Kitplane

Flugzeug-Reportage: Experimental Pulsar 150/KIS

Der ursprüngliche Name des schnittigen US-Zweisitzers lautete KIS – und das stand für „Keep it simple“: Mittlerweile heißt die Maschine zwar Pulsar 150 – das Konzept hat sich aber nicht geändert

Von Redaktion

Obwohl die Pulsar 150 in den USA zu den weit verbreiteten Kitplanes zählt, ist sie in Europa ein absoluter Exot: Gerade mal eine Maschine fliegt in Großbritannien, und derzeit entsteht die erste in Deutschland. Dabei liegt ihr Erstflug – damals noch unter dem Namen KIS – bereits mehr als ein Jahrzehnt zurück: Im Juli 1991 wurde der von Richard Trickle und Martin Hollmann konstruierte Tiefdecker in Oshkosh vorgestellt. Der Zweisitzer war ursprünglich für einen lediglich 80 PS starken Motor von Limbach konzipiert, verträgt aber wesentlich stärkere Triebwerke und wird heute von den meisten Erbauern mit einem 125 PS starken Continental IO-240 oder dem 150/160 PS leistenden Lycoming O-320 ausgerüstet. Ein Grund für den Erfolg dieses Bausatzflugzeugs ist seine Vielseitigkeit: Nicht nur beim Triebwerk, sondern auch bei der Konfiguration kann der Kunde wählen, es gibt sowohl eine Bug- als auch eine Spornradversion.

Und wer sein Flugzeug zu Hause in der Garage stehen lassen und per Hänger zum Airport fahren will, wählt einfach die optionalen Klappflächen. Die Fertigung und der Vertrieb der Bausätze lief bis zur Jahrtausendwende noch über Richard Trickles Firma TRI-R Technologies in Oxnard/Kalifornien, die auch Komponenten für andere Bausatzhersteller, etwa Lancair, fertigt. Danach gingen die Rechte an die ebenfalls in Kalifornien beheimatete Pulsar Aircraft Corporation über. Seitdem heißt die Maschine zwar Pulsar 150, die Composite-Teile werden aber weiterhin von TRI-R produziert. Ralf Twellmann aus Obernkirchen kam durch gezielte Suche auf die Pulsar 150. Als Diplom-Ingenieur für Flugzeugbau mit der Materie vertraut, wollte der passionierte Motor- und Segelflieger ein flottes, aber dennoch gutmütiges Composite-Flugzeug, das ohne allzu großen Aufwand zu bauen ist.

Konventionelle Avionik prägt das Panel der Pulsar 150

Nachdem er erfahren hatte, dass bereits eine Pulsar 150 in Großbritannien fliegt, setzte er sich mit dem Erbauer in Verbindung. Nach dem überzeugenden gemeinsamen Probeflug war ihm klar: Die muss es sein. Ihr agiles Handling bei gleichzeitig verzeihenden Flugeigenschaften machten sie zur Favoritin. Der 49-Jährige entschied sich für die Taildragger-Variante. Zum einen sieht die seiner Ansicht nach besser aus, zudem verspricht sie gegenüber der Bugradversion eine etwas höhere Reisegeschwindigkeit. Als Antrieb wählte Twellmann den von Pulsar Aircraft empfohlenen Continental IO-240 Einspritzer mit 125 PS – mit der gleichen Motorisierung fliegt auch die von ihm getestete britische Schwester. Damit, so der Erbauer, sei das Flugzeug schnell genug – fast 150 Knoten Reisegeschwindigkeit sind für eine 125-PS-Maschine ein hervorragender Wert.

Außer dem Motorträger und dem Auspuff gibt es für den Motoreinbau allerdings keine vorgefertigten Teile: Luftleitbleche, Öl- und Spritschläuche sowie die gesamte Elektrik müssen selbst geplant und angefertigt werden. Dennoch war der ursprüngliche Name „Keep it simple“ wirklich Programm: Komplizierte Vorrichtungen und Werkzeuge sind für den Bau nicht erforderlich, die nötigen Helligen zum Zusammenbau von Rumpf und Flügel lassen sich einfach aus Spanplatten anfertigen. Das Flugzeug wird in GFK/ CFK-Schalenbauweise erstellt, Rumpf und Flügelschalen in GFK-Honeycomb- Wabenbauweise. Der Holm des einteiligen Flügels hat Carbon-Gurte und wird fertig angeliefert. Bei kleineren Baugruppen wie Höhen- und Seitenleitwerk und sämtlichen Klappen wird als Stützstoff Divinicell-Schaum verwendet. Der Rumpf ist horizontal geteilt und ermöglicht so einen bequemen Einbau der Komponenten.

Dies hat aber den Nachteil, dass die Pulsar lange nicht wie ein Flugzeug, sondern eher wie ein Boot aussieht: Twellmann musste sich deshalb oft ironische Bemerkungen anhören. Das Höhenleitwerk ist fest mit dem Rumpf verklebt, die einteilige Fläche wird von unten unter den Rumpf gesetzt und mit vier Bolzen verschraubt. Ein Flugzeug zum Abrüsten und „mit nach Hause nehmen“ ist die Pulsar 150 – zumindest in der Variante ohne Klappflächen – allerdings nicht. Die Rohbauarbeiten gingen zügig voran, sodass bereits vor vier Jahren der Erstflug scheinbar in greifbarer Nähe lag. Die Restaurierung eines Hauses und Familienzuwachs sorgten dann aber dafür, dass das Flugzeug-Projekt drei Jahre brachliegen musste. Mittlerweile ist die Pulsar nahezu fertig und auch der Belastungstest erfolgreich absolviert.

Ein ziemlich verblüfftes Gesicht machte der Verkäufer im Baumarkt, als er von Twellmann gefragt wurde, ob er für ein Wochenende Zementsäcke im Gewicht von zwei Tonnen „borgen“ könne. Schließlich ließ er sich aber zu der außergewöhnlichen Leihgabe überreden. Der zuständige Bauprüfer der für Experimentals zuständigen Oskar-Ursinus-Vereinigung, Reinhard Molk, war bei diesem Belastungstest allerdings unerbittlich. Als für die Simulation der sicheren Last genau zwei Säcke Zement fehlten, meinte er: „Die müssen drauf!“ Zum Glück hatte ein Nachbar von Twellmann gerade Bauarbeiten an seinem Haus im Gange, sodass die fehlenden Säcke schnell organisiert werden konnten – und die Fläche hielt auch das aus: Plus 4,4 bis minus 2,2 g verträgt die Pulsar mindestens, selbst einfacher Kunstflug wäre also drin. Den sonnigen Sommer 2003 verbrachten Ralf Twellmann und seine Frau vorwiegend im eigenen Garten: Doch statt zu faulenzen, grundierten, spachtelten und verschliffen die beiden ihr Flugzeug.

Im Werk werden die Teile für Kit und Fastbuilt-Kit vorbereitet

Ein weißgrauer Schleier auf sämtlichen Beeten und dem Rasen zierte wochenlang den Garten. Mittlerweile ist die Maschine lackiert, lediglich letzte Feinarbeiten an Motor und der Elektrik stehen noch bevor. Die Tragfläche ist bereits auf dem Flugplatz Rinteln stationiert, der Erstflug für diesen Sommer geplant. Ob er diesen selbst übernimmt oder lieber einen Profi an den Knüppel lässt, darüber hat der stolze Erbauer noch nicht entschieden: Einerseits reizt es ihn, sein Werk eigenhändig beim Erstflug in die Luft zu bringen, andererseits hat er mittlerweile Verantwortung als Familienvater … Klappt die Premiere ohne Probleme, steht anschließend die Flugerprobung an. In deren Rahmen müssen auch die Lärmmessflüge stattfinden. Vielleicht, so hofft Twellmann, schafft die Pulsar 150 den Grenzwert mit dem Zweiblattprop sogar ohne Nachschalldämpfer. Wenn nicht, wird eben ein zusätzlicher Topf von Liese oder Gomolzig montiert.

Wieviel Stunden er bislang an seiner Pulsar gebaut hat, weiß der Flugzeugbauer in Doppelfunktion nicht. Laut Herstellerangaben sollte es etwa 1100 Stunden dauern, bis der Bausatz zum Fertigflugzeug mutiert. Ein optionaler Fastbuilt-Kit für 7000 Dollar lässt diese Zeit um etwa 300 Stunden schrumpfen. Weil aber alle Kitplane-Hersteller mit unrealistisch geringen Stundenangaben operieren, werden 1500 Stunden ein guter Wert sein. Sicher ist schon jetzt, dass die Pulsar 150 nicht das einzige Selbstbauflugzeug im Hause Twellmann bleiben wird: Nächstes Projekt ist ein einsitziges Taylor Monoplane, nur nach Plänen aus Holz gebaut: Der natürliche Stoff riecht nicht nur besser als Kunststoff, auch der Twellmannsche Garten wird damit geschont.

Text: rn/js, fliegermagazin 7/2004

Technische Daten
Pulsar 150
  • Pulsar Aircraft, www.pulsaraircraft.com
  • 7,00 m
  • 8,18 qm
  • 6,70 m
  • 370 kg
  • 630 kg
  • 128 Liter
  • 230 m
  • 1200 ft/min.
  • 1400 km
  • 24950 US-Dollar (Bugrad- oder Spornradversion), Fastbuilt-Kit gegen 7000 US-Dollar Aufpreis erhältlich
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