UL-Pilot-Report: Apis 2 von Wenzel Flugzeugtechnik
Zwei selbststartfähige Klapptriebwerk-Segler mit UL-Zulassung gab’s schon vor Erscheinen dieses Flugzeugs auf dem deutschen Markt: die Silent mit Elektro-und Verbrennungsmotor sowie den abgestrebten Banjo MH. Die Apis 2 ist jedoch das erste Gerät dieser Kategorie, das leistungsmäßig modernen Clubklasse-Seglern Paroli bietet. Was kann sie noch?
Ihre Herkunft vom ursprünglich aus Italien stammenden Leichtsegler Silent kann die Apis 2 nicht verleugnen. Mit neuem 15-Meter-Flügel und angepasstem Leitwerk entstand daraus bei Albastar in Slowenien die Apis. Martin Wezel motorisierte diesen Segler und entwickelte ihn weiter zur Apis 2. Mehrfachtrapez-Flügel mit abgestufter V-Form, ein optimiertes Profil, der verlängerte Rumpf, die an Schleicher-Segler erinnernde Cockpithaube – das alles macht den Vogel erwachsener und eleganter. Zu einem richtigen Segelflugzeug eben. Bis auf den zentralen Stahlrohr-Rahmen, der die Flügel mit dem Rumpf und der Motoraufnahme verbindet, besteht die Apis 2 fast vollständig aus CFK. Hergestellt wird die Zelle bei Composit Airplanes in der Tschechischen Republik; Endmontage, Motorisierung und Vertrieb erledigt Wezel Flugzeugtechnik in Reutlingen. Zu zweit lässt sich die Apis 2 in wenigen Minuten montieren.
Mit Hilfsmitteln, die als Zubehör angeboten werden, geht’s sogar alleine. Beim Einschieben der nur je 36 Kilo leichten Flügel schließen sich Flaperons und Bremsklappen automatisch an. Die beiden Hauptbolzen werden eingesteckt und mit je einer Schraube durch die Bolzen verspannt und gesichert. Jetzt noch das Höhenleitwerk auflegen, nach hinten schieben und mit einer automatisch per Federschnäpper gesicherten Schraube befestigen – schon ist der Ultraleicht-Motorsegler startbereit. Der 27 PS starke Hirth F 33B hat eine Doppelzündung und überträgt seine Leistung per 2,5:1- Riemenuntersetzung auf den Zugpropeller. Ein elektrischer Spindeltrieb richtet den abgespannten Motormast auf. Ausgefahren schließen sich die großen Abdeckklappen wieder. Das verbessert nicht nur die Aerodynamik, sondern reduziert auch den Lärm. Rechts im Motorkasten hat Wezel das Rettungsgerät untergebracht, vorn in einer GfK-Führung den Schirm, hinten die Auszugsrakete.
Steigflug: Nase leicht überm Horizont, Antrieb im Spiegel sichtbar – so geht’s mit 2,5 Meter pro Sekunde auf Höhe
Die ist so kräftig, dass sie die Abdeckklappe problemlos aufsprengt und den Schirm rauszieht – was im Praxistest nachgewiesen wurde (siehe fliegermagazin 3/04). Das System funktioniert auch mit ausgefahrenem Motor, denn der Ausschuss spielt sich hinter dem Prop ab. Das Cockpit der Apis 2 demonstriert, wie komfortabel man in Segelflugzeugen sitzen könnte, wenn sie nicht mit einem Personenfallschirm, sondern einem Gesamtrettungsgerät ausgestattet wären. Selbst Zwei-Meter-Piloten finden hier noch bequem Platz, nichts drückt am Rücken oder klemmt unter den Gurten. Pedale und Rückenlehne lassen sich großzügig verstellen. So können es sich auch kleine Piloten ohne Kissenberge gemütlich machen. Die Bedienelemente sind gut erreichbar, nur der Brandhahn ganz hinten auf der rechten Konsole ist ein wenig versteckt angebracht. Bei der Motorbedienung sind die notwendigen Handgriffe auf ein Minimum reduziert.
Die elektronische Steuerung aller Vorgänge übernimmt eine prozessorgesteuerte ECU (Engine Control Unit). Meldet das Display Betriebsbereitschaft, braucht man nur noch die Zündschalter umzulegen, und der Antrieb fährt aus. Schon jetzt darf der Starterknopf auf der linken Konsole gedrückt werden: Der Motor nimmt seine Arbeit erst auf, wenn er komplett ausgefahren ist. Das ECU-Display informiert über den aktuellen Motorstatus, Drehzahl, Tankinhalt, Zylinderkopf- sowie Abgastemperatur und warnt, wenn Grenzwerte überschritten werden. Zum Abstellen schaltet man einfach die Zündung aus: Mit den letzten Propellerumdrehungen öffnen sich die Abdeckklappen, und der Propstopper „fängt“ die senkrecht stehende Latte. Ist er eingerastet, fährt der Antrieb ein.
Auf Notverfahren durch Überbrückung der elektronischen Steuerung, wie man sie in selbststartenden Motorseglern der Kilo-Klasse oft findet, hat der Hersteller aus guten Gründen verzichtet: Die Erfahrung lehrt, dass beim Rumprobieren mit solchen Nothilfen im Ernstfall mehr beschädigt als gewonnen wird. Die Konzentration darauf, den Antrieb doch noch irgendwie in die gewünschte Position zu bringen, hat schon einige Piloten so vom Fliegen abgelenkt, dass sie sich in kritische Situationen brachten oder gar Bruch machten. Der ausgefahrene Antrieb verringert zwar die Leistung, bei der Apis 2 aber in akzeptablem Maß. Die Flugeigenschaften beeinflusst er kaum. Deshalb ist es eindeutig sicherer, bei einer Störung, die sich durch Aus- und Wiedereinschalten der ECU nicht beheben lässt, als leicht gebremster Segler weiterzufliegen und gegebenenfalls eine Außenlandung zu machen.
Auf Wezels kleinem UL-Platz bei Magolsheim (Schwäbische Alb) mache ich mich zum Start bereit. Gashebel auf Leerlauf, ECU ein, Zündung ein, und bald erscheint der Propeller im Spiegel auf dem Panel. An einen Choke brauche ich nicht zu denken, das übernimmt, wenn notwendig, die Elektronik. Ein Druck auf den Anlasserknopf lässt den kalten Hirth willig anspringen, nach ein paar tuckernden Umdrehungen nimmt er das Gas an. Erstaunlich, wie kultiviert sich dieser kleine Einzylinder gibt: kein Rappeln oder Schütteln, wie man es von vielen Klappmotorantrieben kennt – nur ein niederfrequenter, vom Propeller stammender Ton ist im Cockpit zu hören. Dafür hat sich der Konstrukteur von Motoraufhängung und Auspuff einen dicken Pluspunkt verdient! Mit festgehaltener Radbremse will die Apis 2 beim Gasgeben auf die Nase gehen; in der Serie wird das Hauptrad deshalb ein bisschen weiter vorn angebracht.
Segelfliegen auf Clubklasse-Niveau, unabhängig und sicher
Die optimale Wölbung der Flaperons für den Start ist plus fünf Grad. Mit abgelegter Fläche – Magolsheim hat eine Grasbahn – schiebe ich den Gashebel vorsichtig nach vorn, sodass der Rumpf bei voll gezogenem Höhenruder gerade nicht abnickt. Losrollen … wenige Meter später kann ich die Fläche in die Waagerechte nehmen, ohne dass die Maschine eine Ausbrechtendenz zeigt. Nach kurzer Rollstrecke hebe ich ab und steige bei 80 km/h mit 2,5 Meter pro Sekunde. 7 PS – das erscheint wenig. Doch der von Martin Wezel speziell für diesen Antrieb entwickelte große Prop zeigt einen hervorragenden Wirkungsgrad. Ein leichter Seitenruderausschlag nach links kompensiert das Antriebsmoment. Im Steigflug braucht die Federtrimmung auch in maximaler Nose-up-Stellung etwas Unterstützung durch Ziehen am Knüppel. Sowohl Drehzahl als auch Motortemperaturen bleiben im Volllast-Steigflug deutlich unter den Limits. Das Geräusch ist auch jetzt noch so angenehm, dass ich erst zum Funken den Kopfhörer aufsetze.
Die Sicht aus dem Cockpit ist gut, einzig sehr große Piloten in hinterster Sitzposition müssen durch den hinten elegant hochgezogenen Haubenrahmen leichte Einschränkungen in Kauf nehmen, was den Blick zur Seite betrifft. Die Belüftung durch eine Düse vorn unter der Haube funktioniert gut, zusätzlich sorgt das Kläppchen im relativ weit vorn platzierten Schiebefenster auf Wunsch für eine kühle Luftdusche. Das Gas stark zurückgenommen, kann man mit mehr 130 km/h „reisen“, ohne den Motor zu überdrehen, doch das macht wenig Sinn: Im Sägezahnflug (mit Volllast steigen, Motor einfahren und Höhe abgleiten) reist sich’s um ein Vielfaches wirtschaftlicher, und Motor plus Zelle werden geschont. Das Überziehverhalten in Steigflugkonfiguration ist gutmütig; unter Volllast wird die Steuerung bei 65 km/h weich, darunter ist Schütteln spürbar. Zieht man den Knüppel weiter durch, geht die Apis 2 unter deutlicher Anstellwinkelzunahme bei 61 km/h schüttelnd in einen stabilen Sackflug über.
Im Leerlauf ist das Verhalten bei zwei km/h höheren Anzeige gleich. Nach einer kurzen Abkühlphase schalte ich die Zündung aus. Bei 85 km/h bleibt der Prop nach wenigen Sekunden stehen, und der Antrieb fährt ein. Das Ganze dauert rund eine halbe Minute. Durch die Schwerpunktverlagerung geht die Fahrt von ausgetrimmten 85 km/h auf 75 zurück. Zur Wiederinbetriebnahme benötigte ich nur 25 Sekunden – ohne Hochfahren der ECU. Dieser Vorgang dauert, hat man den Antriebshauptschalter umgelegt, ebenfalls eine knappe halbe Minute. Um Strom zu sparen, empfiehlt es sich, die ECU im Segelflug abzuschalten und erst dann wieder zu aktivieren, wenn absehbar ist, dass man den Motor demnächst brauchen wird. Mit eingefahrenem Triebwerk entspricht das Überziehverhalten in der Fünf-Grad- Klappenstellung jenem bei Vollgas. Auch die Stallspeed ist identisch.
Als ich den Knüppel voll durchziehe, geht die Apis 2 allerdings nach kurzem stabilen Sackflug ins Taumeln über, aus dem sie irgendwann abkippen will. Höhenruder nachlassen, Seitenruder dagegen – sofort liegt die Strömung wieder an. In Klappenstellung plus neun Grad geht’s noch zwei km/h langsamer (59 km/h). Fährt man die Schempp-Hirth-Bremsklappen aus, steigt die Stallspeed gerade mal um zwei Stundenkilometer. Gleichzeitig erhöht sich die Trimmgeschwindigkeit um zwölf km/h, sodass man für den Landeanflug nicht umzutrimmen braucht. Wie sieht’s mit der Wendigkeit aus? Der Prototyp fliegt den 45-Grad-Kurvenwechsel bei 90 km/h und Klappenstellung „plus fünf“ in 5,1 Sekunden, bei 95 und „null“ in 4,7 Sekunden. Obwohl das für einen 15-Meter-Segler relativ lahm erscheint, macht die Apis 2 im Segelflug einen handlichen Eindruck. Dies verdankt sie ihren geringen, aber eindeutigen Ruderkräften.
Hoher Wirkungsgrad: Hirth F 33B mit Resonanz-Auspuff und großem CFK-Prop
Um die Rollrate zu verbessern, hat Wezel beim Serienflugzeug den Querruder-Ausschlag vergrößert. In „Thermikstellung“ plus fünf Grad ist die Ruderabstimmung bei 90 km/h fast optimal; darunter muss man etwas mehr mit dem Seitenruder arbeiten, dessen Pedalwege relativ lang sind. Mit 75 km/h und „plus fünf“ lässt’s sich angenehm und effektiv im Aufwind kurbeln. Bei enger, ruhiger Thermik verlockt die Neun-Grad-Stellung, moderne Segler langsam „auf der Innenbahn“ auszukurbeln. Das können sonst nur Oldies! Mit negativ gestellten Flaperons marschiert das Leichtgewicht hervorragend, erst über 140 km/h hat man den Eindruck, dass moderne Club- und Standardklasse-Segler dank höherer Streckung und Flächenbelastung besser wegkommen. Die Ruderkräfte steigen im Schnellflug deutlich an, sodass die Gefahr des „Verreißens“ im Schnellflug minimal ist.
Der Trimmbereich endete bei meiner Schwerpunktlage bei 160 km/h – deutlich unterhalb der Vne von 200 km/h. Als Basis-Anfluggeschwindigkeit reichen in ruhiger Luft mit Flaps auf „plus neun“ 80 km/h, wobei auch die Bremsklappen ordentlich wirken. Zu schnell sollte man die Apis 2 nicht anfliegen, sonst schwebt sie im Bodeneffekt dank des niedrigen Flügels lange aus. Sie lässt sich auch einfach und wirkungsvoll slippen. Bei vollem Querruderausschlag sind dazu „clean“ 90 Prozent Gegenseitenruder erforderlich, mit ausgefahrenen Bremsklappen 70 Prozent. Dabei reicht die Wirkung des Höhenruders aus, um das kopflastige Moment zu kompensieren, das im Slip mit ausgefahrenen Bremsklappen entsteht. Voll abgefangen, setzt sich die Apis 2 bei wenig Fahrt in Zweipunktlage auf ihr ungefedertes Rad.
Benutzt man die Trommelbremse, steht sie nach sehr kurzer Rollstrecke. Da der Schwerpunkt mit eingefahrenem Motor etwas weiter hinten und tiefer liegt, ist die Nicktendenz beim Bremsen geringer als in Startkonfiguration. Dennoch ist die Spornlast gering genug, um – leicht nachgedrückt – beim Ausrollen einwandfrei lenken zu können. Die Angst, dass man am Boden zum „Verkehrshindernis“ wird, ist bei diesem leichten Gerät unbegründet: Dank Sporn- und Flächenrädchen kann der Pilot die Apis 2 problemlos alleine handeln. Preislich reiht sich dieses Flugzeug gut in die Klappmotorsegler-Szene ein: Es kostet etwa das Doppelte der „Minimallösung“ Banjo MH und rund die Hälfte eines modernen 18-Meter-Selbststarters der Kilo-Klasse. Mit ihrem geringen Gewicht und der einfachen Montage bietet die Apis 2 völlige Unabhängigkeit, und leistungsmäßig braucht sie sich vor GFK-Clubklasse-Seglern nicht zu verstecken.
Die komfortable Sitzposition sowie die leichtgängige, harmonische Steuerung machen Motorsegeln mit diesem Einsitzer zum echten – und preiswerten – Vergnügen. Eine interessante Variante ist zurzeit bei der Fachhochschule Esslingen im Bau: die Apis Jet, eine Apis 2 mit kleinem Strahlantrieb als Heimweghilfe. Zugelassen wird dieses Einzelstück in der Motorsegler- (Kilo-)Klasse, der Erstflug ist für 2007 geplant. In Zusammenarbeit mit LBA und EASA soll die Apis Jet erstmal zur Optimierung der vorläufigen Zulassungsrichtlinien für strahlgetriebene Motorsegler dienen. Später will man den Düsensegler als Mess- und Forschungsflugzeug einsetzen.
Text und Fotos: Jochen Ewald, fliegermagazin 2/2006
- 15,0 m
- 12,4 qm
- 6,5 m
- 1,30 m
- 208 kg (mit Rettungssystem)
- 300 kg
- 14 l (Zweitaktmischung 1:100)
- Hirth F 33B / 27 PS
- Wezel, 2-Blatt, fest, CFK, 1,48 m
- 9 l/h
- 2,5 m/s bei 80 – 85 km/h
- ca. 300 km (im Sägezahnflug)
- 62 952 Euro*
- * flugfertig zugelassen mit Grundinstrumentierung, Gesamtrettungssystem Junkers Magnum 300 Speed, inkl. Mwst. Erforderliche Lizenz: UL-Lizenz für Dreiachser ("Luftfahrerschein für Luftsportgeräteführer", Beiblatt F), zusätzlich Alleinflugreife für Kunstoff-Segelflugzeuge. Piloten von Motorseglern (Kilo-Klasse) brauchen eine UL-Umschulung; wer nur Reisemotorsegler fliegt, muss darüber hinaus seine Segelflug-Kompetenz auf einem modernen Segler nachweisen.
- UL-Motorsegler
- Composit Airplanes
- abgestufte V-Form
- Wenzel Flugzeugtechnik
- Reutlingen
- V-Form
- Thermikstellung
- Propellerstopper
- Leichtsegler
- Albastar
- Klappmotorantrieb
- Banjo MH
- Apis Jet
- Ausbrechtendenz
- Klappmotor
- Apis 2
- Magolsheim
- Gesamtrettungsgerät
- Spindeltrieb
- Motormast
- Hirth F 33B
- Ultraleicht-Motorsegler
- Federschnäpper
- CfK
- Schwäbische Alb
- Segelflug
- Clubklasse-Segler
- Selbststarter
- Segelflugzeug
- Notverfahren
- Einsitzer
- Stahlrohrrahmen
- Slowenien
- Schempp-Hirth
- Abkühlphase
- Zugpropeller
- Trommelbremse
- Abdeckklappe
- UL-Pilot-Report
- Wirkungsgrad
- ECU
- Bremsklappen
- Flaperons
- Engine Control Unit
- Schnellflug
- gutmütig
- Slip
- Sackflug