Pilot-Report: Diamond D-Jet
Zwar steht der leichte Jet von Diamond mitten in der Flugerprobung. Dennoch durfte jetzt zum ersten Mal ein Journalist ans Steuer
Gleich am Anfang ist klar, dass dies kein normaler Pilot Report wird. Wir fliegen kein Serienflugzeug, noch nicht einmal einen serienkonformen Prototypen: Der Diamond D-Jet ist noch mitten in der Flugerprobung. Und deshalb erklärt mir Dave Marsh, Chef der Abteilung „Experimental Flight Test“ bei Diamond, zuallererst das Verfahren für den Notausstieg. Weil die Flugeigenschaften des D-Jet noch nicht vollständig definiert sind, müssen die Piloten der Vorserienflugzeuge darauf vorbereitet sein, im Notfall abzuspringen – so klein die Wahrscheinlichkeit auch sein mag.
Auf Knopfdruck schiebt ein Elektromotor die Sitze der Piloten nach hinten bis auf die Höhe der Kabinentür. Danach folgt: Türgriff ziehen, Sitzgurt öffnen und raus. Den Schlauch der Sauerstoffmaske am Helm löst ein Spezialverschluss selbsttätig, eine „Bailout Bottle“ am Fallschirm übernimmt die weitere Sauerstoffversorgung. Der Schirm wird über eine Leine am Sitzrahmen ausgelöst, zur Sicherheit gibt es noch eine automatische Öffnung bei Unterschreiten der Mindesthöhe. So eine Einweisung erlebe ich zum ersten Mal.
Die eigentlich in Österreich beheimatete Firma Diamond Aircraft hat mich zu ihrer kanadischen Produktionsstätte in London, Ontario, eingeladen, wo der D-Jet entwickelt wird. Ich soll die Seriennummer 003 fliegen. Das macht mich nicht nur zum ersten Luftfahrtjournalisten, der den D-Jet fliegen darf, sondern auch zum ersten, der überhaupt einen der neuen einstrahligen Personal Jets fliegt.
Diamond Aircraft produziert den D-Jet im kanadischen London, Ontario
Die Wirtschaftskrise hat alle Hersteller der Allgemeinen Luftfahrt erwischt – aber Diamond ist wohl besonders gebeutelt: Da geht der wichtigste Triebwerkshersteller für die Kolbenmotor-Flugzeuge pleite (Thielert), als Ersatz wird eine kostspielige Eigenentwicklung in Rekordzeit durchgezogen (der Austro Engine AE300 Turbodiesel) und eine Lycoming-getriebene Variante der DA-42-Twin zertifiziert – und dennoch bleibt die Firma zuversichtlich genug, um auch noch einen neuen, einstrahligen Jet voranzubringen.
2003 wurde das Projekt offiziell angekündigt, seinen Erstflug absolvierte der D-Jet im April 2006. Derzeit werden Vorserien-Prototypen erprobt, um das endgültige Design für die Zulassung festzulegen. Und die ist schon für die zweite Hälfte 2010 geplant.
Die Maschine 003 trägt die kanadische Kennung C-GUPJ, das Kürzel steht ganz unbescheiden für „Ultimate Personal Jet“. Diamond-Testpilot Howard Judd wird mein Begleiter sein. Diesen D-Jet-Prototyp nutzt der Hersteller vor allem für die Hochgeschwindigkeits-Flugerprobung und zur Verfeinerung des Handlings. Der allererste D-Jet war ein Proof-of-Concept; Seriennummer 002 mit der Registrierung C-GVLJ dient vor allem der aerodynamischen Entwicklung, er wird noch von der ursprünglich vorgesehenen Williams FJ33-15-Turbine angetrieben.
003 – der ultimative Personal Jet
Testpilot Judd erklärte mir vorab, dass das Höhenruder der C-GUPJ ein wenig schwergängig ist. Das liegt an den relativ kleinen Ausgleichsflächen am Ruder, die für ein aerodynamisches Gegengewicht sorgen. Wenn sie zu klein geraten, sind höhere Steuerkräfte bei Manövern wie Steilkreisen oder dem Abfangbogen bei der Landung erforderlich. An der Seriennummer 002 wurden bereits größere Ausgleichsflächen erprobt: Die Steuerkräfte sind deutlich geringer – und näher an dem, was Diamond für die Serie anstrebt.
Unser Flugzeug hat Vortex-Generatoren an den Flügelwurzeln und „T-strips“ an der Hinterkante der Querruder. Erstere sorgen dafür, dass die Strömung im Bereich der Triebwerks-Lufteinlässe besser anliegt, mit Letzteren werden Ruderkräfte und Rollraten getestet. Solch aerodynamische Feinabstimmung ist nicht nur den Zulassungsvorschriften geschuldet. Sie sorgt auch dafür, dass sich die Maschine für Piloten vertraut anfühlt, die von einer Kolbeneinmot in den D-Jet aufsteigen.
Das Anlassen ist kinderleicht: Haupt- und Generatorschalter ein, Benzinpumpe an, Zündschalter auf „Start“. Im Nu ertönt das typische Heulen einer Düse. Dann noch das Garmin G1000 einstellen und losrollen. Auch der Start bietet nichts Ungewöhnliches: Klappen auf 20 Grad, Leistungshebel nach vorn, Rotieren bei 85 Knoten und es geht aufwärts. Bei unserem maximalen Abfluggewicht von 2563 Kilogramm erreichen wir eine Steigrate von 3000 Fuß pro Minute. Mit 250 Knoten TAS durchsteigen wir 10 000 Fuß mit immer noch gesunden 2300 Fuß pro Minute.
Unsere Reiseflugleistung messen wir mit der Sonde, die an einem langen Ausleger am Bug befestigt ist. Sie ist typisch für die Flugerprobung und hat an ihrer Spitze Fühler für alle wichtigen Parameter, und zwar außerhalb der vom Flugzeug beeinflussten Luftströmung. Damit wird später auch der Messfehler von serienmäßig platzierten Druckabnehmern, Temperaturfühlern und Pitotrohren ermittelt.
Auf Flugfläche 250 setzen wir die maximal erlaubte Dauerleistung von 99,7 Prozent Verdichterdrehzahl (N1). Das ergibt eine Inter Turbine Temperature (ITT) von 784 Grad Celsius, deutlich unter dem erlaubten Maximum von 855 Grad, und einen Treibstoffverbrauch von 285 Litern pro Stunde. Bei einer Außentemperatur von minus 23 Grad Celsius sehen wir eine True Airspeed von 323 Knoten – immerhin acht Knoten mehr als Diamonds geplante maximale Reisegeschwindigkeit von 315 KTAS, und das bei elf Grad über ISA-Bedingungen. Mit einer Leistungseinstellung für normale Reisegeschwindigkeit erreichen wir bei 190 Litern pro Stunde 252 Knoten True Airspeed.
Bei 190 Litern pro Stunde erreicht der D-Jet 252 Knoten True Airspeed
Die Diamond-Experten sind zuversichtlich, dass weitere Widerstandsreduzierungen bei den Serienmaschinen zu einem niedrigeren Verbrauch führen wird. Im Reiseflug fahre ich die Leistung einmal über den gesamten Bereich von Leerlauf bis Volllast. Die Nase hebt und senkt sich dabei ein wenig – nichts Außergewöhnliches. Offenbar hat Diamond eine Menge Arbeit in die Justierung der Strahlachse des Triebwerks gesteckt, um Änderungen von Längsneigung und Trimmung zu minimieren. Auch als ich die Klappen und das Fahrwerk betätige, sind nur geringe Lastigkeitsänderungen erkennbar.
Der D-Jet hat nur ein Triebwerk, also standen gute Gleitflugeigenschaften weit oben auf der Liste der Diamond-Prioritäten. Im Leerlauf simuliere ich einen Triebwerksausfall und trimme auf die Geschwindigkeit für bestes Gleiten. In Flugfläche 150 sind das 115 KIAS oder 160 Knoten True Airspeed. Die Sinkrate pendelt sich zwischen 600 und 860 Fuß pro Minute ein. Nahe am Boden hat der D-Jet Sinkraten wie eine komplexe Kolben-Einmot.
Diamond rechnet mit Gleitdistanzen von 67 Nautischen Meilen aus FL250 bis hinunter zu 14 Nautischen Meilen aus 5000 Fuß. Natürlich sind die Notabstiegsgeschwindigkeiten im Fall eines Druckverlusts sehr viel höher. Mit ausgefahrenen Rädern und Speed an der roten Linie wäre der Abstieg aus FL250 bis auf eine sicher atembare Höhe von 10 000 Fuß schnell erledigt – einer der Gründe, warum Diamond 25 000 Fuß als maximale Flughöhe für den D-Jet festgelegt hat.
Wer eine Kolben-Einmot oder eine Twin landen kann, wird mit dem D-Jet keine Probleme haben
Während der Flugmanöver für die Luftaufnahmen zu diesem Artikel stelle ich fest, dass die Ruderkräfte in der Tat etwas hoch sind – wenn auch keineswegs unerträglich. Aber, wie gesagt, Diamond verspricht, dass die Ruder der Serienflugzeuge besser abgestimmt sein werden. Beim Landen gibt es keinerlei Überraschungen. Wer eine große Kolben-Einmot oder eine Twin landen kann, wird auch mit dem D-Jet keine Probleme haben.
In unseren Checklisten finden sich die passenden Geschwindigkeiten: Fahrwerk raus unterhalb 160 Knoten, Klappen unter 130 Knoten, dann 100 Knoten im Gegen- und Queranflug halten. Im Endteil, mit etwa 60 Prozent N1, pendeln sich 90 Knoten ein. Mit dem Leistungshebel wird die Speed über der Schwelle auf 88 verringert. Mit 75 Knoten setzen wir auf.
Es gibt jede Menge bemerkenswerte Details am D-Jet, aber ein paar stechen besonders hervor, an erster Stelle die neue FJ33-5A-Turbine von Williams. Sie hat 862 Kilopond maximalen Schub, 152 mehr als die ursprünglich vorgesehene FJ33-15. Das neue Triebwerk passt besser zum Flugzeug. Es erlaubt etwas mehr Nutzlast, ohne die übrigen Daten des D-Jet zu beeinflussen. Auch liefert es ausreichend Zapfluft für die pneumatischen „Deice Boots“. Ursprünglich war eine TKS-Flüssigenteisung vorgesehen, deren Gewicht allerdings als zu hoch eingestuft wurde. Die beiden Lufteinlässe an den Flügelwurzeln werden mit Heißluft aus der Turbine eisfrei gehalten. Schließlich verspricht die FJ33-5A ein Überholungsintervall von 4000 Stunden.
Der D-Jet wird mit einem Feuermeldesystem und einer Löschanlage für die Turbine geliefert: Zwei Halon-Flaschen können getrennt oder zusammen eingesetzt werden. Auch ein Stick Pusher zur Verhinderung von Stalls gehört zur Standardausstattung. Das System misst den Anstellwinkel und senkt automatisch die Nase, wenn ein Strömungsabriss droht. Mit dem Pusher umgeht Diamond eine aufwändige Trudelerprobung, die sonst für einmotorige Flugzeuge vorgeschrieben ist. Luftleitbleche unten am Schwanz sorgen bei hohen Anstellwinkeln ebenfalls dafür, dass die Nase gesenkt wird.
Die Stärken des D-Jets sind Komfort und ein niedriger Preis
Diamonds Nordamerika-Chef Peter Maurer skizziert die Anforderungen an einen leichten Jet mit einem Dreieck. Die drei Spitzen beschriftet er mit „preiswert“, „Leistung in großer Höhe“ und „Komfort“. Alle drei sind nicht gemeinsam zu haben, erklärt Maurer. Obwohl zum Beispiel Cessna und Embraer, so Maurer, große Reiseflughöhen und Komfort herausstellen, führe dies zu höheren Preisen.
Die Stärken des D-Jets sind Komfort und ein niedriger Preis: Mit 1,89 Millionen US-Dollar soll er deutlich billiger werden als andere leichte Jets. Dennoch bietet er reichlich Platz im Cockpit und in der dreisitzigen Kabine. Auch wenn der D-Jet nur ein Triebwerk hat, so strahlt er doch die Aura eines großen Flugzeugs aus. Die Maschine steht am Boden hochbeinig da, die zweiteilige Tür hat eine integrierte Treppe, Steuergefühl und Leistung entsprechen einem sehr viel größeren Jet.
„Wir versuchen mit viel Energie, ein wegweisendes Design zu entwickeln – so etwas wie die Bonanza für das 21. Jahrhundert“, sagt Maurer. „Der D-Jet ist perfekt für den Markt der Personal Jets, die von ihren Besitzern selbst geflogen werden. Klar, in FL250 ist man noch dem Wetter ausgesetzt, aber die vielen Wetterdaten im Cockpit machen es leicht, Problemen aus dem Weg zu gehen. Einen vom Besitzer allein gesteuerten Jet bis in 41 000 Fuß fliegen zu lassen, mag einen Geschwindigkeitsvorteil ergeben, aber wir glauben, dass die Reiseflughöhe des D-Jet einen Sicherheitsgewinn bietet. Fliegen in FL410 ist wie ein Spaziergang auf einem Dachfirst – wenn etwas schief geht, bleibt kein Spielraum. In 25 000 Fuß ist man hinsichtlich des Risikos eher wie beim Spaziergang auf einem breiten Plateau unterwegs.“
Innerhalb zwei Wochen ist die Musterberechtigung für den D-Jet erlangt
Bis zu zwei Wochen kann ein Pilot ohne Jet-Erfahrung zum Erwerb der Musterberechtigung brauchen. In den USA wird die Firma Airline Transport Professionals (ATP) diese Ausbildung und Refresher-Trainings übernehmen. ATP hat für diesen Zweck, und für die Berufspilotenausbildung 20 D-Jets bestellt.
Das nächste im Bau befindliche Testflugzeug wird bereits ein serienkonformer Prototyp sein. 300 feste Bestellungen liegen Diamond vor. Wenn man bedenkt, wie viele Anbieter leichter Jets schon gar nicht mehr existieren, könnte das Unternehmen aus Österreich mit dem D-Jet ein Flugzeug entwickelt haben, das einen vielversprechenden Platz im Markt besetzten wird.
Text: Thomas A. Horne; Fotos: Mike Fizer; fliegermagazin 12/2009
- Diamond Aircraft Industries, Wiener Neustadt, Österreich , www.diamond-air.at
- 11,43 m
- 10,70 m
- 3,53 m
- 1656 kg
- 2563 kg
- 988 Liter
- Williams FJ33-5A
- 862 kp
- 716 m
- (45 min. Reserve)– max. speed, 25 000 Fuß; 315 kts/856 NM– max. range, 25 000 Fuß; 240 kts/1350 NM
- ab 1890 000 US-Dollar
- Diamond D-Jet
- Diamond
- Diamond Aircraft
- Flugerprobung
- Experimental Flight Test
- Notausstiegverfahren
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- C-GUPJ
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