Pilot Report: Cessna 208B Grand Caravan
Grand Caravan! Bei diesem Schriftzug denkt man an Familienbusse mit satter Zuladung. Cessnas große Turboprop-Einmot nutzt dieses Klischee und verspricht obendrein Nutzfahrzeug-Tugenden wie Zuverlässigkeit, Wirtschaftlichkeit und Komfort
Noch nie eine Caravan gesehen? Stellen Sie sich vor, eine Cessna 172 fällt in den Zaubertrank. Heraus kommt ein riesengroßer, kastenförmiger Rumpf mit abgestrebten Flächen und ein hochbeiniges, festes Fahrwerk – die Verwandtschaft mit den kleinen Cessnas ist nicht zu leugnen. Neben dem Größenunterschied fallen der optionale kastenförmige Unterbau (er macht das Flugzeug so unverwechselbar wuchtig) und das zigfach bewährte Turboproptriebwerk PT-6A sofort ins Auge. Die Entwicklung der 208 Caravan begann in den siebziger Jahren mit einem Auftrag der US-Frachtlinie FedEx. Der Erstflug war 1982, die Paketflieger orderten gleich 250 der großen Turboprop-Einmots. Es dauerte nicht lange, und Buschpiloten oder Wasserflieger hatten das stämmige Fluggerät entdeckt. Ein Meilenstein war die Entwicklung der großen Cessna 208B Grand Caravan, die erstmals 1986 flog.
Mit dem 1,22 Meter längeren Rumpf und erhöhter Power ist sie das Flaggschiff unter den Cessna-Props. Mehr als 80 Einheiten verlassen jährlich die Werkshallen in Wichita, Kansas – macht in 20 Produktionsjahren über 1300 Caravans. Sie brummen durch 68 Länder der Erde, vor allem durch die USA und Kanada. Gerade in unzugänglichen Gebieten mit sechsmonatiger Dunkelheit ist die bullige Single als Paket-und Zeitungsfrachter beliebt; einige skandinavische Betreiber verordnen ihren Caravans über zwölf Stunden Dienst – am Tag. Neben der Militärversion U-27A gibt es vier Modelle: Caravan 675, die kurze, leichtere Basisvariante; den Super Cargo- Master als Nur-Frachter; Caravan 675 Amphibian, das größte einmotorige Wasserflugzeug auf dem Markt, und die Grand Caravan. Bis auf die Amphibian sind alle Modelle mit dem Frachtraum Cargo Pod zu bekommen.
„Ich muss leider draußen bleiben“: das robuste Bugrad, ausgelegt nicht nur für Betonpisten
Wie sieht der typische Caravan-Kunde aus? „Den gibt’s gar nicht“, behauptet Cessna-Verkaufsleiter Pana Poulios. Der 38-jährige Deutsch-Grieche ist seit vier Jahren im Flugzeuggeschäft und betreut alle Cessna-Props für Europa und Russland. „Grand Caravans gehen oft an kleine Unternehmen oder Fallschirmclubs.“ Auch die ostfriesische Airline OLT oder Promis wie der Schauspieler Harrison Ford sind dabei. Wer eine Turbinen-Single kauft, entscheidet sich bewusst gegen Kolbenmotoren oder leichte Twins. Ohne Druckkabine zu fliegen heißt Platz gewinnen und unterm Strich Geld sparen. In der teuersten Executive-Version mit Leder- und Avionik-Vollausstattung kostet der Spaß 1,85 Millionen US-Dollar. Ein schöner Batzen Geld für brave Einmotflieger, aber ein Schnäppchen im Vergleich zu druckbelüfteten Props. Cessna-Mann Poulios hat seine Pilotenlaufbahn 1988 in den USA gestartet.
Rund 300 Jahresflugstunden verbringt er vor allem in „seiner“ Grand Caravan; meist ist er irgendwo zwischen Island, Verona oder St. Petersburg unterwegs. Die ehemalige Sowjetunion ist ein lohnenswertes Pflaster: „Viele Caravans sind in Russland als Personentransporter und Lufttaxi unterwegs.“ Kein Wunder, denn dort ist Einmot-IFR gewerblich erlaubt. Ebenso wie in Frankreich, Spanien oder Skandinavien. Bei uns ist daran zur Zeit nicht zu denken. Ein Wettbewerbsnachteil? Poulios bestätigt das mit einem Kopfschütteln: „Turbinen-Einmots sind laut Statistik sicherer als Kolben-Twins, doch die werden bevorzugt.“ Ein Glück, dass die Bürokraten noch nicht das VFR-Fliegen verboten haben. Was überzeugt potenzielle Caravan-Kunden? „Die riesige Kabine“, erklärt Poulios. „Außerdem kommt der Flieger aus nahezu jedem Grasplatz raus.“ Zu jedem Untergrund gibt’s auch die richtigen Reifen, bis hin zu gewaltigen Tundra-Pneus.
Das wichtigste Verkaufsargument ist aber die einfache Bedienung der großen Single. Poulios: „Die Caravan ist wirklich unkompliziert. Ein 172er-Pilot mit 200 Flugstunden beherrscht sie in fünf Stunden. Beim Kauf gibt’s eine Woche Flight-Safety-Training für zwei Piloten und einen Techniker gratis.“ In fünf Stunden zum Caravan-Driver? Da scheine ich ja der richtige Kandidat zu sein! Bar jeder Turbinen-Einmotpraxis nehme ich den Mann beim Wort. Mal sehen, wie sich so eine Riesen-172er bedienen lässt; ich schlage einen VFR-Trip von Bremen nach Leer-Papenburg vor. Norddeutsches Schmuddelwetter mit Böen, das sind einfach ideale Testbedingungen. Ein altes Sprichwort sagt: Es gibt keine zweite Chance für einen ersten Eindruck. Die Grand Caravan kommt daher wie ein kanadischer Holzfäller: kantig, muskulös, hochgewachsen und hochbeinig. Ein ehrliches Flugzeug, wie aus dem Vollen gefräst.
Abgesehen von Rallyestreifen und etwas Chrom wird gar nicht erst versucht, aus diesem rustikalen Fluggerät eine Lifestyle-Stretchlimousine zu machen. „Her mit der Fracht“, scheint die Caravan zu rufen, „ich bin für alles offen.“ Die Verwandtschaft mit den kleinen Cessna-Schwestern fällt ins Auge. Flügelstreben und festes Fahrwerk sind allen Wochenend-Piloten ein bestens vertrauter Anblick. Ungewohnt die vielen Seitenfenster am langgestreckten Rumpf – und natürlich der kastenförmige Unterbau. Seine Ladeluken lassen sich (wirklich!) mit einem Handgriff öffnen und schließen. Das Flugzeug hat vier Eingänge: zwei für die Piloten und die vorderen Fluggäste, hinten rechts eine zweiteilige Tür mit Treppe und gegenüber eine große Frachttür. Diese Cargo door ist natürlich der Hauptzugang: aufgeklappt schließt die große, rechteckige Öffnung sehr vorteilhaft mit dem Kabinenboden ab.
Sorgt für Spurtreue in der Luft: das mächtige Seitenleitwerk der Grand Caravan
Die Flächen schlucken beeindruckende 1270 Liter Sprit. Flügelvorder- und Hinterkanten lassen sich einzeln abbauen und reparieren. Falls ein Frachtstück unsanfte Bekanntschaft damit macht, bleibt der Tankbereich weitgehend geschützt. Vorn in der ausgesprochen eleganten Nase sitzt die Turbine – eine Pratt & Whitney PT-6A-114A, der Klassiker unter den leichten Turboprop-Triebwerken. In der Caravan ist die PT-6 auf 675 PS bei 1900 Touren gedrosselt und hat eine Überholungsfrist von 3600 Stunden. Dieser Antrieb macht den kantigen Flieger sexy. Die betörende Kombination aus klassischem Flugzeugbau – Streben, Niete, Spanten – und satter, weicher Turbinenkraft verheißt Biss und Temperament. Im Motor arbeiten zwei unabhängige Teile: Eine der einstufigen, gegenläufigen Turbinen treibt den Kompressor an, die andere die Hauptwelle. Auf ihr sitzt ein verstellbarer McCauley-Dreiblattpropeller. Links hinter der Nabe gelangt die Luft durch den Einlass zum hinten liegenden Kompressor.
Eine Trennvorrichtung sorgt dafür, dass Feuchtigkeit und Eispartikel nicht in den Ansaugbereich gelangen. Eine aus dem Cockpit bedienbare Klappe zwingt den Luftstrom in eine scharfe Kurve und scheucht alle Störenfriede über eine seitliche Öffnung außenbords. „Eine Schleuse, die sogar Vögel verdaut“, schmunzelt Poulios und klopft zufrieden auf das Blech. Die „Kühlerhaube“ verbirgt keine spektakulären Geheimnisse. Alles wirkt aufgeräumt, denn die Turbine ist gekapselt: Anders als bei Kolbentriebwerken sind Zusatzaggregate, Kabel- und Schlauchsalat nicht zu sehen. Ein praktisches Detail ist die Schwenkvorrichtung der Batterie. Nach dem letzten Einsatz des Tages kann man bequem den Stecker aus dem Kraftpaket ziehen. Gleich daneben sitzt das serienmäßige Altair-Trendüberwachungssystem. Es zeichnet Triebwerksdaten auf und meldet Überschreitungen von Limits, um Schäden am Triebwerk schon beim ersten „Huster“ aufspüren zu können.
Das Seitenruder lässt sich mit einer Klemmvorrichtung arretieren. Sind Starts mit blockiertem Ruder möglich? „Piloten sind vergesslich«, räumt der Caravan-Fachmann ein. „Beim ersten Tritt ins Seitenruder wird die Sperre von innen gelöst“. Nobody is perfect, nach einem langen Arbeitstag lässt die Konzentration nach; Technik mit doppeltem Boden macht durchaus Sinn. Dieser Arbeitsplatz will erklommen werden wie der Hochsitz vom Jäger. Ich lange nach dem Griff der linken Cockpittür, öffne sie und klappe die zweiteilige Mini-Leiter aus. Oben erwartet mich ein gediegenes Ambiente mit Leder, Teppich und ordentlich Platz. Die Caravan kann neun Passagiere und einen Piloten transportieren, mit FAR-23-Genehmigung sogar 13 Fluggäste. Wegen des rechteckigen Rumpfes haben sie Ellenbogen- und Kopffreiheit wie in einem Londoner Taxi. Das Cockpit ähnelt dem einer „172“ und kann Neulinge kaum aus der Fassung bringen.
Rundinstrumente, Garmin-GPS – das klassische Programm, brav und etwas altmodisch. „Hier wird gearbeitet“, grinst Poulios, „echte Profis brauchen keine Bildschirme“. Ein kleines, aber wichtiges Sicherheitsdetail bei Turboprops ist die Vakuum-Versorgung des künstlichen Horizonts. Sie kommt per Zapfluft aus der Turbine; so kann man entspannter Einmot-IFR fliegen. Cessna hat seinem Prop-Flaggschiff große Seitenfenster und eine seitlich heruntergezogene Frontscheibe spendiert. Der ziemlich beeindruckende Panoramablick relativiert die Größe des Instrumentenpanels: So entsteht der Eindruck eines altvertrauten Umfelds. Am oberen Rand des Panels sitzen die Triebwerksinstrumente. Hier muss der 172er-Pilot umdenken, denn er sieht ein paar Uhren mehr als sonst. Weiter unten im Cockpit sind alte Bekannte versammelt, vertraute Zughebel und Schalter aus dem Cessna-Basislager.
Sexy Anblick: Bewährte Bauweise kombiniert mit kraftvollem Turbinenantrieb
Der Landeklappenhebel bewegt die Flaps über einen Haupt- oder Standby-Motor. Auf der Mittelkonsole sitzt, für Kolben- Piloten ungewohnt, das bekannte Turbo-Stellwerk:
- Schub-Notregelung (rot und drahtgesichert);
- Schubhebel (Power lever, schwarz);
- Propellerkontrolle (Condition lever, blau);
- Kraftstoffhebel (Fuel condition lever, rot).
Schub und Kraftstoff gehören zum Triebwerk, der Propellerhebel zur Propdrehzahl. Die Schub-Notregelung (Emergency Power lever) links außen sichert den Spritfluss, falls die Kraftstoffregelanlage den Geist aufgibt. Bei einer Störung geht die Drehzahl automatisch auf Leerlauf; mit dem Nothebel lässt sich dann die Spritzufuhr von Hand regeln. Wer noch nie Turboprop geflogen ist, braucht angesichts der schwarzen, blauen und roten Knöpfe nicht in Panik zu geraten. Gute Einweisungspiloten wie Pana Poulios erklären in wenigen Minuten den Zusammenhang von Hebeln und Instrumenten. Beim „Gasgeben“ schaut man nach dem Torquewert, ansonsten macht es die Farblogik der Hebel leicht. „Schwarz und Blau sind gut, die roten Hebel sollte man im Flug nur in Notsituationen anfassen“, doziert Poulios.
Ein Rundblick zeigt: Dies ist ein Einmann-Flieger. Am linken Arbeitsplatz spielt die Musik, hier sitzen die wichtigen Schalter für Batterie, Avionik und Licht, Triebwerksstart und Propellertest. Wir hören die Bremer ATIS ab. Nach „Startup approved“ gibt es eine VFR-Freigabe nach Westen. Zum Anlassen benötigt man kein Ingenieurstudium, das Triebwerk lässt sich wie große Jet-Motoren einfach und schnell starten. In der Praxis genügt ein Druck auf den Startknopf, und der Starter-Generator beginnt den mächtigen Prop anzudrehen. Als das dritte Propellerblatt vorbeikommt, schiebt Poulios den roten Fuel-Hebel in den Low-idle-Leer- laufbereich. Eine hydropneumatische Regelanlage pustet Kraftstoff über 14 Einspritzdüsen in die Brennkammer der Turbine. Ab 46 Prozent Turbinendrehzahl schaltet sich der Starter ab und erzeugt als Generator weiter Strom. Aufsteigender Düsen-Heulton bestätigt den Zündvorgang; die Turbine läuft nun aus eigener Kraft hoch, und der Pilot muss lediglich die Starttemperatur im Auge behalten.
Alles im grünen Bereich: Poulios schaltet die Avionik wieder ein, wir können los. Ein leichte Bewegung am Schubhebel, und 3,9 Tonnen Caravan setzen sich in Bewegung. Das lange Fluggerät lässt sich fast wie eine „172“ rollen. Etwas Pedaldruck, und die Bugradsteuerung spricht an. Ohne zusätzliches Bremsen ist ein 15-Grad- Winkel drin; wer in die Eisen steigt, bringt es auf 56 Grad. Das sollte für jedes noch so enge Vorfeld langen. Zum Verlangsamen reicht es, das Triebwerk kurz in die „Beta Range“ zu drosseln. Der futuristische Ausdruck bedeutet: Ein Zug am Schubhebel, und der Anstellwinkel des Propellers wandert leicht unter den Leerlaufwert. Zieht man noch weiter nach hinten, geht der Anstellwinkel unter null Grad und damit in die „richtige“ Schubumkehr, englisch: Reverse. Full Reverse entspricht etwa zwei Drittel des Vorwärtsschubs. An der Startbahn 27 gehen wir die Checkliste durch. Ein Druck auf den Knopf links am Instrumentenbrett testet den Prop-Regler.
Das Schöne: Der Vogel fliegt sich völlig unkompliziert
Wir fahren die Klappen zum Start auf 20 Grad. Take-off! Seitenwind von rechts, mit etwas Ruder bleibe ich auf der Mittellinie. Für das erwartete Drehmoment des Propellers (675 Pferde mit Drall!) brauche ich nicht besonders viel Pedal. Bei 65 Knoten ziehe ich am Knüppel. Bald liegen muntere 1200 Fuß pro Minute an, wir beschleunigen auf 85 Knoten. Die ersten Flugsekunden sagen viel über ein unbekanntes Gerät: Hohe Steuerkräfte oder instabiles Flugverhalten können einen guten Eindruck ruckzuck zunichte machen. Unsere Caravan scheint das zu ahnen, trotz der Böen liegt sie wie ein Brett. Ich kann in aller Ruhe die Klappen einfahren, das Höhenruder nachtrimmen und in 2000 Fuß Reiseflughöhe die Seitenruder-Trimmung wieder auf Neutralstellung drehen. Auch in den ersten Kurven bleibt die Grand Caravan brav und handlich wie ihre kleinen Geschwister. Von ihrer Masse ist beim Steuern kaum etwas zu spüren.
Der gutmütige Eindruck verfestigt sich im Langsamflug. Landeklappen ganz raus, Torque auf 600, den Propellerhebel voll nach vorn. Ich trimme nach, und die Caravan stabilisiert sich bei 70 Sachen in respektvollem Abstand zur Stallspeed von 61 Knoten. Nach dem Beschleunigen folgen Steilkurven. Auch hier zeigt sich: Die Masse macht’s. Leichte Einmots benehmen sich zwar ähnlich, liegen aber nicht so ruhig in der Luft. Für den Rest des Reiseflugs schiebe ich auf 1650 Foot-pounds nach, der Prop dreht mit 1750 Touren. Komfortable, wenn auch nicht allzu spektakuläre 145 Knoten liegen an. Eine Reisegeschwindigkeit allerdings, bei der man anderen Sichtfliegern ausweichen kann. Entspannt brummen wir Richtung Ostfriesland. Der Flugplatz Leer-Papenburg hat die „26“ in Betrieb. Der Wind kommt böig von rechts; vor der Schwelle, an Waldkante und Teich, lauern Windscherungen.
Ich nehme mir vor, zunächst eine ganz normale Platzrunde zu fliegen und auf die Besonderheiten der Caravan zu achten. Im Gegenanflug ziehe ich den Schubhebel auf auf 1300 Foot-pounds zurück. Der Prop summt zunächst noch mit 1750 Touren; im Queranflug schiebe ich auf 1900 RPM nach. „Im Endteil den Torque nicht unter 600 sacken lassen“, rät Poulios. Soll heißen: zu drastisch reduzierte Turbinenleistung bringt ungewollte Eins-zu-Plumps-Sinkraten, und beim Nachschieben aus dem Leerlauf vergehen wertvolle Sekunden bis zum Wiederhochlaufen des Motors. Mit 20 Grad Klappen und 85 Knoten sind wir kurz vor der Schwelle. Trotz des äußerst bockigen Winds liegt der große Vogel recht ruhig. Power raus, und er setzt sich hin. Schubhebel in den Beta-Bereich – das Flugzeug steht. Beeindruckend: Von 1200 Meter Bahn sind noch genug für einen Short Field Take-off übrig. Ab geht’s!
Die Klappen bleiben auf 20 Grad, Gase rein, bei 65 Knoten ziehen und weiter auf 85 Knoten beschleunigen. „So fix ist nur eine Turbine wieder in der Luft«, denke ich. Diese Kraftpakete lassen Kolben- Einmots wirklich alt aussehen. In der zweiten Platzrunde erwischt uns vor der Schwelle eine Bö. Der Flieger schüttelt im Wind hin und her; die Geschwindigkeit baut sich auf. Etwas zu abrupt ziehe ich die Power raus. Abwärts geht’s: die Caravan hüpft über den Asphalt, bei „Mittwoch“ ist die Landung zu Ende. Taktvolle Stille im Tower, ein ungutes Gefühl in meiner Magengegend. Was soll’s, ich habe Narrenfreiheit, meine fünf Stunden Basis-Training sind gerade erst angebrochen, und Spaß macht’s allemal. Bei Bockwurst und Kartoffelsalat briefen wir den Rückflug, während ein paar ortsansässige Piloten die große Maschine fachmännisch beäugen. Nach einem Kurzstart geht’s wieder Richtung Bremen.
Das hochstelzige Fahrwerk lässt reichlich Bodenfreiheit zum untergehängten Frachtbehälter
Querab Oldenburg steigen wir, um einen steilen Anflug zu simulieren. Nase hoch, Leerlaufdrehzahl, Klappen voll ausfahren, auf 85 Knoten stabilisieren. Dann beherzt den Knüppel nach vorn: 1800 Fuß pro Minute abwärts sind das Ergebnis. Solche Sinkraten à la Steinway-Flügel erinnern an Boeing 727-Storys. „Solange die Runway noch nicht unter der Nase verschwunden ist“, pflegten deren Piloten zu sagen, „kann man darauf landen!“ – Caravan-Piloten werden’s zu schätzen wissen. Zum Abschluss der Demo soll das Flugzeug zeigen, wie es trotz des festen Fahrwerks im IFR-Verkehrsfluss eines Flughafens mithalten kann. Die Höchstgeschwindigkeit VMO liegt bei 175 Knoten, wir fliegen knapp unter dieser Speed und ohne Klappen den ILS-Gleitpfad hinab. Kein Kunststück: nur dann und wann muss ich die Power rausziehen, um nicht den Druckluftschalter für das Overspeed-Warnhorn auszulösen.
Eine halbe Meile vor der Schwelle drosseln wir die Leistung auf Leerlauf. Klappen raus, 85 Knoten halten: Touchdown! Die weiche Landung schmeichelt, ist bei einer 45 Meter breiten Runway aber auch kein Kunststück. Pana Poulios legt Wert darauf, dass die Caravan trotz Frachterqualitäten kein reiner Truck ist. „Als Wasserflugzeug oder VIP-Flieger macht sie schließlich auch eine gute Figur„. Mein erster Eindruck hat nicht getäuscht: Hier ist eine Cessna 172 ganz tief in den Zaubertrank gefallen. Die Konstrukteure haben erfolgreich versucht, Leistung und Zuverlässigkeit einer Turbine mit den gutmütigen Seiten eines Hochdeckers zu verbinden. Formgebung ist Geschmacksache; beeindruckend ist die Caravan auf jeden Fall. Über die Flugeigenschaften kann man nur Gutes sagen.
Die Selbstbeschränkung auf herkömmliche Cockpitinstrumente entspricht nicht ganz dem Zeitgeist, vielleicht wird irgendwann – wie in Cessnas kleineren Singles – ein „verglaster“ Arbeitsplatz zu kaufen sein. Mittelfristig wird die Caravan so bleiben, wie sie heute dasteht. Besonders lobenswert ist ihre einfache Konstruktion. „Sure thing“ steht auf dem Rumpf. Eine „sichere Angelegenheit“, dieser Schriftzug scheint nicht übertrieben. Wer keine Druckkabine braucht und mit mittleren Reisegeschwindigkeiten zufrieden ist, wird mit der preisgünstigen und sehr gutmütigen Grand Caravan gut bedient oder wie Pana Poulios selbstbewusst erklärt: „Mehr Komfort, Größe und Leistung gibt’s nirgendwo zu diesem Preis … ich liebe das Turbinen-Feeling.“
Text: Rolf Stünkel; Fotos: Christian v. Wischetzki; fliegermagazin 11/2004
- Pana Poulios, Cessna Aircraft Company, Schlossgartenweg 4, 85737 Ismaning, Tel.: 089/96 11 66 60, E-Mail: pxpoulios@cessna.textron.com
- 15,9 m
- 25,96 qm
- 12,7 m
- 4,7 m
- 2103 kg
- 3969 kg
- 2041 kg
- 1000 l
- PT6A-114A/675 SHP
- 3-Blatt McCauley
- 416 m
- 738 m
- 290 m
- 547 m
- 975 ft/min
- 23 700 ft
- 907 NM
- 1 450 000 US-Dollar
- COM AIR Aircraft Sales & Service GmbH, Flughafen Siegerland – Werfthalle G1, 57299 Burbach, Tel.: 02736/4428-27, E-Mail: info@com-air.de
- USA
- Hochdecker
- Dreiblattpropeller
- Cessna 172
- Fracht
- Pratt & Whitney
- Cessna
- C172
- Echo-Klasse
- Turboprop
- Cargo Pod
- STOL
- Pilot Report
- Bremen
- gutmütig
- Rundumsicht
- Turbine
- Ostfriesland
- Kansas
- Oldenburg
- Drehmoment
- Einmann-Cockpit
- Nothebel
- Bugradsteuerung
- Wichita
- Ledersitze
- Beta-Range
- Druckkabine
- Ostfriesische Lufttransport OLT
- 208 Grand Caravan
- C208
- Cessna 208B Grand Caravan
- PT-6A
- Caravan 675
- Turbinen-Einmot
- Leer-Papenburg
- Cargo
- PT-6A-114A
- McCauley
- Altair
- Kühlerhaube
- Trendüberwachungssystem
- Mini-Leiter
- Schub-Notregelung
- Einmann-Flieger
- Starter-Generator
- Prop-Regler
- Grand Caravan