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Mustang-Mitflug bei Stallion 51: Flying the Dream

Ein Mitflug im legendären Weltkriegs-Jäger P-51 Mustang ist ein Traum! Erfüllen kann man ihn sich im Zweisitzer von Stallion 51 in Florida

Von Redaktion
Mustang-Mitflug bei Stallion 51: Flying the Dream

„Bail out! Aussteigen! Raus hier! Duck!“ – Bloß das nicht! Doch das Ausstiegs-Procedere für einen möglichen Notfall gehört zum Briefing. Ich kauere auf dem hinteren Sitz und Lee brüllt mir, über die offene Haube gebeugt, die Absprung-Formel in meine mit Lärmschutz-Stöpseln verpfropften Ohren. Ich muss wohl etwas unglücklich dreinschauen: Lee grinst. „Also noch mal: bail out, bail out, bail out, und bei ‚duck‘ ist dein Kopf hier unten auf deinen Knien. Alles klar?“ Dumpf klingt seine Anweisung in meinen Ohren. Ich nicke folgsam. Wenn die Haube abgeworfen wird, muss ich mich ducken, damit ich sie nicht an den Kopf kriege. Und anschließend über die rechte Fläche abspringen. Na toll.

Vor dem Flug wird das Ausstiegs-Procedere für einen Notfall durchgegangen.

Dies ist eine von jenen Geschichten, bei denen die Angst vor der eigenen Courage mal wieder ein bisschen zu spät kommt. Nun sitze ich bereits im Cockpit, hab den Helm auf, den Rettungsfallschirm um und bin festgezurrt und verschnürt wie ein Luftfracht-Paket. Adrenalin boxt in meinen Magen. Doch Jammern nützt jetzt nichts mehr. Ich könnte es mir außerdem nie verzeihen, wenn ich wieder aussteigen würde, nur weil ich die Hosen voll hab. Denn gleich wird einer von diesen „Einmal-im-Leben“-Träumen in Erfüllung gehen. Ich werde den Vogel fliegen, der vielen Piloten als der ultimative Warbird gilt, der Inbegriff eines Jägers mit Propellermotor. Für mich „the sexiest aircraft alive“, auch wenn sie nicht mehr die Jüngste ist: die P-51 Mustang.

4,5 Tonnen schwerer Taildragger mit V-12 Motor

Lee Lauderback hat inzwischen im vorderen Cockpit Platz genommen und liest die Checkliste vor. Laut, damit ich mitschneiden kann. „Dann lass uns mal den Merlin aufwecken“, sagt er trocken, und Sekunden später dröhnt meine Welt. Wow! So also klingt ein 1450 PS starker V-12, wenn man drinnen sitzt. „Are you ready?“, will Lee wissen. Mein „affirmative“ klingt ein wenig kleinlaut. Lee rollt los, und kaum sind wir auf dem Taxiway, übernehme ich. Typisch Spornrad: Ohne Bremse geht gar nichts. Doch der 4,5 Tonnen schwere Taildragger gehorcht meinem Pedaleinsatz erstaunlich folgsam. Bis die erste scharfe Kurve kommt. Für die Mustang braucht man lange Beine und große Füße, und ich kann beides nicht bieten. Statt rechts herum marschiert der Vogel geradeaus in Richtung Wiese. Lee rettet uns vor dem Ausflug ins Grüne. Das fängt ja gut an.

Die Mustang auf dem Weg zur Startbahn.

Lee Lauderback ist Chef von Stallion 51. Das Unternehmen mit Sitz in Kissimmee, US-Bundesstaat Florida, bietet Flugtraining auf der Mustang bis zum Checkout, Unusal Attitude Training (Recovern aus ungewöhnlichen Fluglagen wie Trudeln und Stalls) und Orientierungsflüge. Auf hohem Niveau: Selbst die Test Pilot School der US-Navy schickt ihre Eleven zum Fighter-Training nach Kissimmee, damit sie hier mit den Eigenschaften einer Hochleistungs-Einmot Bekanntschaft machen können. Ferner gehören ein Restaurierungs- und Maintenance-Betrieb sowie die Group 51, zuständig für Verkäufe und Vermittlung von Warbirds, zum Unternehmen. „Mustang spoken here“ lautet denn auch der Slogan der Firma, die als die beste Adresse in Sachen Mustang gilt.

Crazy Horse – der passende Name für einen Warbird

Zwei der 14 weltweit existierenden zweisitzigen Mustang gehören Stallion 51: Crazy Horse und Crazy Horse2. Die TF-51 (TF für Trainer Fighter) ist ein Derivat der P-51 D, genau genommen ihre Tandem-Version. Kissimmee ist damit einer der wenigen Orte auf dieser Welt, an dem man sich den Traum vom Mustang-Fliegen erfüllen kann, selbst wenn man keine Pilotenlizenz besitzt. Einmal an den Controls des legendären Jägers sitzen – falls man ein fettes Sparschwein hat: 3050 US-Dollar kostet das P-51- Vergnügen. Doch dafür gibt’s auch ein umfangreiches Programm: eine Stunde Preflight-Briefing, dann ein ausführlicher Rundgang ums Flugzeug, Cockpit-Einweisung mit besagten Notverfahren und eine volle Flugstunde, in der der Kunde zu 90 Prozent selbst fliegt – und zwar nicht nur geradeaus.

Preflight-Briefing: Im Preis mit inbegriffen ist ein ausführlicher Rundgang um das Flugzeug.

Das Preflight-Briefing ist eine gründliche und individuelle Kompakt-Einweisung in die Grundlagen der Mustang-Fliegerei, bei der Kundenwünsche berücksichtigt werden. Wer mag, kriegt die ganze Packung Aerobatics verpasst, wer nur Basis-Manöver probieren möchte, wird entsprechend versorgt. Wichtig ist dem Team, dass der Spaßfaktor im Vordergrund steht. Wer so viel Geld bezahlt, soll seinen Flug genießen. „Safety, Fun, Education“ lautet denn auch die Prioritätenliste für die Orientierungsflüge (beim Checkout-Training, das mit 3350 Dollar pro Flugstunde zu Buche schlägt, ist die Reihenfolge Safety, Education, Fun) – die Kunden sollen pures Flugvergnügen bekommen und dabei auch noch ein bisschen was lernen.

Die dunkle Seite der Mustang-Macht: gewaltige Antriebs-Effekte

Zum Beispiel, wie man ein propellergetriebenes High-Performance-Gerät im Zaum hält. Torque und andere Propeller-Effekte der Mustang sind so ausgeprägt, dass das Seitenruder nicht nur eine Trimmkante hat, sondern die ganze Flosse nach links gerichtet ist (siehe auch Know-how, Seite 48).

„Ohne Seitenruder geht bei diesem Flugzeug gar nichts“, sagt Lee. Und Eric Huppert, einer der drei Piloten, die für Stallion 51 arbeiten, ergänzt: „Es gibt eine dunkle Ecke in der Mustang. Der Torque ist immens. Nase hoch und Vollgas, und die Maschine kippt dir sofort nach links weg. Das endet schnell mal in einem unfreiwilligen Kopfstand oder im Trudeln. Du musst ganz viel rechtes Seitenruder geben.“ Nimmt man die Nase runter, ist entsprechend linkes Ruder gefragt. „It’s a busy rudder airplane“, grinst Lee, und ich fühle wieder eine Unruhe in der Magengegend. Erinnerungen an meine Spornrad-Einweisung steigen auf. Ich weiß noch sehr genau, wie oft mir die PA-18 trotz intensiver „Paddelarbeit“ ausgebüchst ist; und dieser kleine Mistzwerg wiegt nicht mal ein Fünftel dessen, was die P-51 auf die Waage bringt.

Doch Lee strahlt eine ungeheure Ruhe aus, die Sorte fröhlich-kompetenter Gelassenheit, die mich sofort Vertrauen fassen lässt. Mein Mut sinkt allerdings erneut, als wir mit Hilfe einer kleinen Modell-Mustang Manöver und Kunstflug-Figuren durchgehen: Wingover, Rolle, Fassrolle, Overhead Break und – Loop. Au weia. „Ich werde dich durch die Manöver durchsprechen“, startet er einen Versuch, mich zu beruhigen. „Du fliegst selbst und du wirst feststellen, dass das alles gar nicht dramatisch ist. Wenn etwas nicht okay ist, greife ich ein. Ich habe nicht vor, dir zu zeigen, was alles mit der P-51 möglich ist oder was für ein toller Pilot ich bin.“ Ich fühle diese Giftmischung aus ungeheurer Vorfreude und – sorry – Schiss.

Der Traum wird wahr: eine Mustang selber steuern

Als ich ins hintere Cockpit der Crazy Horse klettere, das mit frischen Ohrstöpseln, einer Flasche Wasser und einem Handtuch (Wofür das? Die denken doch nicht …?) ausgestattet ist, macht sich Verzagtheit breit. Atmen, Baby, benimm dich nicht wie ein Mädchen.

Lee übernimmt den Start; das ist das Einzige, was der Hintermann im Normalfall nicht selbst macht. Meine Augen kleben am Fahrtmesser: Rotieren bei 100 Knoten, und die Erde ist uns los. Bereits im Gegenanflug sind wir auf 3000 Fuß. Ungläubig blicke ich nach unten. »You have it«, höre ich über Funk. Oh Sh…t! Dann mal los.

Obwohl ich glaube, im Horizontalflug zu sein, steige ich noch immer mit etwa 1000 Fuß. Mir fällt der Tipp von Eric ein, den er dem Kunden vor mir gegeben hat: „Wenn du oben nur die Nase herunternimmst, sodass die seitliche Horizontlinie gerade erscheint, steigt sie je nach Powersetting immer noch mit bis zu 1500 Fuß pro Minute. Stell dir daher eine imaginäre Bierdose zwischen Horizont und hinterem unterem Haubenrand vor, dann fliegst du geradeaus. Das sieht aus wie Sinkflug, daran muss man sich erst gewöhnen.“ Stimmt, selbst von hinten sieht es aus, als befänden wir uns im Landeanflug. Der Horizont vor mir hängt viel höher, als ich es aus anderen Flugzeugen gewöhnt bin.

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Ich beginne mit Kurven nach rechts und links. Die Performance dieses Flugzeugs ist unglaublich. Und obwohl mir der Fahrtmesser verrät, dass wir mit 270 Knoten unterwegs sind und fast 90 Grad bank fliegen, ist alles so – sanft. Mein Beruf hat mir ermöglicht, mit einigen Kunstflug-Größen mitzufliegen, und ich war stets fasziniert von dem, was mit einem Flugzeug machbar ist. Doch ich weiß noch genau, dass mir in einer Pittts S2-S oder Christen Eagle alle Manöver hart und irgendwie kantig erschienen, die Figuren gerissen, die Bewegungen aggressiv. Und nach der Landung war mir schlecht.

Rassig und wendig: die P-51 bringt Spaß

Ganz anders in der Mustang. Für den ersten Wingover meines Lebens nehme ich die Nase herunter, um Fahrt aufzuholen, ziehe dann den Knüppel beherzt nach hinten, und als wir steil in der Luft zu stehen scheinen, latsche ich anweisungsgemäß voll ins linke Seitenruder. Die Welt steht erst still, dann kopf, und zwischendurch dreht sich die Horizontlinie irgendwie verkehrtherum. Doch es sind weiche Bewegungen; sie erscheinen mir – bei allem „Luftschlacht-Feeling“ – anmutig. Ohne Lees Anweisungen hätte ich zwar völlig die Orientierung verloren und vor Schreck sicher wild am Knüppel gerissen. Doch mit diesem beruhigenden „You’re doin’ good“ im Kopfhörer fühle ich mich ausgesprochen sicher.
Dann kommt sie, die erste selbstgeflogene Rolle. Lee spricht mich durch: „Nase runter, noch ein bisschen … ausleveln und … jetzt den Stick voll nach links!“ Weich rollen wir um die Längsachse, ich spüre keinerlei g-Belastung, nicht mal ein In-den-Gurten-Hängen. „Und das hab ich getan?“ frage ich Lee ungläubig, als wir wieder geradeaus fliegen. „Ja, hat’s dir gefallen?“ Oh ja. „Darf ich nochmal?“ Ich darf, und diesmal geht’s rechts herum. Dabei ist auf halber Strecke ein wenig rechtes Pedal gefragt, das ist der einzige Unterschied.

Kunstflug im Warbird – was für ein Abenteuer

Mit jeder Figur werde ich mutiger. Keine Spur mehr von weichen Knien, die ich vor gerade mal 15 Minuten noch hatte. Fassrolle? Kein Problem. Overhead Break? Cool! Dann ist der Loop dran, und das ist die einzige Figur, bei der ich eine g-Belastung bewusst wahrnehme. Viel zu früh habe ich den Drang, den Knüppel endlich wieder nach vorn zu lassen. Lee scheint das zu spüren: „Noch nicht … noch ein bisschen ziehen … nein, noch immer nicht … jetzt langsam nachlassen.“ Ich schaue nach oben, was jetzt unten ist, und sehe zu, wie sich die Welt langsam wieder in die richtige Position schiebt. Genau das ist es: Ich habe das Gefühl, dass die Erde sich überschlägt, nicht wir. Vielleicht, weil ich noch immer nicht recht glauben kann, dass ich das alles selbst fliege.

Das ist die Firmenphilosophie von Stallion 51 – und gleichzeitig das Geheimnis gegen Übelkeit: »Lass die Leute selbst durch die Figuren reiten, dann wird ihnen auch nicht schlecht«, erklärt Lee.
Der 58-Jährige sieht seine Lebensaufgabe darin, Mustang zu fliegen und diesen Spaß mit anderen zu teilen. „Meine Mission: P-51. Ich hab wirklich einen Sauspaß mit diesem Flugzeug und damit, andere daran teilhaben zu lassen.“

Der Weg dahin war lang genug: Lee, Sohn eines Navy-Fliegers, wollte nichts sehnlicher als Fighter-Pilot werden. Er scheiterte an der Sehkraft. Lauderback wählte den zivilen Weg. Er hält alle Lizenzen bis zum ATPL. Doch die P-51 ließ ihn nicht los. „15 Jahre lang hab ich nach einer Möglichkeit gesucht, Mustang fliegen zu können.“ Als die Navy die Anfrage für ein Piston-Fighter-Training landesweit ausschrieb, reagierte Lee sofort. Das war 1987 und die Geburtsstunde von Stallion 51.

Ein weiteres Rufzeichen steht jetzt in meinem Flugbuch: N-351DT. Darunter, unter Muster: P-51. Und in der „Bemerkungen/Remarks“- Spalte würde ich gern eintragen: Ich würde es wieder tun.

Text: Claudia Stock, Fotos: Claudia Stock, John Lauderback,
fliegermagazin 01/2009

Technische Daten
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