Ultraleicht

UL-Pilot-Report: Freccia von Pro.mecc

Was für ein Design – unverkennbar italienisch! Und der Preis? Mit 68 800 Euro plus Steuer ist die Freccia sensationell günstig für ein UL dieser Art

Von Peter Wolter
UL-Pilot-Report: Freccia von Pro.mecc
Die macht was her! Bereits optisch ist die Freccia ein Genuss. Aber auch ihre Flugleistung katapultiert sie in die UL-Oberliga

Ja, sie ist schön. Das war mein erster Eindruck, als ich die Freccia auf der AERO 2012 gesehen hatte: mit Einziehfahrwerk und 115 PS starkem Rotax-Turbomotor. Vergiss es – viel zu schwer als UL!

„Eigentlich gefiel es mir gar nicht, dass über diese Version in Deutschland schon berichtet wurde“, sagt Raoul Amon, „mit Einziehfahrwerk gehört die Freccia in die LSA-Klasse, aber so weit sind wir noch nicht.“ Mit Festfahrwerk hingegen, verrät der Importeur des italienischen Herstellers Pro.Mecc, habe das Muster die Wägung für die Musterzulassung bestanden. 297,5 Kilogramm zu schaffen sei gar nicht so schwierig gewesen – die schlichteste flugfähige Ausführung mit Festpropeller und Radverkleidungen brauchte dazu nicht extra abgespeckt (und hinterher wieder vervollständigt) zu werden.

Neue Heimat: Musterbetreuer Raoul Amon ist mit seiner Firma Proflug von Bayern an den Verkehrslandeplatz Schönhagen umgezogen

Was an Raouls Homebase in Schönhagen vor mir steht, ist allerdings sein Demonstrator, die Premium-Version mit allem Luxus, den man bekommen kann: Verstellpropeller, elektronische Trimmung, Transponder, Antikollisionssystem, Multicolor-Lederausstattung, Cockpit-Seitentaschen, Tablet-Navigations-PC, Strobe und Positionsleuchten … Mit all diesen Extras wiegt die D-MAMX rund 320 Kilo, was eher wenig ist im Vergleich zu manchen gut ausgestatteten Highend-ULs.

Pro.Mecc ist keine in Deutschland bekannte Marke

Ein Luftsportgerät der Oberklasse von … wie hieß die Firma doch gleich? Pro.Mecc ist wahrlich keine Marke, die man in Deutschland kennt. Und denen soll man hunderttausend Euro geben? Der Musterbetreuer rückt die Dinge zurecht: Erstens koste das Basismodell netto nur 68 800 Euro – „20 000 Euro weniger als andere, vergleichbar ausgestattete Muster dieser Leistungsklasse“. Und zweitens baut Pro.Mecc Aerospace Systems zwar erst seit drei Jahren Flugzeuge, in Luftfahrtkreisen hat sich das süditalienische Unternehmen aber einen Namen als Zulieferer für Hersteller wie AgustaWestland, Piaggio oder AleniaAermacchi erworben. Auch für den Triebwerkshersteller Pratt & Whitney fertigt Pro.Mecc Komponenten.

„20 000 Euro weniger als andere, vergleichbar ausgestattete Muster dieser Leistungsklasse“

Raoul Amon, Pro.Mecc-Importeur

Geschäftsführer und Besitzer ist Mauro Dono, ein in der Schweiz geborener Italiener. In einem neuen Fabrikgebäude, das der 46-Jährige in Corigliano d’Otranto, Apulien, errichten ließ, sind sowohl das Stammgeschäft als auch die UL-Produktion untergebracht. Konstruiert wurde die Freccia – ebenso wie das Pro.Mecc-Einsteigermodell Sparviero – von dem Norditaliener Giuseppe „Pino“ Milito, der unter anderem an der Pipistrel-Studie Arcus aus dem Jahr 2000 beteiligt war – das futuristische UL hatte einen Geschwindigkeitsbereich von 63 bis 380 Stundenkilometer.

Das Design der Freccia deutet auf Geschwindigkeit hin

Schnell sieht auch die Freccia (italienisch für „Pfeil“) aus. Dazu tragen sowohl die schlanken Trapezflügel als auch die geschmeidige Rumpfsilhouette bei, vor allem aber das stark geneigte Seitenleitwerk. Zusammen mit der weit nach vorn gezogenen Finne unterm Rumpf suggeriert diese Formgebung: wenn Stirnfläche schon unvermeidbar ist, dann muss sie wenigstens flach angeströmt sein.

Blendende Erscheinung: Die schwarzen Partien sind nicht lackiert, sondern Sichtcarbon. Das Farbschema trägt wesentlich zur rassigen Optik bei

Unterstrichen wird das rassige Design von dem ausgetüftelten Farbschema, das der deutsche Musterbetreuer entworfen hat. Der Clou ist das Schwarz: keine Farbe, sondern Sichtcarbon. „Wenn das Flugzeug aus CfK besteht“, hatte Raoul dem Hersteller geraten, „dann zeigt das doch!“ Fertigungstechnisch bedeutete dies, dass die Kohlefaser sehr sauber verarbeitet werden muss – da lässt sich nichts verstecken. Das Farbschema funktionierte allerdings erst, nachdem auf Raouls Wunsch die Kanzel modifiziert worden war: Die Unterkante der Glashaube durfte seitlich nicht horizontal verlaufen, sondern musste nach hinten ansteigen. Nun harmoniert sie mit der Neigung des weißen Streifens, der knapp darunter auflackiert ist.

Konventionelle Konstruktion trotz Modernem Design

Im Gegensatz zu seiner Erscheinung sind Auslegung und Konstruktion des italienischen Zweisitzers konventionell: Rettungssystem zwischen Panel und Brandspant, Flügeltanks, tief angelenkte Wölbklappen mit elektrischer Betätigung, Trimmung per Flettner-Ruder ebenfalls elektrisch (in der Ausstattung „Basic“ mechanisch), gesteuertes Bugrad an einem Teleskop-Bein mit integrierter Polymerfederung, durchgehende Hauptfahrwerksschwinge aus GfK, hydraulische Scheibenbremsen, die synchron per Handgriff betätigt werden, einstellbare Pedale, 100-PS-Rotax-Motor. Okay, drei verschiedene Sitzschalen für unterschiedliche Körpergrößen sind nicht unbedingt Standard. Ob das Ding so gut fliegt, wie es aussieht?

Schön dosierbar: Die Trimmung arbeitet elektrisch, beim Klappensetzen braucht der Pilot nur wenig Lastigkeitsänderung auszugleichen. Durch das sichtbare Gewebe wirken die schwarzen Composite-Teile schön organisch

Erst wenige Wochen vor unserem Termin in Schönhagen ist Raoul mit seiner Firma Proflug von Bayern an den Brandenburger Verkehrslandeplatz umgezogen. Hier gibt’s nicht nur Platz für den Pro.Mecc-Vertrieb, sondern auch für die Herstellung von Flugsimulatoren, die der gelernte Automechaniker und Maschinenbauer selbst konstruiert hat. Bislang lebt er allerdings nicht von der Luftfahrt: Der 51-Jährige ist auf technische Dokumentationen spezialisiert. Im Rahmen der Freccia-Zulassung hilft das durchaus, etwa bei der Erstellung des Handbuchs. Auch die Flugerprobung erfordert eine akurate Dokumentation. Apropos Zulassung: Für die endgültige stehen noch Lärmmessung und Flattertest aus; die Belastungstests sind absolviert. Zur kommenden Saison rechnet Raoul mit der deutschen Verkehrszulassung.

Raoul hat für die Freccia ein eigenes Konzept für die Anordnung der Instrumente entwickelt

Darstellung von Daten, Gestaltung, Styling – davon versteht der gebürtige Thüringer etwas. Als ich neben ihm in der Freccia sitze, streift mein Blick übers Panel … „Da hatten die Italiener keine schlüssige Anordnung der Instrumente, und die Beschriftungen waren aufgeklebt“, erzählt der Musterbetreuer, „ich hab dann ein neues Layout entworfen“. Mittlerweile wird das Instrumentenbrett bedruckt. 

Demonstrator-Ausstattung: Zwischen den Rundinstrumenten ist ein Samsung Galaxy Tab 7.7 mit Skymap-Software montiert

Nach dem Anlassen des Rotax 912 ULS drücke ich den Schalter der optionalen Flyzone-Propellerverstellung nach links auf „TAKE OFF/LANDING“. Jetzt werden die Blätter elektrisch auf kleinste Steigung gedreht. In der Mittelstellung „MANUAL“ lässt sich das Pitch von Hand mit Druckknöpfen am Instrument regeln, rechts ist die Position „AUTO“, die auch „constant speed“ heißen könnte: Die Blätter werden automatisch so angestellt, dass der Motor mit der vom Piloten vorgewählten Drehzahl läuft.
Die Steigleistung mit flachem Prop ist gewaltig: Bei 100 km/h schwankt die Variometernadel in der turbulenten Luft zwischen acht und zehn Meter pro Sekunde, und zwar zu zweit, dicht an der Maximalzuladung. Dabei ist wenig Seitenrudereinsatz erforderlich, um die Kugel der Libelle in der Mitte zu halten. Schon beim Start brauchte die Freccia eher weniger Druck aufs rechte Pedal als andere 100-PS-ULs mit Rotax-Motor, einem Rechtsläufer.

Komfortabler Reiseflitzer: „Cruise“ sind weit über 200 km/h drin, die Reichweite wird durch die Zuladung an Kraftstoff begrenzt

Eine typische Reiseflugdrehzahl, sagt Raoul, sei 5000 Umdrehungen pro Minute. Nachdem ich auf „AUTO“ umgeschaltet und den Wert eingeregelt habe, schiebe ich den Gashebel nach vorn, bis 26 inch Ladedruck erreicht sind. Lass ihr Zeit, warte, bis die Luft ruhiger ist. Nach einer Weile liegen 230 km/h an. Kurzzeitig gebe ich bei 5500 rpm Vollgas – es sind nicht die Bedingungen, unter denen man im gelben Fahrtmesserbereich rumheizen sollte. 235, 240 – das reicht. Später erfahre ich, dass der Prop vor unserem Flug nicht geputzt worden war; das mag Leistung gekostet haben. Ob die Freccia nun schneller oder langsamer ist als eine Dynamic oder VL-3 müsste im direkten Vergleich herausgefunden werden. Alle drei scheinen in der gleichen Liga zu spielen.

Die Freccia hat alles, was Performance und Spaß bringt

Auch ihre Botschaft ist ähnlich: Ich hab zwar ein Festfahrwerk und ein Side-by-side-Cockpit, aber sonst alles, was Performance bringt. Und Spaß: Den 45/45-Grad-Kurvenwechsel links/rechts schafft die Freccia in zirka 2,5 Sekunden. Das Ruderfeedback ist angenehm, Steuerdrücke und -wege sind gut aufeinander abgestimmt – da passt alles. Provoziert man einen Strömungsabriss, ist die Reaktion „clean“ am harmlosesten: Bei 80 km/h IAS beginnt die Maschine zu vibrieren, anschließend taucht sie nach links kippend über die Nase ab. Je weiter die Landeklappen ausgefahren werden, desto heftiger ist die Roll- und Nickbewegung. Mit 15 Grad Flaps sinkt die Stallsped auf zirka 72 km/h IAS, mit der 25-Grad-Stellung sind angezeigte 65 km/h erfliegbar. Die Maximalstellung, 35 Grad, braucht man nur für extrem kurze Pisten.

Festfahrwerk fürs UL: Aus Gewichtsgründen hat nur die LSA-Version ein Einziehfahrwerk. Das Bugrad ist gelenkt, die Hauptradbremsen arbeiten synchron

Für die Landung in Schönhagen trimme ich bei Klappenstellung eins im Queranflug 100 km/h ein, beim Wechsel auf Stellung zwei im Endanflug bleibt die Fahrt nahezu konstant. Von der „25“ rollen wir nach Norden bis hinter die Schwelle der Piste 12 zu einem der alten charmanten Hangars aus DDR-Zeiten, in denen Flugzeuge wie die Freccia noch moderner wirken, als sie es sind. Mit den Pedalen lässt sich das UL gut zum Abstellplatz lenken – ein Zug am Bremshebel auf der Mittelkonsole, und die Freccia steht. Auch eine Parkbremse gibt es, ein kleiner Ventilhebel dahinter – dass die Sache funktioniert, hat sich beim Run-up gezeigt.

Vor- und Nachteile der Freccia

Kritik? In der Kabine war es vergleichsweise laut, als wir die runden Frischluftfenster auf beiden Seiten voll aufgestellt hatten. Das kann beim Funken störend sein. Ob Schiebefenster weniger Geräusche verursachen würden? Dann die Radschuhe: Es gibt schnittigere Formen, die besser zum Gesamtdesign passen würden. Gepäckraum? 25 Kilo hinter den Sitzen, das geht in Ordnung. Eher ist die Zuladung durch Insassen- und Spritgewicht der limitierende Faktor.

Auf der Positivseite gibt es mehr aufzuzählen: Design, Verarbeitung, Flugleistung, Agilität, Komfort und der konkurrenzlose Preis. Freilich – bei Highend-ULs zählt auch die Reputation des Herstellers, da legen Kunden durchaus mehr Geld hin, wenn sie wissen, dass Qualität und Service stimmen und langjährige Marktpräsenz für unternehmerische Solidität spricht. In dieser Hinsicht kann Pro.Mecc noch nicht punkten, einfach weil die Firma so jung ist.
Hoffen wir, dass sie sehr alt wird

Text & Fotos: Peter Wolter fliegermagazin 09/2012

Technische Daten
Pro.Mecc Freccia
  • 8,78 m
  • 10,18 m²
  • 7,25 m
  • 2,56 m
  • 1,18 m
  • ab 295 kg
  • 472,5 kg
  • 120 l (2 Flächentanks)
  • Rotax 912 ULS / 100 PS
  • FP, 3-Blatt, fest, Composite, 1,78 m
  • ca. 8 m/sec
  • ca. 1300 km + 30 min. Reserve
  • ab 81 872 Euro inkl. Mwst. (Ausstattung »Basic Analog«)*
  • Proflug, Raoul Amon Am Flugplatz, Haus 3 Verkehrslandeplatz Berlin-Schönhagen 14959 Schönhagen
  • 0172/860 39 70 www.promecc.de
Über den Autor
Peter Wolter

Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.

Schlagwörter
  • Ultraleicht
  • Raoul Amon
  • Pro.Mecc
  • Freccia
  • Reiseflugzeug
  • Rotax 912 ULS
  • Schönhagen
Ähnliche Artikel