Pilot Report: Cirrus SR22T G6
Mit dem Modelljahr 2017 bringt Cirrus Aircraft die neue Generation G6 heraus. SR20, SR22 und SR22T haben viele Neuerungen, darunter die Avionik Perspective+.
Das fliegermagazin konnte die G6 als SR22T als erstes deutsches Magazin fliegen.
Unfassbar, wie einfach das sein kann: Ohne Zögern gibt uns der Lotse eine Rollfreigabe quer über den Platz. Nicht irgendein Platz: der größte der Welt! Atlanta im US-Bundesstaat Georgia, mehr als 100 Millionen Passagiere pro Jahr, fünf parallele Runways. Und wir mit unserer kleinen Cirrus mittendrin. „Direkt vor Euch ist Rollweg Dixie, anderswo Delta genannt“, erklärt der Controller zur Sicherheit. Atlanta ist die Heimat von Delta Air Lines: Wenn schon die Mehrheit der Flugzeuge im Funk so heißt, soll nicht auch noch ein Taxiway gleichen Namens Verwirrung stiften – und die Kurzbezeichnung für die Südstaaten passt hier perfekt.
Von Dixie starten wir die große Tour, mitten über die Ramp 1 voller Delta-Airliner bis hinüber zur Runway 9L. Und profitieren gleich von der neuen Avionik in unserer Cirrus SR22T G6. Es hilft, wenn in diesem Irrgarten das Primary Flight Display selbstsicher verkündet: „Sie befinden sich auf Rollweg T und kreuzen gleich Rollweg M“.
SurfaceWatch heißt das bei Garmin: Die neue Funktion, die auch vor der versehentlichen Landung auf einem Taxiway oder dem Start auf der falschen Bahn warnt, ist Teil des von Grund auf überholten G1000-Glascockpits, dessen Vorgänger sich in vielen Kleinflugzeugen findet. Bei Garmin heißt die Avionik nun G1000 NXi . Cirrus dagegen hatte schon von Anfang an das G1000 in einer eigenen Version mit vielen Sonderfunktionen und Anpassungen in seine Flugzeuge integriert, allen voran eine Tastatur zur Eingabe von Frequenzen, Wegpunkten und Flugplänen. Cirrus Perspective by Garmin nannte sich das. Folgerichtig trägt die Adaption des NXi nun den Namen Perspective+.
Bei Cirrus werden mit jedem Modelljahr Neuerungen präsentiert
Die Marketing-Strategie von Cirrus, seit Jahren der erfolgreichste Anbieter einmotoriger Kolbenmotorflugzeuge, ist ausgefeilt: Mit jedem Modelljahr werden Neuerungen präsentiert – mal bei der Technik, mal bei Ausstattung oder Lackierung. Kommen alle paar Jahre genügend gravierende Änderungen zusammen, führt der Hersteller eine neue „Generation“ ein. So gab es bei der G3 neue Flügel mit größeren Tanks; die G5 brachte eine MTOM-Erhöhung um 91 Kilo. Nun folgt für 2017 die Generation 6, kurz G6, mit der wir exklusiv noch vor der offiziellen Präsentation unterwegs sind. Eigentlich wollten wir von Atlanta, wo uns die Airline aus Deutschland abgeliefert hat, nach Knoxville im US-Bundesstaat Tennessee fliegen: Dort baut Cirrus ein neues Auslieferungs-, Wartungs- und Trainingszentrum auf, wo Kunden künftig Neuflugzeuge in Empfang nehmen sollen. Firmensitz und Produktionsstandort ist und bleibt Duluth, Minnesota. Doch dort, kurz vor der kanadischen Grenze, ist das Wetter zu oft so schlecht, dass es Auslieferungen und Schulung neuer Besitzer beeinträchtigt. Die Ironie: Knoxville wird von einem Schlechtwetter- und Kälteeinbruch heimgesucht. Also beschließen wir, nach Florida zu flüchten: 25 Grad verspricht die Vorhersage an unserem Mittagsstopp in St. Petersburg, 28 sind es am Übernachtungsziel Key West. Dafür, dass ein schnelles Kleinflugzeug solche Möglichkeiten bietet, hat das Cirrus-Marketing auch ein Schlagwort gefunden: The Cirrus Life – der Cirrus-Lebensstil. Das probieren wir dann doch gleich mal aus!
Mit der Generation 6 wird Perspective+ eingeführt
Perspective+ ist die große Innovation bei der Generation 6. Viele der neuen Fähigkeiten zeigen die Bilder zu diesem Artikel. Cirrus-Piloten werden vor allem die Tastatur schätzen, deren Tasten nun nicht mehr in der alphabetischen Folge ABC… angeordnet sind, sondern in der von Schreibmaschine und PC vertrauten Sortierung QWERTY… Das Bedienpanel in der Mittelkonsole weist auch sonst einige Änderungen auf, die den Arbeitsablauf optimieren. Auch wenn das Cockpit dem bisherigen Perspective sehr ähnelt, machen die höhere Prozessorleistung und die neue Grafik einen Unterschied.
Bemerkenswert ist, dass sich Cirrus bei der Avionik-Erneuerung für die von Garmin grundüberholte Version des G1000 entschieden hat, nicht für das G2000. Schließlich steckt dessen größere Variante G3000 im Vision Jet von Cirrus. Sie heißt dort Perspective Touch und wird – wie der Name sagt – mit berührungsempfindlichen Touchscreen-Controllern bedient. Eine einheitliche Avionik hätte den Aufstieg in den Jet erleichtert. Allerdings wäre der Umrüstungsaufwand samt Zulassung wegen anderer Displayformate und einer unterschiedlichen Bedienung wohl erheblich größer gewesen als beim Perspective+.
Die G6 verfügt über einen Yaw Damper
Schon beim Steigflug in die Wolken über Atlanta merken wir: 200 und 300 Fuß AGL, errechnet vom GPS und dessen Geländedatenbank, sind die Höhen, die man sich bei der Generation 6 merken muss. Bei 200 aktiviert sich automatisch der Yaw Damper des Autopiloten, der das Seitenruder steuert und die Kugel der Libelle stets in der Mitte hält – im Steigflug sehr angenehm. Und bei 300 wechseln die neuen, hellen LED-Landescheinwerfer an den Flügelenden auf einen Blink-Modus, der die Maschine für andere Flugzeuge sehr viel besser erkennbar macht.
Im Anflug auf St. Petersburg sind die Höhen wieder wichtig: Der Yaw Damper schaltet sich ab, sodass Seitenwindlandungen mit gekreuzten Rudern möglich sind, die Landescheinwerfer leuchten dauerhaft. Und es aktiviert sich, was man böse als „Angebermodus“ bezeichnen könnte: schicke Lichtleisten am Randbogen der Flügel, die bis zum Betätigen der funkferngesteuerten Zentralverriegelung für die Türen – ja, tatsächlich! – am Parkplatz eingeschaltet bleiben. Dann erlöschen auch die LED-Leuchten, die die Trittstufen am Flügel und den Boden unter den Flügelenden anstrahlen.
So viel Luxus würden wir uns gerne noch etwas näher ansehen, doch erstens ist es taghell und zweitens wird Ivy McIver, bei Cirrus für die SR-Produktlinie verantwortlich, nervös: Wir sind schließlich mit dem aviatischen Äquivalent eines Erlkönig-Autos unterwegs – und auf dem Vorfeld laufen viele Piloten herum. Also deckt Ivy die Wingtips des Prototypen schnell ab, bevor jemand Fragen stellt.
Erst später erfahren wir Details: Positionsleuchten, Antikollisions-Blitzlichter, Landescheinwerfer und der Leuchtstreifen sind alle voll in die Stromlinienform des neuen Spectra Wingtips integriert. Und sie sind in LED-Technik gebaut, sodass man sie dauerhaft eingeschaltet lassen kann.
Die SR20 bekommt einen neuen Motor
Beim Mittagessen lernen wir auch die große Neuerung bei der „kleinen“ Cirrus kennen: Die SR20 bekommt einen neuen Motor! Statt des sechszylindrigen Continental IO-360 mit 200 PS fliegt die G6 nun mit dem Lycoming IO-390, der 215 PS leistet. Das erlaubt eine Anhebung der MTOM um 45 Kilo. Zusammen mit der Gewichtsersparnis durch den Motor, der zwei Zylinder weniger hat, und einem neuen Composite-Prop ergibt sich je nach Ausstattung ein Zuladungsgewinn bis zu 68 Kilo. Bei den Motoren von SR22 (ohne Turbo) und SR22T (mit Turbo) ändert sich nichts. Alle drei Modelle teilen die gleiche Zelle, alle drei haben natürlich das Gesamtrettungssystem CAPS.
Die neue Generation bringt – wenig überraschend – eine Preiserhöhung mit sich: um etwa 20 000 US-Dollar für die Basismodelle. Doch die, so zeigt die Erfahrung, werden eher selten bestellt. Beliebt ist die Ausstattungsvariante GTS mit so ziemlich allen Extras inklusive Enteisungsanlage. Für das Spitzenmodell SR22T GTS sind 846 900 US-Dollar fällig. Bei der Rückkehr nach Atlanta können wir uns nochmal darüber freuen, wie einfach Allgemeine Luftfahrt sein kann: Wir zahlen elf US-Dollar Lande- und Parkgebühren! Die 40 Dollar Nutzungsgebühr für das GA-Terminal mit Kaffee, Getränken und frischem Popcorn im Flugvorbereitungsraum werden erlassen, wenn man mindestens 57 Liter Sprit kauft. Das wäre mal ein Vorbild für Frankfurt – die haben schließlich nur etwas mehr als halb so viele Passagiere pro Jahr.
Garmin G1000 NXI
Während andere Garmin-Panels (G2000, G3000) inzwischen Displays im Breitbildformat und ein Bedienkonzept mit Touchscreen-Controllern haben, bleibt das NXi nah an seinem Vorgänger G1000, der vielen Piloten vertraut sein dürfte: DIsplaygröße und Bedienung sind im Prinzip gleich. Vorteil für Flugzeughersteller: Der Integrationsaufwand beim Wechsel auf das NXi ist minimal. So wird Textron alle Kolbenflugzeuge von der Cessna 172 bis zur Beechcraft Baron künftig mit G1000 NXi ausliefern – einzige Ausnahme ist die Cessna TTx, in der ein G2000 zum Einsatz kommt. Piper stattet Archer und Seminole mit NXi aus; die übrigen Hersteller dürften sich in Kürze anschließen. Der Wechsel zum NXi ist verständlich: Die grundlegende Hardware des G1000 ist schon 13 Jahre alt. Beim NXi ist nun die Rechenkapazität wesentlich erhöht, die Darstellung auf den helleren und schärferen Displays erfolgt schneller und flüssiger. Moderne Schriften und Animationen machen die Bedienung deutlich angenehmer.
Text: Thomas Borchert, Fotos: Jim Koepnick, Jeff Frey, Ian Seager. Zuerst erschienen in fliegermagazin #2.2017
- 11,68 m
- 13,47 m2
- 7,62 m
- 2,70 m
- 1,24 m
- 1065 kg
- 1633 kg
- 348 l
- Continental TSIO-550-K/ 315 PS
- 62 lph
- 462 m
- 359 m
- 1203 fpm
- 631 900 US-Dollar
- CD Aircraft, Flugplatz C4, 14959 Trebbin /OT Schönhagen
- 60 KCAS
- 201 KTAS in FL 250
- 205 KIAS
- 88 KIAS
- 103 KIAS
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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