Storch von Criquet Aviation
Ein Original von Fieseler? Nein, aber täuschend echt! Der Amerikaner Steve Lund hat sich mit dem Nachbau des deutschen STOL-Klassikers einen Traum erfüllt.
Schön Langsam
Seit Steve Lund in den sechziger Jahren mal ein Modell des Fieseler Storch gebaut hatte, träumte er davon, dieses Muster zu besitzen und zu fliegen. Dann kam Vietnam, wo der Amerikaner Hubschrauber flog; anschließend kehrte er in die Zivilluftfahrt zurück. Er besaß eine Reihe Globe Swifts, aber die Sache mit dem Storch ließ ihn nie mehr los. Im April 1995 zeigte Kitplanes, das US-Magazin für Selbstbauer, eine australische 75-Prozent-Version des Originals, den Slepcev Storch. „Als ich diese maßstabsgetreue Fi 156 sah“, erzählt der Kalifornier, „wusste ich gleich, dass Erscheinung und Leistung weitgehend erhalten geblieben waren, obwohl der Nachbau bloß die Größe einer Piper Cub hatte.“
Mit dem Slepcev Storch sammelte Steve reichlich Erfahrung: Er kaufte einen Bausatz, später dann ein bereits fertiges Exemplar. Sein dritter Storch entstand aus einem Kit des kolumbianischen Herstellers Criquet Aircraft LLC, heute Criquet Aviation. Dessen 75-Prozent-Nachbau ist in den USA als Light Sport Aircraft zugelassen. „Aus meiner Sicht“, sagt der Storch-Kenner, „ist diese Version der authentischste Fi-156-Nachbau, der je angeboten wurde. Übrigens besitzt auch der deutsche Konsul in Kolumbien, Gerhard Thyben, einen Criquet Storch.“
Aus dem Baukasten in die Luft
Als Steves Kit im Oktober 2007 aus Kolumbien eintraf, waren die meisten wichtigen Baugruppen schon komplett. Der Hersteller hatte ihm gesagt, dass für die endgültige Fertigstellung nur 300 bis 400 Stunden notwendig wären. „Ich hab dann noch mehr als 2500 Stunden reingesteckt“, sagt der Amateurbauer, „wahrscheinlich dachten deshalb einige meiner Freunde, dass ich professionelle Hilfe bräuchte, schließlich hatte ich den Zeitplan weit überschritten.“
Zwei Jahre lang widmete sich Steve sechs Tage pro Woche seinem Projekt. Sein Anspruch bestand darin, den authentischsten Storch-Nachbau zu schaffen, den die Welt je gesehen hat. Zu den originalgetreuen Details gehören das Maschinengewehr vom Typ MG 15, die Gestaltung des Panels, der Steuerknüppelgriff aus gewickelter Baumwollschnur, die Kurbel zur Bedienung der Landeklappen, die Gepäcktür, die Attrappen für den Windhoff-Ölkühler und die Auspuffstutzen, ein wie beim Original geformter und lackierter Propeller sowie ein Erste-Hilfe-Kasten.
Doch gerade wenn es um Details geht, scheint Steve selbst sein schärfster Kritiker zu sein, und so stellt er schnell die Unterschiede zwischen seinem Nachbau und dem echten Storch heraus: „Meine Motorhaube ist nicht korrekt, seitlich wird sie an jeweils fünf Befestigungspunkte gehalten statt an vier. Ich habe auch ein steuerbares Spornrad konstruiert; der Bausatz sah eigentlich ein frei schwenkbares vor. Aber ich machte mir Sorgen, dass die Maschine wegen ihrer enormen Seitenfläche für Ringelpieze anfällig sein würde. Sonst entspricht das Meiste, einschließlich Lackierung, einem Original-Storch, wie er während des Zweiten Weltkriegs aussah. Wichtiger als das Aussehen war für mich aber die Frage, ob das Replikat ähnliche Flugeigenschaften wie der große Bruder haben würde.“
Das Original
Mit mehr als 400 Stunden Flugerfahrung auf Storch-Nachbauten lernte Steve irgendwann den einzigen Besitzer eines Fieseler Storch in Kalifornien kennen: Steve Ericson. Der fragte, ob er die Maschine vom hinteren Sitz aus fliegen wollte – sie war mit Doppelsteuerung ausgerüstet. Für Lund erfüllte sich ein Traum. Lassen wir ihn von seinen Erfahrungen mit dem Original und den Unterschieden zum Nachbau berichten:
„Bei unseren ersten Flügen mit der Fi 156 machte der Besitzer die Starts und Landungen selbst, weil strammer Seitenwind herrschte. Der Knüppel blieb immer in Neutralposition, ganz gegen meine Vorstellung, ihn nach vorn zu drücken, um das Heck anzuheben – so, wie ich das vom Taildraggerfliegen gewohnt war. Ich dachte, der Storch würde mit dieser Ruderstellung ewig brauchen, bis er abhebt, aber wir rollten nur 25 Meter, dann kam das Spornrad von selbst hoch. Ein klein wenig am Knüppel gezogen, und wir waren nach weniger als 80 Metern in der Luft. Die Klappen hatten wir 20 Grad gesetzt; im Laufe des Anfangssteigflugs fuhren wir sie langsam ein. Was den Nachbau betrifft: Er verhält sich beim Start genau wie das Original. Die 20-Grad-Klappenstellung habe ich übernommen, um die Startleistung bei meinen Criquet Storch zu optimieren.
Der direkte Vergleich in der Luft
Sobald das Original in der Luft war, hatte ich den Eindruck, dass die Steuerkräfte eher hoch sind. Bei wenig Fahrt artet das wirklich zu Krafttraining aus, was man da mit dem Knüppel macht. Nicht umsonst ist er richtig lang – man freut sich über alles, was an Hebellänge zur Verfügung steht. Wenn ich in puncto Steuerbarkeit die Wahl hätte zwischen Original und Nachbau, würde ich mich für meine Maschine entscheiden.
Was mich an dem deutschen Hochdecker wirklich entzückt, ist der durchgehende Seitenruderbalken an Stelle von Einzelpedalen. Dieser Balken ist leichtgängig gelagert und hat an beiden Enden Halterungen, in die man mit den Schuhen schlüpft . Es ist ein tolles Gefühl, fest mit der Seitenrudersteuerung verbunden zu sein und dabei Rudereingaben in Gierbewegungen umzusetzen.
Erstaunlich fand ich die Sicht aus dem Cockpit. Trotz kleinerer Zelle ist das Umgebungsbild praktisch identisch. Im Landeanflug nehmen Fieseler wie Criquet Storch eine Längsneigung ein, die es erlaubt, über die abfallende Cowling den Aufsetzpunkt anzuvisieren. Das macht Ziellandungen sehr einfach.
Landen mit dem Storch
Den Großen haben wir mit zwei verschiedenen Klappenstellungen gelandet, 20 und 40 Grad. In beiden Konfigurationen war beim Aufsetzen kein Strömungsabriss wahrnehmbar, und mit Hilfe der Bremsen stand die Maschine jeweils nach weniger als 50 Fuß. Mit 40 Grad Flaps sind die Landungen ähnlich wie meine mit dem Nachbau. Die starke gewölbte Profilsehne bewirkt ein Nose-down-Moment, sodass es mit abgesenkter Nase bei 42 Knoten runtergeht. Durch die erhöhte Sinkrate muss man etwas früher mit dem Ausrunden beginnen, aber das Ergebnis ist immer die gleiche solide Dreipunktlandung ohne Hüpfen, gefolgt von einer kurzen Ausrollstrecke. Ich persönlich ziehe den Anflug mit 40 Grad Klappen vor – so ist die Sicht vom hinteren Sitz aus am besten, und es macht am meisten Spaß.
Beim Bodenkontakt spielt eines der charakteristischen Storch-Merkmale seine Qualitäten aus: das hochbeinige Fahrwerk mit seinem langen Federweg. Beim Original beträgt er vierzig Zentimeter! Damit kann die Fi 156 gewaltige Landestöße wegstecken. Der kolumbianische Storch federt hingegen nur auf zehn bis fünfzehn Zentimeter ein.
Das Fahrwerk
Sowohl die Fahrwerksbeine des Originals als auch jene des Nachbaus ragen nicht senkrecht nach unten, sondern zehn Grad nach vorn, um die Überschlagsneigung zu senken. Angesichts der identischen Fahrwerksgeometrie – sieht man von unterschiedlichen Federwegen ab –, verwundert es nicht, dass sich die Flugzeuge bei der Landung gleich verhalten. Was mit beiden nicht so gut geht, sind Anflüge ohne Motorleistung – die gesamte Auslegung ist einfach sehr widerstandsträchtig.
Zwei Merkmale stechen beim Original wie beim Nachbau hervor: Ruderansprache und Sicht. Beides hat oberste Priorität, wenn es darum geht, ein Flugzeug in Bodennähe zu bewegen – und genau dafür wurde der Storch gebaut.
Was die Speed betrifft, könnte man meinen Criquet Storch zwischen einer Piper Cub und einem Bell Jet Ranger ansiedeln, also einem leichten Buschflugzeug und einem Hubschrauber. Cub- oder Champ-Piloten würden sich darin wohlfühlen. Wie beim Original muss der Pilot nicht mit irgend welchen Überraschungen rechnen. Obwohl zwischen den beiden Flugzeugen natürlich Unterschiede bestehen, von der Größe bis zum Antrieb, überwiegen die Gemeinsamkeiten bei weitem. Das betrifft die Kurzstart- und Landeperformance ebenso wie Langsamflugeigenschaften, Ruderansprache, Cockpitsicht und Manövrierbarkeit. Dieser Apparat ist wirklich einmalig. Ich habe mich auf mehr als 40 Muster einweisen lassen – keines davon reicht dem Storch das Wasser.“
Dass die Maschine für den Langsamflug konzipiert wurde, hält Steve Lund nicht davon ab, richtig weit damit zu reisen: Vor zwei Jahren flog er von seiner Homebase La Vern bei Los Angeles, Kalifornien, zum AirVenture nach Oshkosh, Wisconsin, und zurück: 4200 Meilen in 62 Flugstunden.
Fieseler Fi 156 Storch
Kein anderes Muster wird weltweit so sehr mit dem deutschen Kunstflugpiloten, Konstrukteur und Flugzeugbauer Gerhard Fieseler (1896 – 1987) in Verbindung gebracht wie der „Storch“. Diesen Beinahmen erhielt die Fi 156 aufgrund ihres hochbeinigen Fahrwerks, das durch seine langen Federwege Kurzlandungen mit hoher Sinkrate ermöglicht. Geringe Flächenbelastung, große Landeklappen und feste Vorflügel verleihen dem Storch auch exzellente Kurzstart- und Langsamflugeigenschaften. Konzipiert wurde das Muster als Kurier- und Verbindungsflugzeug, im Zweiten Weltkrieg kam es auch als Beobachtungs- und Sanitätsflugzeug zum Einsatz.
Seine STOL-Eigenschaften stellte es unter anderem im September 1943 bei der Befreiung Mussolinis unter Beweis, als ein Storch in den Abruzzen auf dem Gran Sasso landete und wieder vom Berg startete. Neben der deutschen Luftwaffe benutzten einige ausländische Streitkräfte die Fi 156: Italien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Finnland, die Slowakei und die Schweiz. Lizenzproduktionen fanden in Rumänien, der Tschechoslowakei, der UdSSR und in Frankreich statt, dort auch bei Morane-Saulnier unter der Typenbezeichnung MS 502 mit Salmson-Sternmotor (240 PS) sowie MS 505 mit Jacobs-Sternmotor (305 PS). Die erste Fi 156 kam am 10. Mai 1936 in die Luft; von 1936 bis Kriegsende wurden 2564 Exemplare gebaut, insgesamt 2867. Vor allem in Europa fliegen heute noch zahlreiche Störche, einzelne sind in den USA und sogar in Südafrika stationiert.
Text: Jim Busha, Fotos: Steve Lund fliegermagazin 03/2012
- Criquet Aviation, Bogota, Kolumbien www.criquetaviation.com
- 10,58 m
- 15,99 m2
- 7,44 m
- 2,97 m
- 390 kg
- 600 kg
- Rotax 912 ULS/100 PS
- 2-Blatt, Holz, fest, 1,88 m
- 51 m
- 53 m
- 675 km
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