Pilot Report: Cirrus Generation 2 Vison Jet
Mit der Generation 2 hat Cirrus seinem Vision Jet mehr Speed, Reichweite und Reiseflughöhe verschafft – und die Kabine noch komfortabler gestaltet.
Sechsundachtzig! Es ist fast unglaublich. Mit seinen beiden Kolbenmotor-Modellen SR20 und SR22 ist Cirrus Aircraft seit Jahren Marktführer bei den Propeller-Singles. Dabei stellte der Hersteller aus Duluth im US-Bundesstaat Minnesota mit 86 Exemplaren auch noch den meistverkauften Businessjet für 2021 (und die Jahre zuvor) – weit vor etablierten Flugzeugbauern wie Textron Aviation, Gulfstream, Embraer oder HondaJet. Insgesamt hat Cirrus bis Ende 2021 bereits 330 Vision Jets ausgeliefert.
Wie bei den Kolbenmotorflugzeugen setzt der Hersteller auch bei seinem Jet auf eine kontinuierliche Produktentwicklung. Dieser 2019 veröffentlichte Pilot Report bezieht sich auf die Generation 2, die Anfang 2019 erschien. Schon beim EAA AirVenture 2020 kam dann die Autoland-Funktion Safe Return hinzu. Im Sommer 2021 wurde dann die Generation 2+ mit noch mehr Leistung und weiteren Features präsentiert, über die Sie hier mehr lesen und in diesem Video mehr sehen:
Schon in der G2, über die wir in diesem Artikel reden wollen, hat der Vision Jet etliche Detailverbesserungen erhalten, aber auch einige wesentliche Upgrades. Das wichtigste ist wohl die Leistungssteigerung des Turbofans in Höhen ab Flugfläche 240. Erreicht wurde sie durch Anhebung der Temperaturlimits des Williams-FJ33-Triebwerks. Der Jet kann nun bis Flugfläche 310 statt bisher 280 steigen. Dazu bekam das Muster die oberhalb FL280 erforderliche Zulassung für eine verringerte Höhenstaffelung von 1000 Fuß (Reduced Vertical Separation Minima – RVSM). Der Kabineninnendruck wurde erhöht, sodass er nun in FL310 einer Höhe von 8000 Fuß entspricht. Die Höchstgeschwindigkeit steigt von 304 auf 311 Knoten. Auch aerodynamischer Feinschliff hat daran seinen Anteil. So wich der bisher verbaute Grenzzaun am Querruder einer unauffälligen Modifikation der Endleiste; der Flügel wurde insgesamt aerodynamisch aufgeräumt.
Weltneuheit: Autothrottle beim Leichtjet
Der G2 Vision Jet bietet als erster leichter Jet optional eine Autothrottle-Funktion zur automatischen Schubregelung. Sie wird vom Avioniksystem Perspective Touch+ gesteuert, das auf Garmins G3000 beruht.
Die Kabine erhielt eine verbesserte Schallisolierung und eine optimierte Sitzpolsterung. Neben einem Entertainmentsystem, dessen Bildschirm sich bei Bedarf aus der Kabinendecke klappen lässt, ist für den Raum zwischen den beiden Sitzen der Mittelreihe, die es jetzt in einer verbreiterten Variante gibt, eine Mittelkonsole erhältlich. Die bietet nicht nur Stauraum, sondern auch zwei Klapptische – groß genug für je einen Notebook-Computer.
Die Konsole ist demontierbar, denn solange sie eingebaut ist, versperrt sie im Notfall den Weg für die Evakuierung der hintersten Sitzreihe, die deswegen leer bleiben muss.
Durchwachsenes Wetter: Genau richtig für den Demoflug
Für unseren Demoflug hat Matt Bergwall, Direktor der Vision-Jet-Produktreihe, einen Trip vom Auslieferungs- und Trainingszentrum in Knoxville, Tennessee, zum 256 Nautische Meilen südlich gelegenen Southwest Georgia Regional Airport geplant. Das Wetter ist durchwachsen – oder anders gesagt: genau richtig, um ein IFR-Reisegerät wie den Vision Jet auszuprobieren: acht Grad und eine Wolkenuntergrenze bei 800 Fuß. Zum Glück hat Matt den Vorflugcheck bereits durchgeführt. So können wir schnell übers Vorfeld durch den Regenschauer laufen und einsteigen.
Aufgrund der Verkehrslage ist heute in FL270 Schluss. So lässt uns der Controller nicht die größten Vorteile der G2 ausspielen, die sich in einer Reiseflughöhe von FL310 ergeben. Auf unserem relativ kurzen Flug zu zweit – mit Hin- und Rückweg gut 500 Nautische Meilen lang – sind sie ohnehin eher akademisch. Aber wenn es darum geht, die erforderliche Reichweite und damit den nötigen Sprit an Bord gegen Zuladung abzuwägen, kann die Anhebung der maximalen Reiseflughöhe auf 31 000 Fuß darüber entscheiden, ob ein Tankstopp nötig wird oder nicht: In der größeren Höhe reduziert sich der Spritverbrauch des Williams-Triebwerks so stark, dass der Generation 2 Vision Jet eine rund 150 Nautische Meilen größere Reichweite hat. Die Alternative: Man tankt entsprechend weniger Kraftstoff und kann stattdessen ungefähr eine Person mehr mit an Bord nehmen.
Wie von Geisterhand: im FMS-Modus fühlt sich das Autothottle-System am wohlsten
Dass das Flugzeug in Flugfläche 280 – die Maximalhöhe, in der die Vorgängerversion unterwegs war – nun etwa sieben Knoten schneller ist, sieht auf dem Papier gut aus; in der Praxis macht dieser Geschwindigkeitsvorteil selbst bei einem Flug, der die maximale Reichweite ausreizt, kaum mehr als zehn Minuten aus.
Im Anflug auf die Piste 22 von Southwest Georgia Regional lerne ich die Vorzüge des neuen Autothrottle-Systems kennen. Im manuellen Modus kann ich am Drehrad neben dem Gashebel die Speed vorwählen – der Schubhebel regelt dann wie von Geisterhand bewegt die notwendige Leistung nach. Doch seine eigentlichen Vorzüge spielt das System aus, wenn es im FMS-Modus dem im Glascockpit Perspective Touch+ hinterlegten Routing folgt. Dann erkennt es automatisch die für die jeweilige Flugphase sinnvolle Geschwindigkeit und setzt die Leistung entsprechend.
Go-Around: Durchstarten funktioniert einfach per Knopfdruck
Das probieren wir im Anflug: Unter 10 000 Fuß gilt ein Geschwindigkeitslimit von 250 Knoten – also fährt der Schubhebel entsprechend zurück! Wenig später ist die erste Stufe Klappen fällig: Das Autothrottle-System hat schon auf die dafür erlaubte Maximalgeschwindigkeit von 190 reduziert. Nachdem die Klappen voll ausgefahren sind, hält die Avionik die Speed auf 95 Knoten Anfluggeschwindigkeit. Der Vision Jet ist ein Flugzeug, das von einem Piloten allein geflogen werden darf – da ist jede Verringerung der Workload herzlich willkommen. Das Autothrottle-System leistet dazu erheblichen Beitrag.
Als wir an der Entscheidungshöhe von 531 Fuß ankommen, drücke ich den Go-Around-Knopf seitlich am Schubhebel – das Flugzeug nimmt die Nase nach oben, der Autothrottle schiebt die Leistung nach. Gear up, Flaps up – mehr bleibt mir nicht zu tun, während der Vision Jet nahezu selbstständig das Fehlanflugverfahren abarbeitet.
Der Einstrahler von Cirrus war bereits bei seiner Vorstellung der am einfachsten zu fliegende Jet – in seiner aktuellen Version ist es noch ein bisschen simpler geworden.
Text: Christof Brenner fliegermagazin 05/2019
- 11,07 m
- 18,18 m2
- 9,3 m
- 3,3 m
- 1620 kg
- 2722 kg
- 2517 kg
- 1130 Liter
- Williams International FJ33-5 / 8,2 kN
- ca. 230 l/h
- 973 m
- 948 m
- 31 000 ft
- 1275 NM
- 2,75 Mio. US-Dollar
- 67 KIAS
- 190 / 150 KIAS
- 210 KIAS
- 311 KTAS
- Cirrus
- Cirrus Vision Jet
- Cirrus Aircraft
- Autothrottle
- Vision Jet G2+
- Autoland