Das Rennen: Porsche Carrera 4 gegen Cirrus SR22
Es war ein Rennen um Speed und Spaß, auf das wir anlässlich der AERO zurückblicken: Von Hamburg zur AERO 2013 ist eine Hälfte des fliegermagazin-Teams im Porsche gefahren – die andere mit einer Cirrus SR22 geflogen
TEAM CIRRUS: Jeder Pilotenkollege, dem wir von dieser Idee erzählten, wusste gleich Bescheid. „Klar ist die Cirrus schneller; da trete ich noch mit meinem Motorsegler an“ – so oder ähnlich lauteten die Kommentare. Wie unter Piloten üblich verdrängten die Herrschaften wichtige Details: Unser Flug nach Friedrichshafen beginnt mit einer mehr als einstündigen Autofahrt in die Gegenrichtung – zu einem der wenigen für die Allgemeine Luftfahrt brauchbaren Flugplätze in der Nähe der zweitgrößten Stadt Deutschlands.
Die Situation ist leider nicht ungewöhnlich: Hamburg International liegt mitten in der Stadt, ist aber unbezahlbar. Der Grasplatz Uetersen (EDHE) fällt im Frühjahr, Herbst und Winter aus für ein Flugzeug, das einen Messestand zieren soll: Matschalarm! Und Itzehoe (EDHF) ist besagte Stunde entfernt. Also wie verabredet morgens um 8 Uhr Abfahrt – im Passat. Und ja: Die 20 Minuten Flugvorbereitung am Abend zuvor zählen wir auch zur Reisezeit. Nur dank des Flugplanungs-Dienstleisters RocketRoute brauchen wir nicht länger.
Wow! Was für eine Geräuschkulisse, was für ein Schub!
TEAM PORSCHE: Ganz ehrlich: Das Platzangebot im Porsche hat mir vorher mehr Kopfzerbrechen gemacht als die 350 PS, die per Allrad-Antrieb auf den Asphalt gebracht werden. Mit den ganzen Assistenzsystemen ist ein 911er doch längst nicht mehr so bissig, wie das früher mal der Fall war. Bedenken in dieser Richtung hatten eher die Kollegen, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Während mir mein Redakteurskollege Peter Wolter in den Tagen vorher ein kurzes „Mach bloß keinen Scheiß!“ zuraunt, kommt der Chef irgendwann an meinen Schreibtisch und meint: „Dir ist schon klar, dass ihr da nicht bloß mit 130 runterfahren sollt?“ Ich beschließe, mir von einer Freundin eine Steve-McQueen-Gedächtnisjacke auszuleihen. Die wird helfen, mental die richtige Balance zu finden.
TEAM CIRRUS: Im Nieselregen dieses trüben Morgens geht es auch nach der Ankunft in Itzehoe noch lange nicht los: Aushallen, Gepäck verstauen, Rollen zum Tanken, Vorflugkontrolle, Rollen zum Start, Pre-Take-off-Checks. Im Nu ist mehr als eine halbe Stunde rum. Ob die Kollegen schon in Hannover sind?
TEAM PORSCHE: Schön wär’s. Um 10 Uhr rolle ich aus der Verlagstiefgarage. Mein Trolley passt wunderbar ins tiefe Gepäckfach unter der vorderen Haube, Peter reist eh mit spartanischem Gepäck, das wir auf die umgeklappten Lehnen der Rückbank wuchten. Perfekt. Als wir gegen 10.30 Uhr den Elbtunnel hinter uns lassen und das Tempolimit aufgehoben ist, trete ich zum ersten Mal das Gaspedal durch. Wow! Was für eine Geräuschkulisse, was für ein Schub! Ich muss grinsen, Peter schreit „Jaaaaa!!“ Herr McQueen wäre stolz auf uns.
TEAM CIRRUS: Wenigstens reicht das Wetter gerade so für einen VFR-Start mit IFR-Pickup. Mit einem reinen Sichtflug würden wir heute nicht verlässlich durchkommen. Nach insgesamt zwei Stunden Vorbereitungs- und Fahrzeit inklusive Flugplanung am Vorabend stehen wir endlich auf der Bahn und können die 310 Pferde unter der Cowling los lassen. Dafür gibt’s keine bewundernden Blicke von Jungs (oder Mädels!) am Straßenrand, sondern höchstens einen Anruf von der Lärmschutz-Ini. Jaja, beim Porsche sind’s noch 40 PS mehr, aber wir machen dauerhaft 300 Sachen – nicht nur bergab mit Rückenwind.
TEAM PORSCHE: Unterwegs probieren wir die verschiedenen Sport-Einstellungen aus, die man über Tasten an der Mittelkonsole anwählt. Das Fahrwerk wird härter, der Sound besser, die Automatik schaltet schneller und dreht die Gänge voll aus. Dichter Verkehr und viele Baustellen auf der A7 verhindern längere Vollgasfahrten. Natürlich halten wir uns an Tempolimits, drängeln haben wir überhaupt nicht nötig – alle machen freiwillig Platz. Cool! Allein ein Opel Corsa OPC versucht sein Glück mit uns, jedoch ohne aufdringlich zu werden. Sein Fahrer scheint es zu genießen, mal auszuloten, was geht, und macht Platz, als seinem heißen Gerät bei 215 km/h dann doch die Puste ausgeht. Wir belohnen seine Fairness mit einem ordentlichen Tröten aus dem Sechszylinder, als wir an ihm vorbeizischen.
Im Porsche: Peter übernimmt das Steuer, einfach so, ohne Typeneinweisung
TEAM CIRRUS: Bremen Radar gibt uns wie immer zügig die Freigabe, wir verschwinden in den Wolken. Es ist kalt draußen, im breiten Strom läuft vorsichtshalber die Enteisungsflüssigkeit über den Flügel. Leute, IFR-Fliegen ist der Hammer! Dauert allerdings nicht lange: Nach ein paar Minuten kommen wir oben aus dem Stratus, rasen mit voll Stoff über die Wolkengipfel dahin und steigen in den knallblauen Himmel. Alles klar da unten im Porsche?
TEAM PORSCHE: Baustelle an Baustelle. Aber uns war sowieso klar, dass wir gemessen an der Netto-Zeit kaum würden mithalten können. Ja, gegen ein langsames UL vielleicht, mit Tankstopp auf halbem Weg, so wie wir. Doch noch ist die Rechnung nicht aufgemacht, wie viel Zeit für Flugvorbereitung und den Check zu veranschlagen sind, die wir nicht auf der Uhr haben. Als das Headset einen Anruf meldet, verrät die eher schlechte Verbindung, dass am anderen Ende die Cirrus mit ihrem Satellitentelefon sein muss. Die sind schon viel weiter als wir! Und wieder eine Baustelle …
TEAM CIRRUS: Ah, der Luxus einer modernen Reise-Einmot: Der Autopilot levelt in FL80 aus, die Sonne scheint durch die getönten Scheiben, im Getränkehalter steckt Mineralwasser, wir reichen Croissants herum. Dann kommt beim Nienburg-VOR der Clou: Auf dem Multifunktionsdisplay blättern wir zur Satelliten-Telefon-Seite und rufen die Kollegen im Porsche an. Saucool! Die Jungs stecken am Harz mitten in einer Baustelle, dann zählt Martin am Telefon die Sekunden bis zu deren Ende runter und gibt Gas. Klingt auch gut …
TEAM PORSCHE: Zeit für einen Kaffee, wir vertreten uns die Beine. Das können die im Flieger nicht – auch so ein Punkt, den wir auf der Haben-Seite verbuchen. Peter übernimmt das Steuer, einfach so, ohne Typeneinweisung. Als Pilot ist er mehr der Purist, der klassische Analog-Instrumente lieber mag und auf Glascockpits verzichten kann, genau wie ich. Doch hier im 911er werden wir beide plötzlich zu Knöpfchendrückern. Uns hat es vor allem die Taste „Sport plus“ angetan. Nach und nach trauen wir uns mehr zu: 200 km/h sind keine große Sache, spannend wird es darüber hinaus. Wenn die Situation es zulässt, tasten wir uns weiter voran: 245, 260, 270 …
TEAM CIRRUS: Unter uns verschwinden die Wolken, wir bekommen einen sensationellen Rundflug über den Frankfurter Flughafen – und dann ein „direct GARMO“, also praktisch direkt nach Friedrichshafen. Besser geht’s nicht.
TEAM PORSCHE: Tankstopp nach gut 400 Kilometern in Fulda. Der für unsere sprunghafte Fahrweise moderate Verbrauch verblüfft uns: 13,2 Liter – da hätte ich doch etwas mehr erwartet. Wie sehr der Verbrauch in die Höhe schnellte, würden wir konstant über 230 km/h fahren, bleibt uns verborgen: Selbst deutsche Autobahnen geben das nicht her, die A7 momentan schon mal gar nicht.
TEAM CIRRUS: „Gruezi!“ – hier regelt Zürich Radar den Approach. Mit Vektoren vom Controller geht es durch ein paar Cumuli auf das ILS. Nach exakt 2:29 Stunden Flugzeit setzen wir auf, drei Minuten später stehen wir vor der Messehalle. Erster!
TEAM PORSCHE: Stau bei Elfershausen in der Nähe von Bad Kissingen. Wir fallen auf – positiv: Aus einem vorbeirollenden Smart lächelt uns eine junge Dame freundlich zu. Säßen wir in einem anderen Wagen, sagen wir einem Twingo, hätte sie uns ganz sicher ignoriert. Ein älterer Herr in einem Touareg kurbelt die Scheibe runter, als er an uns vorbeizieht, und ruft lachend: „Besser Volkswagen fahren – ist einfach schneller!“ Jaja – wir sehen uns gleich wieder! Als wir die letzten Autobahnkilometer bis Lindau vor uns haben, ist klar, dass die Cirrus natürlich schon längst da und auf dem Messestand zurechtgemacht ist. Und wenn schon: Peter genießt nach einem erneuten Fahrerwechsel die Sicht auf die ersten Berge, während ich so langsam aber sicher an einem silberfarbenen Audi vorbei möchte. Der Corsa von heute morgen hatte wenigstens Manieren. Um 16:30 Uhr erreichen wir das Messegelände. Ein toller Ritt!
Nach exakt 2:29 Stunden Flugzeit setzen wir auf, drei Minuten später stehen wir vor der Messehalle. Erster!
TEAM PORSCHE: Gemeinsam bewundern wir beim Fototermin unsere Gefährte. Erstaunlich, wie ähnlich die Innenaustattung ist: Leder, Alu, Chrom – in beiden Fällen alles vom Feinsten. Jede Menge Rechnereien kann man jetzt veranstalten: Für eine Cirrus gibt es viereinhalb Porsche; der Porsche hat 44 Prozent mehr Zeit gebraucht. Für uns erstaunlich: Pro 100 Kilometer und pro Insasse (drei in der Cirrus, zwei im Porsche) ist der Verbrauch identisch. Und: Mit Vorbereitung und Fahrt zum Platz hat Team Cirrus fast genauso viel Zeit verbracht wie mit dem Fliegen – auf einer langen Strecke. Das Wichtigste jedoch verraten die Reaktionen der Kollegen, die mit Airline oder VW-Bus zur AERO gekommen sind: Völlig egal, ob Porsche oder Cirrus – beide machen auf Reisen wahnsinnig viel Spaß!
fliegermagazin 6/2013
Thomas Borchert begann 1983 in Uetersen mit dem Segelfliegen. Es folgte eine Motorsegler-Lizenz und schließlich die PPL in den USA, die dann in Deutschland umgeschrieben wurde. 2006 kam die Instrumentenflugberechtigung hinzu. Der 1962 geborene Diplom-Physiker kam Anfang 2009 vom stern zum fliegermagazin. Er fliegt derzeit vor allem Chartermaschinen vom Typ Cirrus SR22T, am liebsten auf längeren Reisen und gerne auch in den USA.
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