Flugzeug-Reportage: Kitplane MX2
Die US-Kunstflugmaschine Giles G202 erhielt von Piloten hervorragende Noten für ihr außergewöhnliches Handling – nur fehlte immer ein bisschen Leistung. Dem wurde abgeholfen: Das Flugzeug mutierte durch einen Sechszylinder, eine neue Fläche und weitere Änderungen zum Kraftpaket MX2
Das große Fragezeichen auf dem Seitenleitwerk ist berechtigt – selbst Experten kommen ins Grübeln: Was ist das nur für ein Kunstflugzeug? Ein bisschen Extra-300-Look, kombiniert mit einer Prise CAP 231, dazu noch etwas Zlin-50-Appeal – aber welcher Typ ist es tatsächlich? Chris Meyer schmunzelt bei diesen Fragen, denn wenn der US-Amerikaner Neugierigen antwortet, dass es sich bei seiner Maschine um eine „MX2“ handelt, wissen sie auch nicht viel mehr. „MX2“ bedeutet, dass auf der Grundlage des US-Kunstflugtiefdeckers Giles G202 mit Vierzylindertriebwerk durch den Einbau eines 260 PS starken Sechszylinders AEIO-540 von Lycoming eine „Meyer X (für Aerobatic) 2 (für Zweisitzer)“ wurde – und damit quasi ein völlig neues Flugzeug entstand. Ursprünglich war die Giles G202 ein Kunstflug-Tandemsitzer, der in den neunziger Jahren als Kitplane auf den Markt kam.
Chris Meyer, seit den achtziger Jahren passionierter Aerobatic-Pilot, kaufte sich 1996 einen Bausatz und ging drei Jahre später mit der fertigen Maschine in die Luft. Zu diesem Zeitpunkt war der Hersteller des Kits, das Unternehmen Akrotech, bereits in finanziellen Schwierigkeiten. Aus Gesprächen mit anderen G202-Besitzern erfuhr Meyer, dass diese zwar mit dem Handling der Maschine, nicht aber mit der Qualität des Kits und den 200 PS Leistung des vorgesehenen AEIO-360 von Lycoming zufrieden waren. Ein kräftiger Sechszylinder musste also her. Kurzentschlossen kaufte Meyer die Formen des Zweisitzers nach der Akrotech- Pleite im Jahr 2001 und versuchte gleichzeitig, auch die Rechte für die Fertigung zu bekommen. Allerdings wurde ihm nur der Weiterbau einer G202-Version mit veränderten Abmessungen gestattet. Meyer holte sich daraufhin den Rat von Chuck Harrison, einem erfahrenen Konstrukteur der Firma Composite Unlimited.
Als „rolling chassis“ wird die MX2 – allerdings ohne Motor und Prop – ausgeliefert
Zunächst wollte man aufgrund des schwereren Motors nur die Flügelfläche vergrößern. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass dies nicht ausreichen würde – also wurde gleich eine komplett neue Fläche konstruiert. Lediglich der Rumpf entspricht trotz einiger Änderungen weitgehend dem Giles-Original. Im Juli 2002 flog Meyer die modifizierte 202 erstmals mit Bleigewichten unter der Cowling, um damit den schwereren Sechszylinder zu simulieren. Diese Flüge zeigten aber bereits, dass die Leitwerksflächen unbedingt vergrößert werden mussten, um mit dem stärkeren Triebwerk klar zu kommen. Ein Dreivierteljahr später, am 12. März 2003, machte dann der Prototyp der MX2 mit einem 260 PS starken Lycoming AE- IO-540-Sechszylinder, neuer Fläche und verändertem Leitwerk seinen Erstflug. Als Erprobungspilot wurde Len Fox engagiert, einer der erfahrensten Testpiloten überhaupt, der zudem alle fertiggestellten G202 eingeflogen hatte.
Die meiste Arbeit erforderte die Einstellung und Feinabstimmung der Querruder. Dabei zeigte sich, dass die Anlenkung der von der G202 übernommenen Querruder zu viel Spiel hatte. Also wurden komplett neue Querruder samt Anlenkungen entwickelt. Beim Kit werden aus diesem Grund nicht nur alle Löcher für die Anlenkungen und Aufnahmen vorgebohrt, um die Toleranzen in den Griff zu bekommen, sondern die Querruder bereits fertig geklebt und gewuchtet geliefert. In die Flugerprobung waren mehrere US-Aerobatic-Asse und sogar Mitglieder der italienischen Kunstflug-Nationalmannschaft integriert, die alle ihre Erfahrungen in die Abstimmung der Maschine einfließen ließen. Nach einigen Testflügen kam heraus, dass sich Vierzeiten-Rollen nicht exakt stoppen ließen, sodass die Maschine immer leicht zurückfederte. Deshalb wurden die Spades verkleinert und weiter nach hinten verlagert.
Sie können aber auch individuell nach den Vorlieben ihres Piloten eingestellt werden. Ansonsten ergab die Flugerprobung positive Überraschungen. Die MX2 rast im Anfangssteigflug mit 3500 Fuß pro Minute senkrecht nach oben. Ein Beweis, dass der neue Flügel unabhängig von der gesteigerten Motorleistung auch aerodynamisch günstiger ist als die ursprüngliche Fläche. Mit einer Rollrate von 400 Grad pro Sekunde spielt die MX2 in einer Liga mit Extra, Sukhoi und Co und lässt sich auch in puncto Motorleistung nicht von der Elite abhängen: Bis zu 380 PS starke Triebwerke und maximal 220 Knoten soll der Tiefdecker verkraften. Bei der Publikumspremiere in Oshkosh wurde bekannt gegeben, dass es noch kleine Modifikationen geben wird: Der Passagier bekommt mehr Beinfreiheit, und das Panel will man so modifizieren, dass sowohl „Eieruhren“ als auch moderne Displays eingebaut werden können.
Inzwischen wurde die Firma MXR Technologies in Palm Beach, Florida, gegründet, um die MX2 in Serie zu bauen und zu vermarkten. Mike Mays, Verkaufsleiter bei MXR, bietet den Zweisitzer zunächst nur in einer „Fast-fertig“-Variante an, da große Teile der MX2 aus Kohlefaser bestehen und mittels eines Autoklav- Systems „gebacken“ werden müssen. Diese Art der Herstellung sei für den durchschnittlichen Kitplanebauer allerdings zu kompliziert. Deshalb wird die MX2 als weitgehend vormontiertes Flugzeug ausgeliefert, in das der Erbauer lediglich Triebwerk, Avionik und Verkabelung installieren muss. Der Kit kostet ohne Motor ab Oregon 125000 US-Dollar plus Fracht und soll vom Besitzer in weniger als 1000 Arbeitsstunden fertiggestellt werden können. Mit einem Standard-Sechszylinder-Lycoming und Dreiblattprop von Mühlbauer kommt die Maschine auf etwa 165 000 US-Dollar.
In Oshkosh hatte die MX2 ihre vielbeachtete Premiere: Die neue Showlackierung unterstreicht die elegante Linie des Tandemsitzers
Soll die MX2 allerdings mit einem 380-PS- Wettbewerbsmotor bei den Champions der Unlimited-Klasse mitspielen, sind 190 000 US-Dollar fällig. Aber selbst diese Summe, so betont Mays, liege noch 100 000 Dollar unter dem Preis eines Unlimited-Fertigflugzeugs aus europäischer oder russischer Produktion. Derzeit sind fünf Maschinen in Produktion, die zudem mit einem Rekord aufwarten: Sie sind nicht wie die meisten ihrer Wettbewerber für plus/minus 10 g belastbar, ihr sicheres Lastvielfaches reicht bis plus/minus 14 g!
Text: Cornelius Braun/js; fliegermagazin 10/2004
- MXR Technologies, Palm Beach, Florida, USA, Tel. 001/561/7 35 85 47, E-Mail: soaerobatics@aol.com
- 7,3 m
- 9,47 qm
- 6,53 m
- 1,67 m
- 568 kg
- 906 kg
- 220 l
- 250 bis 380 PS
- 3500 ft/min
- 125 000 US-Dollar (Kit)
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