flugplaetze

Touch & Go Flugplatz Heringsdorf: Weißer Sand und Wellen

Die Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin sind einen Besuch mit Freunden wert, inklusive Strandspaziergang und Einkehr auf der bekannten Seebrücke. Ein kleiner Reisebericht!

Von Gernot Krämer
Seen auf Usedom
Sogar Seen bietet Usedom: Wenn der zwölf Kilometer lange weiße Sandstrand mit den Seebädern nicht reichen sollte ... Foto: Gernot Krämer

Usedom sei die Badewanne der Berliner, lautet ein bekannter Spruch. Er stammt noch aus der Vorkriegszeit, als Schnellzüge aus der Hauptstadt nur zwei Stunden brauchten. Damals erklärte Heinrich Mann die Insel zum „Berliner Vorort“, und sein Schriftstellerkollege Kurt Tucholsky witzelte: „Vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße.“

Heute braucht die Bahn fast doppelt so lang und an den beiden einzigen Brücken bilden sich im Sommer oft kilometerlange Staus. Den wichtigsten Grund dafür kann jeder sehen, der den Regionalflughafen Heringsdorf über „Whisky“ anfliegt und kurz vor Erreichen des Pflichtmeldepunkts mal links rausguckt: Dort ragen die Reste einer riesigen Eisenbahn-Hubbrücke aus dem Wasser. Die Nazis sprengten sie im Frühjahr 1945 in der Hoffnung, die Rote Armee noch ein paar Stunden oder Tage aufzuhalten.

Flugplatz Heringsdorf: Kontrollzone hat eine HX-Regelung

Normalerweise unbeschwerlich ist dagegen die Anreise mit dem Flugzeug – und extrem sehenswert natürlich auch, denn die zerklüftete Struktur der Insel erschließt sich im Grunde nur aus der Luft: Peenestrom, Achterwasser, Stettiner Haff und Meer scheinen das Land von allen Seiten auszuhöhlen, mittendrin gibt es sogar noch Seen. Die Kontrollzone besitzt eine HX-Regelung und wird je nach Bedarf (Linienflüge, IFR-Training) aktiviert. Es kann also passieren, dass man bei der Landung mit Heringsdorf Tower und später beim Abflug mit Heringsdorf Radio funkt.

LandebahnLandebahn
Komfortable 2,3 Kilometer Asphalt: Die Landebahn in Heringsdorf verläuft parallel zur Küste – nicht der Ostsee, sondern des Stettiner Haffs.

Generell ist das Prozedere aber unkompliziert, das zeigt sich auch daran, wie bei gleichzeitigem Linienflugverkehr die Sicherheitskontrollen für Privatpiloten und deren Passagiere gehandhabt werden: Um Wartezeiten zu vermeiden, erfolgen der Ausgang und der Zugang dann durch das Drehkreuz neben der zweiten Torzufahrt, Schilder weisen den Weg zur Vermeidung des Sicherheitsbereichs auf dem Vorfeld.

Mit dem Flughafentaxi zum Strand

Ich bin, ich weiß nicht zum wievielten Mal, von Berlin kommend in Heringsdorf gelandet, diesmal mit französischen Freunden, und möchte ihnen meine kleine Lieblingstour zeigen: erst ein Mittagessen auf der Seebrücke in Ahlbeck, dann am Strand entlang nach Heringsdorf spazieren und von dort wieder zurück zum Flughafen. Mit dem Bus (Linie 284) vom Airport wegzukommen kann funktionieren, ist aber wegen der unregelmäßigen Abfahrtszeiten Glückssache. Am gut 500 Meter entfernten „Hangar 10“ wären App2Drive-Mietwagen verfügbar. Wir nehmen indes wieder das bewährte Flughafentaxi (Telefon 0171/7727741) und brauchen nicht mal anzurufen, weil es gerade vor dem Terminal steht.

LESEN SIE AUCH
Nordseeinseln
Reisen

Fliegerurlaub Nord- & Ostsee: Mit zwei ULs nach Norddeutschland

Eine Viertelstunde später sind wir am Strand: Nach Osten ist die polnische Grenze nur vier Kilometer entfernt, man erkennt die Hafenkräne von Świnoujście (Swinemünde) und dahinter die Steilufer der Nachbarinsel Wollin. Nach Westen sieht man die Seebrücken der Nachbarorte Heringsdorf und Bansin. Zusammen mit Ahlbeck, wo wir gerade sind, bilden sie die drei sogenannten Kaiserbäder – mondäne Kurorte aus wilhelminischer Zeit. An die bescheidenen Fischerdörfer, aus denen sie hervorgegangen sind, erinnert heute kaum noch etwas.

BäderarchitekturBäderarchitektur
Bäderarchitektur: In strahlendstem Weiß überdauerten die Gründerzeitvillen die wechselnden Zeiten und die verschiedensten Gäste.

Zwölf Kilometer lang ist die feinsandige Strandwanderstrecke von Świnoujście bis Bansin – und wer will, könnte noch viel weiter bis nach Peenemünde am Nordende der Insel. Dort bietet ein weiterer Flugplatz (EDCP) Zugang zum Museum rund um die Erprobungsstätte der V-Raketen des Zweiten Weltkriegs. Doch wir sind hungrig und kehren erst mal im Restaurant auf der Seebrücke in Ahlbeck ein, der einzigen im ursprünglichen Zustand erhaltenen dieser Gegend. Ja, das ist die aus dem Loriot-Film „Pappa ante Portas“. Danach laufen wir die Promenade entlang, an der die meisten der prächtigen und hübsch restaurierten Strandvillen und Hotels liegen.

Shopping Mall auf Stelzen

Vom Strand aus sehen wir den markanten spitzen Aussichtsturm der Ostseetherme und den Baumwipfelpfad Usedom, beide irgendwo dort, wo Ahlbeck und Heringsdorf unmerklich ineinander übergehen. Nach gut zwei Kilometern erreichen wir die Seebrücke Heringsdorf mit ihren pyramidenförmigen grauen Dächern – nicht so hübsch wie die in Ahlbeck, eher eine Art Shopping Mall auf Stelzen, aber mit 508 Metern immerhin die längste Seebrücke in Deutschland. Auch in diesem Ort gibt es wunderschöne Beispiele klassischer Bäderarchitektur. Heringsdorf galt einst als besonders nobel. Nach einem Kaffee in der Sonne lassen wir uns vom Taxi abholen.

SeebrückeSeebrücke
Die Seebrücke in Ahlbeck: Sie ist mit 280 Metern nicht die längste, dafür aber die älteste erhaltene ihrer Art in Deutschland und begrüßt Ankommende mit einer historischen Uhr.

Der Flughafen hat eine lange Geschichte, die bis 1911 zurückreicht. In den ersten Jahrzehnten ging es freilich keineswegs um eine Anbindung der Kaiserbäder, sondern der Hafenstadt Swinemünde, deren Namen er auch lange trug. Die sicherte mit ihren Befestigungsanlagen den Zugang zum Oderhaff, zur Hafenmetropole Stettin und zur gesamten Oderschifffahrt. Wohl deshalb übernahm die Luftwaffe 1935 den Platz und baute ihn zum „Fliegerhorst Garz“ aus.

Die Kontrollzone Heringsdorf überschneidet sich mit Polen

Seit 1945 ist Swinemünde polnisch, das östliche Drittel der bis in 2500 Fuß reichenden Kontrollzone Heringsdorf liegt über polnischem Territorium und überschneidet sich ab 1000 Fuß Höhe mit der TMA und RMZ von Szczecin, für die ansonsten Szczecin Tower beziehungsweise Gdansk Information zuständig sind. Wir drehen nach dem Start auf der „10“ nach Norden ab, entdecken in der breiten Mündung der Swine eines der Fährschiffe, die Świnoujście mit den schwedischen Häfen Trelleborg und Ystad verbinden, und verlassen die Kontrollzone über „November“. Ehe wir auf Kurs gehen, machen wir noch einen Inselrundflug. Praktisch alle Wasserflächen ringsum sind bis 2000 Fuß als Vogelschutzgebiete ausgewiesen.

Usedom aus der LuftUsedom aus der Luft
Mehr geht nicht: Usedom aus der Luft im Abendlicht.

Erst auf dem Rückflug fällt mir ein, dass ich nun wieder nicht im Flugzeugmuseum „Hangar 10“ mit seinen größtenteils noch flugfähigen Oldtimern (meist Warbirds) war, von dem ich schon so viel gehört habe. Es wird also wohl nicht der letzte Besuch in Heringsdorf gewesen sein.

Fotos: Gernot Krämer