Fouga CM.170R Magister als Privatflugzeug
Wie betreibt man einen Militärjet vom Typ Fouga Magister als Privatflugzeug? Gegen jede Vernunft, aber mit viel Begeisterung!
Werner Butzkies und Michael Stark sind verrückt genug, so ein Projekt in Paderborn zu betreiben: Sie fliegen die Fouga Magister, einen früheren französischen Militär-Trainer. „Es hat schon Vorteile, wenn man weit entfernt vom Flugplatz wohnt. Sonst würde ich viel zu oft fliegen“, sagt Werner Butzkies, der von seinem Wohnort Ahaus an der niederländischen Grenze bis zum Flughafen Paderborn knapp zwei Stunden fährt.
Es ist ja nicht so, dass er etwas gegen regelmäßiges Fliegen hätte. Die lange Anfahrt ist vor allem für sein Konto ein gesundes Hindernis. Denn das, was Butzkies zusammen mit Michael „Oggi“ Stark dort im Hangar stehen hat, ist bestens dazu geeignet, schon im etwas ausgedehnten Platzrundenbetrieb innerhalb kürzester Zeit ein ordentliches Monatsgehalt an Sprit umzusetzen. Genauer gesagt: in Kerosin. Den beiden gehört die Fouga CM.170R Magister mit der Seriennummer 079 – ein zweistrahliger Militärtrainer. Wie bitte? Ein Kampfjet als Privatflugzeug? Wie kommt man dazu? Die Antwort ist wenig sachlich und fernab jeglicher Vernunft: Weil’s cool ist! Und weil sich die Gelegenheit dazu ergab.
Sicher, fliegerisch völlig unvorbelastet sind die beiden nicht. Der eine, Butzkies, ist Berufspilot für Condor und zählt zu den wenigen Auserwählten, die den dreimotorigen Klassiker Ju 52 der Lufthansa-Stiftung fliegen dürfen. Der andere, Michael „Oggi“ Stark, blickt auf eine Karriere als Bundeswehr-Fluglehrer auf dem Kampflugzeug Tornado zurück. Allerdings kann man nicht behaupten, dass Butzkies und Stark auf Erfahrung in Besitz und Halterschaft historischer Luftfahrzeuge verweisen können. Für beide ist die Fouga der erste eigene Oldtimer. Doch als sie erfuhren, dass der Klassiker zum Verkauf stand, konnten sie einfach nicht widerstehen.
Ein Kampfjet mit Historie
Die Fouga Magister mit der Seriennummer 079 hatte bereits ein bewegtes Leben hinter sich, bevor Stark und Butzkies ihr im Hangar des in Paderborn ansässigen Quax-Vereins zur Förderung von historischem Fluggerät eine neue Heimat gaben. Produziert wurde sie im Fouga-Stammwerk Toulouse für die deutsche Luftwaffe. Bundeswehrpiloten sammelten seit den frühen sechziger Jahren auf dem Trainer erste Jeterfahrung. Nachdem das Flugzeug zwischenzeitlich auch bei den Marinefliegern im Einsatz war, diente es in der Lehrwerkstatt der Bundeswehr in Manching als Schnittmodell, und keiner hätte wohl gedacht, dass der Jet je wieder in die Luft kommen würde.
Wäre da nicht Claus Colling gewesen. Warbird-Fans ist er als Chef der Gammelsdorfer Flug Werk GmbH bekannt. Mit diesem Unternehmen fertigte der Airline-Kapitän, LTU-Flottenchef und Sachverständige des Luftfahrt-Bundesamts den Weltkriegsjäger Focke-Wulf 190 in einer Kleinserie originalgetreu nach. Colling erwarb die Fouga Magister, restaurierte sie in 4000 Arbeitsstunden perfekt und betrieb sie rund zwei Jahrzehnte lang auf Flugshows. Noch heute erinnert der vom Fahrtwind ein wenig angeschliffene Schriftzug „Der Phoenix von Manching“ an die Auferstehung der Fouga. Das Kennzeichen der zweimotorigen Magister, D-IFCC, beinhaltet immer noch die Initialen des Restaurators. Als Colling die Maschine zum Verkauf anbot, erwarb sie Oggi Stark mit drei weiteren Enthusiasten ursprünglich als Prunkstück für ein fliegendes Museum. Das sollte am ehemaligen Heeresfliegerhorst Mendig entstehen, die Fouga war bereits dorthin überführt worden. Doch das Projekt scheiterte 2014 am Zustandekommen eines langfristigen Hangar-Mietvertrags. Stark zahlte die Miteigner aus und holte die Maschine nach Paderborn, wo er Mitglied im Quax-Verein ist. Und er holte Butzkies mit ins Boot.
Wer Jet fliegen will, braucht eineMusterberechtigung
Doch wer Jet fliegen will, braucht einen Eintrag in der Pilotenlizenz: die Musterberechtigung. So machten die beiden Berufspiloten Stark und Butzkies ihr erstes privates Type Rating für einen Turbinenjet. Verkäufer Colling hatte ihnen zu diesem Zweck Marc Frattini vermitelt. Der ist Testpilot bei der Verteidigungssparte des Flugzeugbauers Airbus und zog mit den beiden Jetbesitzern ein siebenstündiges Flugtraining durch. Dass Prüfer Frattini dabei deutlich tiefer als gefordert in die Materie einstieg, empfand Butzkies im Nachhinein als „gar nicht so schlecht.“ Geholfen haben die umfangreichen technischen Unterlagen, die die beiden mit dem Jet erworben haben. Die „Bibel“ stammt von einem Techniker, der in den sechziger Jahren die Wartung an dem Flugzeug durchgeführt hatte. „Das ist eine sehr gut aufgebaute Dokumentation“, so Butzkies. Denn Systemkenntnis ist unabdingbar, will man einen über fünfzig Jahre alten Jet sicher in die Luft bringen. Für Wartung und Instandsetzung werden die Halter von einem Techniker unterstützt, der früher bei der belgischen Luftwaffe an dem zweistrahligen Trainer geschraubt hat.
Die Fouga ist sehr wartungsaufwändig
So einen Experten zur Seite zu haben ist mehr als hilfreich beim Betrieb eines ehemaligen Militärflugzeugs, denn der Wartungsaufwand für den Jet ist erheblich: Bei hundert Flugstunden jährlich sind ebensoviele für die Maintenance keineswegs unüblich. Seinerzeit, als die Fouga noch militärisch genutzt wurde, waren die für den Betrieb notwendigen Mannstunden für die Luftwaffe kein wirklicher Kostenfaktor. Dabei war die Fouga Magister für eine Militärmaschine schon einfach aufgebaut. Sie war das erste Schulflugzeug der Luftwaffe, das extra für diesen Zweck konstruiert und nicht aus einem Kampfjet abgeleitet war.
Der erste Entwurf der beiden Flugzeugentwickler Robert Castello und Pierre Mauboussin – daher das Kürzel CM in der Typenbezeichnung – aus dem Jahr 1948 hatte sich noch zu schwach erwiesen, um als Nachfolger für die Propellertrainer der damaligen Luftwaffe geeignet zu sein.
Der französische Hersteller vergrößerte daraufhin die Konstruktion und verpasste ihr gleich zwei der Turbomeca-Marboré-Triebwerke. Einer der ersten ausländischen Kunden war die deutsche Luftwaffe, die zunächst 62 Exemplare für die Ausbildung ihrer Piloten bestellte.
Die Fouga zu fliegen ist ein Teamsport
Wenn Butzkies und Stark fliegen gehen wollen, funktioniert das nicht ohne Unterstützung. Schon fürs Aushallen des leer mehr als zwei Tonnen schweren Jets braucht es mehrere starke Hände. Auch fürs Anlassen ist eine kleine Bodenmannschaft notwendig. Das Flughandbuch schreibt verpflichtend einen Helfer vor, der beim Starten der Triebwerke mit einem Feuerlöscher bereitsteht. Ein zweiter Helfer ist für das An- und Abstecken der Stromversorgung zuständig – die „Ground Power“ ist bei der Fouga obligatorisch.
Damals, bei der Bundeswehr, wurde das Bodenpersonal per Befehl abkommandiert. Heute, auf dem Vorfeld des Paderborner Quax-Hangars, brauchen sich Stark und Butzkies um Freiwillige keine Sorgen zu machen: Dazu ist ein Verein schließlich da. Eine Unterstützerin ist Susi Schönfeld, die Frau von Fouga-Pilot Oggi. Sie ist auf die Neuanschaffung ihres Mannes kein bisschen eifersüchtig. Im Gegenteil, auch sie findet den Flieger ihres Gatten „megageil“. Und nimmt es deshalb hin, wenn Oggi nach einem Tag Schrauben im Hangar wieder einmal streng nach Kerosin riechend nach Hause kommt.
Die Fouga trägt den Spitznamen Whistling Turtle
Beim Startlauf wird klar, warum der zweistrahlige Jet in Belgien den Spitznamen „Whistling Turtle“, also Pfeifende Schildkröte trägt: Mit 22 600 Umdrehungen pro Minute drehen sich die einstufigen Verdichter der beiden Marboré-Turbinen, das sorgt für den unverkennbaren, schrillen Pfeifton der Magister. Durch das kurzbeinige Fahrwerk beschleunigt der Jet knapp über den Asphalt der Startbahn geduckt auf die Abhebegeschwindigkeit von 110 Knoten. Dem Piloten kommt es aus der Schildkrötenperspektive jedoch deutlich schneller vor. Als Schulflugzeug ist die Fouga – für einen Jet – durchaus gutmütig: Der Strömungsabriss erfolgt bei 78 Knoten und kündigt sich durch deutliches Schütteln an. Ein Beschleunigungsbegrenzer verhindert die Fehlbedienung der Triebwerke: Die beiden Schubhebel können beliebig schnell nach vorne geschoben werden, die Drehzahl erhöht sich dennoch sanft. Bei niedrigen Geschwindigkeiten und geringen Höhen kann es allerdings bis zu zehn Sekunden dauern, bis die Turbinenräder beschleunigt haben und die Motoren dem Leistungswunsch des Piloten gefolgt sind.
Die Fouga hat einen hohen Sprittverbrauch
Alles andere geschieht dagegen ein bisschen schneller als bei den Flugzeugen, die der durchschnittliche Privatpilot gewöhnlich kennt: In den Gegenanflug fliegt die Magister mit 140 Knoten ein. Bei dieser Speed können auch die Räder ausgefahren werden. Ab 130 Knoten verlangt das Handbuch, die hydraulisch angetriebenen Landeklappen zu setzen. Im Endanflug ist man immerhin noch 120 Knoten schnell. Da muss die Bahn lang genug sein; Graspisten sind ohnehin verboten.
Was den Spritverbrauch angeht, lässt die Fouga Magister private Eigner in neuen Dimensionen denken: Fünf Liter verbraucht der Jet während jeder Minute allein beim Rollen auf dem Taxiway – etwa fünfmal so viel wie Hochleistungs-Einmots von Cessna, Beechcraft, Mooney oder Cirrus im Reiseflug. 1500 Liter Kerosin pro Stunde laufen bei Vollgas durch die beiden Triebwerke. Im „ökonomischen“ Reiseflug in niedrigen Höhen sind es immer noch 600 Liter, die der Zweistrahler pro Stunde verbrennt, um mit 230 Knoten voranzukommen. Erst oberhalb Flugfläche 100 geht sein Durst auf fast schon bescheidene 500 Liter pro Stunde zurück. Die Reichweite ist demzufolge eher klein: Nutzt man nicht ausschließlich große Reiseflughöhen und rechnet die Flugplanung eher konservativ, dann sind die 985 Liter, die zusammen in den Rumpftank und die beiden Flächenspitzen-Tanks passen, nach gut eineinviertel Stunden oder 300 Meilen verbrannt. Das Flughandbuch gibt unter optimalen Bedingungen immerhin 490 Meilen Reichweite an.
Keine Angst bei Triebwerkausfall
Wie bei allen Zweimotorigen sorgen die beiden Triebwerke vor allem dann für erhöhte Aufmerksamkeit, wenn eines von ihnen den Dienst quittiert. Während bei Propellerflugzeugen schnelles Handeln gefragt ist, um den defekten Antrieb zu identifizieren und dessen Luftschraube in die widerstandsarme Segelstellung zu bringen, sind die erforderlichen Handgriffe bei der Magister überschaubar. Der Grund: Die Schubrohre der Turbomeca-Motoren sind um zehn Grad nach außen gerichtet. Fällt ein Triebwerk aus, tritt deshalb praktisch kein Giermoment auf. Ins Seitenruder muss der Pilot also nicht treten. Lediglich die Steigrate verringert sich um rund 1000 Fuß pro Minute. Fallen beide Triebwerke aus, beträgt die Geschwindigkeit für bestes Gleiten 140 Knoten. Bei dieser Speed drehen sich die Turbinenschaufeln im Luftstrom weiter; der Pilot kann einen Neustart versuchen. Gelingt der nicht, segelt der Jet mit einer gar nicht mal schlechten Gleitzahl von 13 der Erde entgegen. Schleudersitze waren für die Magister nie vorgesehen – die Piloten tragen Sitzkissen-Fallschirme.
Das Notausstiegsverfahren kann getrost als abenteuerlich bezeichnet werden. Der vordere Pilot lässt sich vor der Fläche aus dem Flugzeug fallen, der hintere über dem Tragflügel. Nicht ganz ernstgemeinte Theorien besagen, dass die Fouga das charakteristische V-Leitwerk mit 110 Grad Öffnungswinkel hat, damit der aussteigende Pilot nicht von der Seitenruderflosse in zwei Teile gespalten wird. Butzkies und Stark haben solche heiklen Situationen in der D-IFCC noch nie überstehen müssen. Die Flüge mit ihrem Oldtimer führen die beiden selten über einen kleinen Lokalflug hinaus.
Für die Fouga reicht eine Privatpilotenlizenz
Der Jet besitzt lediglich eine vorläufige Verkehrszulassung. Passagiere dürfen deshalb nicht mitgenommen werden. Ebenso verboten sind Flüge nach Instrumentenflugregeln. So ist die Fouga auch nie in Höhen jenseits Flugfläche 200 unterwegs, wo der Jet halbwegs sparsam wäre, sondern in niedrigen 5000 Fuß. Auch mit Kunstflug halten sich die Besitzer bisher zurück. Ein Loop hätte über 2000 Fuß Durchmesser. Einen Auftritt vor großem Publikum hatte die D-IFCC im vergangenen Jahr allerdings: Butzkies und Stark präsentierten ihr Flugzeug auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA in Berlin. Auch in diesem Jahr wollen die beiden an einigen Luftfahrtveranstaltungen teilnehmen. Mittlerweile haben schon drei Piloten ihr Interesse bekundet, das Rating auf der Paderborner Fouga erwerben zu wollen. Wenn auch Sie jetzt auf den Geschmack gekommen sein sollten: Für das Fliegen dieser Maschine reicht eine Privatpilotenlizenz vollkommen aus, um die Musterberechtigung darin eintragen zu lassen. Nur Mut, damals bei der Bundeswehr war die Magister schließlich auch der erste Jet, in den die jungen Offiziere einstiegen.
Aktuell ist auf den Gebrauchtflugzeugportalen im Internet sogar ein schönes Exemplar zu finden, zum Preis von 49 000 US-Dollar – manche gebrauchte Cessna 172 ist teurer. Doch Stopp! Bevor Sie jetzt gleich den Scheck unterschreiben wollen: Holen Sie zuvor noch einmal tief Luft und denken Sie an die Tankrechnungen!
Text & Fotos: Cornelius Braun, fliegermagazin 03/2017
- 12,15 m
- 17,30 m2
- 10,06 m
- 2,80 m
- 2150 kg
- 3200 kg
- 730/244 l
- 2 x Turbomeca Marboré II F3/ 3923 N Schub
- ca. 600 l/h
- 540 m
- 87 kts
- 78 kts
- Mach 0.48
- 400 kts / 0.82 Mach
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