Ultraleicht

UL-Pilot-Report: Skyboy von Interplane

Freie Sicht ohne Motor vor der Nase, fliegen ohne Türen. Oder bei schlechtem Wetter in einer warmen Kabine sitzen und wenn’s sein muss mit 160 km/h cruisen – auch das wollen UL-Piloten. Der Skyboy erfüllt diese Wünsche zu einem fairen Preis. Dewald-Leichtflugzeugbau hat den tschechischen Allrounder modifiziert und bietet ihn jetzt mit einem modernen UL-Motor und erhöhter Abflugmasse an

Von Redaktion

Ein wenig verrückt sieht er schon aus, dieser doppelsitzige Hochdecker mit seinem markanten Cockpit, der tiefliegenden dünnen Rumpfröhre und dem Druckmotor auf der Fläche. Die großen Räder des enorm robusten, breiten Hauptfahrwerks federn in gezogenen Schwingen. Diese Auslegung verzeiht schon mal eine richtig danebengegangene Landung, und zusammen mit der stabilen Cockpitstruktur schützt sie bei einem Crash wirkungsvoll die Besatzung. Da die Hauptfahrwerksachse im Schwerpunkt des leeren Fliegers liegt, kann man den Skyboy entweder auf dem Bugrad oder auf dem Sporn abstellen. Letzteres ist bei Wind die sicherste Parkposition, wenn man den Schwanz in den Wind dreht. Zentrales Rumpfelement des Ganzmetall-Flugzeugs ist ein 12-Zentimeter-Alurohr, das die Cockpitstruktur mit dem Leitwerk verbindet. Die Flügel bestehen aus Rohrholmen mit Alurippen, Höhen- und Seitenleitwerk aus versteiften Rohrrahmen.

Fläche wie Leitwerk sind Ceconite-bespannt, bei der Kabine kommt GFK zum Einsatz. Gefertigt wird der ungewöhnliche UL- Pusher größtenteils bei Interplane in der Tschechischen Republik. Musterbetreuer Dewald-Leichtflugzeugbau ist für Endmontage, Zulassung, Vertrieb und Service zuständig. In Neumagen-Drohn gibt mir Alexander Dewald die Gelegenheit, den Skyboy zu fliegen, noch während der Flugerprobung für die deutsche Zulassung. Beim Check stören mich zwei Dinge: Erstens braucht man eine Leiter, um den Motor über dem Flügel in Augenschein zu nehmen, und zweitens kann der Tankinhalt visuell nicht mit der Anzeige des elektrischen Instruments verglichen werden. Die erste Einschränkung ist bei diesem Konzept unvermeidbar, die zweite hat Dewald mittlerweile durch einen transparenten Schlauch behoben, der senkrecht neben dem Tank verläuft. Die Cockpittüren öffnen weit und reichen nach vorn bis fast zu den Pedalen.

Hubschrauber? Viele Beobachtungsaufgaben erledigt der Skyboy genauso

Bei warmem Wetter oder für Fotoflüge kann man eine oder beide Türen mit wenigen Handgriffen ausbauen – das beeinflusst die Flugeigenschaften und -leistungen kaum. Der untere Türrahmen verläuft auf Sitzflächen- Niveau; auch der Steuerknüppel auf der Mittelkonsole behindert beim Einsteigen nicht. Einfach, bequem und sogar behindertengerecht! Erstaunlich, wie gut das tetraederförmige Cockpit selbst zwei großgewachsene Piloten aufnimmt und wie komfortabel man darin sitzt. Rückenlehne oder Pedale sind allerdings nicht verstellbar; kleinere Piloten benötigen ein Rückenkissen. Alles liegt gut in der Hand, nur der Hebel für die Flettner-Trimmung ist (im Prototyp) ein bißchen zu weit vorn positioniert. Klappen hat diese Skyboy-Version nicht. Den Steuerknüppel gibt’s wahlweise auch mit V-förmigem Griff – ein sinnvolles Extra für den Einsatz als Schulflugzeug. Platz für Instrumente bietet das Panel massig.

Die Ausstattung dieses Prototyps mit LCD-Kombi-Instrument für die Motordaten nimmt nur etwa die Hälfte der zur Verfügung stehenden Fläche ein. Optional will Dewald demnächst einen kleineren Instrumentenpilz anbieten, wobei die Rumpfspitze dann auch großflächiger verglast sein soll. Mit Cockpitheizung und dem vor dem Motor sauber verkleidet montierten Rettungsgerät wiegt die D- MDLB leer 283 Kilogramm. Bei einer maximalen Abflugmasse von 472,5 Kilo dürfen also fast 190 Kilo zugeladen werden – ein ordentlicher Wert in dieser Flugzeugklasse. Bei meinem Soloflug kam ich mit vollem Tank auf 400 Kilogramm. Während des Rollens kann man die von Gasfedern hochgehaltenen Cockpittüren ruhig offen lassen – kein Propellerstrahl will sie wegreißen. Schon jetzt begeistert die gute Sicht, genau wie der enge Wendekreis: Man kann fast um ein Hauptrad drehen.

Dem gelenkten Bugrad würde allerdings eine Federung guttun; sein steifes Durchleiten aller Bodenunebenheiten harmoniert nicht mit dem hervorragend gefederten und gedämpften Hauptfahrwerk. Die hydraulischen Scheibenbremsen verdienen ebenfalls ein Lob: Beim Abbremsen mit Vollgas halten sie das Flugzeug locker auf der Stelle. Zum Parken lassen sie sich verriegeln. Im Startlauf beschleunigt der Skyboy trotz böigen Seitenwinds wie auf Schienen. Da der hoch liegende Motor ein kopflastiges Moment erzeugt, empfiehlt es sich, den Knüppel gleich von Anfang an gezogen zu halten. Erst kurz vor dem Abheben kommt das Bugrad frei, und etwa ein Drittel rechter Seitenruderausschlag wird fällig, um die Richtung zu halten. Knüppel etwas nachlassen, auf die optimale Steigfluggeschwindigkeit von 100 km/h beschleunigen, und rauf geht’s mit gut 3, 5 Meter pro Sekunde (in 30 Grad warmer Luft). Während ich mit 5000 Touren im Vollgas-Steigflug Höhe mache, arbeitet die Kühlung einwandfrei.

Die fast hubschrauberartige Sicht aus dem Cockpit begeistert – besonders bei meinem zweiten Flug, vor dem wir die linke Cockpittür ausgebaut haben. Dank großer Frontscheibe stellt sich kein Sturm im Cockpit ein, und die Cabrio-Variante kostet im Reiseflug gerade mal zwei km/h. Eine prima Sache, nicht nur zum Fun-Fliegen, wenn’s warm ist, sondern auch zur „Luftarbeit“ bei Foto- oder Überwachungsflügen. Die Trimmung reagiert sehr direkt – ein einzelner Flettner dürfte vollauf genügen und feinfühligere Lastigkeitsänderungen ermöglichen. Ist der Skyboy im Leerlauf auf 80 km/h ausgetrimmt, beschleunigt er bei Vollgas auf 135 km/h – das kopflastige Moment durch die hohe Schubachse macht ihn vor allem schneller, statt ihn wegsteigen zu lassen. Ein leicht nach vorn gekippter Motor könnte das ändern. Horizontal ausgetrimmt erreiche ich maximal 158 km/h. Dabei dreht der Rotax mit 5050 Touren und bleibt somit deutlich unter dem zulässen Dauer-Maximaldrehzahl.

Hohe Rollwendigkeit und hervorragende Ruderabstimmung – ein Spaßflugzeug!

So flott wie moderne Reise-ULs ist der Dewald-Pusher also nicht, aber bei 130 km/h und 4500 Touren gibt er sich sparsam und bietet seiner Besatzung einen komfortablen Logenplatz am Himmel. Dazu kommt eine Rollwendigkeit von nur 2,9 Sekunden für den 45-Grad- Kreiswechsel (bei 100 km/h) und eine hervorragende Ruderabstimmung selbst im unteren Geschwindigkeitsbereich – dies alles macht den Skyboy zum echten Spaßflugzeug. Überziehen mit Vollgas erfordert eine kräftige Seitenruder-Korrektur nach rechts, bis bei 64 km/h erstes Schütteln auftritt und der Hochdecker bei 60 km/h in einen teilweise heftig taumelnden Sackflug übergeht. Das Abkippen kann mit gefühlvollem Seitenrudereinsatz verhindert werden. Im Leerlauf liegen, bei gleichem Verhalten, die angezeigten Mindestgeschwindigkeiten etwa drei km/h höher.

Möglicherweise könnten die Langsamflug-Leistungen des klappenlosen, ungeschränkten Rechteckflügels durch her untergezogene Randbögen – wie etwa an einer Husky – verbessert werden. Bei einer Anfluggeschwindigkeit von 100 km/h geht’s im Leerlauf auch ohne Flaps recht steil bergab. Reicht der Höhenabbau nicht, hilft ein Slip, den Anflugwinkel zusätzlich zu vergrößern. Allzuviel seitliche Angriffsfläche bietet die Rumpfform im Schiebeflug allerdings nicht. Hochdecker-typisch ist im Slip kräftiges Drücken erforderlich, damit das Gerät die Nase nicht zu hoch nimmt und Fahrt verliert. Der böige Seitenwind in Neumagen- Drohn ist mit einem Flugzeug, das so gut in der Hand liegt wie der Skyboy, kein Thema. Erst nachdem die Räder des Hauptfahrwerk schon längst Bodenkontakt haben, macht einen das Bugrad auf die tatsächliche Beschaffenheit des Landefelds aufmerksam.

Wer diesen Flieger zum Transport oder Hangarieren demontieren muss, braucht sich nicht zu stressen: Flügel, V-Streben und Querruderanschlüsse sind mit Bolzen und Fokkernadel-gesicherten Kronenmuttern befestigt. Die Höhenruder-Hälften können nach oben geklappt werden, nachdem man die unteren Verspannungsbolzen gelöst hat. Dewalds Skyboy ist kein Ultraleichtflugzeug, das mit den modernen Hightech- Geräten dieser Klasse konkurrieren will. Dafür erhält der Kunde einen preiswerten, robusten und hervorragend verarbeiteten Zweisitzer, wirklich alltagstauglich und sogar unter Bedingungen noch sicher fliegbar, in denen andere ULs passen müssen. Besonders für Ausbildung und „Luftarbeit“ ist der Skyboy sehr gut geeignet. Und er bietet eine Menge Flugspaß.

Text und Fotos: Jochen Ewald, fliegermagazin 1/2006

Technische Daten
Skyboy von Interplane
  • 9,10 m
  • 13,65 qm
  • 6,37 m
  • 2,13 m
  • 1,44m
  • 268 kg (mit Rotax 912, ohne Heizung)
  • 472,5 kg *
  • 40 l (optional 56 oder 86 l)
  • Rotax 912 / 80 PS **
  • Fiti Eco, 3-Blatt, fest, GFK, 1,65 m
  • 3,5 – 5 m/sec
  • ca. 800 km plus 30 min Reserve (mit 86-Liter-Tank)
  • 47 205 Euro *** (Einführungspreis bis 30. 1. 2006: 44 777 Euro)
  • Dewald-Leichtflugzeugbau, In den Erlen 13, 76669 Bad Schönborn-Mingolsheim, Telefon 07253/95 93 61, www.dewald-leichtflugzeugbau.de
  • * zurzeit 450 kg, erweiterte Musterzulassung für 472,5 kg MTOM in Arbeit ** alternativ: Hirth 3203 E (2-Zylinder-Zweitakter, 65 PS), 3503 E (2-Zylinder-Zweitakter, 70 PS) oder Hirth 3701 ES (3-Zylinder-Zweitakter, 100 PS) *** mit Rotax 912, Basisausstattung und Rettungssystem USH 520 Softpack, inkl. Mwst. Als Optionen werden unter anderem angeboten: profilierte Flügelstreben, Heizung, Klappflächen, Radverkleidungen, Luxussitze, extra Gepäckfach unterm Rumpf (1,0 x 0,5 x 0,3 m), Funk, Transponder. Näheres siehe Dewald-Website. Interplane fertigt auch eine verstärkte Versionen mit 560 Kilo Abflugmasse, als Kit oder Fertigflugzeug. Damit ist eine Zulassung in der Experimental- und der amerikanischen LSA- Klasse möglich.
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