will 2023 mit der Serienproduktion beginnen, die Zulassung in Deutschland soll 2024 erfolgen. Es ist also noch etwas Geduld erforderlich.
Vittorio Magni
In der Tragschrauberszene ist Magni ein feststehender Begriff – wie Grob für Segelflieger oder Robinson für Hubschrauberpiloten. Firmengrünger Vittorio Magni ist inzwischen 84 Jahre alt, hält die Zügel seiner Firma aber noch immer fest in der Hand. Magni hatte sein gesamtes Leben lang mit Luftfahrzeugen zu tun. Er arbeitete als Monteur, Konstrukteur, Berater und Pilot für unterschiedliche Flugzeugund Hubschrauberunternehmen, ehe er eigene Ideen realisieren wollte. Jede freie Minute hatte er in die Umsetzung gekaufter Baupläne eines Bensen-Tragschraubers gesteckt. 1976 ging Magni den Schritt in die Selbstständigkeit. Zehn Jahre später war Magni Gyro führendes Unternehmen im Bereich der einund zweisitzigen Gyrokopter und wurde damit zu einem der Urväter der ultraleichten Tragschrauber in Europa.
Schon vor der Jahrtausendwende schätzte Vittorio Magni den fliegerischen Hobbybereich richtig ein und begann für Länder, in denen Tragschrauber geflogen werden konnten, mit der serienmäßigen Herstellung offener Tandemsitzer. Als 2003 ultraleichte Tragschrauber auch in Deutschland zulassungsfähig wurden, war das Unternehmen personell längst auf eine wachsende Nachfrage vorbereitet. Auch Magnis Söhne stiegen früh ein. Pietro hat sich inzwischen auf die Produktion der Verbundwerkstoffkomponenten spezialisiert. Luca ist unter anderem für die Technik der Gyros verantwortlich. Mittlerweile hat sich schon die dritte Generation im Unternehmen etabliert und eigene Aufgabenbereiche übernommen. Trotzdem kommt der Firmengründer noch täglich von 8 bis 17 Uhr in die Firma und arbeitet aktiv in der Produktion mit.
Die Nachfrage nach Magni-Tragschraubern stieg rasant, Hauptmärkte sind Frankreich und die USA. Bald wurde es in der bisherigen Produktionsstätte zu eng. Deshalb zog das Unternehmen 2010 auf ein neues Gelände am gleichen Standort Besnate nahe Mailand und nutzt jetzt 2000 Quadratmeter für die Hauptfertigungsbereiche Rohbau, Verbundwerkstoffe und Montage sowie weitere 350 Quadratmeter für den administrativen Bereich. Etwa 80 Prozent eines Tragschraubers produziert die Firma selbst, auch zur Sicherstellung der Qualität. Nach Angaben der Verkaufsleiterin Chiara Curion hat Magni bislang knapp 1500 Tragschrauber ausgeliefert – und freut sich nach wie vor über volle Auftragsbücher. Derzeit beträgt die Wartezeit etwa vier Monate nach Auftragserteilung.
Text & Fotos: Toni Ganzmann
Toni Ganzmann hat europäische und amerikanische Fluglizenzen für Hubschrauber, Motorflugzeuge und Luftsportgeräte und ist als SPL- und PPL-Fluglehrer (FI) und PPL-Flugprüfer (FE) tätig. Professionelle Flugerfahrung erwarb er bei den Heeresfliegern der deutschen Bundeswehr und beim Offshore-Service in den USA. Für das fliegermagazin ist er als freier Autor tätig.
- Magni Gyro
- Magni Gyro M26 Victor
- Tandemsitzer
- Tragschrauber
- Gyrocopter