Pilot Report: Aquila A212GX Turbo
Als Trainer hat sich die Aquila A210/A211/A212-Reihe aus deutscher Produktion seit 2001 einen soliden Ruf erflogen. Nun soll Ende des Jahres 2018 die Version mit Turbo-Rotax zertifiziert sein
Ganz schön lange her: Auf der AERO 2014 hatte der Schönhagener Flugzeughersteller Aquila erstmals eine Turboversion seines Kunststoff-Zweisitzers angekündigt. Erst jetzt ist es soweit: Die A212 steht vor uns, unter der Cowling steckt ein Rotax 914 mit Turbolader und 115 PS Maximalleistung. Eigentlich ist das Flugzeug fertig, die Flugerprobung abgeschlossen. Bis Ende 2018 soll die Zertifizierung durch sein. Doch bevor wir fliegen, setzen wir uns erstmal mit Aquila-Geschäftsführer Aydoğan Koç zusammen. Seit Anfang des Jahres ist der passionierte Privatpilot bei Aquila an Bord – nachdem er zuvor fast 20 Jahre bei Airbus im Militärluft- und Raumfahrtbereich tätig war. Jetzt hat er große Pläne für Aquila. Die kann das Unternehmen brauchen: Es hat unruhige Jahre hinter sich. Nach der zweiten Insolvenz 2015, die letztlich auch der Grund für die Verzögerungen bei der Turbo war, stieg Anfang 2016 der türkische Unternehmer Celal Gökçen als Investor ein. Solider geht es kaum: Familie Gökçen ist seit 150 Jahren in der industriellen Produktion tätig. Celal Gökçens Unternehmen BPlas ist der größte Autozulieferer des Landes; er ist auf Kunststoff-Spritzguss spezialisiert und versorgt Autohersteller in aller Welt mit Bauteilen.
So gibt es nun neuen Schwung. Insgesamt 230 Exemplare der Modellreihe A210, zu der die aktuelle Version A211 mit Rotax 912 ebenso gehört wie die neue Turbovariante A212, hat Aquila seit Beginn der Serienfertigung im Jahr 2002 verkauft. Nun soll ein internationales Verkaufsnetzwerk aufgebaut werden.
Viersitzer von Aquila zur AERO 2019
Zur Messe in Friedrichshafen im April kommenden Jahres sind gleich zwei neue Muster geplant: Zum einen wird Aquila ein schnelles Kunststoff-UL in Carbon-Bauweise und Tandemsitzer-Anordnung entwickeln, das sehr an Modelle anderer Hersteller wie Prime oder Tarragon erinnert. Die Zulassung als Ultraleichtflugzeug mit einer MTOM von 600 Kilo soll bis Ende 2019 erfolgen, verspricht Koç. Am anderen Ende des Spektrums steht die A414: ein Viersitzer von Aquila! In Friedrichshafen soll ein Mock-up ausgestellt werden; der Erstflug ist für Ende 2019 geplant; die Zulassung kann 2020 erfolgen.
Die Details, die Koç präsentiert, sind packend: Als Antrieb dient der Rotax 915iS mit Einspritzung und Turbolader, der gut 140 PS leistet. Auf jedem Fall soll das Flugzeug eine IFR-Zulassung erhalten, um als Instrumentenflugtrainer dienen zu können: »Da sehen wir ganz klar eine Marktlücke, die wir bedienen möchten«, erklärt Koç. Mindestens 1050 Kilo MTOM werden angestrebt, bei einer Zuladung von 400 Kilo.
Und der Preis? Unter 350 000 Euro netto sind das Ziel. Das zu erreichen wird auch dadurch möglich, dass 50 Prozent der Teile mit der A211/A212 identisch sein sollen. Ein moderner Kunststoff-Viersitzer, der relativ preisgünstig ist, einen besonders sparsamen sowie ebenfalls modernen Motor hat und als IFR-Trainer taugt – das klingt durchaus verlockend.
Für die Produktion soll in Schönhagen eine weitere Halle mit 5000 Quadratmetern Fläche entstehen. Ohnehin legt man bei Aquila Wert darauf, dass die gesamte Produktion in Deutschland stattfindet. Beim Gang durch die Werkshallen sind von großen Formen für den Kunststoffbau der Rümpfe und Tragflächen bis zur Avionik-Integration alle Stadien der Fertigung zu sehen. 90 Prozent des Flugzeugs entstehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff, zusätzlich wird gezielt an geeigneten Stellen Kohlefaser eingesetzt. Etwa zwei Maschinen pro Monat verlassen derzeit das Werk; im Jahr 2018 werden 20 Flugzeuge ausgeliefert.
Aber von den Plänen zurück in die Realität: Mit Vertriebschef Marco Intelisano wollen wir die A212 fliegen. Warum hat Aquila sich auf den 914-Turbo konzentriert anstatt den neuen Einspritzer 912iS zu integrieren? »Er hat nicht mehr Leistung als die Vergaservariante, bringt auch sonst keine Vorteile, ist aber schwerer«, erklärt Intelisano. Beim Turbo ist das anders. 80 Prozent der Aquila-Kunden sind Vereine und Schulen. Wenn die im Alpenraum angesiedelt sind, wünschen sie sich, so Intelisano, die höhere und vor allem auch bei Hitze bleibende Steig- und Reiseflugleistung eines Turbos. Und: Mit der besonders in größeren Flughöhen gesteigerten Power wird das Flugzeug schneller – und damit für Vereinspiloten und Charterer als Tourer besonders interessant. Das wollen wir ausprobieren.
Die Aquila kann was ab
Wann immer man sich eine Aquila näher ansieht, fällt sofort auf, wie robust sie wirkt. Das Leitwerk ist sehr massiv gebaut, das gilt aber auch für kleinere Bauteile wie etwa die Gepäckraumtür auf der linken Rumpfseite. Dass gerade Vereine und Schulen mit so einem Flugzeug gut klar kommen, leuchtet ein. Beim Klettern Richtung Cockpit über die Trittstufe hinter der Fläche bleibt der solide Eindruck. Der Einstieg gelingt mit der weit nach vorn öffnenden Haube leicht. Deren größter Vorteil ist ebenso ihr Nachteil: Die Sicht ist ohne Streben, die im Blick stehen, gigantisch – die Sonneneinstrahlung aber auch. Allerdings funktioniert die Belüftung der Maschine ausgezeichnet, die lackierte »Decke« in der Haube ist gut dimensioniert.
Im Vergleich zur klassischen Schulmaschine Cessna 150 ist das Cockpit der Aquila riesig: Hier haben zwei Erwachsene viel Platz. In der Turboversion A212 gibt es keine Uhren: Alle Instrumente sind als digitale Displays ausgeführt. Was die Motorüberwachung angeht, kann man auch eine analoge Version wählen, doch die Kombination von Primary Flight Display (PFD) und Multifunktionsdisplay (MFD) im Garmin G500 TXi ist auch in der Basisversion enthalten.
Aquila ist übrigens der erste Hersteller, der die neue Touchscreen-Avionik der TXi-Serie von Garmin ab Werk verbaut. Ein Autopilot wird als Zubehör erhältlich sein. Vernünftig ausgerüstet landet man mit der A212 bei einem Nettopreis von etwa 240 000 Euro.
Die Maschine ist sowohl mit einer Zulassung nur für VFR-Flüge bei Tag erhältlich als auch in einer VFR-Tag- und -Nacht-Variante. Einige Schulen in Österreich dürfen mit der A211 IFR-Schulung in VMC machen. Und es gibt sogar Überlegungen, mit der EASA eine eingeschränkte IFR-Zulassung zu entwickeln.
Vollgas: 115 PS gibt der Rotax 914 her – aber nur für fünf Minuten. Danach muss auf 100 PS reduziert werden. Auf der Bahn legt die A212 zügig los.
Wir steigen auf 9000 Fuß – luftraumbedingt in Stufen, weshalb eine Zeitmessung sinnlos ist. Wer in dieser Höhe nach VFR reisen kann und will, hat die Wahl: Mit sparsamen 20 Litern pro Stunde kommt die Turbo-Aquila auf 130 Knoten wahre Geschwindigkeit – alles andere als langsam. Legt man fünf Liter mehr drauf, kommt sie auf 140! Das ist für einen Rotax-Zweisitzer sehr überzeugend. Mit 119 Knoten Indicated Airspeed ist dabei das Polster zum Ende des grünen Fahrtmesserbereichs bei 130 Knoten, also der Vno, immer noch mehr als ausreichend.
Wie schon bei der A211 lässt sich über die Flugeigenschaften der großen Schwester nur Gutes sagen: Die Steuerung per Knüppel ist angenehm direkt, aber nicht zappelig. Im Langsamflug benimmt sich die A212 sehr ordentlich und kündigt den Strömungsabriss durch deutliches Schütteln an. Die Stallspeed ist mit 43 Knoten in Landekonfiguration angenehm niedrig. Keine Frage: Von diesem Flugzeug kann man Fliegen lernen.
Mit der turbogeladenen A212 ist Aquila eine interessante Motorisierungsvariante gelungen, die für viele Vereine und Schulen interessant sein wird – und ebenso für Charterkunden. Dass dabei konsequent zur zeitgemäßen Herstellungsweise aus Kunststoff auch eine moderne Avionik angeboten wird, dürfte die Attraktivität der Maschine eher erhöhen. Wie sich die Pläne für einen marktreifen Viersitzer entwickeln, der in zwei Jahren fertig sein soll, werden wir mit Interesse beobachten.
- 10,30 m
- 10,50 qm
- 7,40 m
- 2,40 m
- 530 kg
- 800 kg
- 2
- 120 l
- Rotax 914 F3/ 115 PS
- MT-Propeller MTV-21-A, 2-Blatt, Constant Speed, hydraulisch, 1,75 m
- 20 l/h
- 290 m
- 230 m
- ab 214 140 Euro netto
- Tel. +49(33731)7070
- 57 KIAS
- 43 KIAS
- 130 KTAS
- 165 KIAS
- 55 KIAS
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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