Flugzeug-Reportage: Eine P-38 für die Flying Bulls
Gerade mal zwei, drei fliegende gibt es noch weltweit – eine von ihnen wird wohl in der kommenden Saison am Himmel über Europa zu sehen sein: Die P-38 L der Flying Bulls steht kurz vor ihrem Erstflug
Leland „Lebo“ Wright ist der ungekrönte Meister der Poliermaschine. Keiner beherrscht den Umgang mit Schleifpaste und Polierscheiben virtuoser als der 41-Jährige. Unter seinen Händen verwandelt sich profanes Flugzeug-Alu in funkelnde Flächen, die jeden Chromschmuck blass aussehen lassen. Der Texaner hat aber auch genügend Training – sein Arbeitgeber Ezell Aviation im texanischen Breckenridge restauriert eine superseltene P-38 L für die Flying Bulls in Salzburg. Und diese exotische Twin wird nicht lackiert, sondern hochglanzpoliert – rundum! Nachdem die „Warbird-Klinik“ mit ihren 20 Mitarbeitern seit Anfang 2005 an die 70 000 (!) Stunden in vielen Siebentage-Wochen in das Projekt gesteckt hat, zeichnet sich langsam ein Ende der Restaurierung ab. Noch im Oktober, so hofft Juniorchef Ashley Ezell, könnte es vielleicht mit dem zweiten „Erstflug“ klappen.
Bis dahin liegt aber noch einiges an Arbeit vor ihnen. „Aber wir sind ziemlich weit“, erklärt der 37- Jährige optimistisch. Er und sein Vater Nelson, beide begnadete Piloten und Flugzeugrestauratoren, kennen die P-38 noch aus Zeiten, als sie komplett weiß lackiert bei den Reno Air Races als „White Lightin’“ um die Pylone jagte. Damals zählte die Twin zwischen den gepimpten PS-Boliden Mustang, Bearcat und Sea Fury zwar eher zu den langsameren Vögeln, dafür war sie aber etwas Besonderes: die einzige Lighting unter den Racern. Richtig Furore machte die im vorletzten Kriegsjahr 1944 gebaute P-38 allerdings bei den Airshows vor den Rennen: Ihr Eigentümer und Pilot Lefty Gardner zeichnete mit ihr ein astreines Kunstflugprogramm in den blauen Himmel über Nevada, das offene Münder bei den Zuschauern hinterließ.
Restaurierungsprojekt für Salzburg
2001 überführte Gardners Sohn Gadd den „Gabelschwanzteufel“, wie japanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg die P-38 respektvoll-ängstlich nannten, von Tullahoma in Tennesse zurück nach Texas. Kurz vor der Zwischenlandung in Greenwood, Missisippi, fing das linke Triebwerk Feuer. Turboladerschaufeln waren gebrochen und hatten dabei ihr Gehäuse und eine Benzinleitung durchschlagen. Angesichts der meterlangen Flammen entschloss sich Gardner junior sofort für eine Außenlandung in einem Baumwollfeld. Mit eingefahrenem Fahrwerk rutschte er etwa 200 Meter über den staubigen Untergrund. Der Pilot entstieg der Maschine zwar unverletzt, der Ex-Jäger trug aber gewaltige Schäden davon: Der gesamte Rumpfunterboden verbeult, Shockloading an beiden Allison V-12, die Propeller ruiniert und die Leitwerksträger stark beschädigt.
Und natürlich der zerstörte Turbolader sowie Brandspuren. Kurz: ein komplettes Restaurierungsprojekt. Die Familie Gardner versuchte danach einige Zeit, ihren lädierten Warbird innerhalb der USA zu verkaufen. Erworben haben ihn dann aber Europäer: die Flying Bulls in Salzburg. Anfang 2005 war das. Blieb die Frage: Wer kann die Lightning wieder flugtüchtig machen – und wo soll das geschehen? Die Flying Bulls hatten zwar bereits Restaurierungserfahrung – ihr aus Namibia stammendes Flaggschiff DC-6 hatte man in Eigenregie wieder aufgebaut, da sich für den Propeller-Airliner kein Spezialist fand –, bei der P-38 lag der Fall aber anders. Schließlich hatte Nelson Ezells Team schon die B-25 Mitchell der Österreicher in einen Besser-als-neu-Zustand gebracht. So kannten die Europäer die Qualität der geleisteten Arbeit; sie waren mit dem Ergebnis zufrieden. Dadurch kam der texanische Warbirdspezialist erneut in den Genuss eines umfangreichen Auftrages.
Sicherlich aufwendiger, als Nelson Ezell und seine Mitarbeiter sich das jemals erträumt hätten. Denn neben dem Erneuern oder der Reparatur aller beschädigten Teile stand eine komplette Revision der Zelle auf dem Programm. Zudem wurden die beiden je 1475 PS starken Allison-Zwölfzylinder vom Typ V- 1710-11 auf null Stunden gebracht. Die Liste der geplanten Modifikationen ist allerdings ellenlang, und so war der Zeitaufwand anfangs nur schwer zu kalkulieren. Auf dem Flying-Bulls-Wunschzettel stehen moderne Avionik, ein Autopilot, verbessertes Ölfiltersystem, ein moderner Kabelbaum und viele weitere kleine Modifikationen. „Das hat uns den Zeitplan verhagelt“, gibt Ezell zu. Auch das Kraftstoffsystem ist komplett neu und vereinfacht. So gibt es jetzt keinen Tankwahlschalter mehr, da alle Spritbehälter immer miteinander verbunden sind.
Der Pilot hat nur die Wahl zwischen Brandhahn „auf“ und „zu“. Aus Gründen der Zeitersparnis vergibt Ezell Aviation auch Arbeiten an Subunternehmen: „Pacific Fighters“ im US-Bundesstaat Idaho baut etwa die hinteren Rumpfgondeln neu auf. Zur Zeit werden der Kabelbaum und alle elektrischen Systeme getestet. Und es gibt auch lautstarke Fortschritte: Mitte August liefen beide Motoren zum ersten Mal. Das hydraulische System funktioniert ebenfalls. Und der Erstflug? Ezell junior zuckt mit den Achseln. Irgendwann Ende Oktober oder November. Steve Hinton wird ihn übernehmen. Der Rennflieger ist wohl der Pilot mit der größten Erfahrung auf P-38 überhaupt. Hinton ist auch routinierter Warbird-Spezialist und leitet im kalifornischen Chino das Plane of Fame Museum. Er hat bereits die P-38 „Glacier Girl“, die 1992 aus dem Grönland-Eis geborgen wurde, nach ihrer Restaurierung eingeflogen und führt diese auf Airshows vor (siehe fliegermagazin 12/2004).
Überführung zu den Flying Bulls nach Österreich
Also der richtige Mann für das Projekt. Später wird er Sigi Angerer, den erfahrenen Chefpiloten der Flying Bulls, einweisen. Angerer soll dann in Texas noch weitere 40 bis 50 Flugstunden absolvieren, die alle ohne Beanstandungen ablaufen müssen. Dann will er den Einsitzer via Kanada und Grönland ins neue Zuhause, den „Hangar 7“ in Salzburg, überführen – voraussichtlich im kommenden Frühjahr. Vor der Übergabe wird einer aus Ezells Team allerdings noch richtig Arbeit haben: „Lebo“ Wright poliert dann die Lightning auf Hochglanz – bis auf den kleinsten Niet.
Text und Fotos: Cornelius Braun, fliegermagazin 11/2007
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