Ultraleicht

UL-Pilot-Report: RANS S-6S Coyote II

RANS – das bedeutet bei Kitplanes ungefähr soviel wie VW bei Autos: riesige Stückzahlen, unverwüstliche Technik, einfache Handhabung. Allein vom Typ S-6 wurden bis heute mehr als 1570 Stück verkauft. S-6S Coyote II heißt die am weitesten entwickelte Version. In Deutschland ist der US-Klassiker als UL zugelassen – und auch als Fertigflugzeug zu haben

Von Peter Wolter

Ein Flugzeug kauft man nicht jeden Tag – es darf nicht so bald den Wunsch nach Verbesserungen entstehen lassen. Verbesserungen, die in die Serie einfließen und dem Käufer zugute kommen: dem Käufer späterer Modelle. Wer hingegen zu früh zuschlägt, den bestraft die Weiterentwicklung – das gilt für ULs mehr als für JAR-zugelassene Flugzeuge, bei denen vor Serienbeginn mehr Entwicklungsaufwand betrieben wird und Modifikationen teurer sind (auch aus Zulassungsgründen), was weniger Nachbesserungen zur Folge hat. Doch was soll man als UL-Käufer tun? Wer kann bei einem neuen Typ schon ahnen, dass im nächsten Jahr die Sitzverstellung unkomplizierter, die Heizung besser und das Gepäckfach einfacher zugänglich sein wird, dass Hebel leichter zu bedienen und aerodynamische Verfeinerungen zum neuen Standard gehören werden? Man kann nur warten und hoffen, dass zum Kaufzeitpunkt ein ausgereifter Stand erreicht ist.

Oder sich für ein UL entscheiden, das schon lange auf dem Markt ist und über die Jahre immer weiter entwickelt wurde. Ein solches UL ist die RANS S-6, die als Vorserienmodell bereits vor 16 Jahren flog. Bis Anfang 2004 hat der Hersteller aus Hays, Kansas, 1570 Exemplare dieses Typs ausgeliefert, bereits fünf WM-Titel wurden mit einer S-6 gewonnen. Seit Randy Schlitters Firma 1983 begann, neben Liegefahrrädern und dreirädrigen Landseglern Kitplanes zu bauen, hat sie knapp 4000 Stück produziert, verteilt auf 13 verschiedene Typen. Damit gehört RANS zu den größten Herstellern von Leichtflugzeugen – mit einem weltweit ausgezeichneten Ruf.

Luftig: Das Glasdach bietet dem Kopf viel Freiheit – optisch und räumlich

Die jüngste Version des Verkaufsschlagers aus Amerikas Mittlerem Westen unterscheidet sich grundlegend von früheren: Als erste S-6 ist die S-6S klassisch bespannt. „Klassisch“ werden heute zwar alle möglichen Bauweisen genannt – Holz, Stahlrohr, Alu, bald wohl auch Kunststoff –, sicher aber nicht, was man unter „Rohr-Tuch“ versteht: eine Zelle aus Alu- und/oder Stahlrohren mit Stoffhülle. Keine aufgeklebte Bespannung also, sondern geharztes Polyestergewebe (wie bei Drachen), das über die Struktur gezogen wird. Genau das hat die „S“ nicht mehr. Bei ihr laufen im Gegensatz zur Vorgängerin „ES“ die Leitwerksruder flach aus, wie sich das für aerodynamisch substanzielle Bauteile gehört. Erkennbar ist die S auch an dem größeren Seitenleitwerk und weniger bauchigen Rumpf hinter der Kabine. Eine Innenverkleidung des Cockpitbodens und anders gestaltete Cowling sind weitere Unterscheidungsmerkmale.

Und die Möglichkeit, Flügel mit dreierlei Grundriss zu montieren: Das Standardtragwerk ist rechteckig, hat 10,52 Meter Spannweite und 14,43 Quadratmeter Fläche. Bei Variante zwei sind Querruder und Landeklappe zugespitzt, beim „116 Wing“ zwar gleichbleibend tief, aber weil die Flügelhinterkante nach vorn gepfeilt ist, hat der Flügel eine noch ausgeprägtere Trapezform. Dies und 1,68 Meter weniger Spannweite reduzieren die Fläche auf 10,78 Quadratmeter (116 square feet). Erhöhte Wendigkeit und bis zu 15 km/h mehr Speed im Reiseflug sprechen für diesen Flügel. Wer hingegen STOL-Eigenschaften in den Vordergrund stellt, der ist mit der größeren Fläche besser beraten. Die S-6ES, die ich in Nördlingen bei RANS-Importeur Martin Oßwald kennen lerne, hat den kleinen Flügel. Was hat sie sonst noch? Eine Erscheinung, die … na ja, die vorn stark abfallende Cowling und der lange Ansatz des Seitenleitwerks sowie dessen Tiefe sind nicht nach meinem Geschmack.

Und die Farbgebung … ist jedenfalls mal was anderes! Bei den inneren Werten darf man nicht meckern: Vom Brandspant bis zur Flügelhinterkante schützt ein verschweißter Stahlrohrkäfig die Insassen. Die hochwertigen 4130er Rohre sind pulverbeschichtet und lackiert. Vorn rechts und links nahe der Flügelwurzeln sowie hinten in der Mitte zerren bei einer Notschirmöffnung die Hauptleinen des Rettungssystems. Für diesen Fall sind nach den neuen Bauvorschriften (LTF-UL 2003) erhöhte Festigkeiten nachzuweisen – kein Problem bei der RANS-Konstruktion. An den vorderen Rumpfkäfig ist der Leitwerksträger geschraubt, ein Verbund aus Alurohren, die mit Hilfe von Knotenblechen vernietet sind.

Das Leitwerk besteht ebenfalls aus Alu; zwischen dem Rohrrahmen definieren Rippen ein Profil, das nicht symmetrisch, sondern unten stärker gewölbt ist als oben (aber nicht so stark wie etwa bei der CH 701) – Abtrieb gegenüber dem Flügel wird bei der S-6S nicht nur per Einstellwinkel erzeugt. Damit die Ruder hinten flach auslaufen, sind V-förmige Bleche auf die Endleisten-Rohre genietet. Wie Rumpf und Leitwerk hat die Fläche eine Ceconite-Bespannung. Neu ist nicht nur die Abkehr vom plumpen Dacron-Mantel, sondern auch die verbesserte Profiltreue an der Eintrittskante. Hier lässt eine Blechbeplankung auf den ersten 20 Prozent des Profils keinen Durchhang der Bespannung zu. Im Innern die bewährte S-6-Struktur mit Alurippen und zwei Rohrholmen. Zum Rumpf sind die Flügel durch profilierte Alurohre abgestrebt. Gegenüber früheren S-6-Versionen ist das Fahrwerk stärker dimensioniert; die Stahlrohrbeine, versichert Martin Oßwald, könnten sich jetzt selbst bei sehr harten Landungen nicht mehr dauerhaft verformen.

Weder Massen- noch aerodynamischer Ausgleich: Die Querruderkräfte sind trotzdem nicht zu hoch

Am Bugrad ist eine Druckfeder für Landestöße zuständig, die Dämpfung übernehmen (teure) Luftfahrtpneus. Auf Wunsch gibt’s auch extra große Tundra Tires, allerdings nur für die Spornrad-Version, die ein paar km/h schneller, acht Kilo leichter und seltsamerweise 300 Dollar teurer ist als jene mit Dreibeinfahrwerk. Kunststoff? Wird bei RANS nur spärlich eingesetzt: für Spinner, Spinnerplatte und Cockpitboden-Verkleidung (jeweils CFK), für die Radschuhe, Verkleidungen der Fahrwerksbeine, Cowling, den vorderen Rumpfrücken sowie die Gestänge- und Seildurchführungen (jeweils GFK). Bevor wir einsteigen, zeigt mir der Deutschland-Importeur noch das optional erhältliche Gepäckfach hinter der Kabine, das durch eine extra Tür auf der rechten Seite zugänglich ist: sehr nützlich für großes, leichtes Gepäck wie Schlafsäcke, Isomatten und Zelt.

Dass der Tank, der mir hier auf der Rückseite des rechten Sitzes auffällt, nur 23 Liter fasst, wundert mich nur, solange ich noch nicht weiß, dass er zu den Extras gehört und die beiden 37-Liter-Flächentanks lediglich ergänzt. Schnell noch den linken Sitz etwas nach hinten versetzt – vier Positionen sind möglich –, und endlich in der Luft schauen, was Sache ist. Obwohl das Cockpit mit 1,04 Meter nicht sonderlich breit ist, kommt mir die S-6S geräumig und luftig vor. Grund dafür sind zum einen die ausgebeulten Türen (optional), die zusammen ein Plus von neun Zentimetern bringen, zum anderen das verglaste Dach, unter dem sich der Kopf frei fühlt. Klappen mit dem Hebel auf der Mittelkonsole in Position 1 (elf Grad) und ab zum Rollhalt. Durch die Fußspitzenbremsen lassen sich beim Run-up Fluchtversuche der 80 Rotax-Pferde mühelos unterbinden.

Im Startlauf etwas rechtes Pedal, bei zirka 70 km/h abheben, wenig später die Klappen rein – bei 110 sind zu zweit 4,5 Meter pro Sekunde Steigen drin. Allerdings dreht unser 912 dabei mit lediglich 4400 Umdrehungen pro Minute, 1400 Touren unter Nenndrehzahl, weshalb ihm 15 PS fehlen. Martin Oßwald weiß das: Er hat dem einstellbaren Warpdrive-Propeller relativ viel Pitch gegeben – das spare im Schulbetrieb Sprit (Ist Nördlingen noch schwäbisch oder schon bayerisch?). Nach dem Ausleveln auf Reiseflughöhe dreh ich erstmal am Rad: Die Trimmung erinnert an Cessna, hat aber ziemlich viel Leerlauf, und wenn dann Bewegung in den Flettner kommt, kann man wurstig weiterdrehen, bis der Druck aus dem Knüppel raus ist. Aus dem Pedal sollte man ihn nehmen, nachdem eine Kurve eingeleitet ist, sonst hängt die Kugel außen. Im übrigen ist das Steuerverhalten schnell beschrieben: anfängertauglich, aber durchaus agil.

Klar, wenn die Querruderseile vom Knüppel unter den Sitzen durchgeführt werden, dahinter hoch bis unters Dach laufen und von dort wieder nach vorn zu den Umlenkhebeln der Steuerstangen, also über jeweils drei Umlenkrollen, kann ein Flugzeug nicht so direkt am Knüppel hängen wie eins mit umwegloser Gestängeverbindung. Aber das stört nicht. Auch dann nicht, wenn man den Knüppel mal seeehr lang am Anschlag stehen lässt, vorzugsweise am linken. Bei Vollgas beschleunigen wir auf 180 Stundenkilometer, mit 4800 Umdrehungen pro Minute zeigt die Nadel 700 Umdrehungen weniger, als dauerhaft zulässig wären. Sowohl im Steigen als auch geschwindigkeitsmäßig ist also noch mehr drin. Doch dann schwindet das Polster zur Vne, die bei 209 km/h liegt. 160 km/h und 4000 Umdrehungen fühlen sich im Reiseflug komfortabel an. Als ich mich nach ein paar Kurven auf der S-6S eingegroovt habe, wird es Zeit, den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen.

In der ersten Reihe: Kostenmäßig lassen ULs wie die RANS S-6S Maschinen der Echo-Klasse alt aussehen

Stalls sind dazu gut geeignet. Normalerweise. Mit diesem Hochdecker gleicht der Aufregungspegel aber ungefähr jenem beim Ausfüllen eines Formulars auf dem Einwohnermeldeamt. Bei vollen Klappen (45 Grad) eiert man bei zirka 63 km/h IAS an der Stallspeed rum, darunter senkt sich die Nase mal nach links, mal nach rechts. Mit weniger ausgefahrenen Flaps (30, 11 und 0 Grad) ließen sich Power on und off knapp 70 erfliegen. Im Kurvenstall nach links blieb die Schräglage konstant, nach rechts nahm sie leicht zu. Bei unserer Kurve in den Endanflug auf die Nördlinger „04“ achte ich darauf, dass wir 110 km/h nicht unterschreiten. Da die S-6S gut gleitet, deutlich besser als ein Rohr-Tuch-Gerät dieser Art, ziehe ich den Klappenhebel von der Elf-Grad- direkt in die Endstellung.

Und den Knüppel beim Aufsetzen einen Touch zu wenig, wie mir scheint, doch Martin Oßwald hat nichts auszusetzen: Durch das relativ steife Hauptfahrwerk fühlten sich die Landungen härter an als mit anderen Maschinen. Keine Frage – dieses UL entspricht dem Trend zur Mittelklasse: nicht zu teuer, nicht zu schnell, nicht zu komplex. Man kann’s auch positiv sagen: gutmütig, komfortabel, robust, einfach in der Handhabung und ausgereift. Oder fällt jemand was ein, wo Randy nochmal drüberschlittern sollte?

fliegermagazin 7/2004

Technische Daten
RANS S-6S Coyote II
  • 8,84 m
  • 10,78 qm
  • 6,40 m
  • 2,74 m
  • 1,07 (mit Bubble Doors 1,16 m)
  • 283 kg (Taildragger 275 kg)
  • 450 kg (Auflastung auf 472,5 kg beantragt)
  • 74 l (mit optionalem Rumpftank 97 l)
  • Rotax 912 / 80 PS *
  • Warp Drive, 2-Blatt, starr (am Boden einstellbar), CFK, 1,79 m
  • ca. 4,5 m/s (mit steil eingestelltem Propeller, Drehzahl 1400 U/min. unter Nenndrehzahl)
  • ca. 790 km plus 30 Minuten Reserve (mit Standard-Tanks)
  • 49 999 Euro **
  • RANS Deutschland, Würzburger Straße 5, 86720 Nördlingen, Telefon 09081/2 55 44, www.rans.de oder www.rans.com
  • * außerdem zugelassen sind: Rotax 503, Rotax 582, Verner SV 1400, Wankel-Rotary LCR-814 TG ti ** Fertigflugzeug mit Grundinstrumentierung und Rettungssystem BRS-5 Softpack, inklusive Mwst.
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

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