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Oldtimer-Reportage: Globe Swift GC-1B

Sie ist eine Rarität. Und ein echter Hingucker. In ganz Europa gibt es gerade mal drei Exemplare der Swift

Von Redaktion

Weiße Baumwollhandschuhe fliegen über die Fläche. „Hier. Ziehst du die bitte an?“ Begriffsstutzig starre ich auf die weißen, dünnen Dinger, die in diesem Ambiente reichlich deplatziert wirken. Handschuhe? Um ein Flugzeug aus dem Hangar zu schieben? Christian Uter hasst Fingerabdrücke. Und Regentropfen – oder vielmehr das, was sie hinterlassen, wenn sie getrocknet sind: Spuren. Gemeine kleine Ringe und Flecken, die die Optik empfindlich stören. Das mag auf einen Erbsenzähler hindeuten, doch dieser Eindruck relativiert sich, wenn man weiß, dass Christian Uter mindestens 50 Stunden im Jahr die Poliermaschine in Betrieb hat. Vier mal 12 bis 13 Stunden, ehe sein Tiefdecker wieder das ist, was er sein soll: ein Glanzstück. In dieser Rechnung nicht enthalten sind die unzähligen kleinen Putzeinheiten, bei denen der Wahl-Münchner seinem Flieger mit einem superweichen Stück Fleece von Hand zu Bleche rückt.

Zum Beispiel auf Flugtagen, wenn der Ganzmetall-Schönheit mal wieder ein bisschen zuviel Aufmerksamkeit zuteil wurde. Uters Globe Swift GC-1B ist zurzeit das einzige fliegende Exemplar in Europa. Jedenfalls, wenn man es ganz genau nimmt. In Frankreich und in Deutschland gibt es noch je eine Temco Swift. Faktisch besteht kein Unterschied zwischen Globe und Temco Swift. 1946 hatte die Globe Aircraft Company mit Sitz in Fort Worth, Texas, den Zulieferer Texas Engineering & Manufacturing Company (Temco) mit ins Boot geholt, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Ab Mai 1946 produzierte Temco den Tiefdecker parallel zu Globe unter Lizenz – bis 1947 finanzielle Schwierigkeiten die Globe Aircraft Company in die Knie zwangen und Produktions- und Verkaufsrechte an Temco gingen. 1940 ursprünglich konstruiert mit bespanntem, geschweißtem Stahlrohrrumpf und freitragenden Flächen aus Holz, wandelte Globe den Tiefdecker nach dem Krieg in eine Metallkonstruktion um.

50 Stunden reine Polierzeit. Mindestens.

Die war fast 20 Prozent schwerer. und der lediglich 85 PS leistende Conti C85 erlaubte nur entsprechend mäßige Flugleistungen. Trotzdem verließen nahezu 400 Exemplare die Produktionshallen, ehe ein 125-PS-Triebwerk die Globe für einige Zeit zum Verkaufsschlager machte. Uters Swift wurde – als N3327K – 1957 von Amerika nach Deutschland verkauft, kurz nach Aufhebung des offiziellen Flugverbots hierzulande. Umregistriert auf D-EJYB ist der Taildragger mit wechselnden Besitzern in den folgenden Jahren quasi in der ganzen Republik unterwegs. Allerdings weit von seiner heutigen Optik entfernt: Rot-weiße Lackierung statt blankpoliertem Aluminium. Mehrmals ereilt die Globe Swift das Schicksal (fast) aller Flugzeuge mit Einziehfahrwerk: Bauchlandung, Shockloading. Als Christian Uter – damals noch nicht einmal den PPL-B in der Tasche – die D-EJYB 1999 in Schweden entdeckt und sofort kauft, ist die Maschine mittlerweile mit einem 145-PS-Conti bestückt.

Doch auch der hält nicht ewig. Ein Landeunfall macht dem Triebwerk 2001 den Garaus. Uter nimmt den Crash zum Anlass für eine Komplett-Restaurierung nach dem Motto „wenn schon, denn schon“. „Der Conti kam nicht aus dem Quark, er drehte wirklich zu langsam“, sagt der Ex-Gastronom, der zurzeit an seinem ATPL bastelt. Nun soll richtig Musik unter die Haube: 180 PS, geliefert von einem Lycoming O-360. Und damit die nicht nur Lärm machen, kommt jetzt auch noch ein Verstellprop von Hartzell zum Einsatz. Oder vielmehr: erstmal nicht. Denn es gibt keine deutsche Musterzulassung für diesen Motor in der GC-1B, nur ein amerikanisches STC. Und so wird die Swift wieder zur Amerikanerin. Sogar mit ihrem alten Original-Kennzeichen: N3327K. In den Originalzustand kehrt auch die Hülle zurück. Die Swift wird von ihrer Lackierung befreit und ist fortan im Alu-pur-Look unterwegs – wie schon damals in den vierziger Jahren.

Doch ehe der Tiefecker so glänzt wie heute, sind reichlich Polier-Einheiten nötig. „Sie wird von Mal zu Mal blanker“, freut sich der Flugzeugeigner. „Polieren ist niemals wirklich fertig.“ Drei Jahre dauert der Wiederaufbau, ehe die Globe im Juni 2004 erstmals wieder in die Luft geht. Dem Fuß- und Stauraum hat Christian Uter bei der Restaurierung rotes (Mercedes-)Leder spendiert – passend zu Sitzen, Steuerhörnern und Verkleidung. Der Einstieg in den Tiefdecker ist von beiden Seiten möglich. Im Grunde krabbelt man bei der Swift durchs Fenster: Die Seitenscheiben lassen sich im Rumpf versenken, das transparente Kabinendach ist zweigeteilt und klappt beidseitig nach oben weg. Das Cockpit ist geräumig, nur mal wieder nichts für Kurze: Weder Pedalerie noch Sitze lassen sich verstellen – da bleibt eben nur die bewährte Kissen-Lösung. Apropos Pedalerie: Die Swift lässt sich zwar von rechts fliegen, nicht jedoch rollen – auf der Copilotenseite gibt es keine Bremsen.

Schon am Boden ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten. Die Kombination Taildragger/kurzer Rumpf/viel Power gebietet sehr bewussten Einsatz der Ruder: Steuerhorn immer schön gezogen halten und Vorsicht mit dem Gashebel. Sonst geht es schnell auf die Nase. Die Sensibilität um die Hochachse ist ebenfalls nichts für eingeschlafene Füße. Also rein in die Pedale, die Swift büchst gern aus, vorzugsweise nach links. Bei diesem Flieger ist Arbeiten angesagt. Das gilt erst recht in der Luft. Zwar schwärmt Uter von seiner Rarität: „Ein Flugzeug, das gut aussieht, fliegt auch gut.“ Doch Schönheit hat ihren Preis: Bereits die äußere Form deutet an, dass dies ein Muster für – sagen wir: Feinmotoriker ist. Der elegante Tiefdecker will aktiv geflogen werden. Die elliptische Flügelform reduziert den induzierten Widerstand und erhöht die Agilität, doch leider auch die Giftigkeit. Die Globe kennt im Grunde nur zwei aerodynamische Zustände: Flug oder Stall, dazwischen ist – nichts.

Ein Stall endet leicht im Flachtrudeln

Der Strömungsabriss kommt quasi ohne jede Ankündigung, da helfen auch die Vorflügel, die die Langsamflug-Eigenschaften verbessern sollen, nicht viel. Bis heute hat Christian Uter es nicht darauf ankommen lassen, diesen Grenzbereich auszuprobieren – zu eindrucksvoll war das Verhalten des Einweisungs-Piloten: „Ich zog wie aufgefordert am Höhenruder. Es war noch gar nichts los, da hat er das Steuerhorn fast panisch schon wieder nach vorn gedrückt.“ Und so ranken sich hübsche Schauergeschichten um das Abreißverhalten der Globe Swift: Angeblich hilft im Falle eines Stalls nur noch eins: abschnallen und sich mit dem gesamten Körpergewicht aufs Panel „werfen“, um die Nase wieder nach unten zu bringen. Sonst endet die Aktion im Flachtrudeln. Sauber ausgetrimmt ist die Amerikanerin ein fliegerischer Leckerbissen. 160 Knoten Höchstgeschwindigkeit, 130 „Reise“ (bei 60 Prozent Leistung) – damit lässt sich schon Strecke machen.

Wenn man denn der Verführung widerstehen kann: Die sensible Ruderansprache reizt zum Herumturnen, besonders in Verbindung mit dem leistungsstarken Triebwerk. Ob Lazy Eight, Steepturns oder Rollen – alles kinderleicht. Nur auf die Speed muss man aufpassen. In Abwärts-Figuren oder -Manövern wird die Swift schnell zu schnell. Also rechtzeitig Gas raus. Das gilt auch bei der Landeeinteilung. Das elektrisch-hydraulische Einziehfahrwerk, Mitte der vierziger Jahre beileibe kein Standard, darf frühestens bei 85 Knoten ausgefahren werden. Die Klappen, auch sie elektrisch-hydraulisch und nur einstufig, bei 78 Knoten. Umständlich ist die Trimmung: Die Kurbel sitzt hinter dem Piloten in der Mitte des Kabinendachs und ist entsprechend schwer zu erreichen. Es braucht also ein bisschen Übung, die Swift sauber an den Boden zu bringen. Und sauber zurück in den Hangar. Doch dafür gibt’s ja Handschuhe. Zum Glück.

Text: Claudia Stock; Fotos: Christian von Wischetzki, Claudia Stock; fliegermagazin 5/2006

Technische Daten
Globe Swift GC-1B
  • 8,94 m
  • 12,23 qm
  • 6,37 m
  • 1,79 m
  • 525 kg
  • 777 kg
  • 135 l
  • Lycoming O-360 A1-A/180 PS
  • Hartzell, 2-Blatt-Verstellprop
Schlagwörter
  • oldtimer
  • Tiefdecker
  • Restaurierung
  • Verstellpropeller
  • Ganzmetall
  • Lackierung
  • Strömungsabriss
  • Rollen
  • Einziehfahrwerk
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