Pilot Report: Cirrus SR22T G6 Arrivée
Die Cirrus SR22T G6 Arrivée ist ein Sondermodell der beliebten SR-Serie von Cirrus. Überzeugt uns die edle Maschine? Wir haben sie getestet!
Es duftet nach neuem Leder; zwei Riesenbildschirme im Glascockpit laden mit knallscharfen Displays und leuchtenden Farben zum Fliegen ein; die Klimaanlage bläst angenehm kühle Luft aus den Düsen im Panel. Mehr Luxus geht in einer Kolbeneinmot wohl nicht. Mehr Geld auch nicht: Für das Sondermodell Arrivée, in dem wir sitzen, ruft Cirrus satte 1,1 Millionen US-Dollar auf!
Dafür gibt’s „Einmal mit alles“: Die Maschine ist eine SR22T, also die Top-Motorisierung mit Turbolader. Alle Kreuzchen auf der Zubehörliste sind gemacht, von Klima- und Enteisungsanlage über Infrarot-Kamera und aufwändiger LED-Beleuchtung bis zu Satellitentelefon, WLAN-Verbindung zwischen Navigations-App und Panel sowie funkgesteuerter Zentralverriegelung.
Cirrus SR22T G6 Arrivée: Mehr Luxus geht nicht
Und weil’s ein Sondermodell ist, gibt es eine besonders aufwändige Lackierung samt farblich abgestimmtem Edel-Interieur dazu – in den Varianten Speyside (grün wie die gleichnamige schottische Landschaft), Monaco (blau wie das daran angrenzende Mittelmeer) und Sonoma (rot wie der Wein aus dem kalifornischen Anbaugebiet).
Alles andere als zu verachten: Die Wartungskosten für fünf Jahre sind bei der Arrivée pauschal inkludiert. Und dann gibt es noch für jeden der fünf Plätze ein Bose-Headset und ein exklusives Essen in einem Michelin-Sterne-Restaurant – die Reifen des Flugzeugs stammen von dem französischen Hersteller, der auch Restaurants bewertet.
Die Cirrus SR22T G6 Arrivée kostet 1,1 Millionen
1,1 Millionen für eine Kolben-Einmot, die noch nicht mal ein Einziehfahrwerk hat? Ist das noch normal? Man kann sich im Gespräch mit Cirrus-Mitarbeitern des Eindrucks nicht erwehren, dass mit der Preisgestaltung der Arrivée durchaus die Grenzen des Durchsetzbaren ausgelotet werden sollten. Und auch nicht den Eindruck vermeiden, dass diese gefunden wurden. Natürlich gibt es eine Cirrus auch für viel weniger Geld – mehr dazu weiter unten. Doch erstmal gehen wir fliegen.
Die Turbo-Cirrus ist eine perfekte Reisemaschine – und das gilt umso mehr mit der Ausstattung der Arrivée. Die Rückbank aller Cirrus-Modelle der aktuellen Generation 6 ist für bis zu drei Personen ausgelegt. Einzige Bedingung: Sie müssen so klein sein, dass ihre Schultern nebeneinander an die Rückenlehne passen. Das ist zum Beispiel bei drei Teenagern kein Problem. Die schon mit der Generation 5 eingeführte Erhöhung der Abflugmasse auf 1633 Kilo bewirkt, dass man bei Teilbetankung auch tatsächlich Spielraum für fünf Insassen hat – wenn auch nur mit genauem Rechnen.
Die Cirrus SR22T G6 Arrivée lässt sich angenehm auf FL 180 fliegen
Für weite Strecken nach IFR sind Flugflächen bis 180 sinnvoll: Bis dahin kann man sich aus der eingebauten Sauerstoffanlage mit angenehm zu tragenden Nasenkanülen versorgen, darüber (maximal ist FL250 erlaubt) sind unbequeme Masken vorgeschrieben. Bei rund 62 Liter Avgas-Verbrauch pro Stunde kommt die SR22T in FL160 oder FL180 mit 180 bis 190 Knoten TAS voran. So fliegt man meist im Sonnenschein über den Wolken schnell zum Ziel, gelenkt vom hervorragenden Garmin-Autopiloten. Das hohe Maß an Systemintegration – von der Warnung bei zu ungleichem Tankstand bis zum integrierten Kohlenmonoxid-Detektor – begeistert dabei immer wieder. Die hochgerüstete Avionik ist voll darauf ausgerichtet, den Piloten zu entlasten.
Doch die Cirrus kann auch anders: Im „Tiefflug“ von Hand macht die Maschine richtig Spaß, sie lässt sich präzise und agil steuern. Nur kurz ist die Gewöhnungszeit an die Federtrimmung des Flugzeugs: Die Steuerkräfte für Höhen- und Querruder werden nicht aerodynamisch neutralisiert, sondern mit Federpatronen, die elektrisch verstellt werden. Weil diese Federn stets aktiv sind, bleiben dem Piloten die aerodynamischen Ruderkräfte verborgen: Auch im Langsamflug ist beim Steuern der Federdruck zu spüren.
Das in der SR verbaute Gesamtrettungssystem wird umfangreich erprobt
Sightseeing ist wegen der großen Fenster auch für hinten sitzende Passagiere ein Genuss. Die schätzen ohnehin, was Piloten oft übersehen: Dass es in der Cirrus-Kabine aussieht wie in der Limousine, mit der sie zum Flugplatz gefahren sind – und nicht wie in einem VW Käfer von 1967.
Für Cirrus-Neulinge hat der Hersteller ein detailliertes Einweisungsprogramm entwickelt, das allein für VFR-Piloten drei Tage vorsieht. Das mag manchem überzogen vorkommen – bis man sich vergegenwärtigt, dass die exzellente Sicherheitsstatistik von Businessjets viel damit zu tun hat, dass sie nur mit einem Type Rating und entsprechend musterspezifischem Training geflogen werden dürfen. Hinzu kommt, dass in der Unfallstatistik die Flugerfahrung auf dem Unfallmuster eine große Rolle spielt. So haben die Trainingsinitiativen von Cirrus dem Muster zu einer außergewöhnlich niedrigen Crashrate verholfen.
Arrivée: Cirrus ist in der Allgemeinen Luftfahrt angekommen
Hat man die SR-Serie im Griff, sind auch kürzere Bahnen gut machbar; Gras ist ohnehin kein Problem. Der Name Arrivée für das Sondermodell lässt sich recht direkt mit „angekommen“ übersetzen – ebenso passt das etwas altmodische Wort „arriviert“. Cirrus meint damit wohl die Kunden, die einen gewissen Status im Leben erreicht haben und nun ein Flugzeug dieser Luxus- und Preisklasse genießen können – und wollen. Cirrus vermarktet übrigens die Lebensweise, die ein eigenes Kleinflugzeug zum Beispiel mit spontanen Ausflügen zum Strand oder großer Flexibilität bei Geschäftsreisen bieten kann, sehr geschickt als „The Cirrus Life“.
„Angekommen“ ist auch Cirrus selbst. Nicht nur bei einer möglichen Preis-Obergrenze für Kolben-Einmots, sondern vor allem in der Allgemeinen Luftfahrt. Vor genau 20 Jahren wurde die erste SR20 ausgeliefert. Seitdem hat der Hersteller aus Duluth im US-Bundesstaat Minnesota beinahe 8000 Flugzeuge der SR-Familie gebaut. Seit vielen Jahren führt er die Auslieferungsstatistik an – mit großem Abstand. 2018 wurden 380 Maschinen an Kunden übergeben.
CAPS: Das Gesamtrettungssystem ist einmalig bei den SR-Modellen
Aus dem fliegerischen Alltag ist das Muster nicht mehr wegzudenken: Auch in Deutschland sind an vielen Flugplätzen Cirrus-Maschinen zu sehen. Immer mehr Vereine haben sie in der Flotte, immer öfter werden sie zum Chartern angeboten. Bei Haltergemeinschaften und einzelnen Eignern erfreuen sich die SR-Modelle mit dem in ihrer Klasse einmaligen Gesamtrettungssystem namens Cirrus Airframe Parachute System (CAPS) ohnehin größter Beliebtheit.
Der anfangs durchaus umstrittene Fallschirm fürs ganze Flugzeug hat sich inzwischen als Lebensretter in allen möglichen Situationen von der Midair Collision über den Motorausfall bis zum Orientierungsverlust in IMC bewährt. Bei der Konstruktion ihres Kunststoff-Flugzeugs hatten die Brüder Dale und Alan Klapmeier, die Cirrus gegründet haben, vor allem an Zusammenstöße in der Luft gedacht.
Dale Klapmeier hat sich aus der Firmenleitung zurückgezogen
Schon vor etlichen Jahren hatte Alan die gemeinsame Firma in den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach der Finanzkrise 2008 verlassen. 2012 übernahm dann der chinesische Staatskonzern AVIC Cirrus, beließ Dale aber an der Spitze. Vor wenigen Wochen hat sich Ende Juni nun eine Zeitenwende ereignet: Wie Anfang des Jahres angekündigt hat sich Dale Klapmeier aus der Firmenleitung zurückgezogen und eine beratende Rolle übernommen. Neuer Chief Executive Officer ist jetzt Zean Nielsen, der nicht aus der Luftfahrt kommt, sich aber bestens mit großen Markennamen und deren Entwicklung auskennt: Er war zuvor in leitender Funktion beim Unterhaltungselektronik-Hersteller Bang & Olufsen sowie beim Elektroautobauer Tesla tätig.
Mehrer Motorisierungen: Die Cirrus kommt in 3 Varianten daher
Man mag über den Preis der Flugzeuge staunen, aber Fakt ist, dass diejenigen, die sich tatsächlich eine neue Cirrus leisten, seit vielen Jahren mehrheitlich nicht nur die teuerste der drei Motorisierungen wählen, also die Turbo. Sie entscheiden sich dazu sehr oft auch für die gehobene Ausstattungsvariante GTS, die mit 900 000 US-Dollar in der Preisliste steht. Wie gesagt: Es geht auch günstiger. Der Basispreis der SR20 liegt bei 447 000 Dollar, eine SR22 ist ab 622 000 zu haben, die SR22T geht bei 722 000 los.
Noch sehr viel niedriger sind die Preise auf dem Gebrauchtmarkt. Der ist mit Flugzeugen aller Altersklassen gut gefüllt. Dabei muss man mit dem Wort „alt“ vorsichtig sein. Viele Piloten verwenden es nicht mal bei den üblichen Cessna- und Piper-Flugzeugen aus den siebziger Jahren. Die älteste Cirrus wurde dagegen vor gerade mal 20 Jahren gebaut. Da passt selbst der Begriff Youngtimer nicht so richtig.
SR-Oldie: Die achte SR20 steht in Egelsbach
Deutschlands SR-Oldie hat sich gerade in Egelsbach niedergelassen: Mit der Seriennummer 1012 war die D-EHUH im Jahr 1999 die achte SR20, die an einen Kunden ausgeliefert wurde. Die Brüder Klapmeier hatten sich damals entschieden, mit dem Zählen ihrer Flugzeuge direkt bei 1000 anzufangen.
Die D-EHUH wechselte kürzlich für einen Betrag unter 100 000 Euro den Besitzer – und sie bietet dennoch viel von dem, was eine Cirrus heute noch ausmacht. Cockpitabmessungen und äußere Erscheinung sind im Wesentlichen unverändert. Hervorstechende Merkmale wie das seitlich angebrachte Steuerhorn und das Rettungssystem finden sich auch bei der D-EHUH. Und obwohl das Panel noch etliche Rundinstrumente enthält, bietet es auch schon viel Digitales – zu einem Preis, der weniger als zehn Prozent von dem einer Arrivée ausmacht. Bei so einer riesigen Preisspanne wundert es nicht, dass die SR-Familie bei immer mehr Piloten angekommen ist.
Die Entwicklung
SR20
Die ersten Cirrus (ab 1999) haben noch ein Vakuumsystem und Rundinstrumente, aber bereits ein Multifunktionsdisplay von Arnav und den damals ganz neuen GPS-Navigator GNS 430 von Garmin. Ein Continental IO-360 liefert aus sechs Zylindern 200 PS.
SR22
Mit mehr Spannweite und einem Continental IO-550 (310 PS) bringt Cirrus 2001 die große Schwester der SR20 heraus – ohne Vakuumsystem. Das fliegt bald auch bei der SR20 raus. Beide Modelle wechseln 2002 auf ein Multi- funktionsdisplay von Avidyne. Ende des Jahres folgt ein Primary Flight Display – und damit das erste Glascockpit in einem Kolbenmotorflugzeug.
G2
2004 verwendet Cirrus erstmals den Begriff „Generation“ für die zweite Version der SR-Serie, kurz G2, was dazu führt, dass frühere Modelle nun G1 genannt werden. Für den Rumpf verwendet man neue Formen, es gibt Verbesserungen bei der Inneneinrichtung und vielen Details. 2006 wird erstmals eine SR22 mit nachträglich installiertem Turbonormalizer angeboten, die heute inoffiziell SR22TN heißt.
G3
Etwa 700 Verbesserungen führt Cirrus für die dritte Generation auf, die 2007 auf den Markt kommt. Mehr Spannweite und ein Carbon-Hauptholm sind wohl am wichtigsten. Das wird auch für die SR20 übernommen, sodass beide Modelle nun äußerlich gleich sind. 2008 ersetzt Cirrus das Entegra-Glascockpit von Avidyne mit seinen zwei Garmin-GNS430-Navigatoren durch das Perspective-Glascockpit auf Basis des Garmin G1000. Ab 2009 gibt es die SR22 und die SR22TN mit FIKI-Enteisungsanlage. 2010 folgt auf die SR22TN die SR22T, die mit einem Continental-Turbomotor ausgestattet ist, der 315 PS leistet. Ab 2012 dürfen auf der Rückbank bis zu drei Personen sitzen.
G5
G5 Die G4 entfällt – offenbar, weil die chinesische Unglückszahl 4 von den neuen Eignern in China nicht gewünscht wird. Mit der fünften Generation erhöht sich 2013 das Abfluggewicht (und im Prinzip auch die Zuladung) um 91 Kilo.
G6
2017 wird die sechste Generation präsentiert. Größte Neuerung: das Glascockpit Perspective+, das auf Garmins G1000NXi beruht und schnellere Prozessoren sowie bessere Displays hat. Zudem gibt’s eine neue Beleuchtung.
Text: Thomas Borchert, Fotos: Ed Hicks fliegermagazin 09/2019
- 11,67 m
- 13,46 m2
- 7,92m
- 2,71 m
- 1065 kg
- 1633 kg
- 348 l
- Continental TSIO-550-K / 315 PS
- Hartzell, 3-Blattm Composite, Constant Speed, 1,98 m
- ca. 62 l/h
- 462 m
- 359 m
- 1 100 000 US-Dollar
- 61 KCAS
- 188 KTAS
- 205 KIAS bis 17 500 Fuß, 176 KIAS bis 17 500 Fuß
- 88 KIAS
- 103 KIAS
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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