Oldtimer-Porträt Luscombe Phantom II
Es war wohl ganz gut, dass meine Chefs den kleinen Freudentanz nicht sehen konnten, den ich gleich nach dem Lesen ihrer E-Mail aufführte. Ob ich Interesse hätte, einen neuen Spornradflieger von Luscombe namens Phantom II zu fliegen? Jeder Pilot, der Taildragger liebt, muss nur die Wörter „fliegen“ und „Luscombe“ in einem Satz lesen – und der Puls schnellt in die Höhe.
Für die Nichteingeweihten: Luscombe ist ein Flugzeughersteller mit einer langen, wechselhaften Geschichte. Don Luscombe gründete die Firma 1933, nachdem er für einen anderen Hersteller erfolgreich eine Serie von Flugzeugen namens Monocoupe entwickelt hatte. Konstruktionen mit Stahlrohrrumpf und Stoffbespannung mochte er gar nicht, also entschied sich Luscombe früh und weitsichtig für den Ganzmetallbau.
Das erste Luscombe-Flugzeug war das Model 1, besser bekannt als Phantom. Es war kein finanzieller Erfolg, also brachten Don und seine Mannschaft 1936 das Model 4 heraus – im Grunde eine verbesserte Phantom, die den 90 PS starken Sternmotor von Warner behielt und – bis auf die bespannten Flächen – ganz aus Metall gefertigt war. 1938 folgte dann das legendäre Model 8, das einen Boxermotor hatte – damals ein sehr neuartiges Konzept. Die 8 wurde die meistgebaute und bekannteste Luscombe, noch heute fliegen viele Exemplare.
1950 musste Luscombe Aircraft wegen finanzieller Schwierigkeiten schließen. Werkzeuge, Formen und Zulassungsdokumente wechselten mehrfach den Besitzer, aber das Model 8 wird bis heute gebaut. Anders das Model 4 mit seiner runden Cowling und dem rassigen Art-Deco-Design – es versank im Nebel der Geschichte.
Und dann führte mich jene E-Mail zu einem Ort, wo die Geister längst vergangener Flugzeuge einen Weg in die Gegenwart finden. Ich sollte John Dearden, den Chef der „neuen“ Luscombe Silvaire Aircraft Company, auf dem historischen Flabob Airport in Riverside, Kalifornien, treffen. Dearden und sein kleines Team hingebungsvoller Handwerker bauen neue Luscombes nach originalen Plänen. Obwohl es immer noch Rechtsstreitigkeiten um den Besitz der Musterzulassung gibt, bietet Dearden handgebaute Originale an.
Flabob, 1925 gegründet, ist einer der ältesten Flugplätze Amerikas, also ein angemessener Ort, um die klassischen Luscombes wieder auferstehen zu lassen. Flabob – zusammengesetzt aus den zwei Vornamen von Flavio Madariaga und Bob Bogen, die den Platz 1945 kauften – wirkt selbst wie ein Relikt aus längst vergangener Zeit. Im Dämmerlicht riesiger Holzhangars mit runden Dächern sind die Konturen von Globe Swifts und Stinsons, von Zlins und Doppeldeckern aller Art zu erahnen. Draußen strecken Palmen ihre Wedel in den blauen Himmel; die trockenen Wüstenwinde helfen beim Kampf gegen den Korrosionstod von Maschinen, die mehr als 70 Jahre alt sind.
Am nordöstlichen Rand des Geländes erkenne ich ein Glitzern von etwas ganz Besonderem: Deardens Leute haben die Phantom II aufs Vorfeld gerollt. In der hochglanzpolierten Aluminiumhaut der Maschine spiegelt sich die Nachmittagssonne. Während wir hinüber gehen, hebe ich geblendet die Hand über die Augen, um mehr erkennen zu können. Ich sehe zwar keine Säulen aus Licht, höre auch keine Engel Halleluja singen, aber der Effekt ist der gleiche: Ich starre auf eine himmlische Erscheinung! Dann sehe ich die Phantom II in voller Pracht – und mir stockt der Atem.
Dearden versichert, dass dies kein Trugbild aus der Vergangenheit sei. Tatsächlich ist die Phantom II brandneu. Ungläubig den Kopf schüttelnd trete ich näher und rieche frisches Leder durch die offene Cockpit-Tür. Inzwischen steht die gesamte Belegschaft der Firma um mich herum und erklärt jedes Detail. Sicher sind sie auch gekommen, um mich davon abzuhalten, Fingerabdrücke auf dem Aluminium zu hinterlassen. Schließlich tragen die Arbeiter, die das Flugzeug geschoben haben, weiße Baumwollhandschuhe. Es wird wohl ein wenig gedauert haben, diesen Glanz hinzukriegen.
„Die Flächen und der hintere Rumpf kommen vom Model 8, aber die Schnauze ist ganz neu, erklärt Dearden. In der Tat: Dies ist weder ein exakter Nachbau des Model 4 noch eine Kopie der erfolglosen Original-Phantom von 1933. Es ist eher eine Kombination aus den guten Merkmalen von allen diesen Maschinen. Wie entsteht so etwas? „Anfangs haben wir dieses Modell auf Wunsch eines Kunden gebaut, der einen Sternmotor wollte“, sagt Dearden. “ Dann haben wir beschlossen, es zu vermarkten.“
Die Phantom II hat, wie die originalen Luscombes, einen Monocoque-Metallrumpf. Diese Konstruktion nimmt die Belastungen in der Metallhaut selbst auf statt in einem Rohrgerüst, das nur mit Blech verkleidet ist.
Natürlich ist der wundervolle Sternmotor in der Nase der Phantom II ihr auffälligstes Merkmal. Die glatte Cowling und die unverwechselbaren sieben Zylinder machen sofort klar, dass hier nicht irgendein Allerwelts-LSA steht. Der Motor ist ein Rotec R2800 aus Australien, eine neue Entwicklung, die dem Flugzeug seine klassischen Dreißiger-Jahre-Linien lässt.
Mit 376 Kilogramm Leergewicht und 600 Kilo MTOM ist die Luscombe als amerikanisches Light Sport Aircraft (LSA) zugelassen. Und sie ist eines der ganz wenigen mit Sternmotor. Da es der LSA-Kategorie auch in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten einigermaßen gut zu gehen scheint, ist die Phantom II ein willkommener Neuzugang.
Ich bin mehr als bereit, den Flieger in die Luft zu bringen. Ob die Schönheit bis unter die Haut geht und diese Luscombe dem Ruf der Marke gerecht wird, eine Freude beim Fliegen zu sein? Ich will sehen, ob der geheimnisvolle Nimbus der Luscombes über mehr als 70 Jahre hinweg gerettet werden konnte. Es ist, als würde ich in eine Zeitmaschine steigen.
Auf dem Weg ins Cockpit sehe ich mein Abbild in den Kurven des Rumpfs wie in einem Spiegelkabinett auf dem Jahrmarkt. Es gibt kein Steuerhorn in der Phantom II, und beide Knüppelgriffe sind aus wunderschön poliertem Holz, ebenso wie das Panel. Ich fühle mich sofort in eine andere Ära versetzt.
Doch ein zweiter Blick durch die Kabine verrät, dass dieses Flugzeug modern ist. Im Panel steckt ein Garmin 396 GPS; ein Funkgerät und der Transponder von Garmin runden die einfache, aber vollständige Ausstattung ab. Die Kabine ist gemütlich und mit 101 Zentimeter Breite sogar ein wenig breiter als die der Cessna 172. Die mit grauem Leder bezogenen Schalensitze sind nicht verstellbar, aber dennoch bequem und ergonomisch geformt. Über mir lässt ein einzelnes ovales Deckenfenster etwas Licht ins dunkle Cockpit.
Wie bei den meisten Spornradflugzeugen gibt es beim Rollen praktisch keine Sicht über die Schnauze. Doch das große Seitenruder erlaubt auch bei geringen Geschwindigkeiten eine gute Kontrolle, und so rollen wir in Schlangenlinien zum Start. Die hydraulischen Cleveland-Bremsen sprechen gut an.
Der größte Spaß beim Start mit einem Taildragger ist der Moment, in dem man beim Rollen den Schwanz hebt. Der kommt schnell in der Phantom II. Der Holzpropeller gibt uns bei 85 Knoten 850 Fuß Steigrate pro Minute.
Die Phantom II fühlt sich überhaupt nicht wie ein LSA an, sie fliegt wie ein deutlich größeres Flugzeug. Da spielen sicher die 110 PS des Sternmotors, vor allem aber dessen Sound eine Rolle. Der gibt dem Piloten etwas von dem Gefühl eines Lastzugs, der die Autobahn entlang donnert. Aber es ist auch die Konstruktion, die sehr solide ist. „Dies ist im Grunde ein 10-g-LSA“, meint Dearden. „Man könnte ohne Probleme Kunstflug machen.“ Die Steuerung fühlt sich leicht an, funktioniert aber sehr präzise. Turbulenzen nimmt die Phantom II gut mit, auch das Stall-Verhalten ist harmlos.
Im Reiseflug, sagt Dearden, seien 110 Knoten möglich – und die erreichen wir auch, als wir über dem Lake Mathews unterwegs sind, 20 Meilen von Flabob entfernt.
Am Blick nach unten, vorbei am Holzpanel und den eleganten Radverkleidungen, kann ich mich kaum satt sehen. Vorne dreht dazu der Rotec, übrigens deutlich schneller als historische Sternmotoren. Der R2800 hat ein 3:2-Untersetzungsgetriebe, die Kurbelwelle dreht im Reiseflug mit 3000 Touren.
Luscombes haben den völlig unverdienten Ruf, schwer zu landen zu sein. Doch zurück am Flugplatz gibt es keine Überraschungen. Die großen Steuerflächen machen die Ruder sehr effektiv, man muss also flinke Füße haben. Aber wer schnell reagiert und nicht zu grob steuert, hat es leicht, dem Flugzeug voraus zubleiben. Nur für faule Piloten ist das eben nichts.
Zurück am Hangar bleibe ich noch ein wenig, als alle anderen schon gegangen sind. In der Abenddämmerung leuchtet der Horizont violett, durchbrochen von orangefarbenen Sonnenstrahlen. Als ich zur Luscombe hinüber gehe, könnte ich schwören, ich höre ein altes Röhrenradio. Ist das nicht Präsident Franklin D. Roosevelts Stimme, wie er eine Rede hält? Und jetzt Bob Hope, der „Thank you for the Memories“ aus dem Jahr 1938 singt? Kann nicht sein. Auch nicht, dass oben am dunklen Himmel eine makellose Luscombe Model 4 kreist und mit einem Flügelwackeln der Phantom II sagen zu wollen scheint: „Jetzt bist Du an der Reihe!“
Text: Marc C. Lee, Fotos: Jessica Ambats/Marc C. Lee, fliegermagazin 10/2009
- Luscombe-SilvaireAircraft Company,Riverside, Kalifornien,www.luscombe-silvaire.com
- 10,67 m
- 6,10 m
- 2,13 m
- 1,01 m
- 376 – 399 kg
- 600 kg
- 2
- 114 Liter
- Rotec R2800-7 Sternmotor
- 110 PS bei 3600 rpm
- 22,8 Liter pro Stunde
- 145 000 US-Dollar
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