Beechcraft Bonanza gebraucht kaufen: Was gilt zu beachten?
Die Beechcraft Bonanza ist ein echter „Klassiker“: Seit mehr als 70 Jahren wird die Bonnie ohne Pause gebaut – länger als jedes andere Flugzeug. Unsere Ratgeber von 2010 verrät, worauf Sie beim Gebrauchtkauf achten müssen!
Das muss der Traum jedes Herstellers sein: 1947 ein Flugzeug herausbringen und es erfolgreich als die ideale Kolben-Einmot vermarkten. Und 2010 dasselbe, wenn auch weiterentwickelte Flugzeug immer noch verkaufen – immer noch in der Spitzenklasse.
Der Kleinflugzeugmarkt steckte noch mitten in der Ära von Spornrad-Designs und Rohrtuch-Fliegern, als Beechcraft Mitte der vierziger Jahre eine neue Klasse von Flugzeug erfand. Die moderne Reise-Einmot. Auf Geschwindigkeit optimiert, mit Einziehfahrwerk und versenkten Nieten, muss die Beechcraft Bonanza damals wie ein Besucher aus der Zukunft gewirkt haben. Selbst heute sieht eine Bonanza kein bisschen altmodisch aus, ihre fein abgestimmte Ruderansprache ist immer noch Maßstab, gleiches gilt für die Verarbeitung.
Beechcraft Bonanza gebraucht kaufen
Die Bonnie, wie sie in Deutschland meist liebevoll genannt wird, ist schnell, edel und solide. Sie gilt als eine Art Mercedes unter den Kleinflugzeugen.
Eine Baugeschichte von mehr als sechzig Jahren bedeutet, dass es eine Fülle von Modellvarianten gibt (siehe Tabelle unten) – und ein gutes Angebot auf dem Gebrauchtmarkt.
Bei der Markteinführung 1947 revolutionär war das „Schmetterlings-Leitwerk“, wie der V-Tail damals genannt wurde. Man erhoffte sich einen geringeren Luftwiderstand ebenso wie eine Gewichtsersparnis. Die Strukturprobleme wurden unterschätzt, sind aber inzwischen unter Kontrolle.
Der Flugzeugmarkt gab damals Zahlen her, die mittlerweile kaum mehr vorstellbar sind. Schon vom ersten „Model 35“ baute Beechcraft 1500 Maschinen. Sie sind heute höchstens als Oldtimer zu empfehlen, weil ihnen die vielen Verbesserungen und Strukturverstärkungen der Nachfolgemodelle fehlen.
Doch das grundlegende Design stand fest. Die Bonanza hat eine einzelne Tür auf der rechten Seite, dazu ebenfalls rechts eine relativ große Tür zum Gepäckraum. Erst bei der sechssitzigen Modellreihe 36 wurde sie durch eine Doppeltür für die Passagiere ersetzt.
Fahrwerk wird ohne Hydraulik von einem Elektromotor bewegt
Das Fahrwerk wird ohne Hydraulik von einem Elektromotor und einem Gestänge bewegt. Das Panel hatte anfangs einen ganz besonderen Art-Deco-Look, wozu der aufwändig verzierte Block mit den Motorinstrumenten ebenso beitrug wie die in eine Zierleiste integrierten Riesenschalter, die in den USA schnell den Spitznamen „piano keyboard“ weg hatten.
Eine Besonderheit war der „Throw Over Yoke“. Von der Steuerstange in der Mitte des Panels ragte ein einzelnes Steuerhorn an einem Ausleger bis vor den Pilotensitz, ließ sich aber auf die andere Seite zum Co hinüber schwenken. Das später eingeführte Doppelsteuer resultierte in einem schweren Metallbalken, der über die gesamte Breite des Cockpits den Blick auf Instrumente und Schalter erschwert.
Beech machte es sich zur Gewohnheit, jedes Jahr eine neue Modellvariante der „35“ herauszubringen, gekennzeichnet durch alphabetisch fortlaufend, aber nicht immer durchgängig verwendete Buchstaben.
Bis zum Jahr 1956 sprechen Experten von der ersten Generation der Bonanza. Ab 1957 wurde dann in der zweiten Generation ein hydraulischer Constant-Speed-Prop verbaut, ein Jahr später der Einspritzmotor Continental IO-470 mit anfangs 240 PS.
Bonnie: ein Flugzeug mit Six-Pack
1962 verabschiedete sich Beech von der eher zufälligen Verteilung der Instrumente im Panel und führte die moderne „Six-Pack“-Anordnung mit dem Avionik-Block rechts vom Piloten ein. Anders als alle anderen Hersteller ordnete Beech aber bis 1984 den Fahrwerkshebel rechts von den Motorhebeln an, die Einstellung der Landeklappen aber links davon. Diese Besonderheit mag zur relativ hohen Zahl von „Gear-up“-Vorfällen bei der Bonnie beitragen.
1964 begann dann das Leben der dritten und letzten V-Leitwerks-Generation, die mit wenigen Änderungen bis 1982 gebaut wurde. Zwei wesentliche Neuerungen gab es. Der Continental IO-520 mit 285 PS wurde Standard, die Kabine vergrößerte man durch Zurückverlegung der Hinterwand um 48 Zentimeter.
Grundproblem der 35: Maschine tendiert zur Hecklastigkeit
Beech bot dazu eine dritte Sitzbank an, doch diese machte ein Grundproblem der 35 überdeutlich: Die Maschine tendiert zur Hecklastigkeit. Die dritte Sitzreihe lässt sich allenfalls mit Kindern füllen, oft wird sie ausgebaut. Erschwerend wirkt hierbei die Lage der Flügeltanks vor dem Schwerpunkt: Je mehr sie sich im Flug leeren, desto mehr wandert der Schwerpunkt nach hinten. Ob dabei die hintere Grenze überschritten wird, müssen Bonanza-Piloten während der Flugvorbereitung sorgfältig berechnen.
Eine weitere Marotte der V-Leitwerk-Modelle ist der „Bonanza Boogie“. Besonders in Turbulenzen neigt das Heck zu einer Schaukelschwingung, die die Mägen empfindlicher Passagiere belastet. Nachrüstbare Autopiloten mit Gierdämpfer (Yaw Damper) sind eine sinnvolle Investition.
Ende der fünfziger Jahre hatte sich die Bonanza zwar als edles, aber auch als teures Flugzeug etabliert. Die Konkurrenz der preiswerteren Modelle von Piper (Comanche) und Cessna (210) war deutlich zu spüren. Also machte Beech ab 1959 den Versuch, eine Art Billig-Bonanza mit wesentlich abgespeckter Ausstattung zu vermarkten. Das Flugzeug mit der Modellnummer 33 bekam einen neuen Namen und ein anderes Heck: Die Debonair hatte ein konventionelles Leitwerk.
Die Beech Bonanza erfuhr mehrfache Modifikationen
Doch das Konzept ging nicht wirklich auf. „Billig“ war nicht das, was die Kunden von Beechcraft erwarteten. Immer mehr Features der V-Tail wurden für die „33“ übernommen, die ab 1968 ebenfalls Bonanza hieß. Bis 1994 wurde das 1971 eingeführte Modell F33A gebaut; es ist in Deutschland wegen der Nutzung als Lufthansa-Basistrainer sehr bekannt. Die „33“ behielt die Schwerpunktprobleme der „35“, ihr Flugverhalten ist allerdings ruhiger.
1968 verlängerte Beech den Rumpf der „33“ um 25 Zentimeter; der Schwerpunkt rückte dadurch deutlich nach vorne. In der größeren Kabine dieses Modells 36 finden tatsächlich sechs Personen Platz, hinten können die Sitze in Clubanordnung eingebaut werden. Eine große Doppeltür erlaubt dort den bequemen Einstieg. Die „36“ wird bis heute gebaut, inzwischen weist die Bezeichnung G36 auf das Garmin-Glascockpit hin.
Die European Bonanza Society unterstützt Halter bei der Pflege ihrer Bonnie
Viele Modifikationen erlauben es, ältere Bonnies mit Merkmalen jüngerer Modelle auszustatten, etwa einer einteiligen Frontscheibe oder stärkeren Motoren. Darüber hinaus sind weitere Nachrüstungen beliebt, etwa der Einbau von Turboladern oder Tiptanks an den Flügelspitzen, die eine Erhöhung der MTOM mit sich bringen. Die „36“ lässt sich auch mit einem Turboprop-Triebwerk ausstatten, was allerdings wegen der fehlenden Druckkabine begrenzten Wert hat. Ersatzteile auch für ältere Bonanzas sind problemlos zu bekommen, oft haben sie allerdings eher hohe Preise. Hervorragend ist die Unterstützung von Haltern durch den Typenclub European Bonanza Society (www.beech-bonanza.org).
Die jeweils letzten Modelle der „kleinen“ Beechcraft Bonanza, V35B und F33A, sind mit 160 bis 170 Knoten bei 50 Litern Verbrauch pro Stunde exzellente Reisemaschinen für vier Personen. Wenn’s ins Nutzungsprofil passt, gilt das noch mehr für die Varianten mit Turboaufladung ab Werk, die bis zu 190 Knoten erreichen. Wie solide die Bauweise ist, zeigt etwa eine „Gear Extension Speed“ von 154 Knoten. Aber auch ältere Bonnies sind attraktive Gebrauchtflugzeuge. Und das große Modell 36 bietet bis zu sechs Personen bequemen Langstreckenkomfort, wie ihn sich die Beech-Ingenieure 1947 wohl auch nicht hätten vorstellen können.
Problemzone V-Leitwerk
Das Heck der Bonanza war aerodynamisch revolutionär – und brachte Ärger: Zwischen 1947 und 1984 gab es extrem viele Luftzerleger. Bei 232 Bonanzas versagte die Struktur im Flug, mehr als 500 Menschen kamen ums Leben. Dabei waren Modelle mit V-Leitwerk sehr viel öfter betroffen als Bonnies mit konventionellem Heck.
Mitte der achtziger Jahre erprobte Beechcraft das Flugzeug erneut im Windkanal und bei Flugversuchen. Es ergab sich, dass die Konstruktion in einem sehr engen Betriebsbereich nicht die Zulassungsanforderungen erfüllte. Die Unfälle ereigneten sich oft, wenn der Pilot in eine ungewöhnliche Fluglage oder einen Spiralsturz geraten war und dann beim Abfangen in diesen kritischen Bereich kam. Beech entwickelte einen Verstärkungs-Kit, der an der Vorderkante der Flossenwurzel angebracht wird – inzwischen sollten alle V-Tails damit ausgestattet worden sein; Strukturversagen ist in der Unfallstatistik kein auffälliges Problem mehr.
Das V-Leitwerk bleibt dennoch anfällig gegen Flattern, wenn es nicht genau nach Vorschrift gewartet wird. Das kann Wellen in der Außenhaut oder Risse in der Heckstruktur verursachen. Kritisch ist inbesondere das präzise Ausbalancieren der Steuerflächen, etwa nach Lackierarbeiten, sowie die Steuerseil-Spannung.
Zuerst erschienen im fliegermagazin 01/2010
- Beech Aircraft Corporation (heute Textron Aviation)
- 10,21 m
- 16,82 qm
- 8,13 m
- 2,51 m
- 1542 kg
- 4-5
- 281 l
- Continental IO-520 / 285 PS
- McCauley, 2- oder 3-Blatt, constant speed
- 57 l
- 52 KIAS
- 64 KIAS
- 154 / 123 KIAS
- 154 KIAS
- 172 KTAS @75 %, 6000 ft, ISA
- 154 KIAS
- 134 KIAS
- 196 KIAS
- 167 KIAS
- 77 KIAS
- 96 KIAS
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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