Ultraleicht

Flugzeug-Reportage: Umbau einer Savannah Classic zur „VG“

Nach einer Bruchlandung entschließt sich ein UL-Pilot, seine Maschine nicht nur zu reparieren, sondern aerodynamisch aufzuwerten – durch Vortex-Generatoren

Von Martin Naß
Flugzeug-Reportage: Umbau einer Savannah Classic zur „VG“

Was für ein Schreck! Die wetterbedingte Sicherheitslandung schien zunächst ganz nach Lehrbuch zu klappen, und wenn es überhaupt Flugzeugmuster gibt, die zur Landung langsam angeflogen werden können und nur wenig Platz brauchen bis zum Halt – die Savannah des italienischen Herstellers I.C.P. gehört dazu. Doch die vermeintlich perfekte Landewiese an einem Hang hatte einen entscheidenden Nachteil, der aus der Luft nicht zu sehen, und auch jetzt nach dem Aufsetzen eher zu riechen war: Gülle. Auf dem glitschigen Untergrund nutzten auch die besten Bremsen nichts. Zwar nahm das leicht ansteigende Gelände einiges von der Energie weg, doch dann kam auch schon die Hügelkuppe, und es ging wieder abwärts – direkt auf eine Häusergruppe zu. Es half alles nichts: Bernd Eylert, der mit seiner Frau Dorothee auf dem Rückweg von Kaufbeuren nach Münster in Westfalen war, trat ohne Zögern ins Seitenruderpedal, das gelenkte Bugrad folgte.

Abrupt brach die Savannah nach links aus, die rechte Fläche berührte den Boden, als das Bugrad wegknickte, der Propeller hackte in den weichen Boden. Dann stand die Fuhre. Alles abstellen, aussteigen, durchatmen. Nichts weiter passiert – nur das „Grüne Wunder“, die in British Racing Green lackierte D-MYHY, hatte arg Schaden genommen. Per Anhänger ging es für das UL zurück nach Nordrhein-Westfalen, in die Werkstatt des Skytec Airservice auf dem Flugplatz Hamm-Lippewiesen. Dass die Maschine wieder repariert werden sollte, daran bestand für den Besitzer kein Zweifel. Doch Bernd Eylert kam noch eine andere Idee: Wenn schon umfangreiche Reparaturen nötig sind, ließe sich die Savannah bei der Gelegenheit gleich auf den aktuellen Stand der Entwicklung bringen! Also runter mit den jeweils sechs Kilo schweren Vorflügeln, den wuchtigen Slats, und statt dessen Vortex-Generatoren drauf.

Fliegerdenkmal: Um nicht in die Häuser zu krachen, produziert Pilot Bernd Eylert einen „Ringelpiez“. Der Schaden hält sich in Grenzen, seine Frau und er bleiben unverletzt

Abrupt brach die Savannah nach links aus, die rechte Fläche berührte den Boden, der Propeller hackte in den weichen Boden

Beide Hilfsmittel ermöglichen, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen, einen höheren Anstellwinkel, ohne dass die Strömung abreißt, und damit verbunden eine geringe Stallspeed – nur sind „VGs“ leichter und nicht so klobig. Dass der Umbau seines ULs machbar ist, wusste der emeritierte Professor von einem befreundeten Savannah-Piloten aus England, der die Prozedur schon hinter sich hatte. Dieser berichtete von weiteren Vorteilen der unscheinbaren Winkel auf der Oberkante der Profilnase, die vordergründig nur beim Putzen stören. Die von den VGs erzeugten Wirbel bewirken nicht nur das erwünschte Plus beim Anstellwinkel, sondern können, als Ersatz für Slats, auch für einen messbaren Zuwachs bei der Reise- beziehungsweise Höchstgeschwindigkeit sorgen – manchmal sogar bei geringerem Treibstoffverbrauch. Für einem „fliegenden Widerstand“ wie der Savannah Gründe genug für die tiefgreifende Operation.

Wie tiefgreifend sie am Ende tatsächlich werden würde – vielleicht hatte Bernd Eylert das doch ein wenig unterschätzt, denn es war nicht einfach damit getan, eine Handvoll Winkel auf den Flügel zu schrauben, zu nieten oder zu kleben. Knapp 450 Arbeitsstunden steckten nach einem langen Winter in der Reparatur der Unfallschäden und der Umrüstung auf die Vortex-Generatoren, womit aus der Savannah Classic eine Savannah VG wurde. Diese Variante gibt es zwar schon seit 2007, doch bislang fehlte die erweiterte Musterzulassung für den deutschen Markt. Auch das sollte sich mit der D-MYHY ändern, denn der deutsche Musterbetreuer, Ewald Scheiber, unterstützte Bernd Eylerts Vorhaben und ging die erweiterte Musterzulassung an, in enger Abstimmung mit dem Luftsportgerätebüro des Deutschen Aero Clubs (DAeC). Als Andrea Caglio, technischer Direktor bei I.C.P., ebenfalls seine Hilfe zusicherte, konnte es im Oktober 2012 endlich losgehen.

Heimreise: Auf dem Anhänger geht’s zurück nach Nordrhein-Westfalen und direkt in die Werkstatt von Skytec Airservice auf dem Flugplatz Hamm

Der Motor hatte die Bodenberührung ohne Blessuren überstanden, auf wundersame Weise blieb sogar der Prop heil. Das Fahrwerk war rasch wiederhergestellt, allein das Getriebe brauchte eine Revision. Gemäß den Bauplänen für die Savannah VG ging es dann aber an die Substanz, denn die „VG“ hat im Vergleich zur Classic eine verstärkte Struktur, die in anderen Ländern für eine maximale Startmasse von 560 Kilo ausgelegt ist. Das hieß: zwei zusätzliche Rippen im Rumpf einbauen, verstärkte Streben für die Tragfläche, ein neu gestalteter Anschluss für die Flügelholme mit dem Rumpf, bei dieser Gelegenheit eine neue Frontscheibe, neue Flügelenden. Die Experten von Skytec, die Bernd Eylert im Laufe der Arbeiten schon bald wie einen Mitarbeiter integrierten, konnten über einen Mangel an Herausforderungen wahrlich nicht klagen. Alle Maßnahmen wurden akribisch dokumentiert und dem DAeC vorgelegt, der Schritt für Schritt den Weg zur erweiterten Musterzulassung freigab.

Am 18. März erteilte das Luftsportgerätebüro die Vorläufige Verkehrszulassung (VVZ), damit konnte die Flugerprobung beginnen. Am 8. April schließlich hob die runderneuerte D-MYHY zum ersten Mal wieder ab. Am Steuer saßen abwechselnd Bernd Eylert selbst, aber auch Karl-Heinz Mielke von Skytec sowie Manfred Böse, der ehemalige Präsident der Oskar Ursinus Vereinigung, dem deutschen Verband der Flugzeugselbstbauer. Vom Ergebnis zeigten sich alle drei gleichermaßen beeindruckt, denn es mussten so gut wie keine Justierungen mehr vorgenommen werden – sauber zog die Maschine durch Links- und Rechtskurven und folgte willig jeder Steuereingabe. Bei der weiteren Flugerprobung bestätigte sich zudem, dass die Vortex-Generatoren nicht enttäuschten, ganz im Gegenteil: Waren vorher als Reisegeschwindigkeit die vom Hersteller angegebenen 140 km/h für die Savannah Classic auch bei besten Bedingungen kaum erreichbar, schnellte die Nadel des Fahrtmessers nun munter bis auf die Marke 150.

Der Motor hatte die Bodenberührung ohne Blessuren überstanden, auf wundersame Weise blieb sogar der Prop heil

Sogar 160 km/h scheinen möglich, was die drei Piloten aber noch unter realen Testbedingungen erfliegen müssen. Auf dem Papier liegt die Vmax bei 165 km/h, auch das scheint nach der Umrüstung kein Problem zu sein. Ohne die wuchtigen Vorflügel ist die Savannah spürbar widerstandsärmer beziehungsweise strömungsgünstiger geworden. Eine „Shark“ wird aus der kantigen Savannah dadurch natürlich nicht, doch ein Geschwindigkeitsgewinn von 20 bis 30 km/h kann sich durchaus sehen lassen. Da die Flugerprobung noch läuft, gibt es keine belastbaren Daten etwa für die Stallspeed: Sie könnte ein paar km/h höher liegen als vor dem Umbau, doch die geforderten 65 km/h schafft dieses UL allemal. Bis Ende des Jahres gilt noch die VVZ, bis dahin muss die Erprobung absolviert sein, sodass alle noch fehlenden Daten vorliegen.

Starkes Team: Carsten Rieder und Oliver Fischer (beide Skytec Airservice), Bernd Eylert und Karl-Heinz Mielke (ebenfalls Skytec; von links)

Das schlechte Wetter sorgte für Verzögerungen, doch die Frist sollte reichen, ist sich der stolze Besitzer sicher. Für die Zulassung fehlt dann lediglich eine Stückprüfung und ein Flughandbuch mit den neuen Daten, das der Musterbetreuer liefert. Damit wäre der Weg für die endgültige Zulassung der Savannah VG in Deutschland bereitet. Beim nächsten Mal würde Bernd Eylert die kompletten Flügel neu bestellen: „Dann bleibt immer noch genug Arbeit!“ Doch jetzt will der umtriebige Westfale nur noch eins: fliegen!

Fotos: Bernd und Dorothee Eylert, fliegermagazin 8/2013

Technische Daten
Über den Autor
Martin Naß

Martin Naß war bis Ende 2021 Redakteur des fliegermagazins und dort auf UL-Themen spezialisiert.

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