Echo-Klasse

Flugzeug-Reportage: Bo 208 Junior und Bo 209 Monsun von Bölkow

Die beiden eigenwilligen Zweisitzer über dem oberbayerischen Ammersee fallen auf – wie frisch aus der Fabrik glänzen sie in der Sonne. Und obwohl die Maschinen extrem unterschiedlich aussehen, sind sie vom gleichen Hersteller

Von Redaktion

Eigentlich sollte man annehmen, dass verwandtschaftliche Beziehungen in Flugzeugfamilien simpel darzustellen sind – nicht aber bei den ungleichen Schwestern Junior und Monsun von Bölkow. Dabei scheint zunächst alles so einfach: Die Bo 209 Monsun ist die Weiterentwicklung der Bo 208 Junior, etwas größer, stärker und schneller eben. Dass die Geschichte so nicht ganz stimmen kann, wird spätestens dann klar, wenn die beiden vor einem stehen: ein winzig-witziger Schulterdecker die eine, ein klassischer Tiefdecker die andere. Und doch ist der gleiche Stammbaum auf den zweiten Blick irgendwie unverkennbar … Also ganz der Reihe nach: Wie viele gute Geschichten beginnt auch die der 208/209 im Land der Wikinger. Björn Andreasson, ein junger schwedischer Flugzeugkonstrukteur, hatte sich in den USA neben seiner Arbeit für Convair in den Jahren 1956 bis 58 ein kleines, zweisitziges Ganzmetallflugzeug mit 75 PS gebaut und „BA7“ getauft.

Zurück in der Heimat avancierte er zum technischen Direktor bei Malmö Flyg Industrie (MFI), ab 1969 Teil des Saab-Konzerns, und brachte dort die Pläne seines Fliegers ein. So mutierte die BA7 1960 zur MFI 9 und wurde mit einem 100 PS starken Conti O-200 zur Vorserienreife entwickelt. Dann spielte der Zufall mit: Der ehemalige deutsche Klemm-Vertreter in Schweden machte Ludwig Bölkow auf den Zweisitzer aufmerksam. Bölkow wiederum sah in der MFI 9 eine ideale Ergänzung zur viersitzigen Bo 207 (siehe fliegermagazin 2/03). Was folgte, war ein Welt-Lizenzvertrag, anschließend die deutsche Zulassung durch Bölkow und schließlich 1962 die Aufnahme der Serienproduktion im Werk Laupheim bei Ulm. Der Lizenzvertrag schloss Schweden selbst allerdings aus: Dort wurde die MFI 9 als Militärtrainer zur MFI 15 (160 PS) und MFI 17 (200 PS) weiterentwickelt – übrigens inklusive „Hardpoints“ unter den Flächen zur Waffen- und Lastaufnahme!

Schön schnell: Mit Einzieh-Bugrad 132 kts Reise!

Der Grundpreis für die Bo 208 „Junior“ getaufte Maschine lag damals bei 28 000 Mark. In den Folgejahren betrieb man bei Bölkow intensive Modellpflege: Die 208 B erhielt ein verstärktes Fahrwerk und elektrische Landeklappen, bei der 208 C sorgten zurückverlegte Sitze und eine verbreiterte Kabine für mehr Innenraum, ein größerer Tank für verbesserte Reichweite, ein modifiziertes Profil im Bereich der Flügelwurzel und vergrößerte Randbögen für „zahmere“ Start- und Landeeigenschaften. Verantwortlich für diese Weiterentwicklung war ein Team unter Führung von Hermann Mylius – Ex-Luftwaffen-Pilot, Fluglehrer, Diplom-Ingenieur und Leiter des Leichtflugzeugbaus bei Bölkow.

Und dieser Hermann Mylius hatte seit längerem eine Vision, die ihn und sein Team nicht mehr losließ: Den Bau einer Flugzeugfamilie im Baukastensystem, beginnend mit einem zweisitzigen Tiefdecker, dem dann ein Viersitzer und ein Acro-Einsitzer für den Wettbewerbskunstflug folgen sollten. Da bei Bölkow die Entwicklungskapazität für dieses Projekt nicht zur Verfügung stand, machten sich Mylius und sein Team privat ans Werk: In einer Garage in Brunnthal südlich von München entstand die MHK (Mylius, Heynen und Krauss) 101, der Prototyp der späteren Bo 209 Monsun. Professor Ludwig Bölkow soll das Projekt „wohlwollend unterstützt“ haben … Mylius hatte ehrgeizige Vorstellungen: Sein Flugzeug sollte eine bequeme und schnelle Reisemaschine mit ausreichend Stauraum werden, Kunstflugtauglichkeit war ebenso gefragt wie die Eignung zur Schulung und zum F-Schlepp.

Als besonderen Gag hatte er sich klappbare Flächen ausgedacht, die es ermöglichten, die MHK 101 zum Straßentransport an einen Pkw zu hängen – und das ganz ohne Anhänger, das komplette Flugzeug war vom TÜV nebst Anhängevorrichtung als „Sportanhänger“ abgenommen! Der Erstflug am 22. Dezember 1967 in Laupheim verlief erfolgreich, die MHK 101 wurde dann 1968 auf der Luftfahrtmesse Hannover präsentiert. Dort war das Interesse an der neuen Maschine so groß, dass in den folgenden Monaten die Entscheidung fiel, die MHK 101 als Bo 209 Monsun in Serie zu bauen. Ach ja – die Eltern waren inzwischen andere geworden: Bölkow hatte mit Messerschmitt zum MBB-Konzern fusioniert und so den Grundstein zur späteren DASA und heutigen EADS gelegt.

Die Bo 209 Monsun wurde also noch vor ihrer Geburt eine „Messerschmitt-Bölkow-Blohm“ Bo 209 – zur Freude angelsächsischer und amerikanischer Monsun-Piloten: Die melden sich noch heute gerne am Funk als „Messerschmitt Bo 209“. Wenn die 209 neben der 208 steht, werden Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten erkennbar: Die Familienähnlichkeit beschränkt sich im Wesentlichen auf den hinteren Rumpf- und Leitwerksbereich: Mylius hatte mit dem Pendelhöhenruder und dem rechteckigen Rumpfquerschnitt der BO 208 gute Erfahrungen gemacht – letzterer bot vor allem Vorteile in der Fertigung und ein plus in der Stabilität um die Hochachse. Außerdem konnte man auf vorhandene Werkzeuge zurückgreifen. Die Variationsmöglichkeiten beim Kauf einer Monsun waren riesig: Zum einen gab es da die Versionen mit Fest- oder Einziehbugrad, zum anderen Fest- oder Verstellprop, zum Dritten die 150 PS Variante mit Lycoming I0-320 oder die zehn PS stärkere Einspritzer-Variante IO-320.

Der AIO-320 unter der Monsun-Cowling verträgt auch Acro-Einlagen – etwa Rollen oder Loopings

Eine Monsun 160 RV (Retractable Gear/Variable Pitch) war also mit einziehbarem Bugrad, Verstellprop und IO-320 ausgerüstet. Auf Wunsch gab’s auch noch für Schulmaschinen vergrößerte Randbögen und einen 125-PS-Lycoming. So beeindruckend diese Auswahl war – als Konsequenz muss man sich bewusst sein, dass eine Monsun „160 RV“ wie die vorgestellte Maschine leistungsmäßig ein ganz anderes Flugzeug als etwa eine „150 FF“ ist. Das einziehbare Bugrad allein bringt rund sieben Knoten mehr Topspeed, Verstellprop und IO-320 etwa nochmals das Gleiche. Bei Start- und Steigleistung sind die Differenzen ebenfalls erheblich. Deutliche Unterschiede gab es natürlich auch beim damaligen Kaufpreis: Im Oktober 1970 stand die 150 FF mit 49500 Mark in der MBB-Preisliste, eine 160 RV kostete rund 60 000, plus Instrumentierung und Avionik versteht sich, dazu elf Prozent Mehrwertsteuer. Man landete dann schnell bei 80000 Mark.

Zum Vergleich: Ein Porsche 911 kostete damals 25 000 und ein VW Käfer 6 000 Mark. Zurück in die Gegenwart: Der Einstieg in die Junior erinnert ein wenig an englische Roadster aus den Sechzigern – nur dass es höher hinaufgeht. Die Trittstufe in halber Cockpithöhe verbreitet Fighterfeeling – wenn der Bewegungsablauf stimmt, rutscht man lässig hinein wie in einen ausgelatschten Pantoffel. Wenn nicht, wird man zum Gespött des Flugplatzcafés. Einmal drinnen, passt der englische Begriff „cosy“: Diese Bezeichnung trifft genau das, was auf Deutsch etwa „behagliche Enge“ lauten müsste.
Fast schon langweilig bequem nimmt man in der Monsun Platz. Der sportliche Touch bleibt nur dann erhalten, wenn die serienmäßige hässliche Trittstufe unterhalb der hinteren Flächenwurzel weggeschraubt wurde. Beliebt bei vielen Monsun-Eignern, bringt das doch drei Knoten und etwas Fitnesstraining gratis …

Im Cockpit ist Platz auch für großgewachsene Piloten; die verstellbaren Rücklehen reichen völlig aus. Vor allem aber: Die Ergonomie der Sitze ist gelungen, auch mehrstündige Flüge enden ohne Rückenprobleme. Hinter den Sitzen liegt ein im Flug zugänglicher Gepäckraum mit Reisetauglichkeit, der stolze 50 Kilo aufnimmt. Noch eine Gemeinsamkeit von Bo 208 und 209: Gebremst wird von Hand auf beide Räder des Hauptfahrwerks. Bei der Monsun sitzt der Hebel (mit Feststellvorrichtung) bediengerecht auf der Mittelkonsole, beim Junior rechts im Beinraum des Piloten – mit dem Nachteil, dass beim Bremsen mit der rechten Hand der Y-förmige Zentralknüppel losgelassen werden muss. Die Monsun fliegt man eh’ mit links, bei der Landung wandert dann die rechte Hand automatisch vom Gas zur Bremse. Bleibt die Schlüsselfrage nach dem Charakter – sorry – den Flugeigenschaften unserer Geschwister.

Die knappe aber ebenso aussagekräftige Antwort: Sie werden der Familientradition ihres Elternhauses voll gerecht. Bo 208 und 209 sind Fluggeräte, die am liebsten mit zwei Fingern geflogen werden wollen und deren Piloten auch noch nach vielen Jahren Mühe haben, nach der Landung ein verklärtes Grinsen loszuwerden. Die Ruderdrücke sind ausgezeichnet abgestimmt, das Gefühl der Agilität wird durch die minimale innere Reibung im Steuersystem noch verstärkt. „Freude am sicheren und sportlichen Fliegen“ – so lautete der Werbeslogan von MBB bei der Vorstellung der Monsun 1969. Diese Flugeigenschaften waren auch das Hauptargument für unsere beiden Bölkow-Piloten aus dem Münchner Raum, Lothar Zimmer und Heinz Schreiber, sich für die Junior und Monsun zu entscheiden. Aber beileibe nicht der einzige Grund: Die Liebe zum Namen Messerschmitt geht bei Heinz Schreiber sogar rund 40 Jahre zurück.

Das markante Seiten- leitwerk lässt keine Verwechslung mit anderen Maschinen zu

Auf dem Kabinenroller seines Onkels machte er als Zwölfjähriger seine ersten Fahrversuche, als Student folgte der sagenumwobene Messerschmitt „Tiger“, nach dem Abitur vom Religionslehrer gebraucht erworben. Der „Tiger“ steht sogar heute noch in der Garage. Lothar Zimmer hingegen war von der Geschichte der MFI/Bölkow Junior fasziniert: Als junger Pilot flog er in den siebziger Jahren in Afrika und begegnete dort einem Schwarm MFI-Militärtrainern. Angeblich soll eine einzige Staffel MFIs die gesamte nigerianische MIG-Flotte während des Nigeriakriegs vernichtet haben. Seine eigene D-EASY wurde als eine der letzten gebauten Bo 208C 1969 nach Österreich verkauft (damaliger Kaufpreis laut Originalrechnung: 33 475 Mark und 50 Pfennige) und flog bis 2002 in der Alpenrepublik. Neben der soliden Technik waren für ihn die hervorragende 360- Grad-Rundumsicht und die günstigen Unterhaltskosten (18 Liter Avgas pro Stunde im Reiseflug) kaufentscheidend.

Heute wird seine Junior nicht nur an Wochenenden aus der Halle gezogen, sondern dient oft genug wochentags als Transportmittel zwischen seinem Wohnort im oberbayerischen Lechfeld und seinem Arbeitsplatz bei Porsche in Stuttgart. Kurzstart- und -landeeigenschaften sind übrigens beiden Flugzeugen nicht unbedingt in die Wiege gelegt: Bahnlängen von unter 400 Meter werden problematisch. Ist die Monsun zwar am Start aufgrund ihrer Power (gerade in der 160 RV-Variante) früher vom Boden weg, mag sie es aber gar nicht, wenn im kurzen Endanflug weniger als 70 Knoten anliegen. Dafür glänzt sie mit aerodynamischen Qualitäten: fast 140 Knoten Reisegeschwindigkeit (bei 75 Prozent Leistung) sind absolut realistisch und eine Reichweite von 650 Nautischen Meilen ist auch nach heutigen Maßstäben durchaus beeindruckend.

Den jüngsten Beweis dafür lieferte eine Monsun bei der diesjährigen Sun ’n fun in Florida: Beim „Sun-60-Race“ (für zertifizierte Flugzeuge) landete sie in der „Sportsman Class“ gegen die wesentlich PS-stärkere Konkurrenz auf einem sensationellen zweiten Platz. Logisch, dass da die kleine Schwester mit ihrem Conti O-200 und ganzen 100 PS nicht mithalten kann. Aber auch hier sprechen 95 Knoten Reiseleistung für sich und lassen eine Cessna 152 ziemlich alt aussehen. Zurück zur Familienchronik: Es bleibt die Frage, warum die Bo 209 nicht zu der Erfolgsstory im deutschen Kleinflugzeugbau wurde. Während die Fertigung der Bo 208 (etwa 200 gebaute Exemplare in sechs Jahren) im Frühjahr 1969 mit der Produktionsaufnahme der Monsun ihr natürliches Ende fand, kam für die Bo 209 bereits im September 1971 das überraschende Aus. Die kaufmännische Geschäftsführung bei MBB beschloss in einer Grundsatzentscheidung, die Herstellung von Leichtflugzeugen einzustellen.

Maschinen, die bereits im Bau waren, wurden bis Frühjahr 1972 fertiggestellt, die weitere Produktion trotz 275 (!) noch vorliegender Bestellungen gestoppt. Offizielle Erklärung war die mangelnde Rentabilität; inoffiziell hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, dass bei einer Fertigung von mehr als 100 Exemplaren staatliche Subventionen zur Rückzahlung fällig geworden wären. Und genau 100 Flugzeuge verließen – neben den Vorserienmaschinen – das Werk im baden-württembergischen Laupheim. Aber die Konzeption der Monsun war zu überzeugend: Ein großer amerikanischer Hersteller zeigte heftiges Interesse an einer Produktionsübernahme, machte aber einen Rückzieher, als er sich der aufwendigen Fertigung bewusst wurde. Und der jüngste Versuch dürfte allen Lesern frisch im Gedächtnis sein: Niemand anderes als Mylius-Sohn Albert versuchte, mit seiner MY 102/3/4-Baureihe die Idee einer Flugzeugfamilie wieder aufzugreifen (siehe fliegermagazin 7/2000).

Mit dem Conti O-200 unter der Cowling schafft die 208 fast 100 Knoten Reise

Schade, dass nichts daraus wurde … Bleiben unsere zwei ungleichen Schwestern als bemerkenswerter Teil deutscher Flugzeuggeschichte. Auch wenn sie unterschiedliche Väter haben, stellen sie doch den letzten Anlauf eines der großen deutschen Flugzeughersteller dar, sich im Bereich des Leichtflugzeugbaus zu engagieren. Die Gene von Bo 208 und 209 machen die Familienbande unverkennbar, selbst wenn die kleinere Schwester in unserem Fall die Ältere ist. Die beiden hatten aber noch nie ein Problem damit.

Text: hs/js, fliegermagazin 1/2005

Technische Daten
Bo 208C / Bo 209RV
  • 8,02 m / 8,40 m
  • 5,79 m / 6,40 m
  • 2,05 m / 2,20 m
  • Rolls Royce Continental 0-200 / Lycoming AIO-320
  • 18 l/h / 28 l/h
  • 550 NM / 650 NM
Schlagwörter
  • Echo-Klasse
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