P-38 Lockheed Lightning der Flying Bulls
Luftsiege? Wen interessiert das schon! Diese P-38 glänzt bereits durch ihre Erscheinung. Es ist die einzige in Europa, eine von sechs fliegenden überhaupt – und die schönste der Welt!
Im Flugzeug. Ja sauber! Ein Kraksler halt, ein Österreicher, bei dem sind die Füße mit den Bergstiefeln verwachsen wie bei Niki Lauda der Kopf mit der Schirmmütze. „Das Bugrad läuft hinterher“, sagt Sigi Angerer, „in engen Kurven kippt es nach innen – dann bekommt man es kaum noch neutral. Da musst du kräftig in die Pedale steigen, mit normalen Schuhen geht das nicht.“ Alles klar. „Aber ich hab auch Spatzenwadeln“, ergänzt der Flying-Bulls-Chefpilot grinsend.
Die spektakuläre Form, die Seltenheit,die Geschichte– sie ist unsere wertvollste Maschine
Daniel Angerer, Pilot bei Red Bull Und Tyrolean Jetservices
In der Luft scheint das keine Rolle zu spielen. Mit 260 Knoten kommt die Lightning von Norden rein, wummert im Tiefflug über die Salzburger Piste – wie leise! –, zieht südlich der Schwelle 34 hoch und wirft noch mal ein Glitzern herüber. Dann ist sie vom Vorfeld aus nicht mehr zu sehen, aber im Kopf läuft ein Film weiter, der 1944 seinen Anfang nimmt.
Im vorletzten Kriegsjahr für die United States Army Air Forces gebaut, flog die Werknummer AF44-53254 nie einen militärischen Einsatz. Gegner hatte sie dennoch: Nach dem Krieg modifizierte der Texaner J. D. Reed die zivil registrierte N25Y zum Racer und gab ihr den Namen Sky Ranger. 1947 tauchte das Flugzeug mit der Renn-Nummer 14 in Cleveland beim Thompson Trophy Race auf, im gleichen Jahr flog Charles „Firewall“ Walling mit ihr bei den All-American Air Maneuvers in Miami auf Platz zwei – übrigens direkt vor Galloping Ghost, deren grauenhafter Absturz jüngst in Reno immer noch Schatten wirft.
Lefty brachte die White Lightning nach Reno zum Luftrennen
Nach mehreren Eigentümerwechseln erwarb 1964 Marvin „Lefty“ Gardner die Maschine – und jetzt wurde sie berühmt: Der ehemalige Bomberpilot lackierte sie in den Farben der Confederate Air Force, weiß mit roten und blauen Verzierungen, nannte sie White Lightnin’ und trat damit bei den National Championship Air Races an. Allerdings ohne durchschlagenden Erfolg.
Das war aber schon anderen Piloten so ergangen, die versucht hatten, mit einer P-38 einmotorige Propellerjäger abzuhängen: Bei der Bendix Trophy 1946, einem der ersten Rennen nach dem Krieg, bestand über die Hälfte des Starterfelds aus Lightnings – und keine hatte eine Chance auf den Sieg. Das Thompson Trophy Race im gleichen Jahr beendete Tony LeVier zwar auf Platz zwei, doch dieses Ergebnis wird vor allem der immensen Typenerfahrung des Piloten zugeschrieben. Für einen geschlossenen Kurs um Pylone war die große Twin einfach zu behäbig.
Lefty Gardners Air-Race-Auftritte mitWhite Lightnin’ begeisterten das Publikum dennoch. Der langjährige Agrarpilot nahm die Pylone extrem eng und brannte so tief über den Wüstenkurs, dass er mal einen Weidezaun mitgenommen haben soll. Bei Airshows zirkelte er „Two Five Yankee“ sogar durch Kunstflugfiguren, was nicht nur eine Augenweide, sondern auch ein Ohrenschmaus war: Die P-38 gilt als „one of the sweetest sounding airplanes in the sky“, wie Don Berliner in seinem Buch „Unlimited Air Racers“ bemerkt.
Nach dem Unfall der P-38 wurde der Wiederaufbau angestrebt
Ihren letzten Auftritt in Reno hatte White Lightnin’ 1996. Fünf Jahre später wollte Leftys Sohn Ladd den Racer mit der Nummer 13 am Bug von einer Airshow in Tullahoma, Tennessee, zur Homebase nach Texas fliegen. Doch daraus wurde nichts. Ladd war am 25. Juni 2001 schon im Sinkflug auf Greenwood, Mississippi, wo er tanken wollte, als sich das Cockpit plötzlich mit Rauch füllte. Der Pilot warf die Haube ab und sah, dass der linke Motor brannte. Hinter der Cowling züngelten die Flammen bereits bis zum linken Reservetank. Nichts wie runter! Mit eingezogenem Fahrwerk setze Ladd die Zweimot in ein Baumwollfeld. Er blieb unverletzt, aber die P-38 war schwer beschädigt. „Es ist nur ein Flugzeug“, tröstete ihn sein Vater, nachdem er am Unfallort eingetroffen war, „wir bauen es wieder zusammen, das ist nichts Neues für mich.“
Drei Jahre lang versuchten die Gardners, Spenden für die Reparatur aufzutreiben. Doch es kam nicht genügend Geld zusammen. Irgendwann sah Ladd ein, dass es wichtiger war, den Lebensabend seiner Eltern durch den Verkauf von „Two Five Yankee“ zu versüßen, als sich an etwas zu klammern, das „nur ein Flugzeug“ war. Fast vier Jahrzehnte lang hatte sein Vater die Besucher von Luftfahrtveranstaltungen mit White Lightnin’ gegeistert. Nur vier Jahre verbrachte er am Ende seines Lebens ohne die berühmte „Adoptivtochter“ – Lefty Gardner starb an Heiligabend 2008.
Red Bull verleiht Flügel – auch der P-38
Da war die berühmte P-38 bereits wieder auferstanden. Flügel verliehen hatte ihr Red Bull. Die Flying-Bulls-Flotte mit einer P-51 aufzustocken war seinerzeit auch überlegt worden. Aber was ist ein Jaguar, wenn man einen Aston Martin haben kann! Beim Einfädeln des Deals kamen Sigi Angerer langjährige US-Kontakte zugute.
Im Januar 2005 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet – es sollten noch mehr als vier Jahren vergehen, bis „Two Five Yankee“ in Salzburg landete. Erstmal brauchte sie eine Werft. Leitwerksträger, Motoren und Ersatzteile waren in Austin, Texas, eingelagert, der Rest am Stinson Airfield in San Antonio. Ein Sondertransport brachte alles nach Breckenridge, ebenfalls Texas.
Dort kümmerte sich der angesehene Restaurierungsbetrieb Ezell Aviation um die P-38. Zu den Spezialgebieten der Firma gehören heikle Metallarbeiten, und die standen nach dem Brand und der Bauchlandung reichlich an. Bei Kermit Weeks in Florida wurden zwei Triebwerke gekauft, Allison-Spezialist Bud Wheeler in Pennsylvania brachte sie in Neuzustand. Zu den Modifikationen gehörten unter anderem Vergaservorwärmungen, auf die Gardner verzichtet hatte, ohne die der Betrieb in Europa aber nicht denkbar war. Vier Jahre lang nahmen sich Nelson Ezell und seine Leute in ihrer Warbird-Klinik des Patienten „Two Five Yankee“ an, ehe er entlassen werden konnte.
Überführung der P-38 Lightning im Frachter
Am 2. Juni 2008 kam die glänzend restaurierte P-83 zum ersten Mal wieder in die Luft. Doch technische Probleme gab es seit dem immer wieder. Noch in den USA verbrachte Sigi Angerer in Tucson mal einen halben Tag damit, ausgelaufenes Kühlwasser nachzufüllen. Beim nächsten Flug brach eine Ölrückführleitung, ein andermal bereitete der Propellerregler Probleme.
Die Überführung auf dem Luftweg nach Europa wurde schließlich verworfen – zu viele Unwägbarkeiten, zu wenig Sicherheit. Der 1300 Kilometer weite Flug von Texas zur Schiffsverladung nach Pensacola in Florida war die Generalprobe vor dem Auftritt in der neuen Heimat.
Im Laderaum des Frachters Flintereems festgezurrt kam die unzerlegte Maschine Anfang März 2009 in Hamburg an. Entladung in Finkenwerder, Start vom Airbus-Gelände, und ab Richtung Österreich. Doch in Oberpfaffenhofen musste Sigi Angerer runter – zu schlechtes Wetter. Zwei Tage später, am 9. März, war die lange Reise mit der Landung in Salzburg schließlich zu Ende – „glücklich“, wie Angerer sagt, „denn bei dem Schneesturm war das Pilotieren des Oldtimers kein Genuss.“
Die P-38 ist eine Herausforderung für Piloten
Selbst unter guten Bedingungen fordert die P-38 den Piloten. Sie hat zwar einen Autopiloten, aber keine Enteisungsanlage – da ist genau zu prüfen, welche IFR-Flüge möglich sind. Beim Start gibt es nach dem Abheben eine kritische Phase, bis die Minimum Control Speed für den einmotorigen Betrieb anliegt: 116 Knoten sind relativ viel. Fällt darunter ein Motor aus und ist das Fahrwerk noch draußen, reicht die Leistung des anderen Motors nicht aus, um so schnell zu werden, dass sich die Lightning geradeaus fliegen lässt.
So gut die Cockpitsicht nach vorn und hinten ist, so eingeschränkt ist sie zur Seite. „Man sieht die Wingtips nicht“, erzählt Sigi Angerer, „da sind die Motorgondeln im Weg. Schlechtwetterflüge durch ein Tal würde ich nicht machen; man sieht nichts, wenn man eine steile Kurve fliegt.“ Sein Sohn Daniel, der die P-38 ebenfalls pilotiert, ergänzt: „Eine enge Formation funktioniert nicht, der Fensterrahmen ist genau auf Augenhöhe.“
Gewöhnungsbedürftig finden beide die Rückmeldung von Quer- und Höhenruder: Es gibt keine. Das Querruder ist hydraulisch unterstützt, „es fühlt sich an“, sagt der Flying-Bulls-Chefpilot, „als ob man bei einer Fernsteuerung im Sender die Rückstellfedern ausgehängt hat, das Steuer bleibt einfach dort stehen, wo man es hinbewegt. Die älteren P-38 haben keine Hydraulik fürs Querruder, das wäre mir lieber.“
Anfangs war auch die Kontrolle der Kühlmittel- und Öltemperatur schwierig. Von Hand musste der Pilot mehrere Kühlklappen bedienen, damit im Steig-, Horizontal- und Sinkflug die Grenzwerte im grünen Bereich blieben. Sigi Angerer: „Bei einem Manöverwechsel hatte man ungefähr 15 oder 18 Handgriffe zu tun.“
Ein Grad zuviel Kühlwassertemperatur und der Motor ist hinüber
Auch später, als die Flying Bulls eine automatische Regelung nachgerüstet hatten, war das Temperaturthema nicht gleich vom Tisch. Bei einem von Daniels Flügen hat die Automatik mal versagt, und die Kühlwassertemperatur ist auf 150 Grad gestiegen – ein Fall für Allison Competition Engines, Bud Wheelers Firma. „124 Grad sind das Limit“, so Daniel, „bei 125 ist der Motor kaputt.“ Eine neue Regelung hält mittlerweile in jedem Flugzustand die Temperatur zuverlässig auf 103 Grad.
Den 34-jährigen Berufspiloten, der für Tyrolean Jetservices und die Flying Bulls arbeitet, beeindrucken die komplexen Systeme und die aufwändige Technik angesichts der Epoche, in der die Lightning entstand. Elektrisch verstellbare Propeller, manuell oder automatisch, hydraulisch betätigte Querruder, Hydraulik fürs Fahrwerk, auch für das separate Notsystem – wer P-38 fliegt, muss die komplexe Technik begreifen.
Auf die oft gestellte Frage, ob Antoine de Saint-Expupéry mit 44 Jahren schon zu alt gewesen sei, um mit dem Muster klarzukommen, antwortet Angerer Senior: „Kann ich mir gut vorstellen. Wenn ich nicht viel B-25 geflogen wäre, denke ich, wäre ich auch zu alt gewesen. Ich flieg gern mit der P-38, aber ich muss sie mindestens zwei Mal in der Woche fliegen, um mich wohl zu fühlen“.
In der P-38 Lightning hat man Jet-Feeling, so leise sind die Motoren
Die Vorstellung, im Krieg Lightning-Pilot gewesen zu sein, schreckt den 63-Jährigen: „Man sieht schlecht raus, man kurvt schlecht, und im Steigen ist sie nicht so gut wie eine Corsair. Außerdem – wenn man schießen will, braucht man eine ruhige Plattform. Aber bei Turbulenzen wackelt das Ding um alle Achsen, sie bräuchte einen guten Yaw-Dämpfer. Aerodynamisch eben dreißiger Jahre, ein Museumsflugzeug.“
Man kann nur erahnen, was Lefty Gardner drauf hatte, als er mit White Lightnin’ im Pulk um die Pylone gerast ist … Speed – damit beeindruckt die Doppelrumpf-Twin auch heute noch. „Die Beschleunigung am Boden ist fast wie bei einem Jet“, schwärmt Sigi Angerer, „und bis zu 295 Knoten Cruise, das ist schon toll, vor allem für die Zeit!“ Was überrascht: „Es ist sehr leise da drin, man hört die Motoren beinahe nicht, und es gibt kaum Vibrationen.“ Auch das erinnere an einen Jet.
Zweifellos hat die Lightning Qualitäten jenseits von Zahlen und flugbetriebstechnischen Aspekten. Vor allem ihre Ästhetik bringt Flugzeug-fans immer wieder zum Schwärmen. Von vorn betrachtet, erscheint sie wie die ultimative Twin, sofern die Triebwerke an den Flügeln sein sollen: Alles, was weder für Auftrieb noch für Schub sorgt, ist auf ein Minimum reduziert.
P-38 Lightning: Zwei Motoren bedeuten auch mehr Komplikationen
Die Pilotengondel hat gerade den Querschnitt, der notwendig ist, um einen sitzenden Menschen darin unterzubringen. Auch die Glykol-gekühlten V-12-Getriebemotoren bieten wenig Stirnfläche. Es gibt sogar Perspektiven, von der Seite, aus denen der alte Silbervogel fast so schlank und modern erscheint wie der Global Flyer von Burt Rutan. Dennoch manifestiert sich in der P-38 auch die Illusion der Aufrüstung, im militärischen wie im Renneinsatz: Zwei Motoren bedeuten eben nicht automatisch mehr Performance, sondern vor allem: mehr Komplexität, Wartungsaufwand, Störanfälligkeit, Widerstand, Masse, Trägheit, Workload für den Piloten …
Den Salzburgern fällt es nicht schwer, dies in Kauf zu nehmen: „Die spektakuläre Form, die Seltenheit, die Geschichte – sie ist die wertvollste Maschine der Flying Bulls“, resümiert Daniel Angerer. Exklusiv, betont sein Vater, sei sie aber vor allem, weil Geld allein nicht reiche, um sie zu betreiben. Man brauche Fachwissen, technischen Background,Logistik, ein Team, sonst sei man aufgeschmissen. Fragen ihn reiche Leute, ob so ein Flugzeug für sie in Frage käme, antwortet er deshalb gern: „Wenn Sie ein gewöhnlicher Millionär sind, dann nicht.“
Die P-38 Lightning wurde als Waffe eingesetzt
Ursprünglich entwarf Lockheed-Konstrukteur Kelly Johnson die P-38 als Abfangjäger, im Zweiten Weltkrieg flog sie vor allem als Langstrecken-Begleitjäger und Jagdbomber. Dazu hatte sie vier 12,7-Millimeter-MGs und eine 20-Millimeter-Kanone. Sie konnte Raketen tragen oder eine bis zu 1820 Kilo schwere Bombenlast.
Wegen ihrer enormen Feuerkraft und der Doppelrumpf-Konfiguration nannten deutsche Piloten die Lightning auch „Gabelschwanzteufel“. Außerhalb von Europa wurde die P-38 unter anderem an Kriegsschauplätzen im südwestpazifischen Raum eingesetzt. Die erste P-38 flog am 27. Januar 1939. Während des Krieges wurden 9393 Stück gebaut, insgesamt 10 036.
Seine Berühmtheit verdankt das Muster nicht nur militärischen Erfolgen, sondern auch einem tragischen Ereignis: Am 31. Juli 1944 verschwand der französische Pilot und Fliegerpoet Antoine de Saint-Exupéry („Der kleine Prinz“) mit einer P-38F-5 (links im Bild vor einem seiner letzten Flüge). Lange rankten sich Mythen um den Tod von Saint-Ex; heute geht man davon aus, dass ihn der deutsche Jagdflieger Horst Rippert über dem Mittelmeer vor Marseille abgeschossen hat.
Text: Peter Wolter; Fotos: Cornelius Braun; fliegermagazin 01/2012
- 15,8 m
- * ohne Höhenlader (in der AF44-53254 ausgebaut). Mit Höhenlader beträgt die TAS bei max. Dauerleistung 348 kt in 30 000 ft, die Gipfelhöhe ca. 44 000 ft.
Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.
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