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Pilot Report: Gippsland GA8 Airvan

Gippsland? Nie gehört! Und dann noch aus Australien? Können die überhaupt Flugzeuge bauen? Und ob – wie die erste in Deutschland fliegende GA8 beweist

Von Redaktion

Richtig schön ist sie ja nicht gerade, meint die Redaktionskollegin, als wir am Flugplatz Emden um die Hangarecke biegen und uns die GA8 auf dem Vorfeld ins Auge sticht. Quadratisch, praktisch, gut – der Ritter-Sport-Slogan passt exakt auch auf die Airvan. Sie ist keine Beauty auf den ersten Blick – aber ihre inneren Werte lassen sie immer attraktiver werden, je länger man sich mit ihr beschäftigt. Auf den Autobereich übertragen ist sie so etwas wie der CJ-7 Jeep, der zwischen den weichgespülten M-Klassen von Mercedes oder der X- Reihe von BMW das ungehobelte Raubein darstellt, aber das Herz am richtigen Fleck hat. Und zwischen den ganzen modernen Composite-Fliegern mit Sidestick und Pkw-Ambiente fällt die Ganzmetall-GA8 wenigstens noch richtig auf. Sie trifft exakt eine Nische: Seit dem Produktionsende der Cessna 207 vor vielen Jahren gibt es keine achtsitzige Single mit Kolbenmotor mehr. Cessna 207?

Hierzulande eine äußerst exotische Maschine, quasi eine 206 im Stretchformat. Die Britten Islander hingegen ist als zehnplätzige Twin bei den Betriebskosten wesentlich teurer. Und die noch größere Cessna Caravan mit Turbine spielt schon bei der Anschaffung in einer völlig anderen Preisliga. Deshalb hat lange ein robuster Hochdecker mit Festfahrwerk und bis zu sieben Passagierplätzen gefehlt, der bereits Geld einfliegt, wenn die Maschine nur halb besetzt ist. Oder alternativ ein Frachtflugzeug, das je nach Tankinhalt bis zu 700 Kilogramm Nutzlast mitschleppt und quasi eine moderne Interpretation der deHavilland Beaver ist. Die Australier haben exakt dieses Anforderungsprofil zum Anlass genommen, dafür eine Maschine zu konzipieren. Erfahrung im Flugzeugbau haben sie ohnehin: Mit seinem Agrarflugzeug G200 hat Gippsland sich nicht nur auf dem fünften Kontinent eine gute Reputation als Hersteller erworben. Und mittlerweile fliegen in Australien, Südafrika, Südamerika und anderen Ländern mit Schotter– oder unbefestigten Pisten bereits mehr als 80 Airvans.

Gippsland GA8: Der fliegende Van

Auch bei der Ostfriesischen Lufttransport OLT im norddeutschen Emden, dem ersten deutschen Betreiber einer GA8, ist man sehr zufrieden. Das einzige „Problem“, das man hierzulande bisher hatte, ist für einen australischen Hersteller ziemlich ungewöhnlich: Die GA8 braucht an kalten Tagen recht lange, bis der Motor seine Betriebstemperatur erreicht. Da die Airvan für Hot & High-Einsätze konzipiert wurde, hat der Sechszylinder gleich zwei üppig dimensionierte Ölkühler. Ideal ist das für heiße Länder, weniger aber für Einsätze an der kühlen Nordsee – über Abhilfe wird bei Gippsland bereits nachgedacht. Ansonsten ist man bei der Friesen- Airline aber voll des Lobes: Über 100 Flugstunden und mehr als 300 Landungen hat die OLT-Airvan bei Erscheinen dieses Artikels absolviert. Was Flugbetriebsleiter Heinz Fieseler ebenso wie seine Piloten freut: Der Kontakt zu Gippsland ist trotz der großen geographischen Entfernung einfach und unkompliziert.

Anregungen aus dem Flugbetrieb würden schnell umgesetzt, und anders als etwa bei Cessna, wo man höchstens einen Produktmanager ans Telefon bekomme, hätte man bei dem australischen Unternehmen meist Firmenchef George Morgan am anderen Ende der Leitung. Und entgegen der früher von OLT eingesetzten Cessna 207 laufe man mit der GA8 auch nicht Gefahr, dass sich plötzlich das Heck einer vollbesetzten Maschine auf den Boden setzt. Zudem ist das Einsteigen für sechs Passagiere durch die große Hecktür sowie für Pilot und den siebten Gast durch zwei Cockpittüren sehr einfach. Das ist wichtig, denn Paxe oder Fracht müssen reichlich an Bord: Die Gippsland fliegt im harten Insel-Zubringerverkehr mehrmals täglich vom OLT-Firmenstammsitz Emden nach Borkum. Das sind gerade mal 15 Minuten Flugzeit, auf jede Stunde kommen also vier Landungen.

Gut, dass das großzügig dimensionierte Fahrwerk alles locker wegsteckt: In Australien sind asphaltierte Runways seltener Luxus, dort landet die Airvan vor allem auf Schotter oder Gras. Sogar Sandstrand darf es zum Aufsetzen sein – dem Flieger ist’s egal. Die Gippsland-Macher können ihren Job – das wird auch bei der Bedienung deutlich: Da fast immer nur ein Pilot die GA8 fliegt und dieser deshalb eine möglichst geringe Workload bewältigen soll, ist die Tankwahlstellung so einfach wie in der Cessna 152 – es gibt nur „on“ und „off“! Die Gefahr, mit stehendem Triebwerk notzulanden, weil einer der beiden insgesamt 340 Liter fassenden Flächentanks zwar noch randvoll ist, der Tankwahlschalter aber falsch stand, wird dadurch ausgeschlossen. Ein rotes Low-Fuel-Warnlicht direkt im Blickfeld des Piloten gibt zusätzliche Sicherheit.

Was beim Rundgang um die Airvan sofort auffällt ist die zweigeteilte Seitenruderflosse: Der obere Teil sitzt fest, nur die untere Hälfte lässt sich bewegen – ungewöhnliches Resultat der Trudel-Erprobung, die für die FAA- und EASA-Zulassung nötig war. Die europäische Zertifizierung ist noch ganz frisch, erst im August des vergangenen Jahres kam das von den OLT-Verantwortlichen und dem ersten britischen Betreiber langersehnte Dokument. Zum Jahresende traf dann die von OLT bestellte GA8 per Container nach langer Schiffsreise ein. Gippsland-Co-Firmenchef George Morgan nahm sich mehrere Tage Zeit, um persönlich in Emden beim Zusammenbau der Airvan mitzuhelfen und den Mechanikern des OLT-eigenen LTBs zur Seite zu stehen. Die norddeutsche Airline ist zwar „nur“ Kunde, falls aber ein deutscher oder europäischer Interessent eine Gippsland kaufen will, kann er sie gern von den OLT- Technikern montieren und einfliegen lassen, so Heinz Fieseler.

Ungewöhnlich: die obere Flosse ist starr, nur der untere Teil lässt sich bewegen – eine Folge der FAA- und EASA-Trudelerprobung

Genug besichtigt, jetzt wird geflogen: Frank Masanek, einer von mehreren GA8-Jockeys bei OLT, macht mit mir den Außencheck. Alles an der Maschine ist einfach und robust ausgelegt, auch an die Drainventile kommt man gut ran – der Ganzmetall-Flieger strahlt Solidität aus. Das Cockpit lässt sich mit Hilfe einer Trittstufe und Haltegriff relativ einfach „entern“. Der Co auf dem rechten Sitz hat allerdings im Panel lediglich den zweiten Höhenmesser vor sich: Die gesamte Avionik sitzt im Blickfeld des links sitzenden Piloten, da die Ergonomie der GA8 auf Single Hand Flying zugeschnitten ist. So ist auch die rechte Steuersäule im Inselflugbetrieb normalerweise demontiert, damit der dort sitzende Passagier mehr Platz hat. Frank Masanek bereitet das Anlassen des Lycoming-IO-540 nach Checkliste vor: Der Sechszylinder springt sofort an. Jetzt ist aber erst mal etwas Warten angesagt, bis er bei frischen acht Grad Celsius seine Betriebstemperatur erreicht hat.

Piper-Piloten fühlen sich übrigens beim Anblick des massiven Klappenhebels sofort heimisch: Wo nichts elektrisch betrieben wird, kann keine Elektrik ausfallen. Deshalb sind in der Airvan Muskeln zum Ein- und Ausfahren der Flaps angesagt. Allerdings ist der Kraftaufwand moderat, so dass selbst filigrane Buschpilotinnen keine Probleme bekommen. Was auffällt: Der Hebel für den Constant-Speed-Prop hat eine kleine Aussparung. Aus Lärmgründen darf der Lycoming in Australien nicht 2500 Umdrehungen überschreiten, um den dort geforderten Überflug-Lärmgrenzwert nicht zu überschreiten. Derart gedrosselt leistet der IO-540 aber nur 275 PS. Falls die vollen 300 PS bei 2700 Umdrehungen benötigt werden – hierzulande etwa beim Start auf Helgoland mit vollbeladener Maschine notwendig – kann man den Prop-Hebel über einen Nylonknubbel drücken und damit die volle Power abrufen. Mit dem Hartzell-Zweiblattprop wird allerdings kein „erhöhter Schallschutz“ erreicht.

Deshalb laufen Gespräche mit Gerd Mühlbauer über einen optionalen leiseren Dreiblattprop – schließlich legt man bei OLT in Westfriesland großen Wert auf ein gutes Miteinander mit den Nachbarn. Wir rollen auf die „08“ in Emden, Flaps auf erste Stufe und Vollgas. Nach „gefühlten“ 200 Metern sind wir in der Luft. 380 Meter Startrollstrecke bei MTOM, Meereshöhe und ohne Wind – allerdings bei 15 Grad Außentemperatur – hat Masanek ermittelt, selbst auf kurzen Inselplätzen bleiben da Reserven. In sicherer Höhe werden die Klappen eingefahren. Schon nach den ersten Sekunden in der Luft fühlt sich man sich mit der Airvan vertraut – sie fliegt und fühlt sich an wie eine 172er in Stretchversion. Anders als beim Cessna-Klassiker ist aber die Sicht nach vorn deutlich besser, weil das Panel nicht einen Teil des Blickfelds versperrt. Wir steigen mit 750 Fuß pro Minute Richtung Nordsee und leveln auf 5000 Fuß aus.

Im Reiseflug zwischen 2000 und etwa 8000 Fuß erreicht die GA8 etwa 130 Knoten. Bei OLT fliegt man in 4000 Fuß und 65 Prozent Leistung mit 118 Knoten. Dabei schluckt der IO-540 etwa 60 Liter Avgas. Man kann den Verbrauch auch unter 50 Liter drücken – dann sind bei 48 Prozent Power aber nur noch 104 Knoten drin. Im Stallverhalten ähnelt die GA8 ebenfalls den umkomplizierten Cessna-Hochdeckern: Die „Tröte“ kommt recht früh, mit Power on nickt die GA8 berechenbar nach vorn ab, mit vollen Flaps lässt sie sich fast nicht in den Stromungsabriss zwingen. Erst unter 52 Knoten will sie nicht mehr fliegen, kurzes Nachdrücken und Fahrtaufholen bereinigt die Situation sofort. Stabil liegt die GA8 in der Luft, alles wirkt eher über- als unterdimensioniert. Modischen Schnickschnack wird man an diesem Buschflieger nicht finden – Australier sind ja auch als eher robuste Typen bekannt.

Quadratisch, praktisch, gut – der Ritter-Sport-Slogan passt exakt auch auf die Airvan

Zurück Richtung Emden: Der übliche Seitenwind mit zehn Knoten macht keine Probleme, bei etwa 85 Knoten werden die Flaps auf erste Stufe gefahren, dann die Maschine etwas kopflastig getrimmt. Im Endanflug volle Klappen auf 38 Grad, die GA8 fliegt mit 75 Knoten über die Schwelle, leichtes Flaren – das war’s. Beeindruckend geringe 160 Meter Landerollstrecke erreichen Profis trotz MTOM – da verliert selbst Helgoland mit seinen kurzen Bahnen den Schrecken. Speed ist also nicht das vorherrschende Thema der GA8, sondern kleine Plätze, unbefestigte Runways sowie Hot&High-Betrieb. Hier punktet die Australierin mit ihren Vorzügen, und deshalb ist sie auch für den norddeutschen Inselflugverkehr ideal. Laut Werksangaben hat die GA8 eine Leermasse von 997 Kilo. Die OLT-Airvan ist allerdings durch den optionalen Cargopod und die IFR-Avionik auf 1089 Kilo Leermasse angestiegen. 340 Liter Treibstoff bedeuten weitere 244 Kilo, dann bleiben noch knapp 500 Kilo zur MTOM von 1814 Kilogramm.

Die GA8 kann also entweder mit sehr wenig Sprit und sieben Passagieren geflogen werden. Normalerweise werden aber eher sechs Paxe bei halbvollen Tanks befördert. Ein Wort zu den Kosten. Umgerechnet etwa 435 000 Euro Grundpreis plus Mehrwertsteuer ist ein faires Angebot. Keine Probleme mehr mit Ersatzteilen wie bei der Cessna 207, stattdessen geringere Betriebskosten und mehr Zuladung – mit der GA8 lässt sich im kommerziellen Einsatz rasch Geld einfliegen. Und ein privater Halter bekommt Cessna-Caravan-Feeling zu einem Drittel von deren Kaufpreis. Das in der OLT-Airvan installierte IFR- Package von Bendix-King schlägt mit zusätzlichen 15 265 Euro zu Buche. Zwar darf mit der Kolbenmotor-Single gewerblich nicht nach IFR geflogen werden, aber die Schlechtwetter-Avionik bedeutet ein Sicherheitsplus bei den oft tückischen Verhältnissen an der Nordsee.

Der Cargopod kostet 7500 Euro, und ein optionaler Autopilot steht nicht nur auf der Wunschliste von OLT: Den erprobt man bei Gippsland bereits, es gibt aber noch keine zertifizierte Lösung. Gerade kommt mir die Idee, was ich mache, wenn ich bei Günther Jauch eine halbe Million Euro gewinnen würde: Die Airvan mit nur zwei Sitzen bestellen, ihre Kabine zum fliegenden Wohnmobil ausbauen – und mit dem Restgeld den Sprit für die Weltreise per Buschflieger bezahlen!

Text: Jürgen Schelling; Fotos: Cornelius Braun, Christina Scheunemann; fliegermagazin 6/2006

Technische Daten
Gippsland GA8 Airvan
  • Gippsland Aeronautics, Latrobe Regional Airport, PO Box 881, Morwell Victoria 3840, Australia, Telefon 0061/3 51721200, www.gippsaero.com
  • 12,3 m
  • 19,3 qm
  • 8,95 m
  • 3,89 m
  • 997 kg (Leermasse mit Cargopod + IFR: 1089 kg)
  • 1814 kg
  • 573 kg (mx. Zuladung)
  • 340 l (332 l ausfliegbar)
  • Lycoming IO-540 K1A5, 300 PS
  • Hartzell Constant Speed 2-Blatt
  • ca. 60 l/h
  • ca. 380 m
  • 457 m
  • ca. 160 m
  • 396 m
  • 88 kts
  • 20000 ft
  • ca. 900 NM
  • 725 000 Aus. Dollar, ca. 435 000 Euro + Mwst.
  • Neil Plumb, Cranfield, England, Telefon 0044/1908270911
Schlagwörter
  • Einmot
  • Nordsee
  • Hochdecker
  • Bendix/King
  • Cessna 172
  • Cessna Caravan
  • Avgas
  • Kolbenmotor
  • De Havilland Beaver
  • Fracht
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  • GA8
  • Cessna 207
  • C207
  • G200
  • Ostfriesische Lufttransport OLT
  • Insel-Zubringerverkehr
  • Nordsee-Insel
  • Hecktür
  • Seitenruderflosse
  • zweigeteilt
  • Trudel-Erprobung
  • Drainventile
  • Single Hand Flying
  • Inselflugbetrieb
  • Steuersäule
  • Nylonknubbel
  • Hartzell-Zweiblattprop
  • Dreiblattprop
  • Inselflugverkehr
  • Cargopod
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