Mehrmotoriges Flugzeug

L-42M von Aviatech

Für seinen Sommerurlaub in Russland wollte Markus Rikl im Internet eigentlich nur nachsehen, wo es interessante Luftfahrt-Museen gibt.

Von Redaktion
L-42M von Aviatech
Gute Figur: Das alles andere als plump aussehende Amphibium wird von zwei Rotax-Motoren mit jeweils 100 PS angetrieben

Für seinen Sommerurlaub in Russland wollte Markus Rikl im Internet eigentlich nur nachsehen, wo es interessante Luftfahrt-Museen gibt. Gefunden hat er ein überaus interessantes Wasserflugzeug

Im Tiefflug über die Wolga

Samara – kein Ort, den man im Reisekatalog aus einer Laune heraus suchen (und finden) würde. Auch die Geschichte der heute sechstgrößten Stadt Russlands liest sich nicht gerade so, als müsste man unbedingt hier die Sommerferien verbringen. Es sei denn, man hat in der Gegend Familienbande und ein großes Interesse an der Luftfahrt so wie ich.

Vielseitig: Stützschwimmer und Spornradfahrwerk sind auf den Einsatz zu Wasser und an Land zugeschnitten

Während des Zweiten Weltkriegs wurden die großen Rüstungsschmieden der Sowjetunion nach Samara verlagert; die Stadt hieß damals und bis 1990 noch Kuibyschew. Unter anderem liefen hier die Schlachtflugzeuge vom Typ IL-2 zu Tausenden vom Band. Bis zum Ende der UdSSR war Samara eine so genannte „geschlossene Stadt“– Ausländer hatten keinen Zutritt. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.

Die historische Stadt Samara

Noch immer ist die Luft- und Raumfahrtindustrie in der Stadt stark, Samara hat sich mittlerweile aber auch zu einem kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum entwickelt. Als ich mit meiner Frau unseren Aufenthalt plante und im Internet nach Luftfahrt-Clubs und -Museen suchte, stieß ich auf die L-42M, ein amphibisches Wasserflugzeug. Die zweimotorige Maschine hat mir sofort gefallen, vor allem wegen des sehr schönen Designs und des V-Leitwerks. Dank der Hilfe meines Schwiegervaters bekamen wir Kontakt zum Besitzer einer solchen Maschine, und einige Telefonate später hatten wir sogar einen Mitflug in der L-42M abgemacht! Jetzt mussten wir nur noch hin.

Einfache Sache: Zwischen dem V-Leitwerk geht man auf dem Rumpfrücken zur Einstiegsluke

Der erste Kontakt mit Konstrukteur und Flugzeug

Schließlich ist der Tag gekommen: Wir sind am Ufer der Wolga und setzen mit einem kleinen Motorboot über zum Flugzeug, das an einer Boje festgemacht ist. Doch von unserem Piloten keine Spur! Verwundert stellen wir nach einem Handytelefonat fest, dass wir offenbar die falsche Maschine im Blick hatten, „unsere“L-42 liegt woanders. Nach der kleinen Verzögerung erreichen wir die richtige Stelle; ein Mechaniker schraubt bereits an den Rotax-Motoren und macht die Flugvorbereitung. Da ich der russischen Sprache nicht mächtig bin, verstehe ich leider nicht alles, was mein Schwiegervater und der Besitzer der L-42M sprechen.

„Erst bei Tee und Gebäck merke ich, dass ich mit den Konstrukteuren selbst spreche«

Markus Rikl

Im Sommer ist es in Samara sehr heiß, wir haben 40 Grad, und so werden wir erst zu einem schattigen Pavillon geführt, und ganz nach russischer Gastfreundschaft zu Tee und Gebäck eingeladen. Im Laufe der Zeit erfahre ich dann, mit wem ich da am Tisch sitze: Chefkonstrukteur Alexej Annenkov und Firmeninhaber und Chefpilot Matvej Chelochkov. Matvej versucht, mir die L-42M etwas näher zu erläutern, und ich verstehe, dass die beiden ihr Flugzeug auch im Westen vermarkten wollen. Auf der AERO in Friedrichshafen waren sie offenbar auch schon mal, konnten aber wegen der Sprachprobleme keine Kontakte knüpfen.

Die Reise beginnt

Zwischenzeitlich landet eine weitere L-42M in der Nähe unserer Bucht: Alexej geht an Bord und verabschiedet sich zu einem Geschäftstermin. Die beiden Rotax-Motoren mit den Dreiblattpropellern erzeugen einen verblüffend schönen Sound, als das Flugboot abhebt.

Wasserspiele: Durch das Quietsch-Grün wirkt diese L-42 fast wie ein Flugzeugmodell

Gegen Mittag ist es dann endlich soweit, Matvej bittet uns, meinen Sohn Björn, die Cousine meiner Frau, Olga, und mich an Bord. Wie vermutet, besteigen wir das Flugzeug am Heck zwischen dem V-Leitwerk. Dann laufen wir auf dem Rumpfrücken nach vorn zu einem großen Klappdeckel, durch den man auch größere Gepäckstücke bekommt. Headsets auf, und schon beginnt das Abenteuer L-42M; am Steuer Matvej, der Chef persönlich. Nach dem Anlassen der Motoren schippern wir zur Startstrecke. Der Pilot, nur mit Badehose bekleidet, schiebt die Leistungshebel nach vorne, und die L-42M nimmt rasch Geschwindigkeit auf. Nach kurzer Anlaufstrecke heben wir von der Wolga ab und steigen in den blauen Himmel über Samara.

Der Pilot zeigt was die L-42M drauf hat

Matvej zeigt uns das Leistungsspektrum der L-42M, inklusive eines simulierten Angriffs auf einen Fischkutter. Offenbar ist das in Russland alles etwas lockerer … Die L-42M liegt ruhig in der Luft, und man hat durch die große Verglasung eine sehr gute Sicht nach draußen. Mein Sohn tippt Matvej auf die Schulter und macht mit der Hand eine Wellenbewegung. Der Russe versteht und setzt das gleich um: eine Achterbahn der Lüfte, mein Sohn ist begeistert.

Schaltzentrale: Das Cockpit wirkt professionell – keine Spur von Gebastel

Wir fliegen an der Skyline von Samara entlang und machen noch einen Tiefflug über einen Badestrand, an dem ich zwei Tage zuvor die L-42M das erste Mal  in der Luft gesehen habe. Anschließend geht es wieder zurück zur Bucht. Wir landen sehr weich. Als letzte Demonstration, wie praktisch ein Wasserflugzeug an heißen Sommertagen ist, springt Matvey nach dem Anlegen in die kühlen Fluten.
Die L-42M ist laut Matvej und Alexej ausgereift; sie fliegt bereits in ganz Russland, unter anderem beim nationalen Katastrophenschutz. Die beiden suchen mit ihrer Firma Aviatech nun Kundschaft im Westen, und sie möchten das Flugzeug auch dort zulassen. Die Luftfahrtingenieure haben bereits Pläne für eine weitere Maschine in der Schublade: ebenfalls eine viersitzige Zweimot, allerdings mit Druckpropellern.
Mit unserem Tiefflug über den Badestrand haben wir übrigens für großes Aufsehen gesorgt: Einige der Badegäste erschraken und wollten wissen, was los sei. So haben wir es ohne Absicht bis in die regioAbendnachrichten von Samara geschafft.

Klappe auf: An Land kommt man auch über die seitlichen Trittstufen auf die hinteren Plätze

Text: Markus Rikl, Fotos: Markus Rikl, Aviatech fliegermagazin 04/2012

Technische Daten
Aviatech L-42M
  • Aviatech
  • 14 m
  • 8,90 m
  • 2,60m
  • 700 kg
  • 1300 kg
  • 2 x Rotax 912 LS/100 PS
  • 200 m
  • 150 m
  • 4000 m
  • 1100 – 1 600 km
  • ca. 300 000 Euro
Schlagwörter
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