So fliegt sich eine Piper PA-30 Twin Comanche
Zweimot-Performance zum Single-Preis – die Piper Twin Comanche kann das. Dabei ist der Indianer aus Lock Haven schon über fünfzig Jahre alt. Doch bis heute hat kein Hersteller etwas Vergleichbares gebaut.
Manche Dinge geschehen schneller und unvorhergesehener, als man es sich vorstellen kann: Als Siggi Steininger eines Samstagmorgens aufwachte, hatte er noch keine Idee davon, dass er am Abend Flugzeugbesitzer einer Piper PA-30 Twin Comanche sein würde. Und das kam so: Einer von Steiningers Bekannten lebte in Florida, aus gesundheitlichen Gründen zog es ihn jedoch zurück in seine Heimat Kanada. Den ganzen Hausstand hatte er schon verkauft – bis auf diese elegante Zweimot, eine Piper PA-30 Twin Comanche, Baujahr 1964, N7435Y, zweimal 160 PS stark.
Eigentlich war sie bereits verkauft, doch für den Deal musste der Interessent mit seiner Bank über einen 5000-Dollar-Kredit verhandeln – offenbar erfolglos. Auch dem Münchner gefiel der Flieger, und weil er eigentlich vorhatte, ein Wohnmobil zu kaufen, lag der Kaufpreis zufällig gerade auf seinem Konto.
Siggi Steininger kauft sich eine Piper PA-30 Twin Comanche
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Nachdem der 60-Jährige vormittags von der »Twinco« erfuhr, saß er mittags zum Probeflug im Cockpit und am frühen Abend war der Deal perfekt.
Dazu muss man wissen: Steininger ist als Airbus-Kapitän im Lufthansa-Konzern regelmäßig zwischen Düsseldorf und den USA unterwegs. Dort, im Sunshine State Florida, besitzt er ein Haus. Und seit jenem Samstagnachmittag eben auch ein Flugzeug.
Und was für ein Flugzeug! Geduckt steht sie auf ihren kurzen Fahrwerksbeinen auf dem Asphalt, die einteilige Windschutzscheibe fließt flach geneigt in die lange Rumpfnase. Der schlanke Trapezflügel wirkt wie nach vorn gepfeilt und verjüngt sich nach außen. Das sieht nach Speed aus, auf den ersten Blick! Und was für ein Unterschied zu allem, was danach von dem US-Hersteller kam!
Piper konzentriert sich auf die PA-28 Cherokee
Die erste Twinco verließ 1963 die Montagehallen bei Piper in Lock Haven, Pennsylvania, wo bereits seit 1937 die Ikone aller Spornradflugzeuge, die Cub, gebaut wurde. Beechcraft hatte schon fünf Jahren zuvor seiner Bonanza eine Zweimotversion namens Travel Air zur Seite gestellt. Piper engagierte nun den texanischen Ingenieur Ed Swearingen, um auf Basis der einmotorigen PA-24 Comanche bei gleichem Rumpf eine Twin zu machen – als leistungsfähigeren Nachfolger der in die Jahre gekommenen Piper Apache.
Als im Juni 1972 der Hurrikan Agnes das Werk in Lock Haven unter Wasser setzte, beendete Piper die Baureihe nach gerade einmal zehn Jahren Produktionszeit und konzentrierte sich am neuen Standort in Florida fortan auf die PA-28 Cherokee und deren Derivate, zu denen auch die zweimotorigen Seminole und Seneca gehören. Rund 2200 Twin Commanches wurden gebaut.
Piper PA-30 Twin Comanche wird von zwei Lycoming IO-320 angetrieben
1964 gebaut, ist die N7435Y ein Flugzeug aus der ersten Modellreihe der PA-30. Erst ein Jahr spendierte Piper der Twinco mit dem B-Modell ein drittes Seitenfenster, Tiptanks an den Flügelspitzen und optional zwei zusätzliche Sitze. Die bieten allenfalls kleinen Kindern Platz – sie reduzieren den Gepäckraum hinten im Rumpf.
Angetrieben wird die Twinco von zwei Lycoming IO-320. Ja, genau: Derselbe Motor mit einer TBO von 2000 Stunden, der auch in unzähligen Cessna 172 und Piper PA-28 seinen Dienst tut und bereits beim Twinco-Vorgänger Apache zum Einsatz kam. Für das B- und das C-Modell (ab 1969) waren ab Werk auch Turbolader erhältlich, deren Bedienung in der PA-30 weit weg vom Komfort heutiger Systeme ist: Die Wastegates werden über Seilzüge manuell bedient, die Turbos lassen sich somit per Hand zuschalten und regeln. Bis in 10 000 Fuß hält das Triebwerk so noch seine Nennleistung wie auf Meereshöhe, Turbo-Twincos schaffen es bis auf FL200 und sind gut 200 Knoten schnell.
Piper PA-30 Twin Comanche bekommt eine neue Lederausstattung
N7435Y kommt ohne alle diese Upgrades aus. Der Airline-Kapitän fliegt die Twinco vor allem zum Spaß innerhalb Floridas. In dem flachen Bundesstaat braucht es keinen Turbo, und Flugplätze gibt es so viele, dass Reichweite auch kein Thema ist. »Seit ich die Twinco besitze, war ich noch kein einziges mal über 10 000 Fuß«, sagt der 60-Jährige. Zum Frühstück fliegen, an der Küste hinab an den südlichsten Punkt der USA nach Key West oder zum Fliegertreffen Sun ’n Fun nach Lakeland sind seine typischen Trips.
Dafür hat der Münchner seinen Flieger schick gemacht, ihm eine neue Lederausstattung spendiert, die Strobes durch LEDs ersetzt. Und als auf dem Weg nach Miami der Transponder ausfiel und ihn die Lotsin nur deshalb in den vielbeflogenen Luftraum ließ, weil Steininger sonst seinen Dienstantritt bei der Airline verpasst hätte, rüstete er auch einen aktuellen Garmin-Transponder nach.
Durch eine einzige Tür geht es über die rechte Fläche in die Kabine
So hat die Twinco auch die ab 2020 geltende US-Ausrüstungsverpflichtung für ADS-B-out erfüllt. Ab 1969 hatte die Twin Comanche ein Instrumentenbrett in moderner Sixpack-Anordnung. Viele ältere Flugzeuge wurden nachträglich umgerüstet. N7435Y dagegen nicht. So herrscht im Panel die Vielfalt aus 50 Jahren Avionikentwicklung. Der analoge Autopilot mit Höhenhaltung aus den Sechzigern, ein GPS/NAV/COM, Engine-Monitor und sogar ein kleines EFIS von GRT Avionics als Backup. Die Mischung sieht wild aus, funktioniert aber tadellos. Sogar nach IFR ist Steininger damit unterwegs. Dass in Florida selten Vereisung zum Thema wird, ist ein Vorteil: Keine jemals gebaute PA-30 ist für Flüge darin zugelassen.
Piper-typisch gelangt man durch eine einzige Tür über der rechten Fläche in die Kabine der Twin Comanche. Mag die Konkurrenz vom Beechcraft auch ein paar Knoten schneller sein – in der Twinco ist mehr Platz als in einer Baron.
Die PA-30 ist vollbeladen nach 381 Metern Rollstrecke in der Luft
Wie man beim Drainen Wasser im Tank feststellen soll, wird wohl ewig ein Geheimnis der Piper-Ingenieure bleiben: Die Ventile lassen sich nur aus dem Inneren der Kabine durch einen Seilzug öffnen, der Sprit verteilt sich daraufhin unter dem Flugzeug auf dem Boden.
Vollbeladen ist die PA-30 nach 381 Metern Rollstrecke in der Luft. Rotiert wird bei 78 Knoten. Sind Klappen und Fahrwerk drin, steigt die Maschine auch mit einem Triebwerk. Die blaue Linie auf dem Fahrtmesser, die bei Twins die Geschwindigkeit für das beste Steigen im Einmotorenbetrieb angibt, ist bei 91 Knoten angebracht.
Die Piper PA-30 Twin Comanche ist auf Effizienz gebaut
Im Reiseflug hat der Münchner seine Standardeinstellung: 2400 rpm bei 24 inch Ladedruck – die beiden Lycomings produzieren damit in 3000 Fuß gute 70 Prozent Leistung, das sorgt für 155 Knoten. Verbrauch dabei: zweimal sieben Gallonen, das sind 53 Liter. Die PA-30 ist damit mindestens ebenso wirtschaftlich wie eine Beech Bonanza, Cessna 210 oder ähnliche Single, bietet dabei aber den Vorteil einer Twin: Fällt ein Triebwerk aus, beträgt ihre Service Ceiling, also die Höhe, in der das Flugzeug mit mindestens 50 Fuß steigt, noch immer knapp 6000 Fuß.
Wer einmal den glatten, dünnen Flügel der Twinco mit der nach einem dicken, amerikanischen Schokoriegel benannten »Hershey Bar« einer Seneca verglichen hat, dem wird klar, wo die Qualitäten einer PA-30 liegen – und warum der Oldtimer selbst seinen noch heute produzierten Nachfolger Piper Seminole, eine gut 20 Jahre jüngere Konstruktion, in nahezu allen Leistungsdaten abhängt. Die Twinco ist auf Effizienz gebaut, im Gegensatz zu ihren Nachfolgern, die vor allem kostengünstig herzustellen sind. Bei 65 Prozent Leistung fliegt die PA-30 162
Knoten schnell, 840 Nautische Meilen weit und kann dabei noch 387 Kilo zuladen – ein echter Viersitzer also.
Hersteller werben bei jedem Upgrade mit ein paar Knoten Geschwindigkeitsgewinn
Diverse Speedmods sind für die Twinco erhältlich: Verkleidungen für den Rumpf-Flächen-Übergang, Spaltabdeckung der Ruder, sogar ein Umbau auf zweimal IO-360 mit je 200 PS. Für jedes Upgrade werben die Hersteller mit ein paar Knoten Geschwindigkeitsgewinn. Deshalb behaupten böse Zungen, die PA-30 würde mit Überschall unterwegs sein, wenn man jede einzelne Modifikation montiert.
»Alles zu installieren ist Blödsinn«, weiß Steininger. Er erklärt, dass eine einzelne Maßnahme wohl mehr Geschwindigkeit bringt, der Zuwachs sich aber niemals addiert – Luftwiderstand wächst eben im Quadrat mit der Geschwindigkeit. So hat er es bei der Montage der »Wow«-Cowlings belassen, die er günstig gebraucht erhalten hat. Deren runde Lufteinlässe sind winzig im Vergleich zu den rechteckigen Ausschnitten der Originale, Vier Knoten mehr Geschwindigkeit stellte Steininger nach deren Montage fest. Die modernere Optik lässt die Twinco aber viel schneller aussehen.
Twinco-Piloten berichten: Manchmal hört das Flugzeug einfach auf zu fliegen
Speed Brakes wären übrigens ebenfalls eine Option, die sich per STC nachrüsten lässt. Aber wer seinen Sinkflug sorgfältig plant und sauber fliegt, braucht sie nicht. Rechtzeitig das Gas zurückgenommen auf 15 inch Ladedruck, eine Höhe von 1500 Fuß halten, und N7435Y baut kontinuierlich Fahrt ab. Unter 130 Knoten lassen sich die Räder ausfahren; weil wir die Fahrwerksklappen schonen wollen, warten wir noch ein bisschen länger. Im Endanflug sind wir mit 80 Knoten unterwegs, über der Schwelle werden es 70.
Ist man zu schnell, schwebt die PA-30 ewig über die Bahn. Und gelegentlich passiert das, was viele Twinco-Piloten berichten: Das Flugzeug hört einfach auf zu fliegen. Schlagartig. Man muss das wissen. Und nicht persönlich nehmen, wenn der Indianer das mit einem macht. »Die richtige Geschwindigkeit ist entscheidend«, sagt Steininger.
Wer jetzt auf den Geschmack gekommen ist: Twinco-
Fans wissen die Vorzüge der PA-30 zu schätzen. Wer
eine hat, gibt sie normalerweise nicht mehr her. Die
Auswahl am Markt beschränkt sich gewöhnlich auf gerade mal eine Handvoll angebotener Maschinen. Gute Exemplare sind selten. Steininger hatte damals alles richtig gemacht – und schnell zugeschlagen.
Text: Christof Brenner Fotos: Timo Breidenstein
- 10,97 m
- 16,54 m2
- 7,67 m
- 2,51 m
- 1001 kg
- 1633 kg
- 318 l
- 2 x Lycoming IO-320 Vierzylinder-Boxer, je 160 PS
- Hartzell 2-Blatt, verstellbar, Metall, 1,83 m
- ca. 53 l/h
1970 in München geboren, stieg Christof Brenner mit einem Volontariat beim Münchner Merkur in den Journalismus ein. Danach arbeitet er unter anderem bei der Bild. 1996 erwarb er seine PPL in Landshut; IFR, MEL und CPL folgten später in den USA. Brenner besitzt eine Piper Arrow II PA-28R-200, die zur Zeit in Florida stationiert ist.
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