Kitplane-Reportage: Smith Miniplane
Ein Flugzwerg zum Liebhaben: Das Smith Miniplane ist ein Schmuckstück aus dem Hobbykeller. In der Luft ein pflegeleichter Doppeldecker, kann das Experimental auf holprigen Pisten durchaus zum Teufelchen werden
Enthusiasten sind Menschen, die Dinge um ihrer selbst willen tun. Ihr Motor ist Leidenschaft oder Schwärmerei. Frank W. Smith war ein Schwärmer, der es nicht beim Träumen beließ, sondern seine Ideen umsetzte. Ein preiswertes kleines Flugzeug wollte er bauen, für jedermann erschwinglich sozusagen. Erste Entwürfe habe der Amerikaner mit Kreide auf seinen Garagenboden im kalifornischen Städtchen Fullerton gemalt, sagt man. Das muss irgendwann in den fünfziger Jahren gewesen sein. Smith liebte Doppeldecker; wegen der niedrigen Flächenbelastung trotz geringer Spannweite und hoher Stabilität. Holz für die Flügel, Stahlrohr für den Rumpf und das Leitwerk – das war am billigsten und einfachsten. Beide Flügel rechteckig, weder Schränkung noch Pfeilung, schnurgeradeaus eben, mit Clark Y- Profil, mit gerader Unterseite also und daher einfach zu bauen. Den oberen machte man natürlich durchgehend, und zwar ohne Ruderflächen. Nur die unteren Flügel bekamen Querruder.
Solche simplen Flächen konnte man beinahe am Küchentisch basteln. Ach ja, basteln sollten die Jungs schon selbst, denn der Meister lieferte nur Pläne – damals für lächerliche 35 Dollar. Eher eine kleine Bauanleitung war das, wo alles drin stand, was man wissen musste und benötigte. Phantasie des Erbauers war also durchaus gefragt. 1956 startete Smith zum Erstflug, der problemlos verlief. Der Hobby-Konstrukteur hatte dem kleinen Flieger, für den sich bald der Name Miniplane einbürgerte, etwas mehr als fünf Meter Spannweite spendiert und die Leermasse dank des 85- PS-Continental-Vierzylinders auf unter 300 Kilo gehalten. Kurze Zeit später starb Smith an Herzversagen und konnte nicht mehr miterleben, wie begeistert sein Miniplane in der Selbstbauer-Gemeinde aufgenommen wurde. Noch heute existieren mehrere hundert Miniplanes verstreut über ganz Amerika.
So simpel, dass man es fast am Küchentisch zusammenbauen kann
Eins davon hat eine Bleibe auf dem Flughafen des Kleinstädtchens Scappoose in Oregon, nördlich von Portland unweit des mächtigen Columbia River gefunden. Dorthin verschlug es Ende der neunziger Jahre den Ingenieur Gerhard Paasche. Sein heutiger Chef, Inhaber der Firma Oregon Aero Inc., hatte den Westfalen damals beim Sun’n Fun-Meeting sowie in Oshkosh kennengelernt und ihn flugs nach Amerika gelockt. „Ich hatte bereits in Deutschland einem Freund beim Aufbau seiner Skybolt geholfen, war also Doppeldecker-infiziert„, erzählt der flugbegeisterte Ingenieur, der inzwischen mehr als 1100 Stunden auf verschiedenen Mustern auf dem Buckel hat. Wie es der glückliche Zufall wollte, lernte Paasche im Umfeld seines Arbeitgebers, der am Rande des Scappoose Airport angesiedelt ist, bald Leute kennen, die seine Vorliebe für Biplanes teilten. „Ich kannte den Vogel bis dahin nur vom Hörensagen und von Fotos.“ Das genügte für einen tiefen Blick ins Portemonnaie, als ihm ein schönes Exemplar offeriert wurde.
„Der Erstbesitzer aus Washington DC hatte den Vogel 1984 fertig gestellt. Er verbrachte 350 Stunden damit in der Luft. Der zweite Besitzer, der mir die Kiste verkauft hat, flog weitere 50 Stunden.“ Die herrliche Gegend in Oregon und rund um Scappoose mit dem imposanten schneebedeckten Mount St. Helens in der Ferne lässt das Herz des Feierabend- Piloten höher schlagen: „Wenn ich nach Dienstschluss spazieren fliege, mache ich das, was die Amis ‚tree logging‘ nennen: Bäume fällen.“ Das ist natürlich nicht wörtlich zu verstehen. Die Gegend ist dünn besiedelt, und man fliegt hier halt gern mal knapp über der Grasnarbe. Oder fegt in ein paar Meter Höhe über die Wasserflächen der vielen Seitenarme des Columbia-Flusses. Einmal landete Paasche mit dem wendigen Flieger auf dem Gras Strip einer Flussinsel. „Ich habe mich dabei ein bisschen gedreht, konnte aber wieder starten.“
Paasche musste wie manch anderer Miniplane-Pilot erst lernen, dass der Taildragger mit dem ungefederten Fahrwerk wie ein Känguruh über den Boden hopst, wenn man ihn nicht ganz sanft aufsetzt. „Das Einzige, was federt, ist die Luft in den Reifen“, grinst der inzwischen zum Smith-Experten gereifte Westfale. In der Luft indes gibt sich das Biplane vollkommen handzahm. Die Abstimmung von Seiten- und Höhenruder ist gut, auf Querruder-Impulse reagiert der Flugzwerg etwas träger. „Mäßigen Kunstflug kann man machen“, sagt Paasche. Fassrollen zum Beispiel sind kein Thema. Loopings gehen auch, wobei der Vogel sich gern rausdrehe, wenn man zu langsam reingeht oder zu heftig am Höhenruder zieht. Die 85 PS reichen eben nicht immer ganz aus, um den Doppeldecker mit Schwung durchzuziehen. Und Stalls? Da benimmt sich das Smithsche Fliegerchen sehr, sehr brav. Gas raus, Knüppel in die Mitte und Korrekturen nur mit dem Seitenruder; der Vogel kippt bloß sanft über die Nase, sonst nichts.
„Unter Vollgas lässt sich das Miniplane in sicherer Höhe an die Latte hängen und bis auf 35 Meilen verlangsamen, ohne dabei Höhe zu verlieren“, schwärmt der Ingenieur. „Doch auch hier: nur vorsichtig mit dem Seitenruder agieren!“ Beim Landen auf Graspisten ohne viel Flugverkehr hat Paasche sich vom lehrbuchgemäßen Anflug verabschiedet. „Die Sicht nach vorne ist nicht besonders gut. Deswegen steuere ich aus dem Gegenanflug einfach eine Landekurve; so kann ich seitlich raus gut die Piste einsehen. Das Ganze mit einem bisschen Gas.“ Ansonsten seien auch Slips ein gutes Hilfsmittel, um die Piste im Auge zu behalten – wenn der Pilot den Seitengleitflug beherrscht. 75 Meilen pro Stunde im Anflug und 60 beim Aufsetzen, das würde passen, sagt Paasche. Ehe der Verkaufsingenieur jedoch seinem Feierabendvergnügen mit Begeisterung nachgehen konnte, musste er ein paar Dutzend Stunden in der Werkstatt verbringen.
Durchaus als Liebeserklärung gemeint: „Verflixtes kleines Fugzeug“
„Ich habe den Continental gründlich überholt, Zylinderköpfe, Ventile, Führungen, Nockenwelle, Kurbelwelle – was man so macht«, sagt der Smith-Fan. „Da fühlt man sich in dem Experimental einfach sicherer, wenn man weiß, dass es der Motor zuverlässig tut.“ Zum Glück hat der Erbauer, ein gewisser Paul Unrein, ein zusätzliches Fach hinter dem Cockpit eingebaut, welches ursprünglich nicht vorgesehen war. Da passen gut zehn Kilo Gepäck rein. „Im Sommer fliegen wir mit zwei, drei Biplanes gern mal zum Hamburger essen zu einem benachbarten Platz. Sozusagen mit ’ner kleinen Staffel.“ Vier Stunden und 450 Meilen Reichweite hat die Smith.
„Wir sind auch schon gemeinsam mit nur einem Tankstop nach Californien zu einem Biplane-Treff geflogen.“ Im Grunde komme man mit einer besseren Wiese aus, wenn sie nur schön eben sei. „Auf dem Boden benimmt sich das Miniplane wie ein kleiner Teufel“, spaßt Paasche. Und weiß sich mit dem verstorbenen Herrn Smith einig: In den Papieren trägt die Maschine den Namen „Smith DSA-1“ – Darned Small Airplane, verflixtes kleines Flugzeug. Das ist eine Art Liebeserklärung.
Text: Axel Westphal; Fotos: Cornelius Braun; fliegermagazin 7/2005
- 5,18 m (oben), 4,85 m (unten)
- 9,29 qm
- 4,72 m
- 1,68 m
- 285 kg
- 454 kg
- 75 Liter
- Continental C-85, Vierzylinder-Boxer, 85 PS
- McCauley 1,75 m
- 120 m
- 120 m
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