Pilot Report: CubCrafters XCub
Die schnelle und luxuriös ausgestattete Neuinterpretation des Kultklassikers von Piper hat gerade ihre FAA-Zulassung erhalten – die europäische soll spätestens zur nächsten AERO folgen. Wir stellen den ultimativen Cub-Klon vor
Ja, natürlich haben die Puristen recht: Das Fahrwerk der XCub sieht nicht so aus wie bei einer richtigen Cub: eine Alu-Federschwinge à la Cessna statt der X-förmigen Rohr-Verstrebung mit Gummizugfederung. Aber was für ein Segen bei der Landung: Mit Gummizug hätte mein etwas solider Touchdown zum Ein-Meter-Hochsprung geführt; bei der XCub reduziert er sich auf ein 15-Zentimeter-Hüpferchen. Und dann erklärt mir Randy Lervold, Chef von XCub-Hersteller CubCrafters, auch noch: „Die Federschwinge bringt im Vergleich zum herkömmmlichen Cub-Fahrwerk locker zehn Knoten.“ Mehr Speed und leichteres Landen – warum sollte irgendjemand noch die klassische Variante wollen? So richtig weiß wohl keiner, warum ausgerechnet ein kleiner Rohr-Tuch-Taildragger mit Tandemsitzen so vielen Piloten als die Verkörperung des Traums vom Fliegen mit all seiner Romantik gilt.
Aber es gibt keinen Zweifel: Der Mythos der Piper Cub ist unsterblich. Und die neue XCub aus dem US-Bundesstaat Washington könnte die ultimative Übertragung dieses Konzepts in die Moderne sein: eine Art Über-Cub. Die XCub beruht auf Pipers Klassiker Super Cub. Überraschend wurde sie im Frühjahr am CubCrafters-Firmensitz in Yakima vorgestellt. Inzwischen hat sie die FAA-Zulassung erhalten, bis zur nächsten AERO in Friedrichshafen soll auch die Zertifizierung durch die EASA folgen – nicht als LSA, sondern als E-Klasse-Flugzeug gemäß der Bauvorschrift CS-23. Fast sechs Jahre lang haben die Amerikaner an der Entwicklung der XCub gearbeitet. Sie sollte mehr Speed, mehr Zuladung und mehr Komfort bieten als jedes Cub-ähnliche Flugzeug zuvor. Das ist wichtig, weil es Maschinen der Cub-Kategorie schwer haben in einer Zeit, in der viel Wert auf Geschwindigkeit und Effizienz gelegt wird: Sie bieten weder das eine noch das andere. Randy Lervold versteht das.
Vielseitig: Die XCub fühlt sich nicht nur im Busch zu Hause, sie ist schnell und komfortabel genug für längere Strecken
„Die XCub erweitert das Leistungsspektrum in jeder Hinsicht“, sagt er, und meint: Mit der XCub kann man schnell reisen und trotzdem noch auf einer Sandbank mitten in einem reißenden Fluss landen. CubCrafters ist vielleicht der Hersteller, der am besten positioniert war, um ein Flugzeug wie die XCub zu entwickeln: Die Firma hat Erfahrung mit der Zertifizierung von CS-23-Flugzeugen durch den wenig vom Original abweichenden Klon Top Cub, den sie seit 2004 anbietet. Sie baut aber auch die stark modifizierte Carbon Cub als US-amerikanisches LSA (siehe fliegermagazin 1/2013). Pipers Super Cub würde niemand als ideales Reiseflugzeug verkaufen wollen – und schon gar nicht als Luxusdampfer. Die XCub soll beides sein. Stellt man sie neben das LSA Carbon Cub, sind die Flugzeuge ähnlich, aber alles andere als identisch. Im Rumpf teilen sie den gleichen Rahmen aus 4130-Stahlrohr, ebenso haben beide Flügel aus Aluminium-Holmen und -Rippen.
Die Abmessungen sind ähnlich, doch der Schwanz der XCub steht höher. Vor dem Seitenleitwerk ist oben auf dem Rumpf ein Übergang eingesetzt, der aerodynamisch wirksam ist und die Stabilität um die Hochachse verbessert. Vor allem ist die XCub ein ordentliches Stück schwerer als ihr LSA-Verwandter. Der wiegt leer etwa 415 Kilo und muss voll beladen unter dem LSA-Maximum von 600 Kilo bleiben. Die XCub bringt leer 550 Kilo auf die Waage und darf mit bis zu 1043 Kilo abheben. Einmal kurz nachrechnen: Das sind 493 Kilo Zuladung – in einem Zweisitzer! Die 135 Kilo zusätzliches Leergewicht gehen fast ausschließlich in die für CS-23-Flugzeuge höheren Anforderungen an die Struktur, die zudem in allen XCubs ab Werk auf den Betrieb mit Schwimmern ausgelegt ist.
Weil die ausgezeichneten Langsamflugeigenschaften der originalen Super Cub erhalten bleiben sollten, verwendet CubCrafters das gleiche Flügelprofil namens USA 35A, das unten flach ist und über die gesamte Fläche konstant bleibt. Aber dieser Flügel war nie dazu gedacht, mit 125 Knoten durch die Luft zu schneiden. Also wurde das Querruder-Design optimiert. Im Original haben die Ruder eine gerade Form. Bei der XCub sind sie aerodynamisch gewölbt, was ihre Wirkung erhöht und dem Flugzeug nebenbei eine knackige Rollrate verleiht. Cub-Kennern fällt sofort auf, dass die Steuerseile an der Hinterkante der Flügelstreben fehlen. Im Bemühen um Widerstandsminimierung hat CubCrafters sie durch Steuerstangen ersetzt, die in den Streben verlaufen – ein cooler Ingenieurstrick. Fürs Seitenruder bleibt es bei Seilen.
Falls Piper jemals versucht hat, den Widerstand der Cub zu verringern, hatte das wenig Erfolg. Mehr als knapp 90 Knoten Reisegeschwindigkeit waren mit der Super Cub nicht drin. Das reichte CubCrafters bei Weitem nicht, und so sind die Bemühungen um geringen Luftwiderstand überall am Flugzeug zu erkennen. Übergänge haben Verkleidungen, die Cowling ist komplett überarbeitet – sowohl, um den 180-PS-Lycoming unterzubringen, als auch, um ihn ausreichend mit Kühlluft zu versorgen, ohne dabei zu viel Widerstand zu erzeugen. Die Einlassöffnungen sind relativ klein, die Zylinder stecken wie bei Rennflugzeugen unter „Hamsterbacken“. Auffällig sind die Kiemen an der Seite. Im Flug zeigt der O-360 auch bei hohen Anstellwinkeln keine Temperaturprobleme. Einen wichtigen Beitrag zur hohen Reisegeschwindigkeit von etwa 125 Knoten leistet auch der Hartzell Trailblazer, ein Composite-Verstellpropeller.
Aerodynamisch wirksam: Der Seitenleitwerksansatz verbessert die Stabilität
Was wäre eine Cub ohne eine Wasserflug-Variante? Die Schwimmer für die XCub kommen von Wipaire, sie befinden sich mitten in der Zulassung. Es wird sowohl eine amphibische Version mit einziehbaren Rädern als auch eine reine Schwimmer-Variante geben. Billig sind die Floats nicht: etwa 50 000 und 35 000 Euro werden die Optionen vermutlich kosten.Die XCub ist zugelassen für VFR-Flüge bei Tag und bei Nacht – die Avionik passt dazu. Eine IFR-Zulassung wäre zu Beginn der Produktion zu kostspielig geworden, ist aber für die Zukunft denkbar, sagt Lervold. Statt eines Glascockpits hat die XCub ein portables Garmin aera 796 fest verbaut, dazu ein Motorüberwachungsinstrument des Typs EI CGR-30P. Von Trig stammen Funkgerät (TY91) und Transponder (TT22). Luxus ist nicht das, was man mit Flugzeugen der Cub-Kategorie verbindet, aber zur XCub passt der Begriff.
Die Sitze sind weich gepolstert und mit edlem Leder bezogen. Die Seitenverkleidungen sehen ähnlich aus. Es gibt insgesamt zehn Ablagen, Taschen und Stauräume. Die typische Cub-Sorge, keinen Platz für Sonnenbrille, Kamera, Telefon und Tablet-PC zu finden, dürfte damit ein Ende haben. Auf dem hinteren Sitz gibt es eine Halterung fürs iPad samt USB-Stromanschluss. Das Gepäckfach ist von außen über eine Klappe hinten rechts am Rumpf zugänglich, in der Kabinenrückwand gibt es zwei Fächer für Headsets. Der Steuerknüppel hat ein ergonomisches Design und liegt gut in der Hand. Die Tür rechts ist in klassischer Cub-Manier waagerecht geteilt und kann im Flug geöffnet werden, aber die Verriegelung ist deutlich solider als beim Original. Gleiches gilt für das Fenster links. Am Boden ist die Sicht über die Nase gut genug, um beim Rollen keine Schlängelbewegungen zu erfordern.
Das wirkt sich auch auf den Flug aus: Da ist der Blick nach vorn so gut, dass man fast zu sinken glaubt. Je nach Gewicht soll die XCub mit 52 Metern Rollstrecke auskommen. Tatsächlich: Es geht fast sofort aufwärts, wenn man die Maschine vom Boden zieht, noch bevor es sich danach anfühlt, dass sie flugwillig wäre. Im Reiseflug bei 75 Prozent Leistung erreichen wir 120 Knoten – fünf weniger als versprochen. Doch das liegt an den größeren Tundrareifen, die das Testflugzeug hat. Es sind sogar Radverkleidungen als Option geplant. So oder so: Die XCub ist solide 30 Knoten schneller als die Super Cub – und das macht sie zur brauchbaren Reisemaschine über längere Distanzen. Mit vollen Tanks sind 186 Liter an Bord, das reicht für etwa fünf Stunden oder gut 600 Nautische Meilen. Wenn man nicht gerade Bleiplatten einlädt, wird man dabei immer noch deutlich unter der MTOM bleiben.
Wie für die Cub üblich, sind die Langsamflugeigenschaften harmlos. Wer mit vollen Klappen überziehen möchte, sollte die Flächen gerade halten, sonst kippt die Maschine über die hängende ab. Was den Stall ohne Klappen angeht: Es gibt nicht wirklich einen. Die XCub schüttelt und sinkt in einer Art Fallschirmmodus, geht aber nie richtig auf die Nase. Dank Vortex-Generatoren auf der Flügeloberseite liegt die Strömung auch im Langsamflug an, die Querruderwirkung bleibt erhalten. Bemerkenswert ist, dass sich die Stallspeed mit und ohne Klappen um nur einen Knoten unterscheidet. Im Betrieb hat das allerdings geringe Auswirkungen. Der Landeanflug erfolgt mit vollen Klappen bei etwa 50 Knoten. Und beim Aufsetzen profitiert man wie beschrieben voll vom Federschwingen-Fahrwerk.
Power fürs Gelände: Die XCub ist auch für größere Dichtehöhen ausreichend motorisiert
Anders als so viele interessante Flugzeug-Projekte ist die XCub tatsächlich ein Produkt: Sie wird gebaut, sie ist voll zugelassen, man kann sie kaufen. Bei unserem Besuch im Werk war Nummer sechs in Bau. Die ersten zwanzig Exemplare werden mit Luxus-Interieur alle in der hier gezeigten Lackierung zum Sonderpreis von knapp 300 000 US-Dollar verkauft. Danach ist eine leichte Preiserhöhung ebenso wie eine breitere Optionen-Palette geplant. Die XCub hat das Zeug zum Klassiker: Die Pläne von CubCrafters für die Modellentwicklung reichen bis zum 100-jährigen Jubiläum des Originals – im Jahr 2038.
Text: Paul Bertorelli; Fotos: John Bliss, Chris Cram; fliegermagazin 8/2016
- CubCrafters Inc. Yakima, WA 98903 USA, www.cubcrafters.com
- 10,50 m
- 16,24 qm
- 7,26 m
- 2,54 m
- 550 kg
- 1043 kg
- 186 l
- Lycoming O-360-C1G/ 180 PS
- Hartzell Trailblazer, 2-Blatt, Constant Speed, Composite
- ca. 35 l bei 120 KTAS
- 52 m
- 52 m
- ab 297 500 US-Dollar
- Lukas Gancarz, CubCrafters Europe, Telefon: 00353 (71) 918 00 50, lukasz@cubcrafterseurope.com, cubcrafterseurope.com
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- Lycoming O-360
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- CC19
- Alu-Federschwinge
- Federschwinge
- Gummizug
- CS-23
- FAA-Zulassung
- LSA Carbon Cub
- USA 35A
- Hamsterbacken
- Hartzell Trailblazer
- Composite-Verstellpropeller
- Wipaire
- Garmin aera 796
- EI CGR-30P
- Trig
- Neuinterpretation