Flugplatz Texel – EHTX
Die ostfriesische Inselkette kennen die meisten Piloten sehr gut. Warum also nicht mal ganz nach Westen fliegen: Dort liegt die niederländische Nordsee-Insel Texel
So viel Grün auf der Insel, wo ist bloß der Grasplatz? Außerdem lenkt uns dieser lange Sandstrand ab, der sich auf der ganzen Westseite der Insel entlangzieht. Da muss man einfach erstmal dran lang fliegen – hoch genug, denn hier sind Mensch und Tier lärmempfindlich. Aber Vorsicht: Am Südende beginnt die Kontrollzone des Militärplatzes De Kooy, im Norden ein Sperrgebiet. Beide sind nicht immer aktiv. An der nordöstlichen Inselspitze begrüßt uns der rote Leuchtturm von De Cocksdorp. Dann geht es Richtung Süden über die Strandhütten. Etwa alle fünf Kilometer ist ein Strandpavillon zu erkennen. Hier können die hungrigen Strandwanderer einkehren, die aus der Luft wie Ameisen aussehen. Da müssen wir später unbedingt auch laufen!
Am Südzipfel der Insel wird der Strand immer breiter und schließt fast das Hafenbecken ein. Wir fliegen zurück Richtung Nordosten, der Platz liegt im oberen Drittel der Insel. Da ist er, die „04“ ist aktiv, wir landen einträchtig mit einigen Fallschirmspringern, die neben den Flughafengebäuden ihren Landepunkt haben. Auf dem Tower werden wir von Ed und Mike de Bruijn so herzlich begrüßt als kennen wir uns schon lange. Der Flugplatz Texel existiert seit 1937; Ed arbeitet schon seit 40 Jahren hier. Inzwischen teilt er sich den Job mit seinem Sohn Mike. Im Sommer ist am Flugplatz richtig viel los. Die Hälfte der ausländischen Piloten, die die Insel anfliegen, kommt aus Deutschland. Alle drei Jahre organisiert der Texel International Airport einen großen Flugtag mit Airshow und zirka 300 Besucherflugzeugen aus verschiedenen Ländern.
Wir fliegen zurück Richtung Nordosten, der Flugplatz liegt im oberen Drittel der Insel
Ed und Mike sind ein Glücksfall für die Insel und alle ankommenden Piloten. Schon im Vorweg geben sie gerne Tipps, was man vor Ort unternehmen und wo man übernachten kann oder wie man vom Flugplatz weg kommt. „Schreibt uns einfach eine Mail oder ruft an“, sagt Ed. „Wir wollen, dass alle Leute zufrieden sind und später glücklich von der Insel wegfliegen.“ Wir schnappen uns die Mietfahrräder am Flugplatz und radeln ein Stück die Straße hoch zum Hotel Texel, das vom Flugplatz auch zu Fuß gut erreichbar ist. Es wird von Marianne Langeveld geführt, der Bauerstochter vom Hof nebenan. In der familiären Atmosphäre fühlt man sich sofort heimisch. Das Restaurant gleicht fast einem Wohnzimmer mit Piano, Kamin, Bar und gemütlichen Sofas. Uns ist aber erstmal nach Entspannung zumute: Sauna, Pool oder „Woolness“?
Nein, kein Schreibfehler, auch nicht das holländische Wort für Wellness: Im Hotel Texel können wir ein Wollbad nehmen. Dazu werden wir in Wolle von Texel-Schafen gehüllt und entspannen in einer Art Krippe. Zusätzlich erhalten wir eine Fuß-Packung mit Schafscreme. Nach 45 Minuten bei sphärischer Musik gibt es einen warmen Tee. Vom Lanolin-Fett in der Wolle bleibt eine kleine Schicht auf der Haut zurück und stimuliert ihre Selbstheilung. Auch wer nicht Gast des Hotels ist, kann Woolness genießen. Natürlich kommt die Wolle von der Insel: Das Texelschaf ist weltberühmt. Zuchttiere werden für bis zu 35 000 Euro sogar nach Übersee verkauft. Auf dem Bauernhof von Piet Blom schauen wir uns die Tiere an.
Uns ist aber erstmal nach Entspannung zumute: Sauna, Pool oder „Woolness“?
„Das Texelschaf ist klein, dick und breit – wie der echte Texelmann“, erklärt er lachend und präsentiert uns einen Bock aus seiner Herde. Piet hat an die 500 Schafe, hauptsächlich für die Milchproduktion, denn die Wolle bringt nicht viel ein: nur drei Euro pro Schaf. Die Milch verwendet ein Käsehersteller auf Texel: Sieben Liter werden für ein Kilo Schafskäse benötigt. Aber die Schafe geben nicht nur Milch, sondern auch Fleisch. Piet verkauft es an Hotels und Touristen. Auf seinem Hof kann man zelten – Camping by de Boer. So ein „Zelten beim Bauern“-Schild sehen wir an den Toreinfahrten vieler Höfe. Noch schöner ist der drei Kilometer lange Zeltplatz bei De Koog: Dort kann man mitten in den Dünen zelten; jeder findet ein eigenes Fleckchen ganz für sich allein.
Gleich hinter den Dünen breitet sich dann der 30 Kilometer lange Sandstrand aus. Wir lassen uns einfach mal ein paar Kilometer den Strand entlang treiben, voll wird es auf der Riesenfläche nie. Nach einer Stärkung in einem der Strandpavillons, die wir schon von oben gesehen haben, warten wir auf den Sonnenuntergang. Das typische Fortbewegungsmittel auf Texel ist das Rad – schließlich sind wir in den Niederlanden. Hier gibt es 170 Kilometer Radwege, die Insel ist also nicht so klein, dass man sie locker mit dem Rad an einem Tag umrunden könnte. Und man darf nicht vergessen, dass man auf dem Rückweg eventuell gegen den Wind antreten muss. Das gut ausgebaute Busnetz oder Taxis lösen das Rad bei schlechterem Wetter ab.
Texel: Gleich hinter den Dünen breitet sich dann der 30 Kilometer lange Sandstrand aus
Und dann bleibt neben dem Strandleben auch noch viel auf der Insel zu entdecken. Der Hafen von Oudeschild ist Heimathafen der Fischereiflotte von Texel. Am Wochenende liegen dort viele moderne Kutter, und es werden Bootstouren ins Wattenmeer angeboten. Das nahe gelegene Strandgutmuseum Kaap Skil fasziniert mit seinem maritimen Flair. Die Scheune ist randvoll mit Strandgut, das von den „Juttern“ gesammelt wurde – so heißen die Strandräuber auf niederländisch. Gilles van Mil ist einer der sechs verbliebenen Strandräuber der Insel und zeigt uns seine Welt. Was für uns normale Strandspaziergänger auf den ersten Blick wie Müll aussieht, wird von den Strandräubern gesammelt und wiederverwertet oder verkauft.
Auch das ein oder andere Kunstwerk entsteht. Der 64-Jährige zeigt uns Hocker, die er aus alten Bojen und Plastikrohren gebaut hat. „Mein größter Coup war ein Container voller Zigaretten der Marke Hollywood. Die habe ich dann an deutsche Touristen verkauft“, sagt Gilles. Eigentlich ist Strandräubern verboten. Alles, was angeschwemmt wird, gehört dem Staat. Um die Jutter zu kontrollieren, sind auf der Insel sechs Strandwärter angestellt. Sie rücken vorwiegend nachts aus, weil sie wissen, dass Gilles und seine Kollegen am liebsten in der Dunkelheit auf die Suche gehen. „Ihr Problem ist nur, dass sie mit großen, Scheinwerfer behängten Wagen am Strand entlang fahren und man sie schon aus der Ferne als einen fahrenden Christbaum erkennt“, erklärt Gilles.
Strand, Wind und Wasser machen einfach glücklich!
Dann, sagt er, zieht er sich in die Dünen zurück: „An bestimmten Stellen habe ich dort etwas versteckt und lasse es mir gut gehen“, erklärt Gilles schelmisch und macht dabei eine Trinkbewegung. Gilles ist ein perfekter Geschichtenerzähler und ein Texeler Original. Wovon es einige gibt, wie wir feststellen. Ein weiteres entdecken wir auf dem Hof von Kuh-Bauer Christian Rodenburg. Der Milchverkauf brachte ihm nicht genug ein. Also schaffte Christian eine Eismaschine an. Mittlerweile verkauft er in der Hochsaison 900 Liter Eis am Tag. Im Sommer kommen jeden Tag 1500 Leute auf seinen Hof, um ein Eis zu essen. Da kann es schon mal sein, dass man Schlange stehen muss – es lohnt sich. Wir haben die Sorten Omas Apfelstrudel und Snickers probiert, köstlich!
Die Texelaner sind stolz auf ihre Insel, sie entwickeln immer neue Ideen. Derzeit entsteht sogar ein Weinanbaugebiet. Von der Ijsboerderij „Labora“ radeln wir zum Leuchtturm, genießen ein kühles (und preisgekröntes) Texel-Bier in den windgeschützten Dünen und beobachten die Strandsegler. Strand, Wind und Wasser machen einfach glücklich! Wenn das Glücksgefühl dennoch ausbleibt, kann man sich „Geluk“ auf Texel sogar einfach kaufen: Alfons und Krista Hurkmans bieten es in Form eines Likörs an. Ihr Spirituosengeschäft befindet sich genau gegenüber der Maartenskerk im Zentrum von Oosterend, des ältesten und vielleicht schönsten Dorfs der Insel.
Die Kirche ist eine der ältesten Kirchen der Niederlande, sie wurde 1206 an den Standort einer noch älteren Kirche gebaut. Das Wijnhuis von Alfons und Krista ist ein ehemaliges Küsterhaus aus dem 17. Jahrhundert und steht unter Denkmalschutz. Seit 1965 dient es als Weinhandel. 33 verschiedene Kräuterbitter und Liköre bieten Alfons und Krista in ihrem historischen Laden an, 27 davon sind selbst produziert und tragen schöne Namen wie Texelse Strandwandeling, Liefde, Gezondheid, Vriendschad oder eben Geluk. Für alle Fälle nehmen wir davon eine Flasche mit. Und wenn sie leer ist, kommen wir wieder. Zum Auftanken!
Texel – Tipps und Infos
- Unterkunft: Hotel Texel, Telefon 0031 (222) 31 12 37, www.hoteltexel.com: gemütliches Privathotel in der Nähe vom Flugplatz mit „Woolness“ und gutem Essen.
- Restaurants: Het Schoutenhuys, Den Burg, Telefon 0031 (222) 31 20 41, www.hotelgroeptexel.nl/nl/schoutenhuys: Hier speiste der Schultheiß mit seinen Gefährten – oder erhängte die Gesetzesbrecher in dem Raum, in dem jetzt großartige Gerichte serviert werden. Die Köche verarbeiten eine Auslese an Kräutern aus Niederländisch-Indien. Das Essen im Schoutenhuys ist eine echte Entdeckungsreise. Texelse Ijsboerderij „Labora“, De Cocksdorp, www.ijsboerderijlabora.nl: Leckeres Eis von glücklichen Texel-Kühen, Stallbesichtigung inklusive.
- Sehenswertes: Kaap Skil, Oudeschild, Telefon 0031 (222) 31 49 56, www.kaapskil.nl: Museum der Strandgutsammler und Seeleute.Ecomare, De Koog, Telefon 0031 (222) 31 77 41, www.ecomare.nl: älteste Seehundaufzuchtstation in Europa.
Wijnhuis Oosterend, Oosterend, www.wijnhuisoosterend.nl: Spirituosengeschäft im denkmalgeschützten Küsterhaus mit selbst hergestellten Kräuterbittern und Likören.
- Aktivitäten: Golfplatz De Texelse, De Cocksdorp, Telefon 0031 (222) 31 65 39, www.texelse.nl: Golfen in den Dünen, ab 2014 über 18 Löcher.Manega Elzenhof, De Koog, Telefon 0031 (222) 31 74 69, www.manegeelzenhof.nl: Ponyverleih für Kinder, Ausritte durch den Wald für Anfänger und Fortgeschrittene, Reitstunden, Strandritte für Fortgeschrittene.
- Radfahren: 170 Kilometer Radweg stehen auf der Insel zur Verfügung. In den meisten Dörfern von Texel gibt es Fahrradverleihe, die neben normalen Fahrrädern auch Tandems oder Fahrräder mit Hilfsmotor anbieten. Fahrradverleih direkt am Flugplatz-Tower: 8 Euro pro Tag.
fliegermagazin 11/2013