Oldtimer-Reportage: Bücker Bü 131 Jungmann
Die Suche nach dem perfekten Doppeldecker war für Gottfried Pönninghaus langwieriger als die mancher Männer nach ihrer Traumfrau. Schließlich fand er ihn – in Amerika und apolitisch schön. Wie ein junger Gott.
Die Fixierung auf Doppeldecker muss schon im frühesten Kindesalter stattgefunden haben. Anders kann sich Gottfried Pönnighaus, 46, seine Affinität zu den drahtverspannten Apparaten aus den Pubertätsjahren der Luftfahrt nicht erklären. Sein Vater, eigentlich Flugzeugbauingenieur, war nach dem Krieg in Afrika als Bauingenieur und Architekt unterwegs. In Kenia und Tansania zog er Kirchen und Krankenhäuser hoch. Die Kinder kamen in Tansania zur Welt und waren überall mit dabei. Und wenn die Familie reisen musste, dann meistens mit sehr betagten, dafür aber umso interessanteren Flugzeugen. Pönnighaus erinnert sich gern an einen Flug mit seinem Vater – da wird er drei gewesen sein – von Nairobi nach Bukoba in Tansania. In einer DeHavilland Dragon Rapide sind sie über die Serengeti und den Victoriasee geflogen. Die christliche Fluggesellschaft Mission Aviation hatte auf der Strecke nur diesen geschlossenen Doppeldecker aus den dreißiger Jahren im Einsatz.
„Vermutlich“, sinnniert Pönnighaus junior, „war dies das Schlüsselerlebnis“. Zwanzig Jahre später – Pönnighaus baut sich eine Existenz als erfolgreicher Industrie- und Werbefotograf in Ostwestfalen auf – fängt er 1983 mit dem Drachenfliegen an. Erst mit kleinen Hüpfern im Sauerland, später locken ihn die Hänge des Weser- und Wiehengebirges, dann in den USA die Rocky Mountains. Er macht seinen UL-Schein und später den PPL-A. 1993 kommt der ebenfalls vom Doppeldecker-Virus infizierte Fliegerkollege Frank Simoneit mit einem Sunwheel an. Simoneit hat Erfahrung mit Focke Wulf Stieglitz – ein anderes Kaliber als der moderne UL-Doppeldecker, dessen Rotax-Motor untersetzt und damit klanglich verdünnt ist. Aber immerhin: ein offenes Flugzeug. Die beiden haben viel Spaß mit dem Gerät und stationieren es in Namibia, wo es auch heute noch steht und regelmäßig bewegt wird.
Archetyp einer Bauform: Vor 73 Jahren hatte die „131“ schon alles, was einen wahren Doppeldecker ausmacht
1999 kauft sich Pönnighaus mit zwei Freunden eine Antonov AN-2 mit DDR-Lufthansa-Geschichte. Der russische Koloss hat zwar einen vernünftigen Motor, 1000 Pferdestärken und zwei gigantisch große Tragflächen, aber er ist geschlossen – das richtige Doppeldecker-Feeling kommt beim allerbesten Willen nicht auf. Der Flieger wird in Deutschland restauriert und dann von Stadtlohn auf einem abenteuerlichen Flug über ganz Afrika nach Botswana und schließlich Namibia überführt. Dort will man Rundflüge mit Touristen anbieten. Aber im tiefsten Herzen möchten Simoneit und Pönnighaus doch eher einen »echten« Doppeledecker: offen, mit Patina, dem „richtigen“ Geruch, einem elektrisierenden Sound und Geschichte unter der Bespannung. Keinen öltriefenden russischen Lastenesel und auch kein steriles UL. Die Suche nach einer Bücker begann als Suche nach einer Boeing Stearman. Mangels passender Exemplare endete sie bald.
Dann standen Stampes und Tiger Moths auf der Wunschliste. Doch auch hier war nie etwas Attraktives dabei; entweder waren die angebotenen Exemplare zu teuer oder zu heruntergekommen, oder sie hatten keine einwandfreie Lebenslaufakte. Je mehr sich das Westfalen-Duo mit der Doppeldecker-Suche befasste, desto mehr rückten die Bücker-Muster in den Fokus. „Fliegerisch sind die doch am besten“, so Pönnighaus. Ob Hobbypilot Heinz Rühmann oder die Fliegerasse der dreißiger bis sechziger Jahre – alle haben sich für Bücker-Doppeldecker begeistert, besonders für die Jungmeister. Als „formvollendet und leistungsfähig“ beschrieben Luftfahrtjournalisten die gedrungene Sternmotor-Maschine in den dreißiger Jahren. Für Albert Falderbaum, bekannter und erfolgreicher Kunstflieger vor dem Zweiten Weltkrieg, war der Einsitzer aus Berlin-Rangsdorf „das beste Kunstflugzeug der Welt“.
Extrem wendig und agil und mit 160- PS-Motor für damalige Verhältnisse erstaunlich leistungsstark, räumte die Jungmeister von 1936 bis in die fünfziger Jahre bei sämtlichen Kunstflugwettbewerben im In- und Ausland die besten Platzierungen ab. Erfolgreiche Kunstflieger wie Otto Heinrich Graf von Hagenburg, Rudolf Lochner, Liesl Bach und Gerd Achgelis erflogen sich mit der Jungmeister Lorbeeren. Auch Bernd Rosemeyer besaß zusammen mit Gattin Elly Beinhorn eine Bücker. Bekannt wurde der Rennfahrer damit allerdings nicht durch Kunstflug, sondern durch ein Rennen, bei dem er mit seinem Auto-Union-Rennwagen gegen eine Bü 133 antrat, die von Hagenburg pilotierte. Der flog dabei auf dem Rücken. Pönnighaus und sein Partner erkannten schnell, dass so ein Juwel kaum zu finden oder unbezahlbar ist. Doch der doppelsitzige Jungmeister-Bruder taugte ihnen kaum weniger.
Manche halten die Jungmann sogar für das elegantere Flugzeug. Das ursprünglichere ist es ohnehin. Die ein Jahr vor der Jungmeister am 27. April 1934 zum Erstflug gestartete Bü 131 ist zwar nicht primär für den Kunst-, sondern als Schulflugzeug ausgelegt. Leistungsgewicht, Wendigkeit und Performance qualifizieren sie trotzdem – auch heute noch – als Turngerät. Durch ihren längeren Rumpf ohne Jungmeister-Katzenbuckel wirkt die Jungmann eleganter, ausgeglichener, weniger aggressiv. Aber nicht langweiliger. Während das Jungmeister- Gesicht mit den dürftig versteckten Sternmotor-Zylindern offen und angriffslustig wirkt, hat die Jungmann feinsinnigere, fast geheimnisvolle Züge. Und sie ist eher zu haben. Ab Jahresbeginn 2006 grübelten Pönnighaus und Simoneit über die Frage: Für viel Geld eine neue 131 in Polen kaufen (siehe unten) oder für weniger eine alte restaurierte?
Aus heutiger Sicht ist die Bü 131 kein Trainer, sondern ein Kunstwerk, an dem jede Linie stimmt
Und: „Wie alt darf der Motor sein? Wollen wir uns beim Fliegen dauernd fragen müssen: Wo ist der nächste Acker?“ Die beiden Westfalen wollten nicht. So suchten sie weiter nach einem gut restaurierten Exemplar mit viel Motorlaufzeit. Schließlich gruben sie im Internet eine aus, die in der Nähe von Dallas, Texas, angeboten wurde. 1988 war diese Jungmann in die Hände von Michael Preston übergegangen. Der pensionierte Airline-Captain hatte sich den Doppeldecker zur Entspannung gegönnt, ist aber in 18 Jahren nur 70 Stunden mit ihm geflogen. Als sein Medical nicht mehr verlängert wurde, entschloss er sich zum Verkauf. Die Bilder und Infos, die der Besitzer ins Internet stellte, waren vielversprechend. Umgehend fliegt Pönnighaus mit seinem Bruder in die USA. Der arbeitet praktischerweise bei der Lufthansa als Captain auf einem Airbus 340 und muss, welch wunderbarer Zufall, just in der gleichen Woche ebenfalls nach Dallas.
Gottfried kann als Familienmitglied stand-by mit. Vor Ort nehmen die beiden das 1952 gebaute Flugzeug genau unter die Lupe und halten beim Probelauf des Motors das Handy hin. Am anderen Ende in Deutschland hört Simoneit zu und meint: „Kaufen!“ In den Niederlanden macht die kostbare Fracht Zwischenstation. Hier wird die Bücker im LTB von Jac van Egmond endoskopisch untersucht. Über die Erkenntnis hinaus, dass sie sehr gut restauriert und konserviert wurde, finden sich 1,8 Kilo Wespennest, hart wie Beton, verteilt auf Tragflächen und Leitwerk sowie hinter den Instrumentenbrettern. Erst das spätere genaue Studium des Bordbuchs offenbart die gesamte Geschichte der Maschine: Als C.A.S.A.- Lizenzbau fliegt sie in Spanien bei der Luftwaffe. Ende der Siebziger kommt sie nach Deutschland, wird hier zu Bruch geflogen und in die USA verkauft.
Wahrscheinlich wurde sie dort von Joe Crybus in Santa Paula, Kalifornien, restauriert – dem Bücker-Guru westlich des Atlantiks. Irgendjemand hat sie dann in Anlehnung an die Farben des Jungmann-Prototypen Bü 131 V-1 mit der Kennung D-3150 lackiert, wie er 1936 anlässlich der Berliner Olympiade verziert war. Nur bei genauem Hinsehen entdeckt man ein kleines, unscheinbares „N131BK“ unterhalb des Seitenleitwerkes. Damit fliegt der Klassiker nun in Deutschland. Für eine D-Zulassung müsse man den deutschen Behörden „den Preis eines Reihenendhauses hinblättern“, sagt Simoneit. Das war ihm und seinem Fliegerfreund doch zu viel, und so beließen sie es bei der amerikanischen N-Registrierung – schließlich besitzen beide eine US-Lizenz. Die amerikanische Experimental-Zulassung hat noch einen anderen Vorteil: Auf dem Flugzeugteile-Markt in Speyer haben die Halter einen ganzen Satz originaler funktionsfähiger Bücker-Instrumente ergattert.
Die können sie nun einbauen und das Cockpit so wieder in den ursprünglichen Zustand umrüsten, ohne beim LBA erst eine kostspielige Einzelprüfung für jedes Instrument beantragen zu müssen. Authentisch gemeint, aber nicht wirlich original sind die vielen Beschriftungen. Irgendein amerikanischer Vorbesitzer hat sie aufgebracht, um den Flieger noch deutscher zu machen. So findet sich am Gemischhebel die Beschriftung „arm“ und „reich“, pikanterweise vertauscht, und hinten am Rumpf steht „HIER UNTER BOCKEN“.
Mittlerweile sind Pönnighaus und Simoneit schon 36 Stunden mit ihrem guten Stück geflogen. Außer ein paar kleine Einstellarbeiten war bisher nichts zu tun. Im Herbst vorigen Jahres hat Pönnighaus junior seinen 83-jährigen Vater, aus Afrika zu Besuch, in der Jungmann mitgenommen. Das war für den alten Herrn nicht nur fliegerisch ein Erlebnis. Er hatte in den vierziger Jahren schon mal näher mit Bücker zu tun – in Berlin vertraute man dem Focke-Wulf-Mitarbeiter die Windkanaltests der Bestmann-Landeklappen an.
Polnische Jungmann wird weiter gebaut
Seit 1996 fertigt Samolotów Historycznych/Historical Aircraft Services in Jasienica, Polen, auf Basis einer tschechischen Original-Bücker-Lizenz die Bü 131 Jungmann (siehe fliegermagazin 12/1999). Auch nachdem Firmenchef Janusz Karasiewics am 26. August 2006 beim Absturz eines UL-Doppeldeckers ums Leben kam, wird die Herstellung fortgesetzt, wie der deutsche Vertriebspartner Reinhard Rötzer (www.bueckerflug.de) versichert – und zwar von Claus Collings Flug Werk (www.flugwerk.com). Bekannt geworden ist das Gammelsdorfer Unternehmen durch die Neuauflage der Focke Wulf 190. An welchem Standort Flug Werk die Jungmann-Produktion weiterlaufen lässt, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.
Text und Fotos: Cornelius Braun, fliegermagazin 2/2007
- 7,40 m
- 13,50 qm
- 6,62 m
- 2,25 m
- 400 kg
- 670 kg
- 270 kg
- 87 l
- ENMA Tigre G-IV B, 150 PS (Original: Hirth HM 504 A-2, 105 PS)
- MT 211 R 132-6V
- ca. 30 l/h
- 130 m
- 120 m
- 3000 m
- ca. 400 km (plus 30 Min. Reserve)
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