UL-Pilot-Report: Bristell RG von BRM Aero
Erst wurde die Bristell als Light Sport Aircraft konstruiert, dann zum komfortablen UL weiterentwickelt. Mit Einziehfahrwerk ist sie der Hit: das schnellste Ultraleichtflugzeug in Metallbauweise
Gibt’s das? „Die Pedale sind aber weit vorn.“ „Du kannst sie verstellen“, sagt Alexander Stefan, der deutsche Vertriebspartner von BRM Aero. Pedale nach hinten fahren: Das musste ich mit meinen 1,84 Metern noch nie in einem UL. Ein Griff unters Instrumentenbrett, ganz außen an der Bordwand, und die Fußauflagen der Pedale kippen von der vorderen in die mittlere Position – jetzt passt’s. Irgendwie fühlt sich alles sehr luftig an in diesem Cockpit. Der Bristell-Importeur sitzt neben mir, größer und breiter als ich, und trotzdem berühren wir uns nicht. 1,3 Meter misst die Kabine in der Breite – das ist sehr viel für ein UL.
Schnell wird mir im Bristell-Cockpit klar, dass mein anfängliches Gefühl, zu kurze Beine zu haben, an einer Kontrasterfahrung liegt, die nur wenige Minuten zurückliegt: Ich saß in einer P92, dem Fotoflugzeug – diesmal haben wir wegen aufziehender Gewitter erst die Air-to-air-Bilder gemacht, bevor’s ans Selberfliegen ging. Ich habe mich nicht unwohl gefühlt in dem italienischen UL-Klassiker: Schulterschluss mit dem Piloten, Beine deutlich abgewinkelt, Kopf etwas eingezogen beim seitlichen Blick unter der Fläche hindurch. Wie man das eben so kennt.
Die Platzverhältnisse in diesem Tiefdecker sind das, was man sich wünscht
Jetzt, im Cockpit der Bristell, wird mir klar, dass Platzverhältnisse wie in diesem Tiefdecker eher das sind, was man sich wünscht: Beine schön strecken können, sich im Sitz bewegen, ohne den Begleiter anzurempeln, Luft nach oben und zur Seite. „Man hat ja nicht immer jemand neben sich, den man berühren will“, schaltet sich Axel Rönneker ein (Männer gackern auch nicht niveauvoller als Frauen). Axel ist Alexanders Geschäftspartner; an seinem Heimatflugplatz Dankern, wo wir uns getroffen haben, betreibt er BRM-Aero Norddeutschland. Alexander ist mit seiner Firma Falcon Flugsport 525 Kilometer weiter südlich zu Hause, im baden-württembergischen Rottweil.
Axel sagt, dass er als Fluglehrer den Arbeitsplatz in der Bristell schätze, das Körpergefühl sei anders als in einem beengten Cockpit, was sich auch auf den Lernerfolg der Schüler auswirke. Bei einem Probeflug kann so viel Platz zumindest nicht schaden. Schauen wir uns vorher den Flieger an. BRM Aero? Als ich die Bristell zum ersten Mal sah, hielt ich sie für einen optisch leicht veränderten Cruiser oder SportCruiser oder fernen Zodiac-Verwandten, für eine weitere Blüte an einer Verästelung des komplexen Stammbaums, dessen Ursprung die französische Pottier 220 ist. Wenn man dann noch „Uherské Hradiště“ hört, der Nachbarort von Kunovice, wo Evektor und Czech Sport Aircraft zu Hause sind …
Ja, die Bristell gehört zur Familie der populären tschechischen Ganzmetall-ULs und LSA, die am selben traditionsreichen Luftfahrt-Standort produziert werden, wo schon Let so berühmte Muster wie Ae-45, L29 Delfin oder L-13 Blanik baute. Aber sie ist keine Kopie von irgendetwas, sondern das Werk jenes Mannes, der unter anderem den SportCruiser konstruiert hat: Milan Bristela. Der Tscheche entwarf auch den Hochdecker Parrot oder das Amphibium Mermaid, und seine Deutschland-Vertreter erzählen, er habe ihnen Zeichnungen jenes VLA gezeigt, das dieses Jahr auf der AERO als PS-38 Tourer von Czech Sport Aircraft präsentiert wurde. Seit 2009 fertigt Bristela mit seiner Firma BRM Aero eigene Flugzeuge.
Heute produzieren knapp 30 Mitarbeiter vier Stück pro Monat. Konstruiert wurde der Tiefdecker für die amerikanische Klasse der Light Sport Aircraft. Danach schuf Bristela eine UL-Version. „Downgrade“ wäre hier der falsche Begriff, obwohl das UL (472,5 Kilo MTOM) 40 Kilogramm weniger wiegt als das LSA (600 Kilo MTOM): Das Ultraleichtflugzeug wird auch mit Verstellpropeller und Einziehfahrwerk angeboten, beides ist bei US-amerikanischen LSA nicht erlaubt. „Wie viel wiegt sie nun mehr als die Festfahrwerksversion?“ frage ich Alexander. „Nichts.“ „Wie, ’nichts‘?“ Und dann erklärt mir der Musterbetreuer, dass die massive Fahrwerksaufnahme bei der RG entfalle und deren einziehbare Beine dennoch äußerst stabil seien.
Die UL-Bristell wird auch mit Verstellpropeller und Einziehfahrwerk angeboten
Ich krieche unters Flugzeug und sehe, dass der schwenkbare Stahlrohrverbund zwischen Haupt- und Hilfsholm gelagert und in Flugrichtung sehr tief ist. Wie auch immer der Hersteller da gezaubert hat – für die Zulassung wurde das Muster mit 295 Kilogramm gewogen. Der Blick in den Fahrwerksschacht hat meine Aufmerksamkeit für die Konstruktion geschärft. Da gibt es an den Fahrwerksabdeckungen inwändig kleine Hebel mit Nylonrollen, gegen die beim Einfahren die Räder drücken und so automatisch die federbelasteten Klappen schließen. Clever! Der Rumpf ist nicht einfach ein eckiger Kasten mit aufgesetztem Rücken, sondern eine aufwändige Schalenkonstruktion mit ovalem Querschnitt.
Die Tragfläche hat zwar wenig Zuspitzung, verleiht der Bristell aber eine Eleganz, die Rechteckflügel vereiteln. Alle Bleche sind auf der Innenseite korrosionsgeschützt, die Niete außen verspachtelt, damit keine Feuchtigkeit eindringen kann – keineswegs selbstverständlich bei ULs. An vielen Stellen fällt die liebevolle Verarbeitung auf. So sind etwa im Motorraum die Enden der Bowdenzüge zusätzlich mit Sicherungsdraht in ihren Hülsen fixiert. Die Ambitionen des Herstellers gehen so weit, dass er bei den Querruderausschlägen die Antriebs- und Propellereffekte berücksichtigt hat.
Weil der rechtsdrehende Motor das Flugzeug nach links rollen will, schlägt das rechte Querruder nach oben weiter aus als das linke und das linke nach unter weiter als das rechte. So ist die Rollrate in beide Richtungen gleich. Zusätzlich sind die Ruder differenziert, damit der Pilot für koordinierte Kurven wenig mit den Pedalen arbeiten muss. Legen wir los. Mit dem gelenkten Bugrad lässt sich die Bristell RG in Dankern leicht zu den Pflastersteinen der Piste 28 dirigieren. Die Haube kann beim Rollen offen bleiben, „bis 3500 Umdrehungen pro Minute“, sagt Alexander, der neben mir sitzt. Start mit 10 Grad Klappen, der Drehregler für die elektrische Betätigung ist vorn im vertikalen Teil der Mittelkonsole.
Während des Steigflugs braucht das 100-PS-UL relativ wenig Druck aufs rechte Seitenruderpedal, damit die Kugel des Wendezeigers in der Mitte bleibt. Bei knapp 140 km/h, dem Ende des weißen Fahrtmesserbereichs, Klappen rein und „Gear up“ – zum Entsichern muss der Kippschalter im Panel gezogen werden. Fürs beste Steigen empfiehlt mir Alexander eine unerwartet hohe Geschwindigkeit: 150 bis 160 km/h. Bei Vollgas und eingeregelten 5500 rpm zeigt das Variometer zirka 1000 Fuß pro Minute an. Nicht spektakulär, aber die Bahngeschwindigkeit ist vergleichsweise hoch. Da will man natürlich wissen, was horizontal bei maximaler Dauerleistung drin ist.
Bristell RG: Für den Reiseflug reduziere ich die Leistung auf 4800 rpm und 25 inch Ladedruck
Es dauert eine Weile, bis die Bristell in der unruhigen Luft ausbeschleunigt hat. Schließlich lese ich auf dem Dynon-Glascockpit 260 km/h True Airspeed ab, in 2000 Fuß. Indicated sind das zirka 250 km/h. Gibt es ein UL in Metallbauweise, das schneller ist? Mir fällt keines ein. Vollständig geschlossene Radschächte, fließende Formen wie bei einer Kunststoff-Maschine – das Widerstandshandicap der Metallbauweise scheint BRM Aero jedenfalls minimiert zu haben. Für den Reiseflug reduziere ich die Leistung auf 4800 rpm und 25 inch Ladedruck. Dabei liegen immer noch 225 km/h IAS an.An der Steuerung gefällt mir, dass Quer- und Höhenruder etwa gleich viel Kraft erfordern.
Oft ist bei derartigen Flugzeugen das Höhenruder viel leichtgängiger als das Querruder. Bei der Bristell stimmt alles. Dabei ist sie kein Turngerät: Mit dem gleichen Knüppelausschlag, den der Tiefdecker für eine flotte Kurve braucht, würde beispielsweise der Virus SW eine Rolle fliegen. Auch die Steuerkraft ist höher als bei manchen quirligen ULs. Schlägt man längs und quer gegen den Knüppel, zuckt er schnell zurück, wobei sich die Fluglage kaum ändert. Kurz: Der Flieger liegt satt in der Luft. Er fühlt sich eher nach einem leichten E-Klasse-Zweisitzer an als nach einem Luftsportgerät.
Das Raumgefühl in der Kabine verstärkt diesen Eindruck. Was die Jungs vor dem Flug gesagt haben: Ja, hier drin kann man’s eine Weile aushalten, mit wem auch immer. Die seitlichen Schiebefenster mit den kleinen Belüftungsklappen lassen wir zu, obwohl es ein warmer Frühsommertag ist. Als ich daranrumspiele, wird es laut – okay, wir sind schnell. Zur Belüftung reichen die beiden regulierbaren Öffnungen außen im Panel. Gehen wir runter. Räder bei 140 km/h raus. Funktioniert die elektrohydraulische Betätigung nicht, müsste man die Ablageschale in der Mittelkonsole rausheben und darunter den Nothebel nach hinten legen.
Dann wäre die Hydraulik außer Kraft gesetzt, und die Fahrwerksbeine würden per Federkraft in Landestellung gebracht. Endanflug mit 110 km/h und 20 Grad Klappen, aufsetzen mit zirka 70. Die 30-Grad-Stellung ist für extrem kurze Plätze gedacht. Manchmal hat man mit einem neuen Flugzeug beim Ausflaren zu viel Energie und vergeudet Landestrecke; oder man hat zu wenig und sackt leicht durch. Mit der Bristell scheint in Dankern alles zu passen – bis ich merke, dass die Nase immer weiter angehoben werden kann und das Ding immer noch fliegt. Ein langsamerer Anflug wäre also möglich gewesen. Beruhigend für jemand, der das Muster in der Schulung einsetzt – wie Alexander.
Ein teures UL? Nein, denn man bekommt viel Flugzeug fürs Geld
Dafür benutzt er allerding die Festfahrwerksversion.Was muss man sonst noch wissen über die Bristell RG? Eine Besonderheit sind die beiden Gepäckfächer im Flügel, die zweimal 20 Kilo fassen. Der Gepäckraum hinter den Sitzen kann 10 Kilo aufnehmen. Die luxuriöseste Glascockpit-Ausstattung mit zwei Zehn-Zoll-Dynon SkyView D1000 erhöht den Kaufpreis um satte 10 000 Euro; für den Grundpreis von 120 000 Euro brutto gibt’s Rundinstrumente. Während Heizung und Airbox zur Basisausstattung gehören, kostet der Neuform-Verstellpropeller (constant speed und manuell) 5000 Euro extra.
Ein teures UL? Nein, denn man bekommt viel Flugzeug fürs Geld. Das muss sich rumgesprochen haben: Allein in Deutschland sind voriges Jahr zehn Festfahrwerks-Bristell in den Verkehr gekommen. Damit belegt der schicke Tiefdecker Platz zwei in der aktuellen Flächen-UL-Zulassungsstatistik. Nur die bewährte C42 ist erfolgreicher. Für die Musterzulassung der Bristell RG sind alle Tests abgeschlossen, mit Erteilung rechnet der Importeur im Laufe des Sommers. Neu ist eine wunderschöne Taildragger-Version mit Festfahrwerk. Zusammen mit der RG dürfte sie die Markposition des Herstellers weiter verbessern.
fliegermagazin 6/2014
- www.brmaero.com
- 8,13 m
- 10,50 qm
- 6,45 m
- 2,28 m
- 1,30 m
- ab 295 kg
- 472,5 kg
- 120 l (Flächentanks)
- Rotax 912 ULS/100 PS
- Neuform, 3-Blatt, verstellbar (manuell und constant speed), CfK, 1,70 m; Fiti, 3-Blatt, fest, Composite, 1,57 m
- ca. 5 m/sec.
- ca. 1400 km plus 30 Min. Reserve (bei 225 km/h und 114 l ausfliegbarem Tankinhalt)
- ab 120 000 Euro*
- Falcon Flugsport, Jurastraße 12, 72364 Obernheim, Telefon: 07436/21 18 72 oder 0172/876 52 47, www.falcon-flugsport.de
- * mit Einziehfahrwerk, 100-PS-Motor, BRM-Airbox, Festpropeller, Funk, Heizung, inkl. Mwst. Aufpreis für Neuform-Verstellpropeller: 5000 Euro
Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.
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