UL-Pilot Report: B.O.T. Aircraft Speed Cruiser SC07
Eigentlich ist es noch ein wenig früh für einen Pilot Report«, sagt B.O.T.-Chef Jürgen Ostermeier. Seine Firma hat in den ehemaligen Räumen des LTB Jubi am Oerlinghausener Flugplatzes ihr Zuhause gefunden. Am 8. Mai absolvierte der erste dort fertiggestellte Speed Cruiser seinen Jungfernflug, bis Anfang Juli war der Hochdecker 35 Stunden in der Luft.
Die höchstzulässige Geschwindigkeit des SC07 ist noch auf 180 km/h begrenzt und wird erst auf die endgültigen 260 km/h erhöht, wenn sichergestellt ist, dass kein Flattern auftritt. Da alle Ruder massenausgeglichen sind sowie Quer- und Höhensteuer über steife Stoßstangen betätigt werden, dürfte es aber keine unliebsamen Überraschungen geben.
Ursprünglich wollte Ostermeier den von Konstrukteur Jerzy Cisowski (ehemals bei Remos) für den polnischen Hersteller Bilsam entworfenen Speed Cruiser nur als Deutschland-Händler vertreiben. Beim ehemaligen Hersteller klappte allerdings nichts: Weder mit der Zeitplanung noch mit der Qualität der gelieferten Komponenten war man zufrieden. So griffen Ostermeier und seine Händlerkollegen Thibaud Berlinmont (Belgien), Erwin Bigger und Reiner Tauern (beide Liechtenstein) zur Selbsthilfe: Sie gründeten die Firma B.O.T. Aircraft, erwarben die Rechte an der SC07, überarbeiteten die Konstruktion und suchten nach einem zuverlässigen Partner für den Bau. Letzteres erwies sich als unerwartet schwierig. Schließlich entschied man sich, auch diesen Bereich zu übernehmen und gründete in Polen eine eigene Firma zur Herstellung der größeren Komponenten.
Speed Cruiser made in Germany
Die Produktion weiterer Teile sowie Endmontage und Finish werden in Oerlinghausen vorgenommen. Auf der Aero 2009 weckte der erste B.O.T. Aircraft Speed Cruiser großes Interesse. Bereits Mitte Juni ist die Produktion angelaufen, derzeit wird das sechste Flugzeug gebaut. Die Musterzulassung soll bis Anfang September erteilt sein.
Highend-Hochdecker gibt es inzwischen einige auf dem Markt. Der fast vollständig in Kohlefaser-Bauweise gefertigte SC07 zeigt aber viele interessante Details, die ihn von der Konkurrenz abheben. So werden die Flügel – innen Rechteck, außen Trapez – mit ihren Holmzungen in einem Holmkasten getrennt mit je zwei Hauptbolzen befestigt. Das ermöglicht eine einfache Demontage.
Der Widebody-Rumpf mit seinen zwei nach oben öffnenden Türen bietet auch großen Piloten genug Platz. Dass die Türen bis auf Sitzhöhe heruntergehen und die Steuerknüppel nach vorne geneigt sind, macht den Einstieg angenehm einfach.
Hochdecker mit Widebody-Rumpf
Was weniger gefällt: Um die Cowling zum gründlichen Check abzunehmen, müssen wir viele kleine Schräubchen rausdrehen, Schnellverschlüsse wären praktischer. Immerhin: Es gibt eine separate Öffnung zum Prüfen von Öl- und Kühlmittelstand. Auch die direkte visuelle Kontrolle des Spritstands fällt schwer, stattdessen muss man in den Füllstutzen spähen. Ein Schaurohr am Rumpftank wäre wünschenswert. Dafür gibt es aber eine gelbe Warnlampe, die aufleuchtet, wenn der Spritstand in den Reservebereich kommt.
Sinnvoll wäre auch die Verlagerung des Brandhahns, eines kleinen Hebels links an der Mittelkonsole unter dem Panel: Besser wäre er im unteren Teil des Panels platziert, sodass er in geschlossenem Zustand den Starterknopf verdeckt. Das Panel selbst ist so großzügig dimensioniert, dass sich auch eine Luxus-Instrumentierung problemlos unterbringen ließe. Reisefreundlich sind die verschiedenen Ablagen im Cockpit und der große Gepäckraum. Da passt einiges rein, auch wenn es (in der UL-Version) nicht allzu viel wiegen darf.
Das Ultraleicht ist auch für die 600-Kilo-LSA-Version zugelassen
Die Belastungstest wurden auch für eine 600-Kilo-LSA-Version bereits erfolgreich abgeschlossen. Im Gepäckraum ist ein Junkers-Lightspeed-Rettungsgerät eingebaut, das nach oben ausschießt. Die Abdeckung besteht aus einem selbstentwickelten Schaum-Papier-Sandwich-Material, das einerseits formstabil ist, andererseits beim Ausschuss der Rakete bricht, ohne scharfe Kanten zu hinterlassen, sodass Fangleinen oder Schirm nicht beschädigt werden. Flugzeugseitig greifen die Hauptgurte um die Fahrwerksschwinge – Cockpit und Schirm bleiben so selbst im Falle eines Holmbruchs miteinander verbunden.
Zusammen mit Erprobungspilot Gerd Dahlmanns nehme ich im Cockpit Platz. Die bequemen Schalensitze lassen sich durch Verstellen der darunter liegenden Tragegurte um ihre Vorderkante kippen. Die Pedale kann man einzeln einstellen, nachdem der jeweilige Sicherungsbolzen gelöst wurde. So findet jeder eine bequeme Sitzposition, auch für Großgewachsene ist genug Platz.
Im Inneren sieht alles sehr aufgeräumt aus. Einige Beschriftungen fehlen allerdings noch. Die Radbrems-Gashebel-Kombination begeistert mich, sie stammt aus dem Tragschrauber MT03 – da hat man alles in einer Hand, und arretierbar ist die Bremse auch. Beim Losrollen gefällt mir der enge Wenderadius, den das gelenkte, teleskopgefederte Bugrad ermöglicht. Außerdem sehr angenehm: die sauber dosierbare Wirkung der Beringer-Scheibenbremsen.
292,5 Kilo bringt der Prototyp in Basisausstattung auf die Waage. Mit voller Erprobungsinstrumentierung und dem gerade erst eingebauten, aber noch nicht aktivierten Junkers-Verstellpropeller (fixiert auf etwa die Einstellung des standardmäßigen Festprops) wiegt der SC07 315 Kilo. Zu zweit im Cockpit mit 20 Liter Sprit im 87 Liter fassenden Rumpftank, erreichen wir das UL-Limit von 472,5 Kilo bei leicht vorderer Schwerpunktlage. Strukturell ist der Speed Cruiser auf die LSA-MTOM von 600 Kilo ausgelegt – eine Anpassung an die kommenden europäischen LSA-Bauvorschriften wird daher wohl problemlos sein.
Voll beladen erreicht der Speed Cruiser eine Steigrate von 5,5 Metern pro Sekunde bei bis zu 120 km/h
Für den Start setze ich die elektrisch betätigten Klappen auf 20 Grad für die kürzeste Take-off-Strecke. Als Einstellhilfe dient eine Skala an der Klappe selbst, die geplante LED-Anzeige im Cockpit ist noch nicht installiert. Ein Spalt zwischen den Fowlerklappen und der Flügelhinterkante sorgt für optimale Anströmung bei allen Klappenstellungen. Mit gezogenem Knüppel gebe ich Gas, das Bugrad kommt früh frei, wobei nur ein ganz leichter Seitenruderausschlag nach rechts zum Richtunghalten notwendig ist. Nach dem Abheben beschleunige ich auf 120 km/h und fahre die Klappen auf zehn, dann auf null Grad zurück.
Der voll beladene Speed Cruiser steigt in beiden Stellungen bei 110 bis 120 km/h mit 5,5 Metern pro Sekunde. Ein hervorragender Wert für den noch fest eingestellten Prop, mit aktivierter Prop-Verstellung sind noch bessere Steigwerte zu erwarten. Obwohl ich im Horizontalflug die Federtrimmung des Höhenruders ganz nach hinten stelle, muss ich immer noch am Knüppel ziehen; mit losem Knüppel pendelt sich die Geschwindigkeit bei 170 km/h ein.
Der Name ist Programm: Der Speed Cruiser erreicht eine Reisefluggeschwindigkeit von über 210 km/h
Das wurde inzwischen geändert: Durch Vergrößerung der Einstellwinkeldifferenz zwischen Flügel und Höhenflosse kann man den SC07 jetzt hervorragend austrimmen. Auch der Motorsturz ist gut eingestellt: Das Gas auf Leerlauf zurückgenommen, geht die Geschwindigkeit nur um 10 km/h auf 160 zurück. Aufgrund der Geschwindigkeitsbegrenzung können wir die Leistungsfähigkeit im Reiseflug noch nicht austesten – bei 180 km/h und zurückgenommenem Gas lässt sich erahnen, dass selbst mit dem fest eingestellten Propeller eine Reisegeschwindigkeit von über 210 km/h drin sein sollte. Auch die Werksangabe der Vmax von 245 km/h mit Verstellpropeller erscheint realistisch. Die VB von 201 km/h ermöglicht selbst bei turbulentem Wetter noch einen schnellen Reiseflug.
Panoramablick: Der Speed Cruiser hat ein gläsernes Kabinendach
Durch die Verglasung am Kabinendach ist die Sicht im Speed Cruiser in fast alle Richtungen sehr gut. Durch das linke Gepäckraumfenster kann ich sogar die Spitze des Höhenruders sehen. Verstellbare Einlässe in den Türfenstern bringen genügend Frischluft ins Cockpit.
Die Steuerung ist sehr direkt und agil. Im Prototypen zeigte sie bei unserem Probeflug noch etwas Reibung, das ist inzwischen aber abgestellt. Der nach vorn gebogene Steuerknüppel bewirkt beim Durchflug von Böen und g-Lasten eine automatische Dämpfung.
Im Verhältnis zur Flosse ist die Seitenruderfläche relativ groß. Obwohl der SC07 stabil geradeaus fliegt, kann es in Turbulenzen zu leichten Gierbewegungen kommen. Dies will man durch eine Vergrößerung der Flossenfläche (eventuell eine kleine Kielflosse) noch ändern. Die Ruderabstimmung ist ansonsten hervorragend, selbst im Langsamflug reicht die Wirkung des Seitenruders, kombiniert mit der Bremswirkung der unten vorstehenden Friese-Nasen (bei nach oben ausgeschlagenem Querruder) für schnelles, schiebefreies Rollen.
Im Flug zeigt sich, dass deren Ausschläge noch zu groß sind: Bei 120 km/h und Vollausschlag von Quer- und Seitenruder messe ich eine Rollrate von nur 1,6 Sekunden (jeweils bis 45 Grad) – ein Wert, mit dem Kunstflieger glücklich sind. Für den Normalpiloten kann derartige Wendigkeit aber zu unliebsamen Überraschungen führen: Stoppt man die Rollbewegung abrupt mit einem kurzen Gegenquerruderausschlag, kann die Strömung am kurveninnenseitigen Flügel außen abreißen. Dann kippt das Flugzeug über die Fläche ab. Deshalb soll der maximale Querruderauschlag noch ein wenig reduziert werden.
Beim Überziehen zeigt der Hochdecker eindeutig, wann er nicht mehr mag: Mit eingefahrenen Klappen wird die Steuerung bei 80 km/h weich, nach leichtem Schütteln und deutlicher Anstellwinkelerhöhung setzt bei 75 km/h Taumeln ein, das, zieht man weiter, zum Abkippen führt. Gegenseitenruder und Nachlassen des Knüppels stoppen die Abkippbewegung sofort. Mit den Klappen auf 15 oder 30 Grad geht’s bei gleichem Verhalten jeweils 5 km/h langsamer, mit vollen Klappen (42 Grad) werden nur noch 60 km/h (Weichwerden) und 55 km/h (Taumeln) angezeigt.
Die Optimierung der Querruder beim Speed Cruiser ist in Arbeit
Im Leerlauf liegen die Warn- und Überziehgeschwindigkeiten 8 km/h höher, die Strömung an der Unterseite des stark nach oben ausgeschagenen Höhenruders scheint abzureißen: Der Speed Cruiser will jetzt abnicken und lässt sich mit vorsichtigen Seitenruderausschlägen in einem nickend-taumelnden Sackflug halten. Mit der geänderten Flosseneinstellung dürfte das Überziehverhalten im Leerlauf dem bei Vollgas ähnlicher werden. Obwohl die Vorwarnung beim Überziehen eindeutig ist, soll die Neigung zum Abkippen noch verringert werden: Derzeit gehen die Querruder noch bis zum Randbogen, dort kann die Strömung leicht abreißen, besonders bei unbedachten Querruderausschlägen. Das soll durch Wing-let-Endscheiben unterbunden werden.
Mit den großen Spaltklappen lässt sich der Speed Cruiser steil anfliegen, den vollen Ausschlag von 42 Grad brauche ich kaum. Slippen lässt sich der Hochdecker ebenfalls schulmäßig einfach, dann geht’s richtig steil runter. Wie bei den meisten Hoch- und Schulterdeckern geht die Nase beim Seitengleitflug etwas hoch. Die optimale Anfluggeschwindigkeit mit den Klappen auf 30 oder 42 Grad liegt bei 95 bis 100 km/h (plus halbe Windgeschwindigkeit). Wie so oft in Oerlinghausen verursacht der über den Wald kommende Seitenwind auch bei unserer Landung ordentliche Turbulenzen.
Da gefällt mir die direkte, auch bei voll ausgefahrenen Klappen hervorragend wirksame Steuerung: Der Speed Cruiser liegt sauber und direkt in der Hand und lässt sich präzise ausrichten und abfangen. Im Abfangbogen baut er die Fahrt schnell ab und setzt sich auf das gut gefederte Hauptfahrwerk.Auch wenn das letzte Feintuning noch ansteht, hat der Speed Cruiser beste Anlagen, besonders für die LSA-Klasse: Schnell, komfortabel, viel Platz, gute Sicht aus dem Cockpit und einfach zu fliegen. Seine Handlichkeit verlangt ein wenig Respekt, bietet aber auch viel Flugspaß.
Text und Fotos: Jochen Ewald, fliegermagazin 09/2009
- B.O.T. Aircraft GmbHRobert-Kronfeld-Straße 2 33813 Oerlinghausen Telefon 05202/9 24 72 41 www.bot-aircraft.com
- 8,10 m
- 10,03 m2
- 6,65 m
- 2,10 m
- 1,24 m
- ab 290 kg
- 475,2 kg
- 90 l
- Rotax 912 ULS / 100 PS
- Junkers Profly Zweiblatt fest oder Constant Speed, CfK, 1,72 m
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- 78 300 Euro (inklusive Mwst, komplett flugbereit inklusive Rettungsgerät, ohne Funk)
- Ultraleicht
- Panel
- B.O.T. Aircraft
- Speed Cruiser SC07
- Oerlinghausen
- AERO Friedrichshafen
- Kohlefaser-Bauweise
- Widebody
- Instrumentierung
- Pilot Report
- 600 Kilo
- Rettungsgerät
- Junkers Lightspeed
- Gerd Dahlmann
- MT03
- Verstellpropeller
- Jochen Ewald
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