Flugzeug-Reportage: ViperJet MkII
Die neue Eclipse oder ein D-Jet sind Ihnen zu gewöhnlich, der Javakin-Jet zu teuer? Dann ist der ViperJet MKII genau das Richtige – nur bauen müssen Sie ihn selbst!
Gibt es wirklich Leute, die sich einen Jet selbst bauen wollen? Ja, immerhin 23 haben den ViperJet bereits bestellt. Sechs von ihnen sind sogar schon so weit, dass sie dieses Jahr damit abheben wollen. Wer das nicht glaubt, sollte sich einfach mal den Einstrahler im Bau anschauen, zum Beispiel in einem Hangar am Flugplatz von Scappoose im US-Bundesstaat Oregon. Dort entsteht gerade die Maschine eines Kunden: Der Rumpf etwa sitzt aufgebockt auf einem Montageständer. Schwarze Kohlefaser-Komponenten warten im Regal auf ihre Weiterverarbeitung oder liegen auf Werkbänken. So ungefähr könnte ein Modellbaukasten für Riesen aussehen. Trotz des eher ungewöhnlichen Werkstoffs soll der Bau dieses Jets nicht wesentlich schwieriger als der einer Propellermaschine sein, versichert Chuck Harrison von der Firma Composite Unlimited, die fast alle Strukturteile des ViperJets liefert.
Ein Grund dafür sei, dass der Käufer viele größere Komponenten bereits vormontiert erhalte, etwa die Rumpfröhre und Tragfläche. Wer die Basisvariante des Jets wähle, erhalte einen Bausatz, der zu etwa 30 Prozent vorgefertigt sei, betont Harrison. Wer sich hingegen für die teurere „Super Excel Build“-Variante entscheide, bekomme noch mehr vorgefertigte Teile. So müsse sich dieser Kunde nicht mit dem Höhenleitwerk, den Tanks oder der Ruderanlenkung rumschlagen. „Er braucht nur das Fahrwerk anzubringen, und schon sieht’s fast aus wie ein Jet“, erklärt er. Allerdings muss der Käufer auch stolze 75 000 US-Dollar mehr als für die Basisversion hinlegen. Selbst dann bleibt noch genug zu tun, denn zu mindestens 51 Prozent muss die Maschine selbst gebaut werden – das schreibt das Gesetz vor. Darauf weist auch die unübersehbare „Experimental“-Aufschrift am Rumpf hin.
Ein handlicher Einstrahler als Kit
Sie erklärt, wieso viele Menschen, die gerne einen Jet besitzen würden, sich für die „Schlange“ entscheiden: Ein zertifizierter Jet wie der Javelin, der dem ViperJet von der Konfiguration als Tandemsitzer und der Optik her ähnelt, kostet zwischen 2,5 und 3 Millionen Dollar. Verglichen damit ist die Viper geradezu ein Schnäppchen. Der Basis-Kit verschlingt 184 400 Dollar. Dazu kommen Kosten für das gebrauchte J85-17A-Triebwerk von General Electric, das normalerweise entweder in einem Lear Jet oder einem T-38-Talon-Militärtrainer seinen Dienst versieht. Jetzt fehlen noch Innenausstattung und Avionik – entweder analog oder als Glascockpit. Ab etwa 400 000 Dollar ist man jedenfalls stolzer Besitzer eines Jets, der es in weniger als einer Minute auf über 10 000 Fuß schafft und vor allem unnachahmliche „Ramp Presence“ auf dem Vorfeld neben Cessna und Co bietet. Und sogar eine Druckkabinen-Version ist mittlerweile im Angebot.
Keiner kennt die Flugeigenschaften der Maschine besser als ihr Testpilot Len Fox, der den Prototypen sogar schon mal auf 480 Knoten geheizt hat. Aber auch die „normalen“ 450 Knoten Topspeed sind der Hammer. Wobei alles relativ ist – der ehemalige Navy-Pilot kennt von seiner Zeit beim Militär noch ganz andere Geschwindigkeiten. Er hätte nichts dagegen, wenn die Schlange mit einem stärkeren Triebwerk noch mehr aufdrehen würde: „Ich sage niemals nie zu mehr Power. Aber braucht der ViperJet so viel Kraft? Nein. Man kann trotzdem schnelle und aufregende Starts hinlegen und in der Luft einfache Stunts fliegen. Es bleibt aber ein gutmütiger Jet, der einen nicht unangenehm und überraschend beißt.“ Wie kam es aber überhaupt zum ViperJet? Vom Fliegen war der US-Amerikaner Scott Hanchette schon als Kind begeistert, ebenso sein Bruder Dan. Was die beiden außerdem eint, ist eine Spürnase fürs Business.
Schon als Heranwachsende stellten sie in Eigenregie Grillanzünder her und verscherbelten sie an ihre Nachbarn in Spokane. Weitere Geschäftsideen folgten, von einem Auktions-Newsletter über Flugzeug-Vermietung und Autowaschanlagen bis hin zu einem Fitness-Studio. Aber erst Mitte der neunziger Jahre entschied sich Scott Hanchette, seinen Traum zu erfüllen und einen Jet anzubieten, den man selber bauen kann. Knapp zehn Jahre hat es gedauert, bis die beiden endlich den Prototypen des ersten ViperJet vorstellen konnten (siehe fliegermagazin 5/2003), zunächst noch mit einem schwächeren T-58-Triebwerk von General Electric. Schon bevor die Brüder ein Vorführmodell hatten, ließ sich Dan Hutson vom Jet-Virus anstecken. Hutson wohnt in der südöstlichen Ecke von Florida, sein Arbeitsplatz liegt allerdings 1200 Kilometer weiter nördlich in Tennessee und Kentucky.
„Ich fliege jede Woche hin und zurück. Für eine Strecke brauche ich mit einer Fluggesellschaft gut vier Stunden – und bin immer noch nicht dort, wo ich sein will. Den Viper brauche ich, um Zeit zu gewinnen“, erklärt er und korrigiert sich schnell: „Okay, vielleicht ist ‚brauchen‘ nicht das richtige Wort. Ich wollte
ihn einfach. Es ist nicht nur wegen der Zeit – auf dem Heimweg kann ich auch einige Manöver ausprobieren.“ Noch dieses Jahr will er losjetten. Derzeit wird sein Kit in Bend, Oregon, zusammengesetzt. Wie viele Kunden hat er sich dafür entschieden, das Unterstützungsprogramm von Viper Aircraft wahrzunehmen. Dabei arbeitet der Käufer unterstützt von den Profis des Unternehmens. Der zukünftige Jet-Pilot kann so viel oder so wenig Arbeit beisteuern, wie er gerade Zeit hat.
Viper Aircraft: F-16, Mig 29, Eurofighter? Von wegen, jeder Privatpilot darf hier an den Knüppel
„Wir ermutigen unsere Kunden, so oft wie möglich dabei zu sein und so viel zu machen, wie sie verantworten können“, sagt er, „dann haben sie nicht nur das Gefühl, was geschafft zu haben, sie kennen ihren Jet auch in- und auswendig.“ Der Kanadier Pierre Mercier ist so einer, der mit jeder Schraube seines Jets per „du“ ist. Er hat sich für die preisgünstigste Variante des Kits entschieden und wird wohl auf Jahre hinaus in seinem Hangar bei Montreal beschäftigt sein. 2500 bis 3000 Stunden gibt das Werk optimistisch an, tatsächlich werden es aber wohl einige hundert mehr. „Was man nicht an Geld investiert, zahlt man eben in Schweiß nach“, meint der Berufspilot gelassen. Den „typischen“ Käufer scheint es ohnehin nicht zu geben. „Die Leute, die einen Jet bestellten, reichen von Profipiloten bis hin zu Vorstandsvorsitzenden von Konzernen“, zählt Firmenchef Scott Hanchette auf.
„Wir haben einen Arzt dabei und einen Mann, der seine Firma gerade für einige Millionen verkauft hat. Jetzt will er einen Jet.“
Wer seine Viper eines Tages fertig hat, bekommt von Len Fox oder seinem Kollegen eine gute Einweisung verpasst. Die meisten Piloten haben aber ohnehin solide langjährige Flugerfahrung auf komplexeren Singles oder Twins, bevor sie sich vom Jet-Virus infizieren lassen. Mulmig wird es höchstens manchem Passagier, wenn er vor dem Demoflug mit Werkspilot Fox in der Vorführmaschine nach dem Schleudersitz fragt. Der ist bei Viper Aircraft auch in Zukunft weder für Geld noch gute Worte zu bekommen.
Text: Ecke Wright/Jürgen Schelling; Fotos: Cornelius Braun; fliegermagazin 7/2007
- 7,87 m
- 7,56 m
- 1227 kg
- 2500 kg
- J85-17A, General Electric
- ca. 450 m
- ca. 750 NM plus Reserve
- 183 400 US-Dollar (Basis-Kit)
- Viper Aircraft Corporation, 4020 Stearman Avenue Pasco, Wa 99301, USA, Telefon: 001/50 95 43 35 70, www.viper-aircraft.com
- Jet
- Einstrahler
- VIPJ
- ViperJet
- MkII
- ViperJet MkII
- Scappoose
- Composite Unlimited
- Basisvariante
- "Super Excel Build"-Variante
- Rumpfröhre
- vorgefertigt
- J85-17A
- General Electric
- General Electric J85-17A
- Javelin
- Viper Aircraft
- Unterstützungsprogramm
- Demoflug
- Experimental
- Oregon
- Testpilot
- US-Bundesstaat
- Kohlefaser
- Flugzeug-Reportage
- Vorführmaschine
- Strukturteile
- vormontiert
- Kit