Echo-Klasse

Pilot Report: Pipistrel Panthera

Als erste Journalisten weltweit durfte unser Autorenteam exklusiv den viel beachteten Viersitzer aus Slowenien fliegen, dessen Hersteller erstaunliche Leistungsdaten verspricht. Hier ist ihr Pilot Report über den Prototypen

Von Redaktion
Pilot Report: Pipistrel Panthera

Vier Sitze, 200 Knoten, 1000 Nautische Meilen. Magische Zahlen nennt Ivo Boscarol, Chef des renommierten UL-Herstellers Pipistrel aus Slowenien, diese Kombination. 2007 hatte er sie eines Morgens seinem Ingenieurbüro hingeworfen. Der damals 23 Jahre junge Konstrukteur Tine Tomažič und seine Fünf-Mann-Crew machten sich daran, diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen: eine neue Generation von Flugzeug, die den legendären Reisemaschinen der sechziger und siebziger Jahre nachfolgt. Sich mit Mooney oder Beechcraft zu messen, war ambitioniert, aber Tine und seinem Team standen die Möglichkeiten der Moderne zur Verfügung: Kohlefaser, Computer-gestütztes Design, Glas-Cockpits, Titan, Kevlar, 3D-Drucker. Solche Flugzeuge gibt es doch schon? Auch wenn Pipistrel sich dagegen verwahrt, einen „Cirrus-Killer“ bauen zu wollen, der Gedanke daran ist unvermeidlich.

Ajdovščina, Slowenien, 4. März 2014: Vor knapp zwei Jahren hatte die Panthera bei ihrer offiziellen Ankündigung auf der AERO in Friedrichshafen die Fliegerwelt elektrisiert. Vor einem Jahr ist der Prototyp erstmals geflogen. Und jetzt stehen wir auf der buckeligen Werkspiste in Slowenien und sind die Ersten, die in der Panthera mitfliegen dürfen. Die erste Begegnung mit dem Flugzeug ist emotional: Die aggressiven Linien, die zum Propeller hinführen, die geduckte Bodenstandslage – der Panther ist genau die richtige Wahl für den Namen. Die Ästhetik und die Formen sind verblüffend. Die Fertigungsqualität springt förmlich ins Auge: Keinerlei Unebenheiten an den Türen oder Klappen, die Flügel schwingen sich mit sanfter Rundung bis in die Spitzen. Der vordere Teil des Flugzeuges gibt der Panthera den aerodynamischen Touch. Alle Rumpflinien folgen dieser Idee. Einige Besonderheiten wecken unser Interesse: Die Motorhaube ist eine aerodynamische Perle.

Welch eine Eleganz! Von der eigenwilligen Cowling über die geschwungenen Flügelenden bis zur eingeschnürten Taille

Die Kühlluft-Einlässe neben dem Prop wirken wie schmale Augen, sie sind sehr klein. Der mittige Lufteinlass unten profitiert vom Staudruck des Propellers. Innen gibt es drei Öffnungen für Ansaugluft sowie Kalt- und Warmluft für die Kabine.
Die Kühlluft verlässt den Motorraum nicht wie üblich unter dem Rumpf, sondern seitlich an kiemenähnlichen Öffnungen. Deren Platzierung ist genial: An dieser Stelle entsteht ohnehin ein aerodynamischer Unterdruck, sodass die Luft förmlich aus dem Motorraum gesaugt wird. Bei unserem Flug werden wir später beeindruckend niedrige Zylinderkopftemperaturen sehen. Letztes raffiniertes Highlight: Die Navigationslichter sind in die elegant nach oben geschwungenen Flügelenden integriert. Der Einstieg in das Flugzeug erfolgt über Trittstufen und die Tragflächen. Drei große Flügeltüren sind an einem massiven Mittelholm angeschlagen, die Passagiere steigen auf der linken Seite ein.

Erste Überraschung: Der Innenraum ist sehr großzügig, vergleichbar mit der Cirrus. Das war nicht zu erwarten, weil die Maschine von außen sehr gedrängt wirkt. Von liegenden Sitzen kann keine Rede sein. Mit 1,25 Metern Breite an den Schultern und sogar noch mehr an den Hüften ist die Kabine sehr geräumig und hell. Der Innenraum erinnert angenehm an Luxus-Limousinen. Mit der Deckenhöhe ist man bei Pipistrel allerdings noch nicht zufrieden: Das Dach soll bei den fünf derzeit im Bau befindlichen Maschinen um vier Zentimeter angehoben werden. Der Mittelsteg teilt den Horizont wie in zwei Panorama-Kinoleinwände auf, denn die Sicht zur Seite ist ohne Säulen enorm. Nach vorne erlaubt die tiefe Sitzposition erst in einiger Entfernung den Blick auf den Boden. Im hinteren Bereich sitzen die Passagiere leicht erhöht im Vergleich zum Piloten. Lediglich eine Armlehne zwischen den beiden Sitzen fehlt.

Dynamisches Duo: Konstrukteur Tine Tomažic und Pipistrel-Chef Ivo Boscarol mit ihrem neuesten Wurf

Die eiförmige Zelle ist bis 26 g Crash-getestet und besteht aus Kevlar. Die Sitze sind nach vorn und hinten verstellbar, der zentrale Stick und die drei Motor-Hebel auf der Mittelkonsole fallen gut in die Hand. Im Prototyp leuchten am Panel zwei Dynon-Skyview-Bildschirme sowie GPS-Nav-Coms von Garmin. Doch die finale Konfiguration soll zwar ein Glascockpit enthalten, aber anders aussehen – auf der AERO werden dazu Neuigkeiten erwartet. Willig springt der vierzylindrige Lycoming IO-390 mit seinen 210 PS an – doch er wird nur im Prototypen fliegen. Urprünglich sollte ein von Rotax geplanter Sechszylinder das Flugzeug antreiben, doch dessen Entwicklung wurde eingestellt. Dann fiel die Entscheidung für den IO-390, aber nun hat Lycoming verkündet, den IO-390 doch nicht mit elektronischer Zündung und Mogas-Tauglichkeit zuzulassen. Pipistrel will unbedingt ein Triebwerk mit Mogas-Option und hat sich jetzt für Lycomings Sechszylinder IO-540 mit 260 PS entschieden.

Wir sind zu dritt an Bord, mit vollen Tanks haben wir ein Gewicht von 1092 Kilo und damit noch Luft zur MTOM von 1200 Kilo. Die Rasenpiste am Pipistrel-Werk ist nicht markiert und durch Regenfälle aufgeweicht. Voller Schub, 2660 rpm, und los geht’s. Die weiche Bahn verlangsamt die Beschleunigung. Bei 60 Knoten hebt die Maschine ab, wir haben über 400 Meter Piste benötigt. Trotzdem ein guter Wert für ein schnelles Reiseflugzeug. Das elektrische Fahrgestell fährt ein, wir steigen bei 105 Knoten mit 1100 Fuß pro Minute. Bei 2500 Fuß MSL wollen wir die Geschwindigkeit messen: Vollgas, 26 inches Ladedruck, 2700 rpm, 11 Grad Celsius – wir kommen auf 183 Knoten TAS. Wir reduzieren auf 75 Prozent, also 26 inches und 2500 rpm: 168 Knoten. Das ist schnell, aber weit weg von den angesagten 200 Knoten. Wir steigen weiter auf FL075.

Fast wie ein Segler: Bei dem von Pipistrel entwickelten Laminarprofil liegt die maximale Dicke weit hinten

Bei Vollgas erreichen wir 75 Prozent Leistung (23,5 inches, 2700 rpm, Gemisch auf 43 Liter pro Stunde): Jetzt fliegen wir mit 177 Knoten TAS. Auf mindestens 195 Knoten hoffen die Ingenieure mit dem stärkeren IO-540, der aber mehr verbrauchen würde. Einige aerodynamische Tricks sind noch im Köcher. Das super-effiziente Laminarprofil des Flügels ist eine Pipistrel-Entwicklung. Mit seiner großen Dickenrücklage sieht es danach aus, als ob Langsamflug interessant werden könnte. Doch nichts da: Bei 58 Knoten schüttelt die Maschine leicht, dann geht sie ohne jede Kipptendenz in einen stabilen Sackflug. Die Querruder bleiben voll wirksam. Mit und ohne Klappen, Fahrwerk drinnen oder draußen: Die Panthera bleibt bemerkenswert gesittet. Die Steuerung ist direkt und äußerst angenehm, die Maschine liegt sehr stabil in der Luft. Gleichzeitig reagiert sie spritzig: Beim Rollen von 45 Grad auf der einen Seite bis auf die andere stoppen wir zwei Sekunden.

In Rechtskurven ist die Mittelstrebe für den Piloten bis 30 Grad Querneigung im Blickfeld, danach sieht er über sie hinweg. Viel Zeit haben die Ingenieure auf das Fahrwerk verwendet, das sich erstaunlich kompakt unter die Hintersitze faltet. Zur Landung fliegen wir mit 75 Knoten an, dank der Nehmerqualitäten des geschleppten Hauptfahrwerks setzen wir weich auf. Erinnern wir uns an die Vorgaben: 200 Knoten? Bis dahin ist es noch ein ganzes Stück. 1000 Nautische Meilen Reichweite? Das erscheint gut machbar, wenn auch nicht bei 200 Knoten. Vier Personen? Überhaupt kein Problem! Das Leergewicht der Panthera ist mit nicht einmal 700 Kilo erstaunlich niedrig! Es ist offenbar der großen Erfahrung geschuldet, die man bei Pipistrel mit Kunststoff hat – und mit dem tief in der Firmenphilosophie verankerten Streben nach Effizienz. Eine Cirrus SR22 ist locker 300 Kilo schwerer.

Reisemaschine: Die Kabinenhöhe ist noch nicht ausreichend, das Dach soll um vier Zentimeter aufgestockt werden

Dabei wirkt die Panthera kein bisschen fragil oder leicht gebaut, sondern im Gegenteil massiv und robust. Für den schweren IO-540 wird die Maschine auf eine MTOM von 1300 Kilo aufgelastet, was konstruktiv unproblematisch sein soll. Mit vergrößerten Tanks stehen dann 380 Kilo für Passagiere und Gepäck zur Verfügung. Bleiben die zwei wichtigsten Fragen: Wie viel und wann? Derzeit schätzt Pipistrel einen Nettopreis von 450000 Euro, aber eigentlich ist es noch zu früh, um über Geld zu reden. 2017 soll die Maschine von der EASA zertifiziert sein. Das wird sieben bis zehn Millionen Euro und den Bau drei weiterer Testflugzeuge kosten; 20 Ingenieure werden drei Jahre lang vor allem Formulare ausfüllen müssen. Ein absurdes System … Zum Abschluss unseres Besuchs gewährt uns Tine Tomažič noch einen Blick in die Zukunft: Am Computer steht die Entwicklung eines Hybridantriebs bereits.

Die Kombination aus einem 250-PS-Elektromotor, der den Propeller dreht, und einem Dieselmotor, der mit 140 PS über einen Generator die Batterie auflädt und den E-Motor versorgt, verspricht bislang unbekannte Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung. Der erste Hybridflug ist schon für Ende 2015 geplant! Doch auch so ein Antrieb muss allerdings am Ende zertifiziert werden. Ohne jede Übertreibung lässt sich sagen: Tine Tomažič und sein Team sind derzeit die absolute Spitzenklasse der Flugzeug-Designer. Es ist beeindruckend: In einem kleinen europäischen Land mit weniger als zwei Millionen Einwohnern entwickelt ein UL-Hersteller, der gerade mal sein 25-jähriges Firmenjubiläum feiert, die mit Abstand faszinierendste Viersitzer-Maschine, die derzeit auf den Markt drängt. Sie verspricht jede Menge Innovation und sensationelle Effizienz. Man kann Ivo Boscarol und seiner Mannschaft nur Glück wünschen bei der Überwindung der riesigen Hürde namens Luftfahrt-Bürokratie.

Text: Christian Brand, Jean-Marie Urlacher; Fotos: Jean-Marie Urlacher; fliegermagazin 4/2014

Technische Daten
Pipistrel Panthera 151
  • Pipistrel, Goriska Cesta 50a, SI-5270 Ajdovščina, Slowenien, www.pipistrel.si
  • 10,86 m
  • 10,90 qm
  • 8,07 m
  • 1,90 m
  • 692 kg
  • 1200 kg
  • 220 l
  • Lycoming IO-390/ 210 PS
  • MT-Propeller, 3-Blatt, Constant Speed, Composite
  • ca. 43 l
  • 450 000 Euro
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