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Oldtimer-Porträt: Miles Falcon Major M.3A

Vertraut wie aus einem Kinder-Comic wirkt dieser Tiefdecker. Und zugleich fremd, wie von einem anderen Stern. Geschaffen hat ihn Frederick G. Miles in den dreißiger Jahren – ein Design-Juwel des britischen Flugzeugbaus

Von Redaktion
Oldtimer-Porträt: Miles Falcon Major M.3A

Den Flieger hab ich irgendwo schon mal gesehen … Die elegante Form, die hosenbeinartigen Fahrwerksverkleidungen, das Cockpit mit seiner exzentrisch nach vorn geneigten Frontscheibe – es muss in einem Tim-und-Struppi-Comic gewesen sein! Irgendwie erinnert alles an die Fortbewegungsmittel des Zeichners Hergés. Und an Art déco. Oder hatte etwa „the father of streamlining“ seine Finger im Spiel, Design-Gott Raymond Loewy? Weder noch – der Schöpfer dieses Flugzeugs war Ingenieur, wenngleich ein ästhetisch inspirierter: Frederick George Miles. Unterstützt von seiner Frau Maxine „Blossom“ und seinem Bruder George Herbert hat der Brite zahlreiche leichte Zivil- und Militärflugzeuge konstruiert. Die Falcon war bereits das achte Muster von Fred Miles, dessen Flugzeuge ab 1930 von Phillips & Powis Aircraft in Woodley, Grafschaft Berkshire, produziert wurden.

Erst 1943 gab sich das Unternehmen den Namen Miles Aircraft Limited, acht Jahre nachdem die Falcon auf den Markt gekommen war. Charakteristisch für Miles’ frühe Entwürf sind Seitenleitwerke, die mit ihren dreieckigen Flossen an eine damals bereits vergangene Epoche erinnern, und bei seinen Tiefdeckern voluminöse Fahrwerksverkleidungen, deren Tiefe zum Rad hin abnimmt – aerodynamische Beinkleider, die im Englischen das Hauptfahrwerk zu einem „trousered main undercarriage“ machen. Was man bei der Falcon nicht sofort sieht: Sie ist ein Dreisitzer. Vorn hat nur der Pilot Platz, die Passagiere sitzen hinter ihm nebeneinander. Das war noch ganz anders bei dem Flugzeug, das als Falcon-Vorläufer gilt und strukturell weitgehend identisch war: die Miles M.2F Hawk. Dieser offene Zweisitzer hat einen schmaleren Rumpf mit Einzelcockpits in Tandemanordnung. Da ist ein geschlossenes Side-by-side-Cockpit für die Passagiere schon wesentlich komfortabler.

„Die G-AEEG ist das älteste Flugzeug, das jemals am King’s Cup Race teilnahm“

Den Rumpf des Serienflugzeugs verbreiterte der Hersteller sogar noch gegenüber dem Prototypen. Mit ihrem 130 PS starken De Havilland Gipsy Major, einem hängenden Vierzylinder-Reihenmotor, galt die Falcon Major allerdings als leicht untermotorisiert. Und so brachte Miles schon 1935, im Jahr des Serienstarts, die stärkere Falcon Six raus, angetrieben von einem Sechszylinder-Motor mit 200 PS. Diese Version hatte nicht nur mehr Dampf, sondern auch eine Kabine, die vorn Platz für zwei Insassen bot. Aus dem Viersitzer, der eine Doppelsteuerung erhielt, wurde sogar ein Fünfsitzer entwickelt, die M.4 Merlin. Bereits der Falcon-Prototyp errang 1934 eine gewisse Popularität, als er mit Zusatztanks versehen am MacRobertson Trophy Air Race teilnahm, einem Langstreckenrennen von England nach Melbourne in Australien. Weit abgeschlagen hinter der siegreichen De Havilland D.H.88 Comet, die knapp drei Tage brauchte, erreichte die Falcon erst nach 27 Tagen den fünften Kontinent.

Doch ein Jahr später gewann sie das King’s Cup Race, das seit 1922 in Großbritannien stattfindet; ein Handicapfaktor macht auch langsame Flugzeuge konkurrenzfähig. Von den wenigen Falcon Major M.3A – ganze 19 wurden produziert – haben drei überlebt. Eine steht in Madrid, eine in Australien, beide flugfähig, und das hier vorgestellte Exemplar ist im englischen Old Warden stationiert – wo es hinpasst: Dort pflegt die berühmte Shuttleworth Collection luftfahrthistorischen Kostbarkeiten, die auch regelmäßig bei Airshows am Old Warden Aerodrome zu sehen sind (fliegermagazin 4/2015). Die G-AEEG wurde 1936 gebaut und ab Werk nach Schweden verkauft, wo man sie zum Transport von Post, Passagieren und Fracht zu den zahlreichen Inseln nutzte. Im Winter erhielt sie Ski, sodass sie von verschneiten Flugplätzen und zugefrorenen Seen starten konnte.

One-Man-Show: Der Pilot nimmt in einem Ledersessel mit Armlehnen Platz, ein Copilot ist in dem Dreisitzer nicht vorgesehen

Im Zweiten Weltkrieg wurde sie wie viele andere Flugzeuge eingezogen, 1956 trennte sich die Schwedische Luftwaffe wieder von dem Flugzeug, das in Schweden die zivile Registrierung SE-AFN trug. Der neue Besitzer hieß Aka Laurel. Doch dann verfügte die schwedische Luftfahrtbehörde, dass alle holzverleimten Flugzeuge vom Hersteller einer Grundüberholung zu unterziehen sind. Man sei wegen der Klebestellen besorgt. Spekuliert wird jedoch, dass die Schweden ihrer Luftfahrtindustrie, die wohl auf Metallbauweise setzte, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollten. Wie auch immer – Laurel hatte keine Wahl. Aber Glück: Sein Hersteller existierte noch (erst 1961 ging Miles in Beagle Aircraft über), und weil er die SE-AFN liebte, flog er sie nach Shoreham hinüber, wo das Werk damals ansässig war. Was Laurel bewog, von da in England zu wohnen, ist nicht überliefert.

Vermutlich lagen die Kosten der Grundüberholung deutlich über seinem Budget, und die Maschine wurde nie bei Miles grundüberholt – schließlich galt die dubiose Vorschrift ja nur für Flugzeuge, die in Schweden zugelassen waren. In England wechselte der Tiefdecker das Kennzeichen und drei Mal den Besitzer. Seit 2013 gehört die G-AEEG Peter Holloway. Nur eine einziges Blatt mit Betriebsanweisungen und Daten, erzählt der bekannte Flugzeugsammler, sei beim Kauf dabei gewesen. Zudem halte er die vermerkten Angaben für geschätzt. Es habe sich nämlich herausgestellt, dass der Vorbesitzer nie mit der Falcon geflogen sei und die Daten mehr oder weniger aus dem Ärmel geschüttelt habe. „Es muss ein übervorsichtiger Mensch gewesen sein“, vermutet Peter. Der erfahrene Display-Pilot fliegt den raren Oldtimer dagegen umso mehr. Drei Mal war er mit ihm auf dem europäischen Festland.

Schrill: „Hosenbeine“ fürs Fahrwerk

Im Winter 2005 hat er die Miles anlässlich ihres 70. Geburtstags auf Einladung des Västerås Flygmuseums in Schweden überwintern lassen, zurück nach England ging es im Frühjahr 2006. Die tausend Meilen für den Heimflug hat Holloway mit nur zwei Zwischenstopps an einem Tag hingelegt. Der Motor schnurrt wie ein Kätzchen, hat die Zuverlässigkeit eines Schweizer Uhrwerkes und verbraucht fast kein Öl. Gipsy-Motoren sind nicht immer so zuverlässig. Das Triebwerk der G-AEEG wurde bei Vintage Engine Technology (fliegermagazin 3/2015) grundüberholt und von kleinen Kinderkrankheiten geheilt. Dieses Jahr hat die G-AEEG ihren 80. Geburtstag – im Sommer möchte Peter sie wieder nach Schweden zu Feierlichkeiten fliegen. Fotoflug in Old Warden. Peter hat heute keine Zeit, dafür nimmt Jean Munn, Chefingenieur der Shuttleworth-Collection, vorn Platz – auf einem ledergepolsterten Sessel mit Armlehnen.

Der Pilotensitz passt zur Kabine, in der man sich wie in einem Wohnzimmer vorkommt. Das Instrumentenpanel wird unten von einer Art Regalbrett abgeschlossen, was dazu verführt, dort irgendwelche Dinge abzulegen. Steuerknüppel und Seitenruderpedale sind relativ filigran und unscheinbar, recht dominant hingegen wirkt der mittig hinter den übrigen Instrumenten angebrachte Kompass. Da der Pilot allein vorn sitzt, hat er seitlich reichlich Platz. Auch die Passagiere im Fond können sich über beengte Platzverhältnisse nicht beklagen. In dem Art-déco-Vogel lässt es sich mit ausgestreckten Beinen reisen. Da das Fahrwerk ungefedert ist, sollte man während des Startlaufs den steuernden rechten Arm auf der Sitzlehne abstützen; Schläge könnten sich aufs Höhenruder übertragen. In der Luft verlangt das vergleichsweise kleine Seitenruder immer etwas mehr Input als die Querruder, wenn die Kugel des Wendezeigers sauber in der Mitte sein soll.

Langstrecken-erprobt: Schon mehrmals ist die Falcon zwischen England und Schweden hin und her geflogen

Ansonsten hält die Maschine keine Überraschungen bereit. Mit dem heute montierten De-Havilland-Allround-Propeller erreicht sie im Reiseflug gut 120 Meilen pro Stunde (195 km/h). Wichtiger aber ist, dass der Prop am Start genügend Wumms hat, um auch aus kurzen Grasplätzen rauszukommen. Für unseren Fotoflug reicht die Power allemal – als Kameraplattform dient eine Piper Super Cub. Bei der Landung macht sich eine Besonderheit der Miles bemerkbar: Die Spreizklappen bestehen aus drei Segmenten, von denen das mittlere unterm Rumpf platziert und hinten angelenkt ist. Das bremst enorm! Dadurch kann man steil anfliegen, ohne Überfahrt aufzubauen. Gleichzeitig kompensiert die mittlere Klappe das Nose-down-Moment der beiden anderen Flaps. So braucht beim Klappensetzen keine Lastigkeitsänderung weggetrimmt zu werden. Peter Holloway vergleicht den Endanflug mit einer Fahrt auf Schienen.

Nach dem Aufsetzen sind dann kräftige Seitenruderausschläge gefordert, damit die Falcon schön auf der Bahn bleibt. Wegen der Rumpfklappe müssen die Flaps übrigens beim Start drin bleiben – sonst wäre es, als würde man einen Anker hinterherschleifen. 44 Jahre nach dem ersten Sieg einer Falcon beim King’s Cup hat die G-AEEG 1979 das traditionsreiche Flugzeugrennen gewonnen. Dabei, erzählt Peter, sei der Originalpropeller von Fairey Reed montiert gewesen. Dass die Durchschnittsgeschwindigkeit 136 Meilen pro Stunde betrug, war beachtlich, aber keine Sensation. Aufsehen erregte allerdings das Baujahr der Maschine: Die G-AEEG ist das älteste Flugzeug, das jemals am King’s Cup teilnahm.

Text & Fotos: Cornelius Braun, fliegermagazin 6/2016

Technische Daten
Miles Falcon Major M.3A
  • G-AEEG
  • 1936
  • 10,67 m
  • 16,19 qm
  • 7,62 m
  • 1,98 m
  • 590 kg
  • 1000 kg
  • De Havilland Gipsy Major / 130 PS
  • DH/5220/P/27, 2-Blatt, Holz, fest, 1,98 m
  • 750 ft/min
  • 15 000 Fuß
  • 535 NM
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