Flugzeug-Reportage: Blackshape Prime bei der Flugzeugträger-Erprobung
Mit einer kleinen Maschine auf einem Flugzeugträger starten und landen – ein Traum vieler Piloten! In Italien lotet die Marina Militare die Möglichkeiten von Einsätzen solcher Flugzeuge aus
UL und Flugzeugträger – größer könnte der Gegensatz nicht sein. Ein ultraleichtes Luftsportgerät auf einem 28 000-Tonnen-Hochseemonster; 100 PS gegenüber 120 000 PS, friedlich statt bewaffnet, privater Freizeitspaß und nationale Streitkraft … Sieht man genauer hin, sind die Gegensätze allerdings kleiner: Die BS115 auf dem Flugzeugträger IST Cavour 550 ist zwar im Wesentlichen identisch mit der UL-Prime, mit 340 Kilogramm Leergewicht aber schwerer. Und zivil ist sie auch nicht: „Eine Militärversion“, antwortet Hersteller Blackshape auf die Frage, ob es sich um die 600-Kilo-Variante handle, die als LSA betrieben werden könnte. Dennoch – wir sehen in dem schnittigen Tandemsitzer das, als was er ursprünglich entwickelt wurde: ein Ultraleichtflugzeug. Von der Hand zu weisen sind militärische Assoziationen trotzdem nicht, denn bereits auf den ersten Blick erinnert die negative V-Stellung des Höhenleitwerks an einen Militärjet, zum Beispiel an die F-4 Phantom.
Die Epoche, als dieser zweistrahlige Jagdbomber up to date war, ist mittlerweile vorbei, und beim italienischen Militär scheint man heute sehr offen zu sein, was die Gerätschaft betrifft. Undenkbar, dass ein „Spielzeug“ wie die Prime während des Kalten Krieges auf einem Flugzeugträger akzeptiert worden wäre! Hintergrund ist ein Abkommen, das Blackshape mit der italienischen Marine geschlossen hat: Man will herausfinden, welche Einsatzmöglichkeiten für den leichten Propeller-Zweisitzer denkbar sind. Auf dem Flaggschiff der Marina Militare sind normalerweise EH101-Transporthubschrauber und Senkrechtstarter des Typs AV8 Harrier II stationiert. Bevor die Prime auf die Cavour kam, wurden auf der süditalienischen Marineflieger-Basis Maristaer Tests durchgeführt. Landehaken und Abstoppvorrichtung waren nicht vorgesehen – die Maschine sollte ohne bodenseitige Hilfe zum Stehen kommen.
Blackshape Prime: Die erste Phase der Erprobung fand im Golf von Oman statt, die zweite vor Südafrika
Das Programm, das dann ausgearbeitet wurde, bestand aus mehreren Phasen und Manövern. Steile Anflüge gehörten ebenso dazu wie die Ermittlung exakter Flugleistungswerte, insbesondere der Start- und Landerollstrecke. Bei leichtem Gegenwind kam man auf eine Landerollstrecke von 200 Metern – das Flugdeck der Cavour misst 220 Meter. Das passte schon mal. Wenn das Schiff gegen den Wind fährt, sodass sich Wind- und Eigengeschwindigkeit addieren, verkürzt sich die Landestrecke weiter. Was die Startrollstrecke betraf, ergaben die Messungen in Maristaer, dass die Prime bei leichtem Gegenwind schon nach 120 Metern abhob. Auf die Rampe am Ende des Decks, über die startende Flugzeuge im Winkel von zwölf Grad nach oben gerichtet in die Luft entlassen werden, würde die Propellermaschine also auf keinen Fall angewiesen sein. Nachdem die Erprobung an Land erfolgreich verlaufen war, ging’s auf den Flugzeugträger.
Am Steuer der Prime saß Gian Battista Molteni, ein Testpilot der italienischen Marine, der am Versuchsgelände der italienischen Luftwaffe in Pratica di Mare stationiert ist. Die erste Phase der Erprobung fand im Golf von Oman statt, die zweite vor Südafrika, ebenfalls auf offener See. Dabei zeigte sich, dass die Prime unter typischen Einsatzbedingungen nicht mehr als 90 Meter Start- und Landerollstrecke benötigte. Wie bei jedem Einsatz auf einem Flugzeugträger war der schwierigste Teil die Landung. Dabei muss der Pilot auch die Geschwindigkeit des Schiffs einkalkulieren. Er kommt in einem steilen Winkel angeflogen und hat nur 15 Meter zum Aufsetzen.
Extremer Anflug: Steiler Winkel und nur 15 Meter zum Aufsetzen
Wenn das misslingt, gibt der Landesignal-Offizier (LSO) über Funk das „Wave-off“-Signal, und die Maschine muss durchstarten. Stimmt der Aufsetzpunkt, meldet der LSO: „Cut!“ Dann zieht der Pilot das Gas vollständig raus und steigt in die Bremsen. Einen Berührungspunkt zwischen der militärischen Prime-Erprobung und der Allgemeinen Luftfahrt könnte es demnächst in Friedrichshafen geben: Möglicherweise besucht Fregattenkapitän Molteni die AERO mit der Marine-Prime. Dazu würde er in der Nähe von Civitavecchia bei Rom von der Cavour starten und nonstop zum Bodensee fliegen.
Fotos: Blackshape Aircraft, fliegermagazin 4/2014
Peter Wolter kam vom Drachenfliegen zur motorisierten Luftfahrt und von der Soziologie zum Journalismus. Er steuert ULs sowie E-Klasse-Maschinen und hat sein eigenes UL (eine Tulak) gebaut.
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