Pilot Report: Cessna 162 SkyCatcher
Ab 2009 wollte Cessna wieder einen Zweisitzer auf den Markt bringen. 2014 wurde der Verkauf eingestellt – der Pilot Report von damals ist dennoch spannend.
Es hätte so schön sein können: Mehr als 50 Jahre nachdem Cessna das Schulflugzeug überhaupt, die 150/152 auf den Markt gebracht hatte, sollte es wieder einen Zweisitzer geben. Die Cessna 162 Skycatcher kam 2009 auf den Markt, 2010 erschien der Pilot Report, den Sie hier lesen. Doch nach 192 verkauften Exemplaren kam 2014 der Verkaufsstopp – die Maschine war auch wegen eines Preises von 150.000 US-Dollar nicht konkurrenzfähig. Lesen Sie hier den Bericht aus dem Januar 2010:
Selten habe ich bei einem Vorflugcheck so genau hingesehen: Alle Ruder gängig? Überall Sicherungssplinte drin? Rettungssystem funktionsbereit? Das mag zwar etwas pingelig sein, immerhin ist Cessnas Chefpilot Kirby Ortega an diesem Tag mit dem Zweisitzer schon dreimal in der Luft gewesen. Trotzdem ist mir etwas mulmig: Die Maschine, mit der wir gleich starten werden, ist der überarbeitete, reparierte und nun serienkonforme zweite Prototyp des SkyCatchers, der im März 2009 beim Trudeltest crashte – ebenso wie zuvor schon der erste. Ich werde also gleich eine »Unfallmaschine« fliegen. Kirby weiß, dass ich weiß, dass … »Die Zelle blieb weitgehend unbeschädigt, wir mussten im Grunde nur neue Flügel anbringen«, erklärt der Cessna-Mann.
Ganz so simpel war es freilich nicht. Die Cessna 162 hat in aerodynamischer Hinsicht erhebliche Änderungen erhalten: Das Flächenprofil wurde dicker, der Querruderausschlag nach unten reduziert und der Höhenruderausschlag nach oben verringert. Außerdem erhielt der SkyCatcher eine Finne unter dem Rumpfende sowie ein bis zur Unterkante der Flosse verlängertes Seitenruder. Der Container des (optionalen) BRS-Rettungssystems ist jetzt längs eingebaut, statt senkrecht wie im ersten Prototypen. 52 Jahre sind seit dem Erstflug der letzten zweisitzigen Propeller-Cessna vergangen. Seither hat sich im Flugzeugbau einiges getan. Schauen wir uns den SkyCatcher näher an.
Cessna setzt bei der SkyCatcher auf die bewährte Bauweise
Anders als bei den populären Cessna-Hochdeckern sind die Flügel im Außenbereich nicht trapezförmig zugespitzt – die Neue hat eine Rechteckfläche. Vertraut hingegen ist die Bauweise: Metall. Nur bei komplexen Formen kommt Kunststoff zum Einsatz, etwa bei der Cowling, den Randbögen, Abdeckungen an den Flügelwurzeln, bei verschiedenen Übergängen wie vom Rumpf zu den Leitwerksflossen oder an den Befestigungspunkten der Fahrwerks- und Flügelstreben. Letztere greifen am Rumpf dort an, wo das Hauptfahrwerk seine Last einleitet, also hinter dem Schwerpunkt. Und das heißt: hinter den Sitzen. So war es möglich, die nach oben öffnenden Türen vor den Streben zu platzieren. Einfacher kann man nicht einsteigen, was auch für große Insassen gilt.
Beim Rollen dürfen die Türen offen bleiben – eine willkommene Option an heißen Tagen. Im Flug müssen sie jedoch geschlossen sein. Was beim Einsteigen ebenfalls positiv auffällt, ist die Steuerung: Sie lässt die Beinfreiheit vollkommen uneingeschränkt. Cessna hat sich für eine Konstruktion entschieden, die man als »Knüppelhorn« bezeichnen könnte. Knüppel, weil der Pilot einen senkrechten Griff in der Hand hält, der sich zur Seite hin um eine tiefer liegende Achse dreht; Horn, weil man den Griff nach vorn und hinten nicht auf einer Kreisbahn bewegt, sondern linear. Oben im Griff ist der Wippschalter für die elektrische Trimmung montiert.
Piloten gewöhnen sich innerhalb von 5 Sekunden an das neue Steuersystem
Mein erster Eindruck von der Steuerung: Entweder ich betätige das Querruder oder das Höhenruder – aber beides zugleich? Noch ehe wir losfliegen, frage ich Kirby, wie lange es denn im Schnitt dauere, bis sich Piloten an dieses neue Steuersystem gewöhnt hätten. »Weniger als fünf Sekunden«, lautet seine Antwort. Na, da bin ich gespannt. Die Sitze hatte Cessna ursprünglich aus CfK gefertigt, in der Serie ist man bei Aluminium gelandet. Grund: Die Herstellungskosten sind niedriger, die Haltbarkeit ist höher, und die Metall-Variante konnte so materialsparend konstruiert werden, dass sie ein knappes Kilo weniger wiegt. Wie bei den meisten Light Sport Aircraft (LSA) sind die Sitze nicht verstellbar, dafür lassen sich die Pedale an die Pilotengröße anpassen. Mit einem leicht zu bedienenden Drehknopf, jeweils im Fußraum vor den Sitzen, bewegt man sie vor oder zurück.
Mit 112 Zentimetern ist die Kabine sehr breit – in einer C-206 Stationair haben die Insassen seitlich vier Zentimeter weniger Platz. Auch bei der Avionik wird Cessna modernen Ansprüchen gerecht: Im Panel fällt der Blick auf die Bildschirme des G300. Dieses Glascockpit hat Garmin speziell für die C-162 entwickelt. Es handelt sich um eine geschrumpfte Version des G1000. SkyCatcher-Standard ist ein Primary Flight Display (PFD), optional wird ein Multi-Function Display (MFD) angeboten. Das System bietet neben den üblichen Flug- und Motordaten Roll-Diagramme aller Flugplätze, wie sie auch im AOPA Airport Directory zu finden sind, nur hier mit einer Moving Map und der so genannten SafeTaxi-Funktion: verwirrende Taxiway-Kreuzungen und unfallträchtige »Hot Spots« sind rot unterlegt – ein Feature, das die Orientierung auf dem Flugfeld sehr erleichtert. SafeTaxi ist allerdings nur für US-Plätze erhältlich. Zu den weiteren Funktionen des G300 gehören Terrain, Weight-and-Balance-Berechnung sowie – ebenfalls nur in den USA – Empfang und Darstellung von Wetterdaten.
Cessna setzt in der SkyCatcher nicht auf einen Rotax
100 PS – wie groß hier die Unterschiede sein können! Beim Rotax 912 S, der diese Leistungsklasse in Europa dominiert, heißt das 5800 Umdrehungen pro Minute – beim O-200D von Teledyne-Continental Motors (TCM), der vor uns im SkyCatcher brummt, sind dazu nur 2800 Umdrehungen erforderlich. Dafür hat der amerikanische Direktantriebler mit 3292 Kubikzentimetern aber auch mehr als doppelt soviel Hubraum wie der österreichisch-kanadische Getriebemotor. Und er hat Tradition: Der TCM O-200D ist eine abgespeckte Version des selben Triebwerks, das schon in der 150/152 seinen Dienst tat. Cessna begründet seine Triebwerkswahl mit »Marktrelevanz« und dem Umstand, dass es für den Continental weltweit Wartungsstandorte gäbe. Ferner sei die TBO um 500 Stunden höher als beim Rotax: 2000 statt 1500.
Die Klappen lassen wir in Neutralstellung – Vollgas. Am Boden klettert der Tourenzähler auf 2750 Umdrehungen. Im Startlauf benimmt sich der SkyCatcher nach gewohnter Manier – wie eine brave Cessna eben. Nase hoch bei 50 Knoten, Steigflug mit 70 bis 75 Knoten, in Reiseflughöhe ausleveln. Gas etwas zurück und austrimmen. Doch wo ist der Horizont? Nach vorn sehe ich nur Panel. Gut, mit 1,59 Meter gehöre ich nicht gerade zu den Großen. Doch selbst in einer Cessna 172 kann ich besser übers Instrumentenbrett blicken. Seitlich wird die Schrägsicht nach unten jedoch nicht mal durch Streben gestört – sie sind angenehm weit hinten.
Intercom ist im SkyCatcher nur optional erhältlich
Obwohl ich die Drehzahl auf Reiseflugleistung reduziert habe, klingeln mir die Ohren: Der Conti macht Krach wie ein Silvesterfeuerwerk. Die Geräuschdämpfung der Zelle mag bei der C-162 auch nicht schlechter sein als bei anderen LSA, aber in der 100-PS-Klasse ist heute nun mal ein Rotax mit langsam drehendem großen Propeller und super leisem Auspuff (wie in einem UL) das Maß der Dinge. Wer im SkyCatcher das Headset abnimmt, muss brüllen – was notwendig sein kann, wenn kein Intercom zur Verfügung steht. Das gibt’s bei dieser Cessna nämlich nur als Option.
»Fünf Sekunden« hatte Kirby als Eingewöhnungszeit versprochen, was die ungewöhnliche Steuerung betrifft. Ich brauche länger, um mit dem »Knüppelhorn« zurechtzukommen: Koordinierte Kurven gelingen nicht auf Anhieb; auch nach einiger Zeit wandert die »Kugel« im Garmin G300 noch aus. Mehr interessiert mich, wie es mit einer klassischen Cessna-Tugend aussieht: dem gutmütigen Verhalten beim Stall. Die Klappen lasse ich in Reiseflugstellung – das Regelwerk für Light Sport Aircraft legt Wert darauf, dass ein Muster ohne auftriebsunterstützende Hilftsmittel bei 45 Knoten noch fliegt. Power off und Höhe halten – in die Geschwindigkeitsskala kommt Bewegung … Bei 45 Knoten schüttelt sich die Maschine ein bisschen, dann nimmt sie brav die Nase runter und holt Fahrt auf – das war’s. Mit ausgefahrenen Klappen sind laut Handbuch 40 Knoten drin.
Mit dem SkyCatcher möchte Cessna Kunden an die Marke binden
Was ist für Cessna mit dem SkyCatcher drin? Geld bringt das LSA vorerst wohl kaum, den Break-even-Point möchte das Unternehmen nicht nennen. Offizielle Position: Man wolle auf dem Einsteigermarkt präsent sein und Markenloyalität ermöglichen, sprich: Kunden an die Marke binden. Wie sehr dies die Marktanteile der Konkurrenz beeinflussen wird, ist schwer abzuschätzen. Flight Design (CTLS) hat derzeit 17,5 Prozent, gefolgt von American Legend Aircraft (Legend Cub) mit 8,9 Prozent und Tecnam (Sierra) mit 6,9 Prozent. 39 Prozent der bis Anfang November eingegangenen 1044 SkyCatcher-Bestellungen kommen aus dem Ausland, die Hälfte davon aus Europa, und das heißt aus England, Italien, Frankreich, laut Cessna auch ein paar aus Deutschland – obwohl hierzulande noch keine Zulassung für dieses Muster existiert.
Theoretisch könnte man den SkyCatcher über ein Permit to fly (siehe fliegermagazin 11/09) in den Verkehr bringen. Doch an dieser Art der Zulassung wird beim deutschen Cessna-Händler Air Alliance nicht gearbeitet, und als European Light Aircraft (ELA) dürfte die »162« frühestens in zwei, drei Jahren fliegen, wenn die ELA-Regeln Wirklichkeit geworden sind. Wenig aussichtsreich erscheint der Versuch, den SkyCatcher in Deutschland mit N-Registrierung betreiben zu wollen; noch kein LSA-Anbieter oder -Pilot hat das vorgemacht.
112 250 Dollar kostet die neue kleine Cessna in den USA. Darin enthalten ist das Glascockpit G300 mit Primary Flight Display, ferner Funkgerät und Mode-C-Transponder von Garmin, elektrische Trimmung und LED-Leuchten für VFR-Nachtflug. Optional gibt es einen zweiten Bildschirm (MFD), Rettungssystem, Alu-Propeller, Autopilot, Motorvorwärmung, EGT-Anzeige, Anschluss für Außenbordstrom, Feuerlöscher, Primer, Öl-Schnellablassventil, Radverkleidungen, Sonnenblenden, Flüssigkeitskompass, Intercom sowie einen Zierstreifen (die Extra-Farbfolie wiegt 136 Gramm). Macht alles in allem 35 Kilogramm. Erlaubt sind aber höchstens 27 Kilo für zusätzliche Ausstattung. Mehr als die Hälfte davon ist schon weg, wenn man das Rettungssystem einbauen lässt – es wiegt 15,8 Kilo. Ob Rose Pelton ans Ausstattungslimit geht, bleibt abzuwarten. Die Ehefrau von Cessna-CEO Jack Pelton erhält den ersten Serien-SkyCatcher. Vielleicht ist sie ja größer als ich.
Text: Claudia Stock; Fotos: Cessna, Claudia Stock; fliegermagazin 01/2010
- 9,1 m
- 11,15 m2
- 6,7 m
- 2,2 m
- 1,12 m
- ab 377 kg
- 599 kg
- 222 kg
- 90 l
- TCM Continental O-200D/100 PS
- McCauley, 2-Blatt, fest, Metall, 1,70 m (Standard: Composite)
- 195 m
- 381 m
- 198 m
- 317 m
- 890 ft/min
- 14 570 ft
- 470 NM
- ab 112 250 US-Dollar
- 44 kts
- 40 kts
- 118 kts
- 148 kts
- Echo-Klasse
- Cessna
- Cessna Skycatcher
- Cessna 152
- Cessna 162
- Rotax
- TCM